SPECTRUM #5/2016

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KURZGESCHICHTE Ich habe ihn umgebracht DAMIAN CORREA Eines Tages beschliesst Gregor, seine Frau zu verlassen. Er empfindet nichts mehr für die Person, mit der er jetzt schon ewig verheiratet ist. Wenn sie einen Satz anfängt, weiss Gregor schon, wie er aufhören wird. Und wie die nächsten beiden anfangen werden. Er steht da mit dem alten, hässlichen Koffer. Er hat nur ein paar Klamotten reingeworfen, er hat schon wieder vergessen, welche, sie liegen ungefaltet da drin. Er sagt zu Doro, dass es ihm leidtut, aber dass es jetzt aus ist. Sie steht da in ihrem weissen Sommerhemd mit den Gänseblümchen drauf. Es fällt ihm leicht, das zu sagen, er spürt keine Wehmut, kein Mitleid. Er spürt gar nichts. Und dann ist er schon mit dem Koffer draussen auf der Strasse. Er holt sein Smartphone aus der Tasche, warum ist es eigentlich ein iPhone? Alle seine Arbeitskollegen haben Macs und iPods und wie diese Dinger alle heissen. Gregor hat gedacht, dass seine Kollegen schon wüssten, wie das mit der Technik läuft. Nein, eigentlich wollte er einfach so sein wie sie. Er? Gregor muss laut lachen. Das war gar nicht er. Das war Gregor, der Junge, der in einer Bauernfamilie aufgewachsen ist und deshalb Komplexe hatte, die er nur betäuben konnte, indem er sich gedanklich von seiner Vergangenheit distanzierte. Gregor! Wie hat seine Mutter nur diesem Namen zustimmen können? Immerhin ist sie es gewesen, die ihn davon überzeugt hat, die Ausbildung zum Finanzberater zu machen. Jetzt stehen hinter seinem Monatslohn vier Nullen, und das in Euro, man stelle sich das mal vor. Über seinen Job hat er sich eigentlich auch nie beklagt. Sicher, er sitzt fünf Tage die Woche im Büro, aber das ist eben Routine. Dafür ist er jetzt besser dran als alle anderen Burschen, die in seinem Dorf aufgewachsen sind und die man weiss ja nicht was machen. Und er hat sich ein dreistöckiges Haus mit zwei Badezimmern und einer schicken Küche geleistet. Mein Gott, diese Küche! Er erinnert sich noch daran, wie er und Doro sie ausgesucht haben. Wie lange haben sie sich diese Möbelhaus-Kataloge angeschaut? Er war für die mit den ausladenden Schieberegalen, sie für die mit diesen scheusslichen Barhockern. Und nebenbei verkündete ein Leutnant der deutschen Bundeswehr im Fernsehen, man hätte sich für einen militärischen Einsatz in Afghanistan entschieden. Jetzt mussten sie auch noch entscheiden, wie sie zu diesem Auslandseinsatz standen! Fanden sie es gut, dass Deutschland intervenierte, oder dachten sie, aufgrund ihrer Vergangenheit sei es nicht angebracht, sich einzumischen? Wie es Gregor ärgerte, dass die sich gerade in dem Moment die Bomben um die Ohren jagten, wo er einen Krieg gegen die Barhocker austrug! Hätten die nicht warten können, bis sie sich für eine Küche entschieden hatten, dachte er. Er hat sich immer positionieren müssen, so viele Rollen gespielt. Er ist der betrunkene, emotionale Fussballfan gewesen und der strenge, stets vorbildlich wirkende Familienvater. Er ist der zeternde, wortgewaltige Lokalpolitiker gewesen und der ruhige, bedächtige Leiter des Kirchenchors. Er ist verantwortungsvoller Elternsprecher und romantischer Liebhaber gewesen. Aber jetzt ist er gewesen gewesen. Niemals mehr wird Gregor eine Rolle spielen. Endlich wird er so sein, wie er ist. Dieser Unterschied wird ihm erst jetzt wirklich bewusst, wo er sich auf eine Parkbank