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Stadtmagazin Ausgabe 11

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58 Portrait<br />

+++ Neue Gedankenwelten von unserer Kultbäuerin Lotta +++<br />

7 Uhr morgens in Europa …<br />

Lotta sieht aus dem Fenster, bevor sie in<br />

den von Nebelschleiern kaschierten Dezembermorgen<br />

startet. Das „T-Shirt und<br />

ohne Jackenwetter“ ist nun vorbei, konstatiert<br />

Lotta für sich und strafft das Kletterseil ihrer Gedanken<br />

Stück für Stück. Schließlich hat sie einen<br />

noch weit entfernten Gipfel zu erledigender Arbeiten<br />

vor sich. Ihren Schrank müsste sie auch<br />

so allmählich den aktuellen Temperaturen anpassen.<br />

Sommer nach hinten und Winter nach<br />

vorne. Also los: Die Gummistiefel des Alltags<br />

werden gleich in die gefütterte Version umgetauscht,<br />

um mit Sonne im Herzen und wattierten<br />

Füßen dem Winter Paroli zu bieten.<br />

Auch die Natur hat ihre eigene Weise den<br />

Kleiderschrank neu zu gestalten: Die Sommerbekleidungen<br />

der alten knorzigen Eichen<br />

fallen der Photosynthese zum Opfer und tanzen<br />

bald mit dem Herkules der Winde einen<br />

schnellen Walzer in den Winterschlaf. Die kahlen<br />

Äste trotzen dann der rauen Natur in ihrer<br />

Wintergarderobe. Ach, Lotta wischt sich über<br />

die Stirn, denn nicht nur der Haushalt braucht<br />

Glas-Service<br />

eine Winterkur, sondern auch der Stall, die<br />

Versorgung der Tiere muss den veränderten<br />

Temperaturen angepasst werden.<br />

Da ist bei Mensch und Tier kein Unterschied.<br />

Lotta zieht die Seile ihrer Gedanken an, um<br />

jetzt loszulegen – erst Mal ohne Kaffee und<br />

Frühstück, denn die morgendliche Erstversorgung<br />

der Ferkel und Muttertiere geht vor. Was<br />

in der Praxis bedeutet, dass<br />

a.) In der tierischen Wöchnerinnenstation<br />

die Futterversorgung der Muttertiere und<br />

Ferkel zu garantieren ist und anschließend<br />

die Kontrolle der zehn Tage alten Ferkel zu<br />

erfolgen hat. Auch wichtig: Die Temperatur<br />

der Fußbodenheizung im Ferkelnest muss der<br />

Körpertemperatur der Ferkel angepasst sein.<br />

Dann werden für die Ferkel circa 100 Liter einer<br />

Zusatzferkelmilch angerührt, die durch<br />

Leitungen auf ein Milchtassensystem in jede<br />

Ferkelbucht verteilt wird – die Menge hängt<br />

vom Alter der Kleinen ab, und die säugenden<br />

Muttertiere werden damit entlastet, wenn sich<br />

viele Ferkel im Wurf befinden.<br />

Je nach Größe des Schadens, reparieren wir Ihre<br />

Scheibe oder tauschen sie aus!<br />

GmbH<br />

Otto-Hahn-Straße 10 · 49685 Westeremstek<br />

( 0 44 73 / 94 77 70<br />

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Weiter geht´s mit einer Futter-, Wasser und<br />

Gesundheitskontrolle der Ferkel und auch der<br />

tierischen Wöchnerinnen, anfallende Hygienearbeiten<br />

inklusive.<br />

b.) In dem gegenüber liegendem Abteil befindet<br />

sich der, wenn man es so nennen kann<br />

„aktuelle tierische Kreisssal“, wo in den nächsten<br />

Tagen die Ferkel das Licht der Welt erblicken<br />

werden. Das bedeutet im Moment die<br />

Kontrolle der werdenden Tiermütter, ob sich<br />

nämlich ein Tier schon für einen früheren Geburtstermin<br />

entschieden hat.<br />

Die am Tag zuvor frisch geduschten Tiere<br />

verbreiten eine leichte Duftnote, für Schweine<br />

ein eher ungewöhnlicher Geruch. Das<br />

Duschen aber ist vorbereitend für die Geburt<br />

wichtig, damit Parasiten und Bakterien<br />

abgetötet werden. Und Lotta hat den Eindruck,<br />

dass die Tiere die schäumende Dusche<br />

genießen und sich anschließend im neuen,<br />

ebenfalls frisch gewaschenem Abteil bei<br />

swingenden Oldies des regionalen Radiosenders<br />

einen Platz für die nächsten vier Wochen<br />

(Geburt und Säugezeit) aussuchen konnten.<br />

Lotta bemerkt, dass sich das imaginäre<br />

Sicherungsseil ihrer Planung der Bergtour<br />

Richtung Tagesendgipfels langsam in die<br />

richtige Position zurrt. Sie bringt die Wärmelampen<br />

über den zukünftigen Ferkelnestern<br />

an. Deren Höhe und die Einstellung der Fußbodenheizungstemperatur<br />

im Ferkelnest ist<br />

damit von Kopf bis Fuß auf Winter eingestellt.<br />

Lotta und ihr Mann werden rund um die Uhr<br />

beschäftigt sein, um während der Geburten<br />

dem schweinischen Nachwuchs einen guten<br />

Start ins Leben zu garantieren. Der regionale<br />

Radiosender begleitet sie dabei und sorgt<br />

für ruhige Geburten, zufrieden grunzende<br />

Schweine und guter Laune bei der Arbeit für<br />

Lotta und ihrem Mann. Mit Musik geht eben<br />

alles leichter.<br />

Nach dieser Erstversorgung im Stall und bei<br />

der Planung der noch zu erledigenden Stationen<br />

wird das Seil ihres alltäglichen Trampelpfads<br />

erneut gesichert. Der morgendliche<br />

Nebel hatte sich gelichtet. Der Mond würde<br />

wie jeden Tag von der Sonne abgelöst werden,<br />

und genau wie der Winter den Sommer<br />

für einen neuen Zyklus abgetrennt hat, dreht<br />

sich der Kreislauf der Welt weiter.<br />

Auch auf dem Hof, wo Lotta irgendwann,<br />

wenn der Mond die Sonne ablöst und Lotta<br />

am täglichen Gipfel der erledigten Arbeiten<br />

angekommen ist, mit gipfelstürmenden Gedanken<br />

aus ihren wattierten Gummistiefeln<br />

steigen wird, um mit ihrem Mann den verdienten<br />

Feierabend zu genießen. Dabei wird<br />

sie, wie so oft ein stummes Danke dafür nach<br />

oben senden, auf dass das Sicherungsseil der<br />

Liebe nie reißen möge.<br />

Das wünsche ich auch Ihnen für 2016 –<br />

Ihre Heike Bünger

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