DVS_Bericht_386LP
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2023<br />
<strong>DVS</strong>-BERICHTE<br />
43. Assistentenseminar<br />
Fügetechnik
43. Assistentenseminar<br />
Füge- und Schweißtechnik<br />
Vorträge der gleichnamigen Veranstaltung<br />
in Schwarzenberg vom 27. bis 29. September 2022<br />
Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik,<br />
RWTH Aachen<br />
Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb,<br />
Technische Universität Berlin<br />
Institut für Füge- und Schweißtechnik,<br />
Technische Universität Braunschweig<br />
Professur Schweißtechnik<br />
Technische Universität Chemnitz<br />
Institut für Schweißtechnik und Trennende<br />
Fertigungsverfahren, Technische Universität Clausthal<br />
Institut für Fertigungstechnik,<br />
Technische Universität Dresden<br />
Institut für Werkstoff- und Fügetechnik,<br />
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />
Lehrstuhl für Werkstofftechnik der Additiven Fertigung,<br />
Technische Universität München
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek<br />
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen<br />
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de<br />
abrufbar.<br />
Das Assistentenseminar Füge- und Schweißtechnik findet mit wechselndem Veranstalter statt. Das<br />
43. Assistentenseminar wurde von der Professur Schweißtechnik der Technischen Universität<br />
Chemnitz durchgeführt.<br />
<strong>DVS</strong>-<strong>Bericht</strong>e Band 386<br />
ISBN 978-3-96144-212-6 (Print)<br />
ISBN 978-3-96144-213-3 (E-Book)<br />
Alle Rechte, einschließlich Übersetzungsrecht, vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung jeglicher Art<br />
dieses Bandes oder von Teilen desselben nur mit Genehmigung der <strong>DVS</strong> Media GmbH, Düsseldorf.<br />
© <strong>DVS</strong> Media GmbH, Düsseldorf 2023<br />
Herstellung: WIRmachenDRUCK GmbH, Backnang
Vorwort<br />
Zum 43. Assistentenseminar lud die Wissenschaftliche Gesellschaft Fügetechnik (WGF) e.V. im <strong>DVS</strong> die großen<br />
schweißtechnischen Institute Deutschlands ein. Die Organisation wurde in diesem Jahr durch die Professur<br />
Schweißtechnik der Technischen Universität Chemnitz durchgeführt.<br />
An der Veranstaltung haben folgende Institute teilgenommen:<br />
• Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik, RWTH Aachen<br />
• Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb, Technische Universität Berlin<br />
• Institut für Füge- und Schweißtechnik, Technische Universität Braunschweig<br />
• Professur Schweißtechnik, Technische Universität Chemnitz<br />
• Institut für Schweißtechnik und Trennende Fertigungsverfahren, Technische Universität Clausthal<br />
• Institut für Fertigungstechnik, Technische Universität Dresden<br />
• Institut für Werkstoff- und Fügetechnik, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg<br />
• Lehrstuhl für Werkstofftechnik der Additiven Fertigung, Technische Universität München<br />
Die Veranstaltung fand vom 27. September bis 29. September 2022 im Hotel Neustädter Hof in Schwarzenberg<br />
(Erzgebirge) statt. Die Teilnehmeranzahl betrug 39 Personen. Hierbei wurden durch junge Wissenschaftlerinnen und<br />
Wissenschaftler insgesamt 22 Fachvorträge vorgetragen und anschließend rege diskutiert. Dabei wurden grundlagenund<br />
anwendungsorientierte Forschungsergebnisse aus nahezu allen Themenbereichen der Fügetechnik vorgestellt<br />
und diskutiert.<br />
Diese Veranstaltung fördert den Dialog zwischen jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit Fachkollegen,<br />
Oberassistenten und Professoren. Neben dem fachlichen Austausch zu schweißtechnischen Themen bietet das<br />
Seminar den jungen Wissenschaftlern die Möglichkeit sich in der Fachwelt zu vernetzen, frei nach dem Motto „Fügen<br />
verbindet“. Die Gruppe besuchte im Rahmen des Kulturprogramms das Besucherbergwerk „Zinnkammern“ in Pöhla.<br />
In der ehemaligen Abbaustätte des Wismutbergbaus in der Kulturregion Erzgebirge wurden seit 1967 Erze aus<br />
Komplexlagerstätten gefördert. Nach der Einfahrt mit der Grubenbahn und der interessanten Führung konnte sich<br />
untertage mit „Bergbrot“ gestärkt werden. Glück Auf!<br />
Die Veranstaltung und die Publikation des <strong>Bericht</strong>ebandes wurden finanziell durch den <strong>DVS</strong> – Deutscher Verband für<br />
Schweißen und verwandte Verfahren e. V. sowie die Wissenschaftliche Gesellschaft Fügetechnik (WGF) e.V. im <strong>DVS</strong><br />
unterstützt. Den Sponsoren sei hiermit herzlichst gedankt!<br />
Prof. Dr.-Ing. Jonas Hensel
Vortragsabfolge<br />
AUTOR TITEL SEITE<br />
J. Arnhold<br />
A. Biber<br />
J. Diniz e Castro<br />
M. Epperlein<br />
F. Funcke<br />
M. Gamerdinger<br />
T. Hertzschuch<br />
M. Köhler<br />
Dr.-Ing. M. Leicher<br />
A. Maidanovych<br />
R. Marquardt<br />
T. Müller<br />
M. Neumann<br />
Anwendung einer Aufbaustrategie beim additiven<br />
Kaltgasspritzen<br />
Sensorkonzept zur optischen Prozessbeobachtung beim<br />
Metallschutzgasschweißen<br />
Einfluss der Schnittkantennachbehandlung auf die<br />
Schwingfestigkeit thermisch geschnittener Kanten<br />
Widerstandspunktschweißen von Aluminium-<br />
Mischverbindungen<br />
Maschinelles Lernen zur Vorhersage mechanischer<br />
Kennwerte im LPBF-Verfahren<br />
Erstellung neuartiger Legierungszusammensetzungen für<br />
den Laserstrahlschweißprozess<br />
Qualitätsüberwachung von Buckelschweißverbindungen<br />
mittels Maschinellem Lernens<br />
Herstellung von Aluminiumschaumstrukturen mittels Wire<br />
and Arc Additive Manufacturing<br />
Qualifizierung des Prüfkörpers zur Bestimmung des<br />
Geschwindigkeitseinflusses auf den<br />
Haftreibungskoeffizienten in vorgespannten Verbindungen<br />
Ansatz zur Rahmenstrukturgewichtsreduzierung durch<br />
Profiloptimierung<br />
Laser-Pulver-Auftragschweißen von funktional gradierten<br />
Materialien auf Cobalt-Chrom Basis<br />
Entwicklung einer schweißtechnisch verarbeitbaren<br />
Superlegierung mit intermetallischer Verstärkung gegen<br />
Erosionskorrosion<br />
Qualifizierung einer Methode zum reproduzierbaren Fügen<br />
von definierten Schweißverbindungen aus hochfesten<br />
Feinkornbaustählen<br />
1<br />
9<br />
15<br />
22<br />
30<br />
37<br />
44<br />
53<br />
59<br />
65<br />
71<br />
77<br />
84
S. N. Putra<br />
T. Richter<br />
R. Rimpl<br />
R. Scharf-Wildenhain<br />
P. Schilling<br />
K. Srinivasan<br />
L. Uhlenberg<br />
M. Ullrich<br />
T. Werner<br />
Der Einfluss verschiedener räumlicher<br />
Diskretisierungsansätze des Ray-Tracing-Verfahrens bei der<br />
Simulation des Laserstrahltiefschweißen<br />
Bestimmung des temperaturabhängigen hemisphärischen<br />
Gesamt-Emissionsgrades an verschiedenen<br />
Blechoberflächen<br />
Betrachtung von Gradierungsverläufen additiver<br />
Strukturen für hoch-beanspruchte Motorenkomponenten<br />
mittels Hochleistungs-TPPA<br />
Korrelation von Wärmeführung, Nahtgeometrie,<br />
Bauteildesign und Eigenspannungen bei DED-Arc mit<br />
