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Titelthema: Dachschildkröten

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DGHT InternGünther Peters während einer Exkursion zu den märkischenSmaragdeidechsen am 23.06.2011 Foto: K. ElbingErinnerungen an Günther Peters (1932–2023)Am 15. Januar 2023 verstarb Prof. Dr. Günther Petersim 91. Lebensjahr in seinem Wohnort Zepernick,einem Ortsteil der Gemeinde Panketal, am nordöstlichenStadtrand Berlins. Er war einer der bedeutendstendeutschsprachigen Herpetologen und Odonatologender Gegenwart. Die Unterzeichner dieser Zeilen profitiertenin unterschiedlicher Weise von der großzügigenHilfsbereitschaft des Verstorbenen. Dies ist unsere Motivation,Günther Peters nachfolgend zu würdigen undan sein herpetologisches Werk zu erinnern.Günther Peters wurde am 10. Juli 1932 im mecklenburgischenStralendorf bei Schwerin geboren. Er war dasälteste von fünf Geschwistern in einem ärmlichen, vonharter Arbeit geprägten bäuerlichen Haushalt. Seinebereits sehr früh ausgeprägte Neigung, interessantemGetier in der Natur nachzustöbern, wurde vom Großvater,dem amtierenden Familienoberhaupt (denn derVater war als Soldat im Krieg), als „Drückebergerei“vor der anstehenden Arbeit gemaßregelt (Peters 1998).Aber Günther Peters ging seinen Weg. Zunächst besuchteer die Dorfschule in Stralendorf und dann dieVolksschule in Schwerin. Ab Ende 1946 fand seineweitere Ausbildung an einer „Vorstudienanstalt“ statt,eine von der sowjetischen Militäradministration in derdamaligen sowjetischen Besatzungszone begründeteBildungseinrichtung. 1949 wechselte er an die „Arbeiter-und-Bauern-Fakultät“(ABF). Dort sollte vor allemArbeiter- und Bauernkindern der Weg zur Hochschulreifeermöglicht werden. Peters schloss diese 1952 mitdem Abitur in Rostock ab. Wegen seiner herausragendenschulischen Leistungen bekam er die Möglichkeit,von 1952–1957 in Leningrad (dem heutigen St. Petersburg)Zoologie und im Nebenfach Paläontologie zustudieren. Er hob später das relativ liberale, weltoffeneKlima an der Leningrader Universität im Vergleich zujener in Moskau in dieser poststalinistischen Epochehervor. Erhalten blieben lebenslange Freundschaftenzu einigen sowjetischen (russischen und ukrainischen)Herpetologen. In Leningrad lernte Günther Peters auchseine Frau Adelheid kennen, eine promovierte Parasitologin.Das Ehepaar hatte drei Kinder, eine Tochterund zwei Söhne. Als Nebeneffekt der LeningraderStudienzeit beherrschte Peters die russische Spracheperfekt. Das führte dazu, dass er 1956 anlässlich einesOrnithologenkongresses in Leningrad dem berühmtenZoologen Erwin Stresemann (1889–1972) als Dolmetscherzugeteilt wurde. Im gleichen Jahr beendete ersein Studium mit einer Diplomarbeit über die Kontaktzoneder westlichen und östlichen Zauneidechsen.Stresemann, seinerzeit kommissarischer Direktor desZoologischen Museums der Humboldt-UniversitätBerlin, erinnerte sich an Peters und holte ihn umgehendals Aspirant in sein Haus. Hier promovierte er, betreutvon Stresemann und dem damaligen Herpetologen desHauses, Heinz Wermuth (1918–2002), im Jahre 1960über die anatolisch-transkaukasische Zwergeidechse,Lacerta parva (heute Parvilacerta parva). Die Arbeitwurde zwei Jahre später publiziert. Wermuth mussteals Westberliner in der Folge des Baues der „BerlinerMauer“ 1961 als Leiter der Herpetologischen Abteilungausscheiden. Seine Nachfolge trat Günther Peters 1962an. Diese Aufgabe nahm er bis Ende 1984 wahr.Peters setzte seine bereits in Leningrad begonnenenForschungen an den Zauneidechsen – jetzt an den Populationendes kaukasischen Raumes – fort. Drei neueUnterarten waren das Ergebnis: Lacerta agilis brevicaudata,L. a. grusinica und L. a. ioriensis. Besonders hervorzuhebenist die monografische Bearbeitung der Smaragdeidechsenin vier Folgen. Die drei ersten Arbeitendieser Reihe sind die Basis für unsere heutige Kenntnisder verwandtschaftlichen Beziehungen in der GattungLacerta. Auf ihnen bauten unter anderem auch diewichtigen Arbeiten von Schmidtler (1975, 1986a, b, c)über die orientalischen Smaragdeidechsen auf. Hier beschriebPeters die Unterarten Lacerta trilineata cariensis,L. t. galatiensis und L. t. israelica (valide Taxa, die heutein anderer Kombination geführt werden). Die vierteArbeit ist bis in unsere Tage eine wichtige Grundlagefür die Erforschung und die Schutzbemühungen vonund um Lacerta viridis in Brandenburg. Der damals aktuelleKenntnisstand über die Smaragdeidechsen warim November 1998 Thema eines Symposiums in Cottbus,das auch zu Ehren von Günther Peters stattfand.Die Ergebnisse wurden in Band 13 der von der DGHTherausgegebenen „Mertensiella“-Reihe publiziert (El-98

