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Titelthema: Dachschildkröten

DGHT Internbeit. Beides

DGHT Internbeit. Beides bekam ich umgehend. Nachdem sich das Themameiner Arbeit konkretisiert hatte, besuchte ich ihn imMärz 1970 zum ersten Mal in seinem Museum und konnteihm auch ihn interessierendes Smaragdeidechsenmaterialvon einer Reise nach Nordost-Griechenland und indie West-Türkei mitbringen. Im Herbst desselben Jahreskonkretisierte sich meine Arbeit so weit, dass ich nun ihreErgebnisse gern einmal persönlich mit dem bedeutendenFachmann besprechen wollte. Bei diesem zweiten Besuchbei Dr. Peters am 18. September 1970 sollte ich noch kurzin seinem Büro sein Eintreffen abwarten, und es saß dortbereits ein junger Mann, der ebenfalls auf ihn wartete.Der hieß Wolfgang Bischoff, was der Beginn unserer jahrzehntelangen,bis heute andauernden Freundschaft undZusammenarbeit war. Von diesem also folgenreichen Besuchprofitierten wir beide, und als damals herpetologischesHighlight blieb, für uns beide erstmalig zu sehen,ein großes Gallotia-stehlini-Männchen im Gedächtnis, dasdort in Dr. Peters‘ Büro gehalten wurde. Ein nächstespersönliches Zusammentreffen gab es 1981, bei der „1.Herpetologischen Konferenz der sozialistischen Länder“,an der auch Günther Peters mit seiner Ehefrau Adelheidteilnahm. Die beiderseitige regelmäßige Korrespondenzfüllte bald einen Aktenordner, und im März 1987 bot ermir darin das „Du“ an. Ein nächstes persönliches Treffenim Museum im Frühsommer 1987 scheiterte allerdings ander politischen Lage. Wolfgang Bischoff war ja nach einerharten Zeit in Cottbus 1978 in die Bundesrepublik nachBonn übersiedelt, woran ich nicht ganz unbeteiligt war.Daher verwehrte mir die DDR nun nach fast einem Jahrzehnt(!) die Einreise von West- nach Ostberlin, sodassGünther Peters im dortigen Museum vergebens auf michwartete. Diese Probleme lösten sich dann zum Glückdurch Mauerfall und Wiedervereinigung 1989, sodass wirim Mai 1990 ganz normal wieder an einer Tagung im BerlinerMuseum teilnehmen und dort auch vortragen konnten.Drei Monate zuvor hatte auch Günther Peters bereitsan einem in Bonn organisierten Treffen der Vertreter derdeutschen Naturkundemuseen teilgenommen und dabeinatürlich auch unsere herpetologische Sammlung undmich privat besucht – Happy End einer politisch hindernisreichen,aber trotzdem stets engen kollegialen undfreundschaftlichen Beziehung.Ebenso, wie Günther Peters es als besonderen Glücksumstandfür seine berufliche Entwicklung empfand, dassihm Erwin Stresemann zu einer Doktorandenstelle undfesten Anstellung im damaligen Zoologischen Museumder Humboldt-Universität Berlin verhalf, bin ich (H.-J.Pae.) von Günther Peters gefördert worden, obwohl meinSelbstwertgefühl durch einen schwierigen Einstieg insBerufsleben und dessen Vorgeschichte arg gelitten hatteund keineswegs dem eines förderungswürdigen Kandidatenentsprach. Nach dem Ende des II. Weltkriegeshatte ich im ehemaligen Hinterpommern bis zur Vertreibungdurch die Polen zwei Jahre keinen Schulunterrichtund daher beim späteren Grundschulabschluss in Erfurtnicht gerade geglänzt. So landete ich für die nächstenJahre als Maurer auf dem Bau, bis ich eine Ausbildungan der Fachschule für Heimatmuseen zum Museologenmit naturkundlicher Spezialisierung absolvieren und1970 – inzwischen im Museumswesen tätig – nach weiterenJahren Fernstudium an der Humboldt-Universitätdie Diplomprüfung im Fach Biologie ablegen konnte.Günther Peters, einer unserer beliebtesten Dozenten, denich schon seit einer Faunistentagung im Jahre 1965 kannte,hatte meine Diplomarbeit betreut und gerade seineStudien an den märkischen Smaragdeidechsen beendet.So war es mir eine nahezu euphorische Freude, mit ihmam 29. Juli 1970 zu einem bis dahin der Fachwelt unbekanntenSmaragdeidechsenvorkommen in