SMZ Liebenau Info Sep_2010
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ungleichheit<br />
Psychotherapie und Wirtschaftskrise<br />
Fortsetzung<br />
» Was können Psychotherapeuten tun?<br />
Nichts. Sie könnten ebenso gut Dermatologen fragen.<br />
26<br />
<strong>SMZ</strong> INFO september <strong>2010</strong><br />
Fetisch Geld<br />
Die „Zurschaustellung“ des Geldes ist sehr<br />
wichtig, sie wird nicht schamhaft versteckt.<br />
Warum wird publiziert, wie viel ein Vassella 2<br />
oder ein Ospel 3 verdient? Und wenn es publiziert<br />
wird, so wird dies als Gutschein für<br />
das gesellschaftliche Ansehen verwendet.<br />
Es geht nicht mehr darum, wer welches<br />
Auto fährt, sondern wer bekommt wie viele<br />
Boni im Jahr.<br />
Nur, diese Millionen sind nicht verloren gegangen<br />
in der Krise. Aber durch diese Millionen<br />
wurde der Impuls angeheizt, mit den<br />
Billionen der Menschen zu spielen. Man<br />
muss nicht glauben, dass alle Boni zusammen<br />
die Krise ausmachen. Nein. Es ist die<br />
Übersetzung der Boni in die Qualität der<br />
Rücksichtslosigkeit, die bewirkt, dass das<br />
Tausendfache und Millionenfache dieser<br />
Boni aufs Spiel gesetzt wurde.<br />
Hier spielt auch der Fetischcharakter des<br />
Geldes eine gewisse Rolle, nicht das physische<br />
Geld, sondern das Geld als Summe,<br />
als Symbol. Diese abstrakte Zahl verkörpert<br />
symbolisch ganz viel Erfolg, Intelligenz, Potenz,<br />
Macht und Männlichkeit.<br />
Der Motor des Ganzen<br />
R: Als Motor des Ganzen kann man vielleicht<br />
schon den Kapitalismus nennen, er<br />
geht über die Individuen hinaus. Er funktioniert<br />
wie ein Verstärker. Eigenschaften wie<br />
Rivalität, die Gier des Kopflosen, der Unbewusstheit,<br />
das Unverbundensein mit den<br />
von mir Abhängigen, das alles hat mit Kapitalismus<br />
zu tun. Es geht um die Berechtigung,<br />
durch mehr Tüchtigkeit mehr anzuschaffen<br />
und bessere Ränge zu erreichen,<br />
zu blenden.<br />
Letztlich geht es ja immer – wenn wir das<br />
im libidinösen Kontext betrachten – um den<br />
Narzissmus, der blenden will, um bei der<br />
Triebentfaltung noch bessere Chancen zu<br />
bekommen.<br />
2<br />
ehemaliger Chef des viertgrößten Pharma-Konzerns der Welt.<br />
3<br />
ehemaliger Chef der Schweizer Großbank UBS.<br />
In der Phantasie gibt es keine Grenzen. Da<br />
ist das grandiose Selbst, das im Individuum<br />
meistens gebremst wird. Aber wenn sie eine<br />
szenische Umgebung haben, die sie nicht<br />
bremst, sondern anfeuert – und das ist der<br />
Kapitalismus - wenn die ökologische Nische<br />
sie veranlasst, bei diesem Wettbewerb einzusteigen,<br />
dann gibt es wenig Menschen,<br />
die gegen die Verlockungen gefeit und bereit<br />
sind, auszusteigen.<br />
Wie geht man selbst damit um<br />
R: Ich weiß selber nicht, wie ich mich unter<br />
solchen Bedingungen verhalten würde.<br />
Ich würde meine Hand nicht dafür ins Feuer<br />
legen, dass ich rechtzeitig alles merken<br />
würde. Ich bin, Gott sei Dank, durch meinen<br />
Beruf überhaupt nicht in dieser Gefahr.<br />
Ich weiß nicht, was bei mir ausgelöst würde<br />
durch die Ansteckung in der Masse, unter<br />
Kriegsbedingungen oder unter Bedingungen,<br />
wo man entfesselt ist und über Machtinstrumente<br />
verfügt.<br />
Ich würde nichts garantieren, aber natürlich<br />
hoffe ich, dass ich nicht mitmachen würde.<br />
Aber wir sind nicht erprobt worden in unserem<br />
braven Beruf hinter der Couch. Die<br />
Gefahr spielt nur eine Rolle in den Verführungsszenen,<br />
in der libidinösen Nähe zu<br />
den Patienten, der Ausbeutbarkeit der Patienten.<br />
Hier werden wir geprüft. Aber auch<br />
da sind wir selten in Gruppen, die das anfeuern.<br />
Das Geld „arbeitet“<br />
R: Jetzt wurde zu Recht kritisiert, dass es<br />
nicht mehr um eine Wirtschaft geht, die sich<br />
auf die Produktion stützt, sondern auf die<br />
Verwaltung von Geld. Das Geld „arbeitet.“<br />
Man muss überhaupt nichts herstellen, sondern<br />
gut wirtschaften mit dem Geld. Und<br />
an diesem Fetisch kann theoretisch jeder<br />
teilhaben. Dies ist in den USA auch so ge-