hochfesten Zusatzwerkstoffen<br />
Werkstückablösemechanismen bei der additiven Fertigung<br />
mittels Draht und Lichtbogen<br />
Laser metal deposition of RENE 80 – microstructure and<br />
solidification behaviour modelling<br />
Schwingfestigkeit reibgeschweißter Verbindungen<br />
unterschiedlicher Stähle mit Wulst<br />
Prozessüberwachung des Widerstandspunktschweißens<br />
auf Basis des Elektrodenweges<br />
Schwingfestigkeitsoptimierung durch<br />
Schweißnachtnachbehandlung<br />
91<br />
103<br />
111<br />
119<br />
127<br />
135<br />
141<br />
148<br />
157<br />
Autorenverzeichnis ………………………………………………………………………………………. 164
Anwendung einer Aufbaustrategie beim additiven Kaltgasspritzen<br />
J. Arnhold 1 , P. Kindermann 2<br />
1<br />
Technische Universität München, School of Engineering and Design, Lehrstuhl für Werkstofftechnik der<br />
Additiven Fertigung, München<br />
2<br />
Fraunhofer Institut für Gießerei-, Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV, Augsburg<br />
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Anwendung einer Aufbaustrategie beim additiven Kaltgasspritzen<br />
unter besonderer Berücksichtigung der Endkonturnähe und erreichbaren Aufbauhöhe. Beim Kaltgasspritzen<br />
wird das pulverförmige Ausgangsmaterial in einem Hochdruckgasstrom beschleunigt und trifft mit hoher<br />
Geschwindigkeit auf das Substrat. In Folge starker Verformung aufgrund der hohen kinetischen<br />
Energieeinwirkung beim Aufprall wird eine fest haftende Schicht auf dem Substrat erzeugt. Bei mehrlagigen<br />
Aufträgen unter einem bevorzugten Auftragswinkel von 90° bildet sich bei der Verwendung des Werkstoffs<br />
CuCr1Zr ein dreieckiges Spurprofil aus. Dies verhindert die Anbindung weiterer Pulverpartikel und begrenzt<br />
somit die Anwendung des Verfahrens im Kontext der additiven Fertigung. Die Umsetzung einer Aufbau- bzw.<br />
Bahnplanungsstrategie ist daher für die additive Anwendung des Verfahrens unumgänglich. Durch die<br />
Auswertung von Einzelspuren konnten geeignete Werte für kinematische Parameter ermittelt werden, die der<br />
Entstehung des charakteristischen Spurprofils entgegenwirken. Unter Verwendung einer angepassten<br />
Aufbaustrategie wurde eine Wandgeometrie mit dem Werkstoff CuCr1Zr hergestellt.<br />
1 Einleitung<br />
Das Fertigungsverfahren Kaltgasspritzen wird den thermischen Spritzverfahren zugeordnet und wird<br />
vorwiegend als Beschichtungsprozess in der Elektro-, Luft- und Raumfahrt sowie Offshoreindustrie eingesetzt.<br />
Dabei werden Pulverpartikel in einen Prozessgasstrom eingeleitet und durch eine Lavaldüse auf<br />
Überschallgeschwindigkeit beschleunigt, bevor diese auf dem Substrat auftreffen und eine fest haftende<br />
Schicht bilden [1, 2]. Abbildung 1 zeigt eine Übersicht thermischer Spritzverfahren in Abhängigkeit der<br />
Gastemperatur und Partikelgeschwindigkeit.<br />
Abbildung 1. Thermische Spritzverfahren in Abhängigkeit der Partikelgeschwindigkeit und Gastemperatur nach [2, 3, 4]<br />
Die Technologie des Kaltgasspritzens basiert auf einer – in Folge hoher kinetischer Energieeinwirkung<br />
auftretenden – plastischen Verformung der Pulverpartikel, ohne dass schmelzflüssige Phasen an dem<br />
Verfestigungsprozess beteiligt sind [1, 2]. Die maximalen Prozesstemperaturen liegen folglich immer unterhalb<br />
des Schmelzintervalls der verwendeten Werkstoffe. Dieser Aspekt ist primär ausschlaggebend für die<br />
Eigenschaften der resultierenden Aufträge. Die geringen Prozesstemperaturen unterbinden thermisch<br />
induzierte Phasenumwandlungen und verhindern unerwünschtes Kornwachstum und Oxidationsvorgänge,<br />
sodass die Eigenschaften des Ausgangsmaterials weitestgehend erhalten bleiben [1]. Durch die starke<br />
plastische Verformung der Pulverpartikel weisen kaltgasgespritzte Aufträge typischerweise<br />
Druckeigenspannungen über die gesamte Schichtdicke auf [1, 5].<br />
<strong>DVS</strong> 386 1
Aufgrund hoher erreichbarer Aufbauraten in Verbindung mit dem geringen Wärmeeintrag und den sich daraus<br />
ergebenden Eigenschaften, zeigt das Verfahren ein großes Potential sowohl für den Einsatz auf dem Gebiet<br />
der additiven Fertigung zur Herstellung von Freiformkörpern als auch im Kontext von Reparaturanwendungen<br />
für beschädigte Bauteile [6]. Bei der Fertigung mehrlagiger Aufträge unter einem Auftragswinkel von 90° bildet<br />
sich ein gaußförmiges Spurprofil, welches sich bei fortwährender Materialablagerung zu einer dreieckigen<br />
Spurgeometrie entwickelt. Die Entstehung dieser ist im Wesentlichen auf die unterschiedlichen<br />
Geschwindigkeiten der Pulverpartikel im Spritzstrahl zurückzuführen [7]. Sobald die dreieckige Spurgeometrie<br />
vollständig ausgebildet ist, verhindert diese eine weitere Materialanbindung, sodass im Anschluss auftreffende<br />
Pulverpartikel an den Seitenflächen der dreieckigen Kontur abgeschieden werden [7]. Dieser Effekt verhindert<br />
bereits die Fertigung geometrisch primitiver Freiformkörper, sodass die Anwendung einer – auf die<br />
entstehende Spurgeometrie angepasste – Aufbaustrategie zwingend notwendig ist.<br />
2 Stand der Technik<br />
2.1 Kaltgasspritzen – Grundlagen und Verfahrensprinzip<br />
Die Bezeichnung „Kaltgasspritzen“ ist auf die im Rahmen der Verfahrensentwicklung nicht oder kaum<br />
aufgeheizten Gasströme zurückzuführen [8]. Heutzutage wird hingegen mit aufgeheizten Gasströmen von bis<br />
zu 1100°C gearbeitet. Das Erhitzen des Gasstromes begünstigt zum einen die Anhaftung der Pulverpartikel<br />
auf dem Substrat, da eine erhöhte Gastemperatur mit einer erhöhten Partikeltemperatur einhergeht und<br />
letztendlich in einem verbessertem Verformungsverhalten der Partikel beim Aufprall resultiert [8, 9]. Zum<br />
anderen wird mit steigender Temperatur die lokale Schallgeschwindigkeit des Gases erhöht, sodass sich eine<br />
gesteigerte Strömungsgeschwindigkeit des Pulvergasstromes einstellt und die Partikel mit einer höheren<br />
Geschwindigkeit auf das Substrat treffen [8].<br />
Kaltgassysteme sind in zwei unterschiedlichen Ausführungen erhältlich, wobei grundsätzlich zwischen Niederund<br />
Hochdrucksystemen differenziert werden kann [2]. Niederdrucksysteme (engl. Low-pressure cold spray<br />
(LPCS)) werden typischerweise mit einem Maximaldruck bis zu 1 MPa betrieben, während bei<br />
Hochdrucksystemen (engl. High-pressure cold spray (HPCS)) der Pulvergasstrom mit bis zu 7 MPa eingeleitet<br />
wird [2, 5]. Abbildung 2 zeigt die Anordnung der Systemkomponenten bei einem Hochdruckkaltgassystem.<br />
Abbildung 2. Funktionsprinzip und Systemkomponenten eines Hochdruckkaltgassystems nach [10,11]<br />
2.2 Bindungsmechanismus und Schichtaufbau<br />
Die durch das Kaltgasspritzen hervorgerufene Materialverfestigung beruht auf komplexen Verformungs- und<br />
Bindungsmechanismen. Von zentraler Bedeutung ist in diesem Kontext die Partikelgeschwindigkeit (vp) der<br />
Pulverpartikel. Materialabhängig muss ein bestimmter Wert – die sogenannte kritische Geschwindigkeit (vcr) –<br />