gesetzt hat. Man ist hier, dann ist man nicht mehr hier. Von einem Tag auf den anderen. Er steht auf und läuft durch die Innenstadt, er weiss nicht, was er sucht. Er bleibt vor einem Schaufenster stehen und sieht darin einen in die Jahre gekommenen Mann mit einem fahlen, eingefallenen Gesicht. Die Falten sind überall, an den Augen, auf der Stirn, um den Mund. Ein Auslaufmodell. Das Theaterspielen hat seine Spuren hinterlassen, denkt er. Sein ganzes Leben lang hat er alles dafür getan, sein Publikum bei Laune zu halten. Aber jetzt ist ein für alle Mal Schluss mit dem Maskenball. Er beschliesst, nicht mehr Gregor zu sein. Ab heute ist er Human, also nicht so neumodisch-englisch ausgesprochen, sondern deutsch. Humann. Doppel-n. Er beschliesst, sein Leben zu verändern. Ein halbes Jahr später sitzt Human in einem grossen, weiss gestrichenen Zimmer. Es gibt nur zwei Stühle und einen Tisch, es ist genau der gleiche, der bei Gregor im Zimmer stand. Ein Mann schliesst die Tür auf und bittet eine Frau in Gänseblümchen-Hemd, Platz zu nehmen. „Gregor!“, ruft sie laut und Human zuckt zusammen. „Gregor lebt nicht mehr, Doro. Ich habe ihn umgebracht. Die Fotos in deinem Haus dokumentieren seine scheinbare Existenz, aber es gibt ihn nicht mehr. Es gab ihn noch nie wirklich, er war eine Kunstfigur, ein Schauspieler, eine Inszenierung. Das war die grösste Erleichterung meines Lebens. Ihr findet das eben krank.“ „Du redest von dir selbst, als gäbe es dich gar nicht. Du musst aufhören, diesen Human zu spielen, Gregor! Du bist Gregor, hörst du, Gregor? Du bist schizophren!“ „Nein, umgekehrt. Vorher war ich eine gespaltene Persönlichkeit mit gespaltenem Bewusstsein und gespaltener Zunge. Jetzt, Doro, bin ich der, der ich bin. In destillierter Form.“ Human schaut sie an. Er ist gefasst. „Ich will nicht zurück, Doro. Ich will nie wieder zurück. Mir geht es gut hier. Es gibt hier viele Menschen, die so sind wie ich, die mich verstehen. Die den Knebelvertrag mit der Gesellschaft gebrochen und die ihre Hüter gefangen genommen haben, bevor sie noch weiteren Schaden anrichten konnten.“ Doros Besuchszeit ist abgelaufen und sie geht. Sie besucht ihn danach noch einige Mal in der Klinik, Gregor aber bekommt sie nie wieder zu Gesicht. Hast du selbst eine Kurzgeschichte, die veröffentlicht werden sollte? Dann sende deinen Text (max. 3’300 Zeichen inkl. Leerzeichen) an: spectrum@unifr.ch 30 5/2016
AGENDA / IMPRESSUM Agenda novembre / Dezember 2016 Concerts / Konzerte Tinie Tempah (UK) Grime, Electro, Rap Fri-Son 05.11.16 / 20:00 / CHF 42.-/46.- Bullet For My Valentine (UK) / Killswitch Engage (US) Metalcore Fri-Son 07.11.16 / 18:30 / CHF 45.-/49.- Black Mountain Rock, heavy-metal, folk Nouveau monde 08.11.16 / 20:00 / 25.- Cherokee Rock Le XXème 09.11.16 / 21:30 / Free Nada Surf (US) / Yokko (CH) New York Nerd Rock / Atlantic Wave Fri-Son 19.11.16 / 20:00 / CHF 33.-/36.- The Slow Show (UK) Americana from Manchester Bad Bonn 22.11.16 / 21:00 / CHF 28.