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Zur Gesundheit 02_2019 Frankfurt

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PSYCHISCHE GESUNDHEIT<br />

Typischerweise ist bei einer Angsterkrankung die Angstreaktion,<br />

obwohl erkennbar unbegründet, ausgesprochen<br />

stark in der körperlichen Symptomatik, überaus<br />

plötzlich und unberechenbar in ihrem Auftreten und<br />

mitunter auch recht lange anhaltend. Die krankhafte<br />

Angst ist durch die Betroffenen meist weder zu erklären<br />

noch zu beeinflussen und erst recht nicht in der Situation<br />

alleine zu bewältigen. Als körperliche Symptome<br />

treten meist Herzklopfen, beschleunigter Puls, Schwindel,<br />

Schwitzen, Zittern, Mundtrockenheit und Hitzewallungen<br />

auf. Außerdem kann es zu Übelkeit, Erbrechen<br />

und Durchfall sowie zu Atembeschwerden oder<br />

Beklemmungen und Schmerzen im Brustbereich kommen.<br />

Häufig sind auch vorübergehende Sprach- und<br />

Artikulationsstörungen zu beobachten. Darüber hinaus<br />

wird die Angststörung zumeist von einem starken Unwirklichkeitsempfinden,<br />

negativen Gedanken und dem<br />

Gefühl eines allgemeinen Kontrollverlusts begleitet.<br />

Deshalb führt eine Angststörung auch abseits der akuten<br />

Angstzustände zu deutlichen Beeinträchtigungen in<br />

der Lebensqualität der Betroffenen, weil die Patienten<br />

zu Vermeidungsstrategien neigen, die ihr Sozial- Familien-<br />

und Berufsleben schwer in Mitleidenschaft ziehen<br />

können.<br />

Die verschiedenen Angststörungen lassen sich grob in<br />

den Bereich der Phobien und den Bereich der allgemeineren,<br />

unspezifischen Angststörungen einteilen. Phobien<br />

sind dabei auf konkrete Dinge ausgerichtet und an<br />

bestimmte auslösende Objekte, Situationen oder Räumlichkeiten<br />

gebunden. Das kann etwa die Flugangst sein,<br />

die Höhenangst, die Angst vor Menschenmengen, die<br />

Angst vor öffentlichen Plätzen, die Angst vor Spinnen<br />

oder die Angst vor Spritzen. Bei unspezifischen Angststörungen<br />

treten die Angstreaktionen dagegen spontan<br />

und ohne speziellen Anlass auf. Es können zumeist keine<br />

bestimmten Situationen oder Objekte als unmittelbare<br />

Auslöser festgemacht werden, wenngleich natürlich<br />

externe Faktoren wie beruflicher Stress oder Streit<br />

in der Familie prinzipiell zur Verschlimmerung der Problematik<br />

beitragen können. In vielen Fällen gesellt sich<br />

zu der Angst auch eine Depression – oder umgekehrt.<br />

Eine sogenannte Generalisierte Angststörung liegt vor,<br />

wenn Angstsymptome, die sich nicht auf bestimmte<br />

Situationen beschränken, den Patienten dauerhaft begleiten.<br />

Dabei steht eine diffuse Angst im Vordergrund,<br />

die mit starker nervlicher Anspannung und ständigen<br />

Sorgen und Befürchtungen einhergeht. Betroffene befürchten<br />

beispielsweise beruflichen oder finanziellen<br />

Misserfolg oder dass sie selbst oder Angehörige schwer<br />

erkranken oder Unfälle erleiden könnten. Hinzu kommt<br />

das ganze Spektrum der oben genannten körperlichen<br />

Symptomatik. Besonders extrem in ihrer Ausprägung<br />

sind Panikstörungen, also spontan und ohne erkennbaren<br />

Anlass auftretende, schwere Angstattacken, die den<br />

Betroffenen für einige Minuten massiv körperlich angreifen.<br />

Panikattacken äußern sich typischerweise durch<br />

plötzliches Herzklopfen, Herzrasen, Brustschmerzen,<br />

Erstickungsgefühle, Zittern, Schwitzen und Schwindel.<br />

Währenddessen leiden die Betroffenen oft unter Todesangst,<br />

da sie die Symptome fehlinterpretieren und<br />

beispielsweise einen Herzinfarkt vermuten. In der Folge<br />

entsteht aufgrund der Unberechenbarkeit von Panikattacken<br />

auch oft eine ständige Angst vor der Angst.<br />

Bei sämtlichen Angststörungen steht das ärztliche oder<br />

psychotherapeutische Gespräch im Mittelpunkt der<br />

Diagnostik. Ein Arzt stellt aufgrund der im Patientengespräch<br />

geschilderten Symptome eine Verdachtsdiagnose<br />

und veranlasst eine gründliche körperliche Untersuchung,<br />

um organische Ursachen für die Beschwerden,<br />

beispielsweise eine Herzerkrankung oder eine Hormonstörung,<br />

ausschließen zu können. Wenn keine organische<br />

Erkrankung vorliegt, erfolgt eine psychiatrische<br />

oder psychotherapeutische Behandlung. Wie bei den<br />

meisten anderen psychischen Erkrankungen kommt<br />

auch bei der Therapie von Angststörungen zumeist<br />

eine Kombination verschiedener psychotherapeutischer<br />

und medikamentöser Behandlungsverfahren zum<br />

Einsatz. Insbesondere zu Beginn der Behandlung helfen<br />

verschiedene gut erprobte Mittel aus der Gruppe<br />

der angstlösend und antidepressiv wirkenden Medikamente<br />

gegen die schlimmsten akuten Beschwerden.<br />

In der begeleitenden Psychotherapie kommen verhaltenstherapeutische<br />

sowie psychoanalytische und tiefenpsychologische<br />

Therapieformen zum Einsatz. Bei<br />

der Verhaltenstherapie werden vor allem Strategien der<br />

Alltagbewältigung trainiert, während die psychoanalytischen<br />

Verfahren darauf abzielen, die tiefer liegenden<br />

Ursachen der seelischen Erkrankung aufzudecken und<br />

aufzuarbeiten. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen<br />

in Selbsthilfegruppen und verstärkte sportliche<br />

Betätigung können wichtige Ergänzungen zu diesem<br />

therapeutischen Angebot darstellen. Als punktuell hilfreich<br />

haben sich auch verschiedene Entspannungsverfahren<br />

wie autogenes Training, Meditation und Hypnose<br />

erwiesen. Diese ergänzenden Maßnahmen sollten<br />

allerdings keineswegs als gleichwertiger Ersatz für eine<br />

ärztliche Behandlung missverstanden werden.<br />

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