überschritten werden, um statt der erosiven Wirkung eine Anhaftung bzw. Ablagerung der Partikel zu erreichen<br />
[2, 10]. Das Erreichen der kritischen Geschwindigkeit hängt maßgeblich von den Materialeigenschaften der<br />
Pulverwerkstoffe wie beispielsweise der Dichte, dem Partikeldurchmesser, der spezifischen Wärmekapazität<br />
oder auch der temperaturabhängigen Festigkeit ab [5, 12].<br />
Der Schichtaufbau duktiler Partikel kann gemäß [10, 11] in die in Abbildung 3 dargestellten vier Phasen<br />
unterteilt werden. Zuerst erfolgt die Anbindung an das Substrat bevor in der zweiten Phase das Auftreffen<br />
nachfolgender Pulverpartikel auf der Initialschicht zu einer Neuorientierung führt bei gleichzeitiger plastischer<br />
Verformung, wodurch in der dritten Phase eine weitere Verdichtung erreicht wird. Durch diese Verdichtung<br />
werden Hohlräume zwischen den Partikeln geschlossen, sodass sich eine metallurgische Bindung zwischen<br />
den Partikeln einstellt [10, 11]. In der letzten Phase kommt es zu einer Verfestigung der Pulverpartikel durch<br />
Kaltverformung aufgrund des fortwährenden Aufpralls von Partikeln [2, 10, 11].<br />
2<br />
<strong>DVS</strong> 386
Abbildung 3. Phasen des Schichtaufbaus duktiler Partikel beim Kaltgasspritzen nach [10, 11]<br />
Gemäß [13] ist das annähernd gaußförmige Spurprofil beim Kaltgasspritzen auf die unterschiedlichen<br />
Geschwindigkeiten der Partikel im Zentrum und Randbereich des Sprühstrahls zurückzuführen. Im<br />
Zusammenhang mit der höheren Partikelgeschwindigkeit im Strahlzentrum wird gegenüber der Peripherie eine<br />
größere Anzahl an Partikeln aufgetragen [7, 13]. Zusätzlich weisen die Partikel in der Mitte des Spurprofils<br />
einen größeren Partikeldurchmesser auf. Daraus resultiert eine stetig zunehmende Ablagerung im<br />
Zentrumsbereich [7]. Bei geringer Verfahrgeschwindigkeit und/oder mehrlagigen Aufträgen entsteht aus der<br />
zunächst gaußförmigen Spurgeometrie ein dreieckiges Spurprofil. Der abnehmende – und damit progressiv<br />
von 90° abweichende – Auftragswinkel erschwert die Anbindung weiterer Partikel, wie es Abbildung 4<br />
verdeutlicht. Dadurch verringert sich zunächst die Auftragseffizienz, bevor bei vollständiger Ausbildung des<br />
dreieckigen Spurprofils überhaupt keine Materialablagerung mehr stattfindet [7].<br />
Abbildung 4. Aufprallbedingungen im Falle einer hohen (links) und niedrigen (rechts) Auftragseffizienz [7]<br />
2.3 Optimierung der Aufbaustrategie nach dem Ansatz von H. Wu<br />
Von grundlegender Bedeutung bei der Entwicklung einer Aufbaustrategie ist die Bestimmung relevanter<br />
Einflussgrößen hinsichtlich des Schichtentstehungsprozesses. Unter Berücksichtigung der charakteristischen<br />
Spurgeometrie und auf Basis von durchgeführten Simulationen im Rahmen einer vorangegangenen<br />
Untersuchung [14] konnten drei zentrale kinematische Parameter für die Kontrolle des Schichtprofils<br />
identifiziert werden. Dabei handelt es sich neben der Schichthöhe (d) um den seitlichen Versatz (s) und den<br />
Anstellwinkel (θ) der Düse. Abbildung 5 verdeutlicht die Umsetzung der Aufbaustrategie auf Basis der zuvor<br />
genannten Parameter.<br />
Abbildung 5. Schematische Darstellung der Aufbaustrategie unter Berücksichtigung zentraler kinematischer<br />
Parameter [7]<br />
<strong>DVS</strong> 386 3
Durch das Anstellen der Düse unter Berücksichtigung eines horizontalen Versatzes in Richtung des<br />
Randbereiches der Spurgeometrie, besteht die Möglichkeit, dass zu den Seiten abflachende<br />
Beschichtungsprofil auszugleichen [7]. Das Kippen der Düse führt außerdem dazu, dass ein nahezu<br />
senkrechter Auftragswinkel gewahrt wird, sodass nachteilige Auswirkungen auf die Auftragseffizienz<br />
unterbunden werden [7]. Somit besteht jede Schicht aus einer mittleren sowie einer linken und rechten Spur,<br />
wobei die mittlere Spur stets zuerst aufgetragen werden muss.<br />
3 Experimentelle Untersuchungen<br />
3.1 Verfahrensprinzip und Zielkriterien<br />
Um einen Vergleich mit bestehenden Aufbaustrategien zu ermöglichen, wird die Fertigung einer vertikalen<br />
Steggeometrie angestrebt, die im Bereich additiver Fertigungsverfahren eine gängige Testgeometrie darstellt.<br />
Darüber hinaus bildet die Herstellung einer solchen Struktur die Grundlage für die Fertigung geometrisch<br />
komplexerer Freiformkörper. Von grundlegender Bedeutung bei der Entwicklung einer Aufbaustrategie ist die<br />
Bestimmung relevanter Einflussgrößen hinsichtlich des Schichtentstehungsprozesses. Auf Basis der zuvor<br />
beschriebenen Aufbaustrategie wird zunächst eine Spur unter einem Auftragswinkel von 90° (mittlere Spur)<br />
aufgetragen. Im Anschluss werden die beiden seitlichen „Ausgleichsspuren“ durch das Neigen der<br />
Kaltgaskanone um einen Winkel von θ = 30° aufgebracht [7]. Zusätzlich werden die beiden seitlichen Spuren<br />
um einen seitlichen Versatz von s = 2σ (bezogen auf die Breite einer Einzelspur bei gleichen Parametern)<br />
ergänzt [7]. Für die nächste Schicht erfolgt eine Erhöhung in z-Richtung um die Schichthöhe (d). Abbildung 6<br />
zeigt zur Verdeutlichung die Position der Kaltgaskanone bei der Durchführung des zuvor erläuterten<br />
Programmablaufs.<br />
Abbildung 6. Positionierung der Kaltgaskanone in der Simulationsumgebung bei der Umsetzung der Aufbaustrategie<br />
Die Bewertung der gefertigten Strukturen erfolgt anhand geometrischer Zielkriterien sowie unter<br />
Berücksichtigung der Zielstellung, mittels der angewandten Aufbaustrategie Strukturen beliebiger Höhe zu<br />
fertigen. Dafür stellt die Planheit der Oberfläche eine wichtige Voraussetzung dar und wird somit als erstes<br />
Zielkriterium formuliert. Als zweites Zielkriterium wird der Winkel zwischen der Substratoberfläche und der<br />
Seitenwand der Struktur bewertet. Dadurch, dass eine gewisse horizontale Anbindungslänge für eine<br />
adäquate Anhaftung der Struktur auf dem Substrat notwendig ist, wird der Winkel nicht unmittelbar an der<br />
Kontaktfläche, sondern an dem Punkt, an dem 50 % der Gesamthöhe erreicht sind, gemessen. An dieser<br />
Stelle sollte der Winkel 90° betragen. Ist der Winkel größer als 90°, würde dies zwangsläufig zu einer<br />
abnehmenden Profilbreite bei zunehmender Lagenanzahl führen und somit der zuvor formulierten<br />
grundlegenden Zielstellung widersprechen. Die Bewertung erfolgt anhand von Querschliffen.<br />
3.2 Anlagen und Gerätetechnik Kaltgaszelle<br />
Das verwendete Kaltgassystem PCS-100 stammt von der in Japan ansässigen Firma Plasma Giken Co., Ltd.<br />
Die verschiedenen Ausführungen der PCS-Reihe unterscheiden sich im Wesentlichen hinsichtlich der<br />
Heizleistung und erreichbaren Prozesstemperatur sowie dem maximalen Betriebsdruck. Laut<br />
Herstellerangaben ermöglicht das PCS-100 System eine maximale Prozesstemperatur von 1100 °C, einen<br />
maximalen Arbeitsdruck von 7 MPa. Abbildung 7 zeigt die Komponenten im Inneren der Kaltgaszelle.<br />
4<br />
<strong>DVS</strong> 386