- Centre Fries 10.11. Improtheater RUMS 12.11. Journée Film : British Humour 17.11. Soirée de solidarité La Brèche 30.11. Semester End Party Conférences / Vorträge The EU Migration Agenda: current issues 03.11.2016 / 17:15 - 18:15 Site MIS 04 / Salle 4112 Avenue de l'Europe 20, 1700 Fribourg Prof. Hildegard Schneider, Maastricht University Die Schweizer Medienpolitik – Einige Erfolge und viele verpasste Chancen 14.11.2016 / 17:15 - 19:00 Site PER 21 / Salle A120 Bd de Pérolles 90, 1700 Fribourg Dr. Roger Schawinski, Doktor honoris causa der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät Les défis de la politique européenne de la Suisse 14.11.2016 / 17:15 Site MIS 03 / Salle 3113 Avenue de l'Europe 20, 1700 Fribourg Ambassadeur Jacques de Watteville, Docteur honoris causa de la Faculté de droit « Migrantes » : conférence et témoignage sur la migration, au travers du regard de la Femme 15.11.2016 / 19:30 Site MIS 03 / Salle 3117 Avenue de l'Europe 20, 1700 Fribourg Marylin Via-Pittet, Responsable de formation chez espacefemmes Warum wir die einen verspeisen und die anderen verwöhnen. Vom Projekt einer Theologischen Zoologie 30.11.2016 / 12:15 - 13:30 Site MIS 04 / Salle 4112 (Salle Jäggi) Avenue de l'Europe 20, 1700 Fribourg Dr. Rainer Hagencord, Institut für Theologische Zoologie, Philosophisch-Theologische Hochschule Münster Partys Bongo Joe Night Garage / Lo-fi / Pop punk Le Mouton Noir 03.11.16 / 21:00 - 2:00 / CHF 5.- Psycho Party goes Mouton Noir & Belvédère Disco / House / Techno Le Mouton Noir 10.11.16 / 21:00-2:00 Rock'n'Roll Attack Surf-Garage-Mod-Rockabilly-Rock'n'Roll and More Fri-Son 26.11.2016 / Doors 00:00 / CHF 5.- Divers / Sonstiges Arty Skully & The Puces Tasty Design & Flea Market Fri-Son 13.11.2016 / 10:00 – 17:00 Soirée poker Le XXème 13.11.16 et 20.11.16 / 18:30 / sur inscription LEO (Canada) Théâtre Nuithonie 18-19.11.16 / 20:00 / 30.- (étudiant) Molière-Montfaucon 1-1 Humour Nuithonie 01-03.12.16 / 20:00 / 25.- (étudiant) IMPRESSUM #5/2016 Chefredaktion / Rédacteur en chef Unipolitik / Politique universitaire Kultur / Culture Online Titelbild / Couverture Layout Korrektur / Correction Info / Abonnement Internet Administration Marketing Nächste Ausgabe / Proch. parution Mirjam Schmitz Aurel Dewarrat Noah Fend Julie Bruelhart Gioja Weibel Maya Bodenmann Valentina Berchtold Guillaume Peugniez Arnaud Dousse Emilie Renevey Melanie Bösiger Benjamin Egger spectrum@unifr.ch blog.unifr.ch/spectrum/ Gaëtan Mabillard Rabea Besch 12.12.2016 Fotograf/innen / Photographe Illustrationen / Illustrations Mitautor/innen dieser Ausgabe Contributions à ce numéro Valentina Berchtold, Lucie Besson, Wilde Colares, Mirjam Schmitz, Gila Sonderwald, Lorenz Tobler Clarisse Aeschlimann, Nida-Errahmen Ajmi, Arnaud Dousse, Kalinka Janowski, David Nguyen, Andréa Savoy Evelyne Aschwanden, Valentina Berchtold, Melanie Bösiger, Damian Correa, Noah Fend, Elia Kaufmann, Carine Meier, Anna Müller, Mirjam Schmitz, Lorenz Tobler, Gioja Weibel Lucie Besson, Maya Bodenmann, Julie Bruelhart,Giada Calamai, Sharon Carminati, Aurel Dewarrat, Mona Heiniger, Alexandre Loretan, Jodie Nsengimana, Arthur Rossier, Andréa Savoy, Pauline Seppey Depuis 1958, Spectrum est le journal des étudiants de l’Université de Fribourg. Entièrement créé par les étudiants, le magazine est également bilingue. Chaque étudiant peut participer à la création de Spectrum et ainsi faire ses premiers pas dans le journalisme. Spectrum paraît six fois par an et est à la disposition des étudiants gratuitement à l’Université. Das Studierendenmagazin Spectrum gibt es seit 1958. Es wird von Studierenden der Universität gestaltet und ist zweisprachig. Alle Studierenden können mitmachen und dabei Erfahrungen im Journalismus sammeln. Spectrum erscheint sechsmal im Jahr und liegt kostenlos an der Uni auf. 5/2016 31
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