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erzkatholischen Ekklesiasten, wie sie der Volapük-Erfinder J.M. Schleyer vertrat. Das Werk des Revaler Occidental-Schöpfers Edgar von Wahl, als estländischer Baltendeutscher wahrlich kein Freund von Marx, Engels, Lenin und Stalin, wurde sogar als gescheiterter antikommunistischer Entwurf diffamiert, und A. Godes Interlingua wurde als „paradoxes Produkt der Interlinguistik“ (was es durchaus auch gewesen sein mag) verabscheut. Godes einziges Verdienst habe darin bestanden, als erster den Versuch unternommen zu haben, bewusst und ausschliesslich das geschlossene System der abendländischen Sprache zu kodifizieren (Zitat von Gode), während von Wahl eine praktische Sprache erschaffen wollte, die allen Menschen romanischer Zunge allgemein verständlich sein sollte. Die Haltung, bei der ein Gode und ein von Wahl an die Überlegenheit der westlichen Kultur und ihrer Sprachen glaubte, musste bei den dogmatischen Ostblockkommunisten natürlich auf Skepsis stossen. Gerade deshalb war die Sprache Occidental auf östlichen Druck hin in Interlingue umbenannt worden. Die Bemühung der Kommunisten, L.L. Zamenhof in die Nähe der Proletarier (Arbeiter), Sozialisten usw. rücken zu wollen, musste aber von vornherein kläglich scheitern, denn sie ist abwegig und kommt einer marxistischen Vergewaltigung der eigentlichen Ideen Zamenhofs selbst gleich. Mag sein, dass Zamenhof als Quartiersarzt unter seinen Patienten und Kunden nicht wenige Arbeiter vorgefunden hatte, er selbst äusserte sich aber nie im Sinne eines Proletariers und liess auch keine Tendenz erkennen, sich für einen Marxisten, Sozialisten oder gar Kommunisten zu halten. Der Einwand der Marxisten oder Kommunisten, Zamenhof sei „nicht in der Lage gewesen, die wirklichen gesellschaftlichen Triebkräfte zu erkennen, die hinter den scheinbar nur interethnischen Konflikten standen“, ist eine unbegründete ideologische Spekulation, die von Leuten vom Schlage eines Drezen, Spiridovič usw. in die Welt gesetzt und in der DDR von eingebildeten Marxisten wie Rudi Graetz und Detlev Blanke übernommen und weiter propagiert wurde. Statt diesen marxistisch verbrämten Unsinn zu reproduzieren, wäre es angemessener gewesen, den jüdisch-zionistischen Hintergrund Zamenhofs stärker auszuleuchten. Aber jüdische Themen zu analysieren gehörte aus bekannten Gründen nun wahrlich nicht zum vordergründigen Repertoire von angepassten Ostblock-Autoren, die sich im Allgemeinen vor jüdischen Themen scheuten wie der Teufel vor dem Weihwasser. Salonfähig gemacht werden konnten hingegen wieder nichtmarxistische Linguistik-Klassiker wie die Brüder Ferdinand und René de Saussure, Baudouin de Courtenay und der amerikanische Strukturalist Edward Sapir, alle längst gestorben, in Vergessenheit geraten und in der Sowjetunion lange mehr oder weniger geächtet. Irgendwo taucht im Rande des Buchs – man sehe und staune – sogar noch Polivanovs Name auf. Im Zuge der mediokren politischen Abrechnung ging Blanke wenig freudig mit gewissen westdeutschen Kollegen wie etwa mit dem renommierten Kybernetiker Helmar Frank (Paderborn) oder mit Oberstudienrat Reinhard Haupenthal (Saarbrücken), einem qualifizierten Esperantologen, um, der es gewagt hatte, die neu erschienenen DDR-Esperanto-Wörterbücher von E.