Abbildung 7. Innenansicht der Schallschutzkabine und Darstellung des Kaltgassystems<br />
Die Kaltgaskanone ist mit einer Lavaldüse aus einem Glaswerkstoff bestückt. Die Düse verfügt über ein<br />
Expansionsverhältnis von 5,6 und weist eine Länge von 270 mm auf. Das System wird durch einen ABB-<br />
Industrieroboter vom Typ IRB 4600 geführt. Ein zweiter Roboter desselben Typs, der aktuell mit einem<br />
Fräswerkzeug bestückt ist, ergänzt das System und ermöglicht eine hybride Prozessführung. Die beiden<br />
6-Achs-Roboter erlauben die präzise Handhabung einer Traglast von bis zu 60 kg bei einer maximalen<br />
Reichweite von 2,05 m. Ergänzt wird das CS-System durch zwei Pulverförderer, eine Schallschutzkabine mit<br />
integrierter Absauganlage und Filtersystem sowie eine Gasversorgungseinheit, die das benötigte Prozessgas<br />
(Stickstoff) bereitstellt.<br />
3.3 Verwendete Werkstoffe<br />
Im Rahmen der Versuchsdurchführung wird die Legierung CuCr1Zr (2.1293) als gasverdüster Pulverwerkstoff<br />
von der Firma M4P mit einer Partikelgrößenverteilung von 15 bis 45 µm eingesetzt. Die ternäre CuCr1Zr-<br />
Legierung verbindet die Vorzüge einer CuCr-Legierung mit denen einer CuZr-Legierung und verfügt vor allem<br />
aufgrund des hohen Kupferanteils über eine gute thermische und elektrische Leitfähigkeit [15]. Die<br />
mechanisch-technologischen Eigenschaften werden darüber hinaus maßgeblich durch die<br />
Legierungskomponenten Chrom (Cr), Zirkonium (Zr) und Silizium (Si) beeinflusst [15]. Zirkonium steigert die<br />
Kriechfestigkeit, während Chrom und Silizium die Härte erhöhen [15].<br />
Für das Kaltgasspritzen werden in Bezug auf die Partikelmorphologie hauptsächlich sphärische Pulver<br />
verwendet, da diese ein besseres Förderverhalten aufweisen und im Vergleich zu irregulär geformten Partikeln<br />
– die zwar schneller beschleunigt werden und somit höhere Geschwindigkeiten erreichen – eine<br />
gleichmäßigere Verformung beim Aufprall zeigen [2, 8]. Abbildung 8 zeigt eine Aufnahme des verwendeten<br />
Pulvers der Legierung CuCr1Zr unter dem Rasterelektronenmikroskop (REM).<br />
Abbildung 8. REM-Aufnahmen des CuCr1Zr Pulverwerkstoffes ohne (links) und mit (rechts) automatisierter<br />
Partikelerfassung<br />
Beim Kaltgasspritzen beeinflusst das Substrat die Anbindungseigenschaften – insbesondere die Haftfestigkeit<br />
– im gleichen Ausmaß wie der verwendete Pulverwerkstoff sowie die Qualität der gesamten Beschichtung<br />
[8, 16]. Grundsätzlich ermöglichen weichere Materialien eine bessere Anhaftung der Pulverpartikel aufgrund<br />
des höheren substratseitigen Verformungsvermögens, sodass es bei harten Substraten zu einer erhöhten<br />
Verformung der auftreffenden Pulverpartikel kommt [8, 16]. Schlussendlich ist jedoch die Materialkombination<br />
entscheidend, sodass ein im Vergleich zum Pulver härteres Substrat eine Anbindung durch unzureichende<br />
substratseitige Verformungs- und damit Verschweißungsvorgänge erschwert [2, 8]. Gleichzeitig kann es bei –<br />
<strong>DVS</strong> 386 5
im Vergleich zu dem Pulverwerkstoff – zu weichen Substraten zu Rück- bzw. Abprallerscheinungen<br />
kommen [8]. Für die Versuche wird als Grundwerkstoff ein 20 mm starkes Aluminiumsubstrat der Legierung<br />
EN AW 5083 verwendet.<br />
3.4 Einzelspuraufträge<br />
Zur Umsetzung und Optimierung der Aufbaustrategie ist die exakte Bestimmung des seitlichen Versatzes (s)<br />
und der Schichthöhe (d) anhand von Einzelspuraufträgen notwendig. Insgesamt werden bei gleichbleibenden<br />
Parametereinstellungen drei Einzelspuren aufgetragen und im Anschluss ausgewertet. Jeder Auftrag wird an<br />
drei – entlang der Auftragsspur gleichmäßig verteilten – Punkten entsprechend Abbildung 9 vermessen. Aus<br />
den neun Messwerten wird dann jeweils ein Mittelwert für den seitlichen Versatz und die Schichthöhe ermittelt.<br />
Abbildung 9. Vorgehensweise zur Bestimmung des seitlichen Versatzes anhand eines CuCr1Zr-Einzelspurauftrags<br />
Dazu wird zunächst die Gesamtbreite (B) und – unter der Annahme einer vorliegenden Gaußschen<br />
Normalverteilung – der Mittelwert (µ) ermittelt. Im Zentrum des Auftrags wird die Schichthöhe (d) gemessen.<br />
Für die Ermittlung des seitlichen Versatzes (s) wird ebenfalls unter Annahme einer vorliegenden Gaußschen<br />
Normalverteilung der Wert für σ (0,34 · B) und 2σ (0,475 · B) bestimmt. Die Ergebnisse der Messungen sind<br />
in Tabelle 1 dargestellt.<br />
Tabelle 1. Mittelwerte und Standardabweichung der Ergebnisse aus den Einzelspuraufträgen<br />
Pulverwerkstof<br />
f<br />
Mittelwert seitlicher<br />
Versatz s = 2σ [mm]<br />
Mittelwert<br />
Schichthöhe d [mm]<br />
Standardabweichung<br />
Standardabweichung<br />
Gewählter Versatz<br />
sgew [mm]<br />
CuCr1Zr 3,08 0,048 0,381 0,031 2,64<br />
Bei den folgenden Versuchen konnte unter Verwendung eines seitlichen Versatzes von s = 2σ = 3,08 mm<br />
keine den Zielkriterien entsprechende Geometrie gefertigt werden. In folgenden Versuchen erfolgte daher eine<br />
iterative Anpassung des seitlichen Versatzes. Die abschließenden Versuche zur Herstellung einer<br />
kaltgasgespritzten Wandgeometrie erfolgten unter Verwendung eines seitlichen Versatzes von sgew = 2,64 mm.<br />
4 Ergebnisse und Diskussion<br />
Abbildung 10 zeigt im linken Abschnitt die gefertigte CuCr1Zr-Wandgeometrie und eine aus der Struktur<br />
entnommene Querschliffaufnahme zur Bestimmung der geometrischen Zielgrößen. Im Zuge der<br />
Probenpräparation hat sich der Auftrag vom Substrat gelöst, sodass die Probe ohne das Aluminiumsubstrat<br />
eingebettet wurde. Im rechten Abschnitt ist zum Vergleich ein Querschliffaufnahme eines Auftrags ohne<br />
Anwendung einer Aufbaustrategie abgebildet. Beide Aufträge wurden mit identischen Parametereinstellungen<br />
des Kaltgassystems gefertigt.<br />
Abbildung 10. CuCr1Zr-Struktur mit angepasster Aufbaustrategie (links, mitte) und ohne Aufbaustrategie (rechts)<br />
Die Seitenflächen der CuCr1Zr-Wandgeometrie sind beinahe orthogonal zum Substrat. Die Winkel der<br />
Seitenflächen in Relation zur Substratoberfläche betragen 88,12° auf der rechten Seite sowie 88,38° auf der<br />
linken Seite. Die Profiloberfläche der Struktur ist nicht vollständig plan. Im Zentrumsbereich zeigt sich eine<br />
6<br />
<strong>DVS</strong> 386
Vertiefung, die vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass zuletzt die linke und rechte Spur unter einem<br />
Auftragswinkel von 30° aufgetragen wurden. Beide Strukturen zeigen ein hohes Porenaufkommen entlang der<br />
gesamten Querschlifffläche. Bei der Wandgeometrie ist die Porosität homogen verteilt. Ohne Anwendung einer<br />
Aufbaustrategie zeigt sich eine inhomogene Porositätsverteilung. Das Auftreffen der Pulverpartikel auf den<br />
geneigten Profiloberflächen erschwert die Anbindung und verringert somit die Auftragseffizienz, wodurch die<br />
Entstehung des charakteristischen Spurprofils begünstigt wird.<br />
5 Schlussfolgerung<br />
Der vorliegende Beitrag zeigt dass die Anwendung einer an das charakteristische Spurprofil angepassten<br />
