Flip Nov.2015
Create successful ePaper yourself
Turn your PDF publications into a flip-book with our unique Google optimized e-Paper software.
12 XXXXX Handwerk.schafft.Kultur.<br />
KULTUR JOKER <br />
|<br />
<br />
<br />
Ursprünglich war der Turm des Schwabentors zur<br />
Stadt hin offen, damit im Falle seiner Eroberung die<br />
Angreifer nicht im Schutz des Turmes die Stadt beschießen<br />
konnten. Erst 1547 wurde der Bau auch von<br />
dieser Seite zugemauert und mit einer Uhr versehen.<br />
1572 kam der außenliegende Treppenaufgang hinzu,<br />
der heute in die Zinnfigurenklause führt. Rund 100<br />
Jahre später verzierte der Maler Matthäus Schwäri die<br />
neu entstandene Fläche mit einem Gemälde, auf dem<br />
ein Fuhrmann mit einem von Pferden gezogenen und<br />
mit Fässern beladenen Karren zu sehen ist. Es wurde<br />
im Laufe der Jahrhunderte mehrfach von Künstlern<br />
überarbeitet. Im 19. Jahrhundert kam dann die Legende<br />
vom wohlhabenden Schwaben auf. Besagter<br />
soll mit Fässern voll Gold nach Freiburg gekommen<br />
sein, um die Stadt zu kaufen. Es heißt, die Freiburger<br />
hätten ihn ausgelacht, ihr Spott soll umso größer gewesen<br />
sein, als der Schwabe feststellen musste, dass<br />
seine sparsame Frau die Fässer vor seiner Abfahrt<br />
heimlich mit Sand und Steinen gefüllt hatte.<br />
Ende des 19. Jahrhunderts galt das Schwabentor in<br />
den Augen zahlreicher Geschäftsleute und Bürger<br />
als unmodern. Da es zu dieser Zeit nur einen Durchgang<br />
durch das Tor gab, störte es die Planungen für<br />
die elektrische Straßenbahn. Ein Abriss war im Gespräch.<br />
Oberbürgermeister Otto Winterer, der Freiburgs<br />
Entwicklung zur modernen Großstadt maßgeblich<br />
vorantrieb, prägte den Satz „Das Dorf hat<br />
Dächer, die Stadt hat Türme!“ Durch seine Intervention<br />
wurde der Abriss verhindert, stattdessen wurde<br />
der Turm 1901 von 26 auf 65 Meter erhöht. Der<br />
Karlsruher Architekturprofessor Carl Schäfer setzte<br />
dem Tor einen Treppengiebel im Stil norddeutscher<br />
Stadttürme auf sowie Spitztürmchen, ähnlich derer,<br />
die heute noch das Martinstor zieren. Nach den Umbauten<br />
ragte das Schwabentor stark, der Meinung<br />
einiger Zeitgenossen gar zu stark, unter den umliegenden<br />
Gebäuden hervor. Auf die stadtauswärts gewandte<br />
Seite des Tores malte Fritz Geiges zur selben<br />
Zeit das Gemälde des Freiburger Stadtpatrons Sankt<br />
Georg samt einem von ihm<br />
erlegten Drachen. Bis 1913<br />
wurden schließlich die zum<br />
Schlossberg gewandten Anbauten<br />
im historisierenden<br />
Fachwerkstil sowie der darunterliegende<br />
zweite Tordurchgang<br />
fertiggestellt.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg<br />
waren das Schwabentor und<br />
seine Aufbauten in einem<br />
schlechten Zustand, obwohl<br />
das Gebiet um Oberlinden nicht direkt von Bomben<br />
getroffen wurde. Die Stadt ließ die Aufbauten<br />
aus dem frühen 20. Jahrhundert 1954 zurückbauen.<br />
Ähnlich des ursprünglichen Baus wurde das nunmehr<br />
42 Meter hohe Schwabentor mit einem schlichten<br />
Zeltdach versehen, dessen Spitze mit dem kleinen<br />
zwiebelförmigen Glockenturm abschließt.<br />
Risse im alten Gemäuer<br />
Im Sommer 2012 wurde das Schwabentor mit einem<br />
Gerüst verhüllt und mit der Sanierung begonnen.<br />
Ursprünglich waren lediglich Arbeiten an Fassaden<br />
und Dächern geplant, die bis zum Ende des Jahres<br />
abgeschlossen sein sollten. Beim Entfernen des alten<br />
Putzes traten jedoch Risse im alten Gemäuer zutage.<br />
Sachverständige beobachteten diese über<br />
mehrere Monate, am Ende ihrer Untersuchung<br />
stand fest, dass sowohl die Aufbauten<br />
aus dem frühen 20. Jahrhundert,<br />
als auch Mängel am Fundament für die<br />
Risse verantwortlich waren. Lediglich<br />
die südöstliche Ecke des Tors steht auf<br />
festem Schwarzwaldkies, die restlichen<br />
auf weniger stabilem mittelalterlichen<br />
Schutt.<br />
Das Budget für die Arbeiten musste von<br />
350.000 Euro auf knapp zwei Millionen<br />
erhöht werden, um das Fundament nachträglich<br />
zu verfestigen und das Mauerwerk<br />
mit innen liegenden Metallstreben<br />
zu verstärken. An über 100 Stellen<br />
durchbohrten Fachleute das Gemäuer.<br />
Vor knifflige Aufgaben wurden sie dabei<br />
durch die verschiedenen Gesteinsarten<br />
gestellt, die zum Bau des Tors verwendet<br />
wurden. Zahlreiche Bohrköpfe brachen,<br />
die Arbeiten wurden ausgebremst. Durch<br />
die Bohrungen wurden Metalllanzen unter<br />
das Fundament geschoben, anschließend<br />
die Löcher unter hohem Druck mit<br />
einem schnell härtenden Spezialharz gefüllt. Diese<br />
Arbeiten können nur bei Plusgraden durchgeführt<br />
werden, was zu weiteren Verzögerungen führte.<br />
Im Zuge der Sanierung des Schwabentors beauftragte<br />
die Stadt Freiburg zahlreiche handwerkliche<br />
Gewerke: Steinmetze, Zimmerer, Dachdecker, Gerüstbauer,<br />
Elektriker, Stuckateure sowie Fachrestauratoren<br />
für Wandmalereien und Werksteine. Sie alle<br />
tragen entscheidend zum Erhalt des Kulturerbes bei<br />
und sorgen dafür, dass Freiburg sein 750 Jahre altes<br />
Stadttor erhalten bleibt. Aller Voraussicht nach wird<br />
es ab dem kommenden Frühjahr wieder in neuem<br />
Glanz und auf festem Grund stehen und die jahrhundertealte<br />
Geschichte der Stadt, aber auch die seiner<br />
Handwerker erzählen.<br />
<br />
Himmelsbach <br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Annahmestellen in<br />
allen Stadtteilen