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Die_Auschwitz_l__ge

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<strong>Die</strong> deutschen Besatzungstruppen und vor allem die so <strong>ge</strong>nannte<br />

Zivilverwaltung haben sich auch oft, wie wir alle wissen, nicht immer<br />

sehr beliebt bei der Bevölkerung <strong>ge</strong>macht. Eine Maßnahme, die mir<br />

gar nicht <strong>ge</strong>fiel, war die Enteignung der polnischen Kleinbauern. Sie<br />

mussten ihr Land für die landwirtschaftlichen Betriebe her<strong>ge</strong>ben, die<br />

zum KZ La<strong>ge</strong>r <strong>Auschwitz</strong> <strong>ge</strong>hörten. Doch ich habe mir sa<strong>ge</strong>n lassen,<br />

dass sie dafür entschädigt wurden, und zwar <strong>ge</strong>nauso wie andere<br />

Grundei<strong>ge</strong>ntümer, die ihr Land z. B. für den Bau einer Autobahn<br />

her<strong>ge</strong>ben mussten. Auch Umsiedlungsmaßnahmen hielt ich nicht für<br />

richtig, aber es wurde mir immer wieder versichert, dass diese<br />

niemals zwangsweise erfolgten. Freiheitsentzug ist hart - aber Krieg<br />

ist noch härter, und er wurde auch für uns immer härter und<br />

grausamer. Im Herbst 1944 wurde das KZ in <strong>Auschwitz</strong> zum ersten<br />

Mal von amerikanischen Flie<strong>ge</strong>rn bombardiert. Opfer wurden ca. 20<br />

Häftlin<strong>ge</strong>. Ich selbst hatte den Glauben an den Endsieg mit der<br />

<strong>ge</strong>glückten Landung an der Kanalküste verloren - jedenfalls kamen<br />

mir Zweifel. <strong>Die</strong> Frontberichte wurden immer enttäuschender, und<br />

auch die Häftlin<strong>ge</strong> waren gut unterrichtet - weiß der Teufel von wem.<br />

Für die La<strong>ge</strong>rinsassen wurde in unserem Bereich aber nach wie vor<br />

gut <strong>ge</strong>sorgt. Obersturmbannführer A. hatte durch<strong>ge</strong>setzt, dass<br />

einmal in der Woche der Filmvorführungswa<strong>ge</strong>n in unser La<strong>ge</strong>r kam.<br />

Wir sahen mit den Häftlin<strong>ge</strong>n zusammen u. a. die Filme<br />

"Münchhausen" und "<strong>Die</strong> goldene Stadt". Der Film "Jud Süß" wurde<br />

den Häftlin<strong>ge</strong>n natürlich nicht <strong>ge</strong>zeigt und auch nicht<br />

Propagandafilme wie "Kolberg" und "Kadetten". Im<br />

Gemeinschaftsraum durften auch Gottesdienste der La<strong>ge</strong>rinsassen<br />

ab<strong>ge</strong>halten werden. Ich selbst habe mir verschiedene Gottesdienste<br />

an<strong>ge</strong>hört und muss sa<strong>ge</strong>n, dass sie zum Teil sehr feierlich waren,<br />

besonders die der russisch-orthodoxen Gemeinde, der unsere<br />

russischen Zivilan<strong>ge</strong>stellten an<strong>ge</strong>hörten. Unter den La<strong>ge</strong>rinsassen<br />

hatte sich auch eine Theatergruppe <strong>ge</strong>bildet, und eines abends<br />

luden sie uns zu einer "Faust-Aufführung" ein. Schauspieler hätten<br />

sie nicht besser brin<strong>ge</strong>n können.<br />

Ich selbst hätte zum Winter <strong>ge</strong>rn wieder Studienurlaub <strong>ge</strong>nommen,<br />

aber die Kriegsla<strong>ge</strong> war ernst, und die Aussichten waren schlecht.<br />

Man bot mir einen Fernkursus an. Ich ließ mir Bücher kommen. Ein<br />

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