Aufbaustrategie die additive Herstellung einer Wandgeometrie mittels CuCr1Zr ermöglicht.<br />
Die Ergebnisse lassen folgende Schlussfolgerungen zu:<br />
(1) Die Annahme des Spurprofils als Gaußsche Normalverteilung bildet eine Grundlage zur Bestimmung<br />
exakter Werte für die Umsetzung einer Aufbaustrategie.<br />
(2) Gleichzeitig gilt es zu berücksichtigen, dass die Ausbildung des Spurprofils von einer Vielzahl von<br />
Faktoren wie der Partikelgrößenverteilung und Morphologie des Pulverwerkstoffes, den Eigenschaften<br />
des Substratwerktoffes und dem verwendeten Kaltgassystem abhängt.<br />
(3) Die verwendete Aufbaustrategie führt zu einer Homogenisierung der Porositätsverteilung durch<br />
Gewährleistung eines annäherend orthogonalen Aufprallwinkels der Pulverpartikel.<br />
Die dargestellten Ergebnisse dienen als Grundlage für weitere Untersuchungen. Neben einer Verringerung<br />
des hohen Porenaufkommens zur Verbesserung der mechanisch-technologischen Eigenschaften ist die<br />
Haftfestigkeit zwischen dem Substrat und der aufgebauten Struktur unzureichend. Letzteres könnte durch ein<br />
Vorwärmen des Substrates verbessert werden, da eine thermische Erweichung der Substratoberfläche die<br />
Anhaftung der Pulverpartikel begünstigt und somit eine stabilere Anbindung an das Substrat ermöglicht.<br />
6 Danksagung<br />
Das Teilprojekt „ACCURACY“ aus dem Projekt „Mutimat Bavaria II“ am Fraunhofer Institut für Gießerei-,<br />
Composite- und Verarbeitungstechnik IGCV wird durch das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft,<br />
Landesentwicklung und Energie gefördert. Für die Förderung und aktive Mitarbeit der vertretenen<br />
Unternehmen in den projektbegleitenden Ausschüssen sei an dieser Stelle herzlich gedankt.<br />
7 Literaturverzeichnis<br />
[1] Cavaliere, P.: Cold-Spray Coatings, Springer International Publishing, Cham, 2018.<br />
[2] Villafuerte, J.: Modern Cold Spray, Springer International Publishing, Cham, 2015.<br />
[3] Champagne, V. K.: The cold spray materials deposition process: Fundamentals and applications, 1.<br />
Aufl., Woodhead Publishing in materials; Woodhead; CRC Press, Cambridge, Boca Raton, Fla., 2007.<br />
[4] Karthikeyan, J.: Cold Spray Process, in Thermal Spray Technology, ASM International, 2013.<br />
[5] Schmidt, T.: Kaltgasspritzen: Eine Analyse des Materialverhaltens beim Partikelaufprall und die daraus<br />
abgeleitete Prozessoptimierung, <strong>Bericht</strong>e aus der Werkstofftechnik, Shaker, Aachen, 2007<br />
[6] Yin, S.; Cavaliere, P.; Aldwell, B.; Jenkins, R.; Liao, H.; Li, W.; Lupoi, R.: Cold spray additive<br />
manufacturing and repair: Fundamentals and applications, Additive Manufacturing, Jahrgang: 21, Seite<br />
628–650, 2018.<br />
[7] Wu, H.; Xie, X.; Liu, M.; Verdy, C.; Zhang, Y.; Liao, H.; Deng, S.: Stable layer-building strategy to<br />
enhance cold-spray-based additive manufacturing, Additive Manufacturing, 2020<br />
[8] Binder, K.: Kaltgasspritzen von ermüdungsfesten Titanschichten, Dissertation, Betreuer: Klassen,<br />
Thomas (Prof. Dr.-Ing), Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg, 2013.<br />
[9] Assadi, H.; Gärtner, F.; Stoltenhoff, T.; Kreye, H.: Bonding mechanism in cold gas spraying, Acta<br />
Materialia, Jahrgang: 51 (15), Seite 4379–4394, 2003.<br />
[10] Singh, H.; Sidhu, T. S.; Kalsi, S. B. S.; Karthikeyan, J.: Development of cold spray from innovation to<br />
emerging future coating technology, J Braz. Soc. Mech. Sci. Eng., Jahrgang: 35 (3), Seite 231–245,<br />
2013.<br />
[11] Raoelison, R. N.; Verdy, C.; Liao, H.: Cold gas dynamic spray additive manufacturing today: Deposit<br />
possibilities, technological solutions and viable applications, Materials & Design, Jahrgang: 133, Seite<br />
266–287, 2017.<br />
[12] Assadi, H.; Schmidt, T.; Richter, H.; Kliemann, J.-O.; Binder, K.; Gärtner, F.; Klassen, T.; Kreye, H.: On<br />
Parameter Selection in Cold Spraying, J Therm Spray Tech, Jahrgang: 20 (6), Seite 1161–1176, 2011.<br />
<strong>DVS</strong> 386 7
[13] Kotoban, D.; Grigoriev, S.; Okunkova, A.; Sova, A.: Influence of a shape of single track on deposition<br />
efficiency of 316L stainless steel powder in cold spray, Surface and Coatings Technology, Jahrgang:<br />
309, Seite 951–958, 2017.<br />
[14] Wu, H.; Xie, X.; Liu, M.; Chen, C.; Liao, H.; Zhang, Y.; Deng, S.: A new approach to simulate coating<br />
thickness in cold spray, Surface and Coatings Technology, Jahrgang: 382, Seite 125-151, 2020.<br />
[15] Deutsches Kupferinstitut: Werkstoff-Datenblatt CuCr1Zr,<br />
https://www.kupferinstitut.de/fileadmin/user_upload/kupferinstitut.de/de/Documents/Shop/Verlag/Down<br />
loads/Werkstoffe/Datenblaetter/Niedriglegierte/CuCr1Zr.pdf (09.10.2021).<br />
[16] Monette, Z.; Kasar, A. K.; Daroonparvar, M.; Menezes, P. L.: Supersonic particle deposition as an<br />
additive technology: methods, challenges, and applications, Int J Adv Manuf Technol, Jahrgang: 106<br />
(5-6), Seite 2079–2099, 2020.<br />
8<br />
<strong>DVS</strong> 386
Sensorkonzept zur optischen Prozessbeobachtung beim Metallschutzgasschweißen<br />
A. Biber 1 , R. Sharma 1 , U. Reisgen 1<br />
1<br />
RWTH Aachen University, Institut für Schweißtechnik und Fügetechnik, Aachen<br />
Die Automatisierung in der schweißtechnischen Fertigung kommt seit Jahrzehnten zum Einsatz. Das<br />
Metallschutzgasschweißen ist einer der am häufigsten eingesetzten Schweißverfahren. Schwankungen in den<br />
Prozessrandbedingungen sind eine Herausforderung, die eine kostenintensive Nachbearbeitung und<br />
Ausschuss verursachen können. Beim handgeführten Schweißen können die Schweißer aufgrund ihrer<br />
Beobachtungen und ihrer Erfahrung Prozessanpassungen vornehmen. Stellgrößen sind insbesondere die<br />
Brennerorientierung und die Schweißgeschwindigkeit. Beim automatisierten Schweißen ist Sensorik zum<br />
Erfassen und eine Rückkopplung zur Schweißfertigungsanlage für die Adaptionen des Prozesses notwendig.<br />
In der Praxis kommen am häufigsten optische Sensoren sowie der Lichtbogensensor zum Einsatz. Das<br />
Messprinzip ist überwiegend das Lichtschnittverfahren. Hierbei wird die Nahtvorbereitung vorlaufend erfasst.<br />
Dadurch sind Änderungen im Bereich zwischen dem Brenner und dem Messort nicht identifizierbar. Um diese<br />
Herausforderung zu überwinden, wird in dieser Arbeit eine kamerabasierte optische Schmelzbadüberwachung<br />
vorgestellt.<br />
1 Einleitung<br />
Beim Metallschutzgasschweißen führen wechselnde Prozessrandbedingungen zu prozessseitigen<br />
Unregelmäßigkeiten. Gründe hierfür sind unter anderem Unterschiede in der Nahtvorbereitung, Bauteilverzug,<br />
Positionierung des Schweißbrenners, Oberflächenverschmutzungen. Vorteile der kamerabasierten<br />
Schmelzbadüberwachung sind die Erfassung von Prozessunregelmäßigkeiten im Prozessbereich selbst und<br />
der hohe Informationsgehalt der Bilder. So kann die Schmelzbadentwicklung und die Schmelzbadgeometrie<br />
