11.12.2019 Aufrufe

Life Channel Magazin Januar 2020

Ersehnt und abgelehnt. Abschied und Neuanfang. Ruhe und Aktion. Abbruch und Aufbruch. Freud und Leid. Altes und Neues. Sicherheit und Unsicherheit. Kaum ein Wort beinhaltet mehr Gegensätze als das Wort «Pensionierung». Wir haben bei drei Personen nachgefragt, was die Pensionierung bei ihnen bewirkt hat.

Ersehnt und abgelehnt. Abschied und Neuanfang. Ruhe und Aktion. Abbruch und Aufbruch. Freud und Leid. Altes und Neues. Sicherheit und Unsicherheit. Kaum ein Wort beinhaltet mehr Gegensätze als das Wort «Pensionierung». Wir haben bei drei Personen nachgefragt, was die Pensionierung bei ihnen bewirkt hat.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

| THEMA<br />

Nicht mehr müssen,<br />

aber noch ganz viel können.<br />

dir jemand freundlich einschmeichelnd ins<br />

Ruhestandsgesicht: «Du hast doch jetzt<br />

Zeit.» Dabei verbirgt er verschämt hinter<br />

seinem Rücken ein kleines oder grosses<br />

Jobangebot. Das ist eine Chance. Aber es ist<br />

auch eine Gefahr. Du musst aufpassen, dass<br />

du nicht auf allzu viele neue Fremdbestimmungen<br />

hereinfällst. Auch wenn du das so<br />

gewöhnt bist seit Jahrzehnten. Denn dann<br />

wird dein gerade erobertes Freiheitsland<br />

schnell zum Hoheitsgebiet wohlmeinender<br />

Mitmenschen. Du musst dich engagieren,<br />

klar. Aber auf selbst gewählten Feldern.<br />

Prüfen, prüfen, prüfen musst du. Nicht<br />

gleich zusagen. Vor allem nicht zwischen<br />

NICHTSTUN<br />

Unterwegs sein<br />

FREIWILLIGENARBEIT<br />

HOBBYS PFLEGEN<br />

Angel und Tür. Ich weiss, wovon ich rede.<br />

Das kleine Wörtchen «Nein» ist mir noch nie<br />

leicht über die Lippen gekommen. Warum<br />

sollte es jetzt leichter fallen? Aber ich übe.<br />

Noch am vergangenen Sonntag hatte einer<br />

eine, wie er fand, «hervorragende Idee», die<br />

mich viele Tage im Jahr gekostet hätte. Ich<br />

wusste gleich, dass ich nicht wollte. Vor<br />

allem auch, Pardon, nicht mit ihm wollte.<br />

Das wäre nichts geworden. Erst habe ich ihn<br />

hingehalten. Habe meinen vollen Terminkalender<br />

bemüht. Ihn um Bedenkzeit gebeten.<br />

Aufschieben und aussitzen aber löst nur<br />

selten ein Problem. Vor allem, wenn man<br />

längst weiss, was man will. Und was nicht.<br />

Also habe ich’s ihm ein paar Minuten später<br />

klar gesagt: «Sei mir nicht böse, aber ich<br />

will nicht.» Er war ein bisschen böse. Klar.<br />

Aber ich war ein bisschen stolz. Ich hatte<br />

Nein gesagt. Ohne Begründung. Und ohne<br />

schlechtes Gewissen. «Nein» ist ein ganzer<br />

Satz, hat mal jemand gesagt.<br />

Das Land der selbst gewählten Möglichkeiten<br />

sieht aktuell so aus: schreiben, lesen,<br />

Gitarre üben, organisieren, planen, einkaufen,<br />

kochen, Beziehungen auffrischen, sich<br />

bewegen … Die Tage sind gut gefüllt und nie<br />

langweilig. Manchmal frage ich mich, wie<br />

ich eigentlich bis vor ein paar Wochen noch<br />

zusätzlich mein Büro geschafft habe. Und<br />

den ERF. Und die Allianz. Und so. Klar, es<br />

geht alles ein bisschen langsamer, bedächtiger<br />

und bedachter, intensiver. Das Konzert,<br />

das ich am Donnerstag beim Frauenfrühstückstreffen<br />

in unserer Kreuzkirche geben<br />

darf, bereite ich erheblich ausführlicher vor,<br />

als ich das früher gemacht habe. Da übe ich<br />

das eine oder andere Lied neu ein. Denke<br />

mir zuweilen sogar eine neue Melodie aus,<br />

wenn mir die alte nie so richtig gefallen hat.<br />

Probiere neue Pickings auf der Gitarre. Das<br />

musste «früher» alles eher nebenbei gehen.<br />

Ging ja auch. Irgendwie. Aber jetzt muss es<br />

das nicht mehr. Was mir guttut. Und meinen<br />

Zuhörerinnen und Zuhörern dann hoffentlich<br />

auch. Dieses Land der selbst gewählten<br />

Möglichkeiten ist ein buntes Abenteuerland.<br />

Ein Überraschungsland. Nicht mehr müssen<br />

müssen. Nur noch wollen wollen,<br />

können können, dürfen dürfen. Tut mir leid,<br />

ihr bedauernswerten Noch-Angestellten:<br />

Dieses neue Leben macht Spass. Es ist ja<br />

auch ein volles, ganzes, uneingeschränktes<br />

Leben. Nicht nur ein «Leben danach» …<br />

Fangt allerdings bitte rechtzeitig an, euch<br />

auf dieses Leben vorzubereiten. Erkundet<br />

die Möglichkeiten, zwischen denen ihr<br />

wählen wollt. Probiert schon jetzt aus, was<br />

euch ausfüllen und anderen Freude machen<br />

könnte. Es gibt sooo viel … Altes und – Neues.<br />

ZUR PERSON<br />

Jürgen Werth, Jahrgang 1951, ist Journalist<br />

und Prediger, Buchautor und Fernsehmoderator,<br />

Wortmaler und Erzählsänger. Bis zu<br />

seinem Ruhestand war er langjähriger Chef<br />

von ERF Medien Deutschland.<br />

<strong>Life</strong> <strong>Channel</strong> <strong>Magazin</strong> | <strong>Januar</strong> <strong>2020</strong> | 7

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!