die Lausitz zufahren, das ich erkundet hatte (Paepke 1970). Lässig deuteteer vom Beifahrersitz des klapprigen Škoda Octaviaauf die Straße vor uns und bemerkte lapidar: „Da liegt´ne Strippe“. Aber ehe ich seine Warnung verstand, warenwir schon von der Polizei geblitzt worden. Niemalszuvor oder danach hat mir ein Bußgeld so wenig ausgemachtwie auf dieser für mich so denkwürdigen gemeinsamenFahrt! Der Kontakt zu Günther Peters riss nichtmehr ab, und als Ende 1976 im Zoologischen MuseumBerlin die Kustodie der riesigen ichthyologischen Abteilungdurch „Republikflucht“ vakant wurde, bot er siemir kurzerhand an. Lange zögerte ich, diese große Aufgabezu übernehmen, doch Günther Peters verstand es inseiner charismatischen, persönlichen Art, meine Selbstzweifelzu zerstreuen und mich zu meinem bedeutsamstenberuflichen Schritt zu ermutigen. Heute bin ich ihmsehr dankbar dafür, dass er an mich geglaubt hat und mireine Perspektive eröffnete, die meinem Kindheitstraum,später einmal etwas mit „Naturforschung“ zu tun zu haben,entsprach. Obwohl es nochmal einiger harter Jahrebedurfte, um neben den drängendsten Arbeiten in derFischabteilung mit ihren bedeutenden ichthyologischenSchätzen zu promovieren und so die erforderliche Qualifikationnachzureichen.Als wir (S. R., H.K. N.) 1972 durch eine Jugoslawienexkursionmit Frau Dr. L. Schütz aus der Zoologie der UniKiel in die Eidechsenforschung gestolpert waren undSilke dann erfolgreich die Smaragdeidechsen-Hybridisierungim Terrarium erprobt hatte, machte uns WolfgangBöhme gleich auf Günther Peters und Wolfgang Bi-Männchen von Lacerta v. viridis in der ehemaligen Populationvon Lieberose, 15.05.1976 Foto: W. Bischoff100

DGHT Internschoff aufmerksam und stellte so wesentliche Weichen füruns. Schon 1973 besuchten wir Günther Peters im Museum,es war für uns die erste Begegnung mit einer großenSammlung und mit einem Menschen, der darin arbeitete.Wir kannten schon seine wichtigen Arbeiten zu den Smaragdeidechsenund den kaukasischen Zauneidechsen, aberbeeindruckend war vor allem, wie er aus seinen Freilandbeobachtungenerzählen konnte, ein einfühlsamer, geduldigerund genauer Beobachter. Beeindruckend auch, wieer uns Neulingen begegnete, nicht von oben herab undprüfend, sondern auf Augenhöhe, ermunternd und ermutigend.Wir waren dann noch manches Mal im Museum,suchten und bearbeiteten Tiere in der Sammlung, diskutiertenmit Günther Peters über Phylogenie und Systematikund lernten, wie sehr auch für solche Fragen fortpflanzungsbiologischeund ökologische Daten relevant seinkönnen. Auch trafen wir bei ihm andere Kollegen. Es istheute im Zeitalter des Internets kaum mehr vorstellbar,wie schwer es zu Zeiten der DDR war, mit dortigen Kollegenin Kontakt zu kommen oder gar Forschungsmaterialauszutauschen. Günther Peters‘ Arbeitszimmer war daein Ort, wo man von West und Ost hinkam, nicht immerrasch, aber doch zuverlässig genug, um Leute zu treffen,die anders zu besuchen nicht möglich war. Unsere Besucheim Berliner Museum setzten sich fort, auch nachdemRainer Günther die Sammlungsleitung übernommen hatteund Günther Peters sich den Aeshniden widmete. Undda Günther Peters auch Freude an Terrarienbeobachtungenhatte und Freilandterrarien unterhielt, brachten wirihm ein Nachzuchtpaar aus unserer Zucht von Lacertaprinceps (heute Timon kurdistanicus) mit. 1990 organisierteGünther Peters anlässlich des 100-jährigen Bestehens desMuseumsbaus eine Fachtagung zur zoologischen Systematik,bei der auch unsere Arbeitsgruppe aus Bremenzahlreich vertreten war. Schon im Vorfeld hatte GüntherPeters dazu gedrängt, dass ich (S. R.) dort die Ergebnissemeiner Kreuzungsexperimente bei Smaragdeidechsendarstellen sollte, und er hatte durch seinen ruhigen Zuspruchmein Lampenfieber wesentlich gesenkt (Rykena1981). Sein fortlaufendes Interesse beförderte