erfasst werden. [1] Für die Informationsgewinnung aus den Prozessaufnahmen sind eine reproduzierbare<br />
Bildqualität und für den Schweißprozess robuste Optik vorauszusetzen. [2] Ziele dieser Arbeit sind:<br />
- Aufbau und die Erprobung einer für den Schweißprozess robusten Optik<br />
- Synchronisation von Schweißprozess und Auslösezeitpunkt der Kamera<br />
- Untersuchung der extrahierbaren Prozessmerkmale aus den aufgenommenen Bildern<br />
Im ersten Schritt erfolgt die konstruktive Optimierung einer vorhandenen Optik. Diese Optik muss den<br />
Beanspruchungen beim Lichtbogenschweißen standhalten. [3] Es wird eine Anforderungsliste erstellt und<br />
konstruktive Lösungen vorgeschlagen.<br />
Im Weiteren werden die optischen Komponenten ausgelegt. Geeignet ist hierfür ein Bandpassfilter, der die<br />
intensiven Bereiche des Lichtbogenspektrums herausfiltert. [2] Für die Charakterisierung der<br />
Lichtbogenstrahlung werden spektrale Messungen durchgeführt. Auf Grundlage der Messergebnisse werden<br />
Intensitätsminima identifiziert und entsprechende Bandpassfilter gewählt.<br />
Der Impulslichtbogen stellt durch die periodischen Änderungen des Schweißstroms eine Herausforderung dar.<br />
Die Bildhelligkeit korreliert mit dem Auslösemoment in der jeweiligen Prozessphase (Hochstromphase,<br />
Grundstromphase). In dieser Arbeit wird eine Methode zur Synchronisation von Schweißprozess und dem<br />
Auslösemoment erarbeitet. Möglichkeiten, um unterschiedliche Prozessphasen zu detektieren sind eine<br />
akustische Messung, infrarot Sensor oder über den Strom- Spannungsverlauf. [4–6] In dieser Arbeit wird eine<br />
Methode zur Synchronisation über die Messung und Verarbeitung des Schweißstroms vorgestellt.<br />
Zum Schluss werden die erzeugten Prozessaufnahmen auf die Eignung zur Bildbearbeitung untersucht. Als<br />
detektierbare Merkmale werden die Schmelzbadbreite und die Position der vorderen Front des Schmelzbades<br />
betrachtet. Mögliche Ansätze sind eine konventionelle Bildbearbeitung über Filter und Kantendetektion oder<br />
eine KI basierte Merkmalserkennung. [7, 8] Im Rahmen dieser Arbeit wird die konventionelle Bildbearbeitung<br />
getestet.<br />
2 Experimentelles und Material<br />
Der Versuchsaufbau zur Durchführung der Schweißversuche ist in Bild 1 dargestellt. Für die<br />
Versuchsdurchführung wird der ABB IRB2600 Roboter mit der Schweißstromquelle Alpha Q 551 von EWM<br />
verwendet. Für die Entwicklung des Kamerasystems wird die Monochromkamera auf Basis eines CMOS-<br />
Sensors Sony Pregius verwendet. Die Kamera verfügt über einen Triggersignaleingang. Hierüber ist die<br />
Synchronisation zwischen dem Schweißprozess und der Bildauslösung möglich. Die Kamera ist am<br />
Schweißbrenner montiert und wird so dem Schweißprozesses kontinuierlich nachgeführt. Die Messung und<br />
<strong>DVS</strong> 386 9
Verarbeitung des Schweißstroms und Schweißspannung erfolgt über einen CompactRio-Controller cRio-9049<br />
von National Instruments. Über den integrierten FPGA (Kintex-7-325T-FPGA) wird der Schweißstrom mit einer<br />
Messfrequenz von 50 kHz aufgenommen und verarbeitet.<br />
Bild 1. Versuchsaufbau zur Durchführung der Schweißversuche<br />
Für die Spektralaufnahmen wird das Spektrometer SP Spectral Products SM240 des Herstellers Ocean Optics<br />
Inc. verwendet. An das Spektrometer ist eine Lichtleitfaser angebunden. Über diese wird das aufzunehmende<br />
Licht auf die Detektorfläche des Spektrometers geleitet. Am Eingang der Lichtleitfaser ist eine Optik<br />
angeschlossen, welche aus einer Linse und einer einstellbaren Lochblende besteht. Die Lichtleitfaser kann<br />
über eine Festhaltung an der Optik positioniert und ausgerichtet werden. Für die Messung des Spektrums wird<br />
der Grundwerkstoff S235JR (Werkstoffnummer: 1.0038) eingesetzt. Die Blechdicke beträgt 10 mm. Als<br />
Schweißzusatz kommt eine Drahtelektrode EN ISO 14341-A G 3Si1 (Werkstoffnummer: 1.5125) mit einem<br />
Durchmesser von 1,2 mm verwendet. Das verwendete Schutzgas ist EN ISO 14175 M21-ArC-18 mit einem<br />
Volumenstrom von 12 l/min. Die Untersuchungen werden über einen weiten Leistungsbereich im<br />
Standardprozess durchgeführt, bei dem die verbreitetsten Werkstoffübergänge auftreten (Kurzlichtbogen,<br />
Übergangslichtbogen, Sprühlichtbogen). Für die weiteren Schweißungen wird der Impulslichtbogen<br />
verwendet. Die verwendeten Synergieparameter sind in Tabelle 1 dargestellt.<br />
Tabelle 1. Synergieparameter Impulslichtbogen<br />
Schweißgeschwindigkeit Drahtvorschubgeschwindigkeit Lichtbogenlängenkorrektur Dynamikkorrektur<br />
0,5 m/min 4,5 m/min 0 0<br />
3 Ergebnisse und Diskussion<br />
3.1 Auslegung und Konstruktion der Optik<br />
Ein wesentliches Kriterium für die Optik ist die Baugröße. Die Einschränkung der Zugänglichkeit wird reduziert.<br />
Aufgrund der intensiven Lichtbogenstrahlung ist die Verwendung eines Filters unabdingbar. Um ein<br />
Überbelichten des Kamerasensors entgegenzuwirken, muss eine Möglichkeit zur Integration eines Filters<br />
vorhanden sein. Schweißspritzer und Schweißrauch führen zu einem großen Wartungsaufwand der optischen<br />
Komponenten. Schweißspritzer bleiben an äußeren Linsen und Gläsern haften. Diese sind nicht durch eine<br />
Reinigung entfernbar und die verunreinigte Komponente muss getauscht werden. Um den entgegenzuwirken<br />
ist eine Pinholeoptik geeignet. Durch den kleinen Öffnungsdurchmesser wird die Wahrscheinlichkeit verringert,<br />
dass Schweißspritzer auf die optischen Komponenten gelangen. Der beim Schweißprozess entstehende<br />
Schweißrauch kondensiert auf den optischen Komponenten. Durch die Integration eines Crossjets an der<br />
Pinholeoptik wird das Eindringen des Schweißrauchs in die Optik verhindert und die optischen Komponenten<br />
frei von Kondensat.<br />
10<br />
<strong>DVS</strong> 386
In Bild 2 ist das Ergebnis der Optikauslegung dargestellt. Die beschriebenen konstruktiven Lösungen sind in<br />
dieser umgesetzt.<br />
Bild 2. Optik für das MSG-Schweißen<br />
Die optischen Komponenten (Bandpassfilter und Fokussierlinse) sind in der Optik integriert und durch die<br />
Pinholeblende vor Schweißspritzern geschützt. Durch die variable Fokussiereinheit ist der Fokus einstellbar.<br />
Für einen zusätzlichen Schutz ist ein Schutzglas vor den optischen Komponenten vorgesehen. Dies ist im<br />
Vergleich zu dem Bandpassfilter günstig und im Falle von Verschmutzungen einfach zu wechseln. Das<br />
Crossjet ist in der Pinholeblende integriert. Durch den Anschluss an Druckluft wird das Eindringen von<br />
Schweißrauch in den optischen Weg verhindert. Schweißspritzer mit einer Flugkurve in den Strahlengang<br />
können umgelenkt werden oder konvektiv soweit heruntergekühlt werden, dass sie an dem Schutzglas nicht<br />
haften bleiben. In den folgenden Untersuchungen wird die Auslegung des Bandpassfilters und die<br />
Funktionalität der Optik untersucht.<br />
3.2 Spektroskopische Prozessanalyse<br />
In Bild 3 sind die Messergebnisse des Emissionsspektrums von MSG – Prozessen dargestellt.<br />
