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SMZ Liebenau Info Sep_2010

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ungleichheit<br />

Ein Betriebsausflug in<br />

Sachen Ungleichheit<br />

Linz war Kulturhauptstadt 2009, Linz beherbergt<br />

Museen wie das Ars Electronica<br />

Center und das LENTOS, Linz ist Bruckner-Hauptstadt<br />

und Linz hat die Donau, die<br />

sich eindrucksvoll und breit durch die Stadt<br />

wälzt. Und hier, in einem Cafe direkt an der<br />

Donau, treffen wir uns im Juni zu einem ungewöhnlichen<br />

Betriebsausflug: Drei Berufssparten<br />

– Sozialarbeiterinnen, Juristin und<br />

Soziologin – wollen einmal fernab von Graz<br />

miteinander über den Betrieb diskutieren,<br />

bestehende Projekte besprechen und neue<br />

entwickeln, essen, trinken und die heiße<br />

Linzer Sommernacht genießen.<br />

Gleich zu Beginn eine kleine Supervisionsrunde:<br />

Die Sozialarbeiterinnen kommen<br />

gerade von einer <strong>Info</strong>rmationsveranstaltung<br />

über den barrierefreien Zugang zu<br />

Familienberatungsstellen und lassen sich<br />

erschöpft in die Sessel fallen: „Das schaffen<br />

wir nie. Da müssen wir ja das ganze Zentrum<br />

komplett umbauen…Und die Finanzierung<br />

übernimmt der Bund nicht!“ Juristin<br />

und Soziologin versuchen zu entschärfen:<br />

„Wir haben da jetzt ein sehr interessantes<br />

Seminar über neue Fördermöglichkeiten in<br />

der EU besucht….“<br />

Nach dem Essen beruhigen sich die Mägen<br />

und Gemüter und wir ziehen weiter zum<br />

„Gelben Krokodil“, wo es neben einem Programmkino<br />

auch einen netten Gastgarten<br />

gibt. Dort werden mit Feuereifer neue Projektideen<br />

geboren und gedankliche Vorbereitungen<br />

für das Stadtteilfest „Ein Garten<br />

für Alle!“ getroffen.<br />

Prof. Clemens Sedmak, der an der Universität<br />

Salzburg und am King’s College in London<br />

lehrt, diagnostiziert außerdem, dass bei<br />

Angst die Großzügigkeit abnimmt und eine<br />

Politik der Angst daher zu einer Entsolidarisierung<br />

der Gesellschaft führt.<br />

Über „moral luck“ verfügt jeder, der gute<br />

Bedingungen vorfindet, um gesund leben<br />

zu können. Wer weniger verdient, eine<br />

schlechtere Ausbildung, mehr Stress und<br />

einen niedrigeren sozialen Status hat, läuft<br />

eher Gefahr, krank zu werden. Wichtig ist<br />

auch der Faktor „job control“: Wenn man<br />

das Gefühl hat, im Berufsleben seinen Fähigkeiten<br />

entsprechend eingesetzt zu werden<br />

und wenn man sich einbringen kann, ist<br />

das auch förderlich für die Gesundheit!<br />

„Frühe Selektion fördert<br />

Ungleichheit“<br />

Der nächste Referent, Johann Bacher, ist<br />

Professor für Soziologie und empirische Sozialforschung<br />

an der Johannes Kepler Universität<br />

Linz und berichtet über die aktuellen<br />

Forschungen zu Bildungsungleichheiten: Im<br />

österreichischen Schulsystem besteht an allen<br />

Schnittstellen (vom Kindergarten bis zur<br />

Universität) eine hohe Selektivität nach sozialer<br />

Herkunft. Das bedeutet, Menschen mit<br />

niedrigerer sozialer Herkunft und mit Migrationshintergrund<br />

entscheiden sich häufiger<br />

für eine formal niedrigere Bildungslaufbahn<br />

ihrer Kinder (z.B. Hauptschule, Berufsschule<br />

statt Gymnasium und Universität).<br />

10<br />

<strong>SMZ</strong> INFO september <strong>2010</strong><br />

„Politik der Angst führt zu<br />

Entsolidarisierung“<br />

Am nächsten Tag widmen wir uns ganz dem<br />

Thema Ungleichheit in allen Facetten. In<br />

den Räumen der Oberösterreichischen Arbeiterkammer<br />

findet eine Tagung statt, die<br />

Gesundheitsförderung und Prävention in<br />

Bezug auf Soziale Ungleichheit beleuchtet.<br />

Bei den Eröffnungsvorträgen hören wir, dass<br />

der „Gini-Koeffizient“ 1 eine merklich ansteigende<br />

Ungleichheit in Europa anzeigt.<br />

„Gesamtschule kann ausgleichen“<br />

Es ist empirisch gut belegt, dass Gesamtschulsysteme,<br />

wie sie in anderen Ländern<br />

wie z.B. Finnland vorherrschen, schichtspezifische<br />

Bildungsungleichheiten deutlich<br />

reduzieren! Eine ganztätige Gesamtschule<br />

könnte daher auch in Österreich das Bildungsgefälle<br />

zwischen den einzelnen sozialen<br />

Schichten reduzieren. Hierfür wäre<br />

allerdings entscheidend, dass Schulen mit<br />

schwierigen Ausgangsbedingungen (z.B.<br />

hoher Migrationsanteil) mehr Förderungen<br />

1<br />

Für Interessierte: Der Gini-Koeffizient ist ein statistisches Maß zur Darstellung von Ungleichverteilungen. Er kann beliebige<br />

Werte zwischen 0 (das Vermögen eines Staates ist auf alle Bewohner gleichmäßig verteilt) und 1 (das gesamte Vermögen<br />

eines Staates gehört einem einzigen Bewohner) annehmen. Je näher der Gini-Koeffizient an 1 ist, desto größer ist die<br />

Ungleichheit, z.B. in Bezug auf die Einkommensverteilung.

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