-D. Krause regelmässig zu zerzausen. Beide Kollegen wurden zwar als Fachleute auf ihrem Gebiet respektiert. Krause war ein DDR-Indonesist gewesen, der sich auch mit Esperantologie beschäftigte. Ein drittes zentrales Feindbild wurde mit der Person des ehrbaren Richard Schulz aus Minden aufgebaut, gegen dessen populärwissenschaftlichen Esperanto-Bücher herzhafte Angriffe gestartet wurden. Im Übrigen wurde auch der bekannte Moskauer Interlinguist S.N. Kuznecov, der durch seine unideologische Haltung auffiel, von den Dogmatikern und ihren Lakaien nicht davon verschont, als Strukturalist im Sinne einer pejorativen Eigenschaft verdächtigt zu werden. Natürlich erfolgte die Auswahl der Zitate durch Blanke im Allgemeinen selektiv, um ideologische Risiken auszuschalten. So bestand des öftern die Gefahr, dass Zitate aus dem Gesamtkontext herausgerissen und zu wenig reflektiert wurden. So gesehen blieb diese realsosozialistische Darstellung Blankes, die für DDR-Verhältnisse wohl als eine sehr stil- und niveauvolle akademische Frucht eines Autors vertrieben werden konnte, der es sogar geschafft hatte, auch im Bereich der Interlinguistik ein wenig Klassenkampf und Kalten Krieg zu spielen, dennoch hauptsächlich deskriptiv, streckenweise oberflächlich, unvollständig und langweilig, intellektuell öde und für eine Habilitation einer Universität, die den Namen Humboldts trug, ideologisch-politisch erschreckend kurzsichtig. Es drängten sich somit Zweifel an der (strengen) Wissenschaftlichkeit von Blankes Arbeit auf, zumal das Buch ja auch das Werk eines Einzelgängers ist, der seine interlinguistischen Studien ausserhalb des akademischen Sprachwissenschaftsbetriebs der DDR getätigt hat und von den internationalen sprachwissenschaftlichen und sprachphilosophischen Einflüssen praktisch unberührt und isoliert blieb. Von unkritischen Blanke- „Schülern“ wie Brosch/Fiedler (letztere ist immerhin Professorin in Leipzig) wurde das Buch quasi wie eine Bibel verklärt, wenn es etwa in der Einführung zur Festschrift zum 70. Geburtstag von D. Blanke hiess: „(...) Superlative sind in Festgaben dieser Art häufig. Sie sind im vorliegenden Fall jedoch ganz sicher gerechtfertigt. Es ist keine Übertreibung, den Jubilar als den bedeutendsten Vertreter der Interlinguistik/Esperantologie im deutschsprachigen Raum und einen der weltweit führenden Interlinguisten zu bezeichnen. Sein 1985 erschienenes Buch Internationale Plansprachen. Eine Einführung ist bis heute das Standardwerk der Interlinguistik. Die darin zu findende systematische Klassifikation nach ihrer Anwendung 72
ist unverzichtbare Grundlage für Studien auf diesem Gebiet. Seit dem Erscheinen dieses wegweisenden Werkes ist, wie seine beeindruckende Publikationsliste bezeugt, eine Fülle weiterer herausragender Arbeiten aus seiner Feder entstanden. (...).“ Von C. Mannewitz wurde das Buch sogar als „Bibel“ verklärt. Aus oben dargelegten Gründen ist ein Buch wie Blankes Internationale Plansprachen. Eine Einführung in der vorhandenen Fassung wissenschaftlich veraltet und kann den heutigen Studenten der Interlinguistik als Lehrbuch nur unter Vorbehalten zugemutet werden. Dem Autor hatte ich seinerzeit eine fundamentale Überarbeitung einzelner Kapitel empfohlen, um das Buch von ideologischem Ballast zu säubern. Eine revidierte Neuauflage ist nie erschienen. Im Gegenteil: Man hat das Werk auf CD gebrannt, um es unverändert elektronisch weiter zu vertreiben. Trotz des lauten Lärms um die Interlinguistik ist von ihr in der Angewandten Linguistik, der Soziolinguistik oder dem Strukturalismus so gut wie nicht die Rede. Vielmehr diente die Interlinguistik zur propagandistisch missbrauchten theoretischen Rechtfertigung der angeblichen Superiorität des Esperanto gegenüber anderen Plansprachen und Ethnosprachen. Wenn man Detlev Blanke also als „international führenden Interlinguisten“ feiert, sollte man die hier erwähnten Defizite und Nachteile, die dieser Plansprachenforscher aus der ehemaligen DDR verkörpert, unbedingt mitberücksichtigen. Seine ‚wissenschaftlichen’ Beiträge sind also nur mit Reserve zu konsultieren. 73 © Andreas Künzli 2012 Verfasst im Rahmen von: http://www.planlingvoj.ch/Studie_DDR_der-esperantist.pdf, S. 63ff.
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