Bandpassfilter:<br />
450 nm ± 10 nm<br />
Bandpassfilter:<br />
690 nm ± 10 nm<br />
Bild 3. Emissionsspektrum von MSG - Prozessen (Sprühlichtbogen, Impulslichtbogen, Kurzlichtbogen)<br />
Die Linienspektren sind in zwei Bereiche unterteilt. Im Wellenbereich von 300 nm bis 650 nm dominiert die<br />
Metalldampfphase und im Wellenbereich von 700 nm bis 1000 nm die Gasdampfphase. [9] Die Wellenlänge<br />
der emittierten Strahlung ist bei gleichbleibenden Materialien (Schutzgas, Zusatzwerkstoff) nur durch die<br />
Intensitäten unterschieden. Dies ist auf die unterschiedlichen Leistungsbereiche der Prozessvarianten<br />
zurückzuführen. Zwischen 650 nm und 700 nm ist ein Minimum der Intensität vorhanden. Schlussfolgernd wird<br />
die Hypothese aufgestellt, dass durch die Verwendung eines Bandpassfilters in diesem Wellenlängenbereich,<br />
die Überbelichtung des Kamerasensors durch die Lichtbogenstrahlung vermindert werden kann. Zur<br />
Verifizierung der Hypothese wurden Aufnahmen mit zwei unterschiedlichen Bandpassfiltern unter sonst<br />
konstanten Rahmenbedingungen (Kameraeinstellungen, Prozesseinstellungen, Prozessphase)<br />
aufgenommen. Bei der Verwendung von dem Bandpassfilter mit einer Nennwellenlänge von 450 nm ± 10 nm<br />
ist der Prozessbereich überbelichtet. Bei der Verwendung von einem Bandpassfilter im minimalen<br />
Emissionsbereich ist das Schmelzbad deutlich erkennbar und somit für die Extraktion von Prozessmerkmalen<br />
geeignet.<br />
<strong>DVS</strong> 386 11
Für das weitere Vorgehen wird somit ein Bandpassfilter mit einer Nennwellenläge von 690 nm ±10 nm<br />
verwendet.<br />
3.3 Synchronisation Kamera – Prozess<br />
Bei dem Schweißen mit dem Impulslichtbogen führen die unterschiedlichen Prozessphasen<br />
(Hochstromphase, Grundstromphase) zu Differenzen in der Bildhelligkeit. Die unterschiedlichen Bildhelligkeit<br />
bei sonst konstanten Kameraeinstellungen sind in Bild 4 dargestellt.<br />
Bild 4. Prozessphasenabhängige Bildhelligkeit bei konstanten Kameraeinstellungen<br />
In der Hochstromphase ist das Bild überbelichtet und eine Detektion der Prozessmerkmale ist nicht möglich.<br />
Bei den gewählten Kameraeinstellungen ist das Bild in der Grundstromphase ausreichend belichtet. Die<br />
Schmelzbadkontur und der Schweißdraht sind klar erkennbar. Bei einer konstant eingestellten Aufnahmerate<br />
erfolgt die Auslösung zufällig in unterschiedlichen Prozessphasen. Um dies zu verhindern und somit<br />
gleichbleibende Bildqualitäten zu erreichen, ist das Wissen über die aktuelle Prozessphase relevant. Hierüber<br />
können entweder die Kameraeinstellungen der jeweiligen Prozessphase angepasst werden oder sichergestellt<br />
werden, dass der Auslösezeitpunkt in konstanten Prozessphasen erfolgt. In dieser Arbeit wird die<br />
Synchronisation des Auslösezeitpunkts zum Prozess gewählt.<br />
Die Synchronisation von Kamera und Prozessphase erfolgt über ein Triggersignal in der Grundstromphase.<br />
Während des Schweißprozesses wird der Schweißstrom gemessen und ausgewertet. In Bild 5 ist der Verlauf<br />
des Schweißstroms und des generierten Triggersignals für vier Pulsphasen dargestellt.<br />
Bild 5. Verlauf des Schweißstroms und Trigger Signals<br />
Die Datenverarbeitung erfolgt in drei Schritten. Im ersten Schritt wird das Messrauschen durch einen<br />
Tiefpassfilter entfernt. Über einen Schwellwert wird die aktuelle Prozessphase detektiert. Das Level der<br />
Grundstromphase ist abhängig vom Leistungsbereich des Schweißprozesses. Somit ist die<br />
Phasenbestimmung über einen Schwellwert bei Änderungen der Prozesseinstellungen fehleranfällig. Um dem<br />
12<br />
<strong>DVS</strong> 386
entgegenzuwirken und sicherzustellen, dass die Auslösung in der Grundstromphase erfolgt, wird das Trigger<br />
Signal um 3 ms nach Detektion verzögert. Die Länge des Trigger Signals beträgt 0,2 ms.<br />
Das Ergebnis der Synchronisation ist in Bild 6 durch eine Bildreihe dargestellt.<br />
t1 t2 t3 t4<br />
Bild 6. Bildreihe mit synchronisierter Kameraauslösung<br />
Die dargestellten Bilder sind Auszüge aus dem Prozessverlauf. Alle Bilder sind gleich belichtet. Die<br />
Schmelzbadkontur und der Schweißdraht sind klar erkennbar. Somit ist die Funktionalität der Synchronisation<br />
nachgewiesen. Im nächsten Schritt wird die Bildbearbeitung und die Detektierbarkeit des Schmelzbades näher<br />
untersucht.<br />
3.4 Bildbearbeitung<br />
Durch die Bildbearbeitung soll die Schmelzbadbreite und Position der Schmelzbadfront bestimmt werden.<br />
Hierfür wird im ersten Schritt das Originalbild binarisiert. In einem weiteren Schritt erfolgt die Kantendetektion<br />
in vertikale und horizontale Richtung. In Bild 7 ist eine Bildreihe aus einem Prozessvideo mit den detektierten<br />
Schmelzbadkanten dargestellt.<br />
Bild 7. Bildreihe mit detektierten Schmelzbadkanten<br />
Die Schmelzbadbreite sowie die fordere Front des Schmelzbades konnten über den Prozessverlauf<br />
zuverlässig detektiert werden. Durch eine Kalibrierung des Pixelabstandes in mm ist die Schmelzbadbreite<br />
bekannt und kann in einen Regelkreis zurückgeführt werden. Die Position des Schmelzbades ist insbesondere<br />
für Zwangslagen relevant. Hierbei kann zum Beispiel bei Fallnahtschweißungen ein vorlaufendes Schmelzbad<br />
detektiert werden und entsprechende Gegenmaßnahmen getroffen werden. Diese Vorgehensweise ist anfällig<br />
gegenüber Änderungen der Bildausrichtung, variierenden Kameraeinstellungen und Prozessparametern. Um<br />
einen robusten Bildbearbeitungsalgorithmus zu erstellen, ist eine nähere Betrachtung dieser Einflussfaktoren<br />
notwendig.<br />
4 Schlussfolgerung<br />
Im Rahmen der durchgeführten Arbeiten wurde eine Optik konstruiert und gefertigt, die den schwierigen<br />
Arbeitsbedingungen beim Metallschutzgasschweißen resistent ist. Durch die Charakterisierung der<br />
Lichtbogenstrahlung und der Wahl eines passenden Filters konnte die Intensität der Strahlung auf dem<br />
Kamerasensor deutlich reduziert werden. Weiterhin ist durch die Synchronisation zwischen Auslösezeitpunkt<br />
und Schweißprozess in der Grundstromphase ein gleichmäßig belichtetes Bild über den gesamten<br />
Prozessablauf gewährleistet. Durch erste Ansätze der Bildbearbeitung konnte gezeigt werden, dass relevante<br />
Prozessgrößen wie Schmelzbadbreite und Position detektierbar sind.<br />
<strong>DVS</strong> 386 13
Die weiteren Schwerpunkte der Forschung sind:<br />
- Implementierung einer Bildbearbeitung bei variierenden Randbedingungen<br />
- Rückführung der Prozessinformation in den Schweißprozess und Aufbau einer adaptiven<br />
Prozessführung<br />
Als Stellgrößen für die adaptive Prozessführung eigenen sich die mechanischen Parameter, wie die<br />
Schweißgeschwindigkeit und Schweißbrennerorientierung (stechend/schleppen). Als elektrische Stellgrößen<br />
sind die Drahtvorschubgeschwindigkeit, Lichtbogenlänge und Prozessdynamik geeignet.<br />
5 Danksagung<br />