wesentlichdie Arbeit an der Datenbasis zur Trennung der beidenSmaragdeidechsenarten, womit dann nach der Wendeauch begründbar war, dass man die brandenburgischenSmaragdeidechsen, jetzt eine eigene Art, nicht „in Würdeaussterben lassen könne“, weil man ja genug im Rheinlandhätte (Gesprächssplitter aus dem BfN).Meine (K. E.) Bekanntschaft mit Günther Peters begann1994. Im Rahmen meiner Diplomarbeit in Bremen warich auf seine Arbeiten zu Zaun- und Smaragdeidechsengestoßen und wollte nun genauer wissen, wie es um dieLausitzer Smaragdeidechsen-Populationen tatsächlichbestellt war. Günther Peters motivierte mich mit seinempositiven Zuspruch sehr, diese Untersuchungenauch umzusetzen. Ich bin ihm sehr dankbar, dass er – soschrieb er es mir als Widmung in die Publikation – die„Smaragdeidechsen-Stafette“ an mich weitergereichthat. Und keineswegs selbstverständlich war seine Bereitschaft,mir mit dieser Stafette auch seine Daten derJahre 1958–1968 zu übergeben. Seine Langzeitstudie anbrandenburgischen Smaragdeidechsen führte GüntherPeters am Rande einer Übungsfläche der Roten Armeequasi unter militärischer Aufsicht durch. Das war, soerzählte er, angesichts seiner russischen Sprachkenntnissekein prinzipielles Problem – aber wohl abhängigvom jeweiligen Wodka-Pegel der diensthabenden Rotarmisten,dem aufzuhelfen gelegentlich hilfreich war.So erhob er von Berlin aus mit Bahn und Fahrrad überelf Jahre akribisch ein damals beispielloses Datenmaterialund stellte es in einer wunderbaren umfassendenPublikation dar. Die Rahmenbedingungen, unter denenich etwa 25 Jahre später in den brandenburgischen Smaragdeidechsenhabitatenarbeiten konnte, waren nachdem Abzug der Roten Armee deutlich moderater. GüntherPeters begleitete diese Arbeit mit großer Sympathieund wohl auch mit einer gewissen Sorge um meinWohlergehen, wie er nach Abschluss der Arbeit (Elbing2000) meinem Doktorvater beschied: „Auf diese Flächenschickt man niemanden allein – und schon gar keineFrau!“ Alle, die die damaligen Rahmenbedingungenund die zwielichtigen Akteure, die in diesem Gebiet unterwegswaren, kannten, wussten, wie das gemeint war.2011 konnten wir (K. E. et al.) bei einer Exkursion mitGünther Peters die Tiere „seiner“ Population in derNiederlausitz vor Ort beobachten. Dabei wurde einmalmehr deutlich, dass auch der große AeshnidenforscherGünther Peters den Smaragdeidechsen weiterhin sehrverbunden war. Wir drei haben nicht nur von seinerSachkenntnis, sondern auch von seiner freundlichen,zurückhaltenden und einfühlsamen Gesprächsführungviel gelernt.Ich (H.K. N.) erinnere eine hitzige Diskussionsrundeim brandenburgischen Umweltministerium, wo westdeutscheund ostdeutsche Vorstellungen zur Organisationdes Schutzes der Smaragdeidechsen in der Lausitzaufeinandertrafen. Günther Peters hörte meist nur zu,zunehmend beunruhigt über unsere westdeutsche Artder fordernden Argumentation. Schließlich sagte eram Ende als Schlusswort, an alle gewandt, wir solltenuns dankbar gegenüber der Gesellschaft fühlen, die esuns ermöglicht, unsere uns wichtig erscheinenden Forschungs-und Naturschutzziele zu verwirklichen. Ichwar in dem Moment etwas irritiert und verstand erstspäter, dass es diese Haltung war, mit der Günther Petersals Bauernjunge aus Mecklenburg sein erfolgreichesForscherleben lebte.Diese sehr persönlichen Zeilen mögen zeigen, wie wirdurch seine Arbeiten und seine Persönlichkeit beeindrucktund geprägt wurden. Daher ist es uns wichtig,auch den bedeutenden Herpetologen Günther Peters indankbarer Erinnerung zu behalten, nachdem die Würdigungseiner odonatologischen Arbeit schon an andererStelle erfolgt ist (Weihrauch et al. 2023).Wolfgang Bischoff, Wolfgang Böhme, Kerstin Elbing, HansKonrad Nettmann, Hans-Joachim Paepke & Silke Rykena101

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