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Flip Nov.2015

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94 FREIZEIT Handwerk.schafft.Kultur.<br />

KULTUR JOKER <br />

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EINE VORLIEBE FÜR VARIABLE<br />

UND MODULARE MÖBEL<br />

<br />

<br />

<br />

„Holz ist ein wahnsinnig flexibler Werkstoff, er<br />

bietet einfach unendliche Gestaltungsmöglichkeiten“,<br />

erzählt die 23-jährige Schreinermeisterin<br />

Marina Maier mit einem Funkeln in den Augen.<br />

Vor fünf Jahren verließ die gebürtige Freiburgerin<br />

ihr Elternhaus in Freiburg-Tiengen, um im rheinhessischen<br />

Bechtheim in die Lehre zu gehen – zur<br />

großen Überraschung ihres Vaters, Schreinermeister<br />

Eberhard Maier und ihrer Familie.<br />

Denn Schreinerin zu werden war nicht immer ihr<br />

Traum. Kreativ war die junge Meisterin schon<br />

immer: sie sang, schrieb, tanzte sieben Jahre lang<br />

klassisches Ballett und spielte Theater, unter anderem<br />

im Theater Freiburg. Erst als sie ein Praktikum<br />

in der väterlichen Schreinerei absolvierte,<br />

entdeckte sie mit 18 Jahren ihre eigene Beziehung<br />

zum Werkstoff Holz und dem Schreinerhandwerk.<br />

Eine Ausbildung bei ihrem Vater kam aber nicht<br />

in Frage: „Ich wollte eigene Erfahrungen sammeln<br />

und einfach rein ins kalte Wasser“, erzählt sie.<br />

Mit einem Schminktisch, den sie während der<br />

Ausbildung entwarf und baute, nahm die junge<br />

Meisterin als Innungszweite am bundesweiten<br />

Wettbewerb „Die gute Form“ teil. Ihre Begeisterung<br />

für die Gestaltungsmöglichkeiten des Holzes<br />

zahlte sich also bereits jetzt aus. Maiers Meisterstück<br />

hingegen ist nicht ein einzelnes Stück sondern<br />

ein Ensemble aus vier Möbeln. „Immer bin<br />

ich auf der Suche nach neuen Herausforderungen.<br />

Ich brauche einfach ein bisschen positiven Stress,“<br />

sagt Marina Maier. Auch bei den Meisterstücken<br />

setzte sie den Schwerpunkt auf das Design. Die<br />

einzelnen Elemente ihres Ensembles liegen zueinander<br />

und in sich selbst im sogenannten Goldenen<br />

Schnitt. „Ich mag variable und modulare Möbel,<br />

die nicht einem festen Zweck dienen, sondern sich<br />

für eine ganze Reihe von Bestimmungszwecken<br />

einsetzten lassen“. Ihre Multifunktionsmöbel<br />

lassen sich drehen, aufklappen und je nach gewünschtem<br />

Einsatzzweck verstellen. Neben Holz<br />

setzt sie diverse weitere Materialien ein: „Ich habe<br />

eine andere Perspektive auf den Werkstoff Holz<br />

als noch die Generation meines Vaters. Ich verbinde<br />

ihn gerne mit anderen Werkstoffen“. So stehen<br />

Maiers Meisterstücke auf Füßen aus verzundertem<br />

Stahl, die Oberflächen sind mit Linoleum<br />

beschichtet.<br />

Ganz reibungslos verliefen Marina Maiers Lehrjahre<br />

allerdings nicht: In ihrem ersten Ausbildungsbetrieb<br />

kamen Teile der Belegschaft nicht<br />

mit einem weiblichen Lehrling zurecht und der<br />

Chef vermochte es nicht, sich im erforderlichen<br />

Maße für die junge Frau einzusetzten. Entmutigt<br />

hat sie das nicht – schnell fand sie eine andere Stelle<br />

und setzte ihre Ausbildung nahtlos fort. „Probleme<br />

mit einer Handwerkerin haben vor allem die,<br />

die noch nie gesehen haben, was eine Frau bezüglich<br />

filigraner Arbeiten alles bauen kann“ sagt<br />

Maier, „in der Schule hat es daher keine Probleme<br />

gegeben. Im Gegenteil: die Frauen arbeiten filigraner,<br />

es geht nicht so viel kaputt und sie haben die<br />

besseren Noten.“<br />

Nun ist Marina Maier zurückgekehrt nach Freiburg<br />

und wird schrittweise die Nachfolge in der<br />

Schreinerei an der Seite ihres Vaters Eberhard<br />

Maier antreten. „Die Möbel, die ich bisher gebaut<br />

habe, sind alles Unikate“, fasst Marina Maier die<br />

Vorzüge des handwerklichen Möbelbaus zusammen,<br />

„sie sind dafür gemacht, ein Leben lang<br />

Freude zu bereiten“.<br />

Man mag gespannt sein, was diese aufgeweckte<br />

junge Meisterin mit so vielseitigen Interessen<br />

noch alles verwirklichen wird.

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