Die Arbeiten wurden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert (Projekt 409759303). Für die<br />
Unterstützung sei gedankt.<br />
6 Literaturverzeichnis<br />
[1] ZOU, Y., LI, Y., JIANG, L., XUE, L.: Weld pool image processing algorithm for seam tracking of welding<br />
robot. In: : 2011 6th IEEE Conference on Industrial Electronics and Applications (2011). IEEE. S. 161-165.<br />
[2] PURRIO, M.: Prozessanalyse und -überwachung beim Metall-Schutzgasschweißen durch optische Insitu-Sensorsysteme.<br />
Dissertation.<br />
[3] REISGEN, U., PURRIO, M., BUCHHOLZ, G., WILLMS, K. Machine vision system for online weld pool<br />
observation of gas metal arc welding processes. In: Welding in the World 58(5) (2014), S. 707-711.<br />
[4] PAL, K., BHATTACHARYA, S., PAL, S.K. Prediction of metal deposition from arc sound and weld<br />
temperature signatures in pulsed MIG welding. In: The International Journal of Advanced Manufacturing<br />
Technology 45(11-12) (2009), S. 1113-1130.<br />
[5] J.A. JOHNSON, N.M. CARLSON, H.B. SMARTT, D.E. CLARK. Process Control of GMAW: Sensing of Metal<br />
Transfer Mode. In: The Welding Journal (1991).<br />
[6] MIRANDA, H.C. de, SCOTTI, A., FERRARESI, V.A. Identification and control of metal transfer in pulsed<br />
GMAW using optical sensor. In: Science and Technology of Welding and Joining 12(3) (2007), S. 249-257.<br />
[7] SAMUEL MANN, et al.: 2020 17th International Conference on Ubiquitous Robots (UR) (2020), IEEE,<br />
Piscataway, NJ.<br />
[8] S. CHOKKALINGHAM, N. CHANDRASEKHAR, M. VASUDEVAN. Predicting the depth of penetration and weld<br />
bead width from the infra red thermal image of the weld pool using artificial neural network modeling |<br />
Journal of Intelligent Manufacturing (08.12.2022), zuletzt abgerufen am 08.12.2022.<br />
[9] LI, Z., GU, X., WANG, Y., XUE, C.: Radiation of Arc and Its Application in GTA Welding Measurement<br />
and Testing. In: : 2009 International Conference on Measuring Technology and Mechatronics Automation<br />
(2009). IEEE. S. 100-103.<br />
14<br />
<strong>DVS</strong> 386
Einfluss der Schnittkantennachbehandlung auf die Schwingfestigkeit<br />
thermisch geschnittener Kanten<br />
J. Diniz e Castro 1 , J-H. Grimm 2 , M. Köhler 1 , H. von Selle 2 , M. Braun 2 , F. von Bock und Polach 2 , K. Dilger 1<br />
1<br />
Technische Universität Braunschweig, Institut für Füge- und Schweißtechnik<br />
2<br />
Technische Universität Hamburg Harburg, Institut für Konstruktion und Festigkeit von Schiffen<br />
Insbesondere in der Schiffbauindustrie liegen häufig freie thermisch geschnittene Kanten in unterschiedlichen<br />
Bauteilbereichen vor, wie z.B. Erleichterungslöcher, Zugangsöffnungen und Lukenecken. Die üblicherweise<br />
verwendeten Trennverfahren sind das autogene Brennschneiden, das Plasma- sowie das<br />
Laserstrahlschneiden. Dabei führen die Schneidprozesse in Bezug auf die resultierende Oberflächenrauheit,<br />
Verzug, Rechtwinkligkeit und Eckengeometrie zu unterschiedlichen Schnittkantenqualitäten. Diese Faktoren<br />
beeinflussen im Weiteren das Schwing- und Betriebsfestigkeitsverhalten der thermischen geschnittenen<br />
Kanten. Bisherige Untersuchungen konnten zeigen, dass insbesondere die Eckengeometrie als<br />
versagenskritisch zu bewerten ist. Vor diesem Hintergrund hat die vorliegende Untersuchung zum Ziel, eine<br />
definierte Kantennachbehandlung bzw. -geometrie zu identifizieren, um das Versagen in weniger kritische<br />
Bereiche zu verlagern und somit den Einfluss von Faktoren wie Streckgrenze und Blechdicke auf das<br />
Ermüdungsverhalten des Materials nachzuweisen. Hierfür wurden Schwingfestigkeitsuntersuchungen mit<br />
konstanter Amplitude bei einem Spannungsverhältnis von R = 0,1 an thermisch geschnittenen Proben mit<br />
unterschiedlicher Kantennachbehandlung durchgeführt. Unter Verwendung der optimierten<br />
Kantennachbehandlung erfolgten Versuche unter Variation der Werkstofffestigkeit und Blechdicke. Es konnte<br />
gezeigt werden, dass durch den Einsatz einer geeigneten Kantennachbehandlung werkstoffabhängige Effekte<br />
auf das Ermüdungsverhalten differenziert werden können.<br />
1 Einleitung<br />
Der Einfluss des Schneidverfahrens auf die Schwingfestigkeit thermisch geschnittener Stähle wird in der<br />
Literatur häufig betrachtet. Berücksichtigt werden dabei einerseits der Einfluss von Materialien mit<br />
unterschiedlichen Streckgrenzen sowie andererseits die zugrundeliegenden Schneidparameter wie z. B.<br />
Schneidverfahren, Prozessgeschwindigkeit und Schutzgas. Diese Faktoren nehmen direkten Einfluss auf die<br />
resultierende Schnittqualität und müssen bei deren Bewertung nach DIN EN ISO 9013 zum thermisches<br />
Schneiden berücksichtigt werden [1]. Neben den normativen Bewertungsgrundlagen der Schnittqualität<br />
(Rauheit, Rechtwinkligkeit) und deren Auswirkungen auf die Schwingfestigkeitseigenschaften, stellt die<br />
Nachbehandlung der Kante zwischen Blechoberfläche und Schnittfläche einen relevanten Faktor auf das<br />
Schwingfestigkeitsverhalten dar, der in bisherigen Untersuchungen nur unzureichend betrachtet wurde. Bei<br />
der Betrachtung der kritischen Spannungskonzentrationspunkte an thermischen Schnittkanten, also den Orten<br />
der Rissinitiierung, geht hervor, dass die meisten Risse an der Kante zwischen Blechoberfläche und<br />
Schnittfläche beginnen, da es sich hier um einen Spannungskonzentrationspunkt handelt [2–5]. Entsprechend<br />
liegt den Untersuchungen die Hypothese zugrunde, dass durch die Kantennachbehandlung eine Steigerung<br />
der Schwingfestigkeit thermischer Schnittkanten ermöglicht wird und somit das Potential höherfester<br />
Werkstoffe genutzt werden kann [4, 6]. Die hier vorgestellten Arbeiten wurden im Rahmen eines AVIFgeförderten<br />
Vorhabens von der TU Hamburg und TU Braunschweig gemeinsam durchgeführt.<br />
2 Stand der Technik<br />
2.1 Einfluss der Nachbehandlungen auf die Schwingfestigkeit<br />
Im Vorfeld der experimentellen Arbeiten wurden die Schwingfestigkeitsuntersuchungen aus verschiedenen<br />
Literaturquellen zusammengestellt und in Bild 1 vergleichend zusammengefasst [2–4, 7]. Ergänzend sind in<br />
Tabelle 1 die zugehörigen Informationen bezüglich Schneidverfahren, Probendicken und Werkstoff dargestellt.<br />
Die Proben wurden mittels autogenem Brennschneiden, Plasma- und Laserstrahlschneiden hergestellt, die<br />
Blechdicken variieren von 8–50 mm und die Streckgrenzen der verwendeten Werkstoffe von 355–960 MPa.<br />
In der Literatur finden sich diverse Informationen und Daten zur Schwingfestigkeit thermisch geschnittener<br />
Kanten in Abhängigkeit von Material, Probendicke und Schnittverfahren. Um die große Zahl an Informationen<br />
zu verfeinern, zeigt die Abbildung 1 die Schwingfestigkeitsergebnisse, wobei nur die nominelle Streckgrenze<br />
des Werkstoffes berücksichtigt wird. Durch die Gegenüberstellung der Daten fällt auf, dass kein eindeutiger<br />
Zuwachs in der Schwingfestigkeit durch höher- und hochfeste Stähle erkennbar ist.<br />
<strong>DVS</strong> 386 15