DGHT Internfür Naturkunde. Einmalig in der Geschichte des Museumsblieb, dass Günther Peters im April 1990 von derBelegschaft zum Direktor des „Instituts für SpezielleZoologie und Zoologisches Museums“ gewählt wurde.Dies war nur in der basisdemokratischen Phase der unmittelbarenNachwendezeit in der gerade untergehendenDDR möglich. Das Abstimmungsergebnis wurdeanschließend vom Vorstand des Museums für Naturkundeund vom Rektor der Humboldt-Universität bestätigt.Bis 1996 leitete er die Geschicke des Hauses.Günther und Adelheid Peters sowie der ukrainische HerpetologeNikolai Schtscherbak 1981 in Budapest Foto: W. Böhmebing & Nettmann 2001). Hier wurde auch Lacerta viridisguentherpetersi als neue Unterart aus Griechenland publiziert(Rykena et al. 2001). Peters widmete sich auch denVerwandtschaftsbeziehungen der Perleidechse und derKanareneidechsen und der Biologie transkaukasischerWüstenrenner. Es kamen weitere herpetologische Aufsätzehinzu, und dann, in der Folge mehrerer Expeditionenin die Mongolei, größere Arbeiten über zentralasiatischeWirtelschwanz- und Krötenkopfagamen. Er bearbeiteteauch die kubanische Herpetofauna. 1972 habilitierte ersich mit einer Arbeit über die Phylogenese der Schmetterlingsagamen(Leiolepis), in der er auch drei neue Artenbeschrieb: Leiolepis ocellata (als Leiolepis belliana ocellata),L. peguensis und L. triploida. Peters publizierte über Knochenreste,die in rezenten und fossilen Tierbauten gefundenwurden. Im Band „Fische, Lurche, Kriechtiere“ des„Urania-Tierreichs“ behandelte er die Reptilien. Die Verdienstevon Günther Peters um die herpetologische Forschungwurden mehrfach gewürdigt (Obst 1998; Paepke1998; Paepke et al. 2012; Bischoff 2012; Plötner et al.2023; siehe auch Weihrauch et al. 2023).Die Phylogenie stand stets im Mittelpunkt der wissenschaftlichenTätigkeit von Günther Peters. Früher alsandere erkannte er die Bedeutung der von Willi Hennig(1913–1976) begründeten phylogenetischen Systematik.Er stellte fest, dass Hummeln und vor allem Libellen fürseine Forschungen geeignetere Studienobjekte waren alsReptilien, und so wandte er sich in der zweiten Hälfteseines Forscherlebens vor allem diesen Insektengruppenzu. Er wurde zum weltweit führenden Experten für dieEdellibellen der Familie Aeshnidae. Aus diesem Grundgab er 1984 die Leitung der herpetologischen Abteilungam Naturkundemuseum auf. Auch wenn die Eidechsenjetzt nicht mehr Gegenstand seiner Forschungen waren,fühlte er sich diesen Tieren weiterhin verbunden.Bleibt noch zu erwähnen, dass Peters im Jahre 1975 dieProfessur angetragen wurde und er in Berlin den Arbeitsbereich„phylogenetische Systematik“ etablierte.Bis 1990 war er stellvertretender Direktor des MuseumsWie haben wir Günther Peters erlebt?Ich (W. Bi.) wurde in jungen Jahren durch einen Aufsatzin der Zeitschrift „Aquarien und Terrarien“ überEidechsen und Schlangen in Armenien auf Günther Petersaufmerksam. Diese Region, also der Kaukasus undTranskaukasien, später der gesamte Nahe Osten, ließmich seitdem nicht mehr los. Mein besonderes Interessegalt schon damals der Zauneidechse (Lacerta agilis). DiesesInteresse ging bald über die reine Terraristik hinaus,und ich hatte die Vorstellung, ein Heft über diese Artfür die „Neue Brehm-Bücherei“ zu schreiben. Ich kanntePeters‘ Arbeiten über die Zauneidechse, und so suchteich ihn mit einem Textentwurf Mitte der 1960er-Jahrein Berlin auf. Er studierte mein „Werk“ und machte mirdann freundlich, aber deutlich klar, dass erheblicherÜberarbeitungsbedarf bestehe. Mein jugendlich-dilettantischerErstversuch verschwand für immer in derSchublade. Damit war mein Kontakt zu Günther Petersjedoch nicht beendet. In der Folgezeit suchte ichihn zwei- bis dreimal jährlich auf. Immer nahm er sichZeit für mich und gab mir Einblicke in die BerlinerSammlung, vor allem aber auch in die Systematik undTaxonomie der Eidechsen. Das war umso wichtiger fürmich, da mir in der damaligen DDR das Abitur und dasangestrebte Biologiestudium versagt blieben. DurchGünther Peters erhielt ich mein erstes herpetologischesRüstzeug. Seine Arbeit über die Perleidechse und ihreeventuellen Verwandtschaftsbeziehungen zu den Kanareneidechsenhabe ich mehrfach nahezu verschlungen.Eine erste geheime Sehnsucht, diese Tiere in ihrem Lebensraumzu beobachten, erwachte. Diese wurde dadurchverstärkt, dass in Peters‘ Büro ein Terrarium mitzwei Gallotia stehlini stand. Ich sah diese eindrucksvollenTiere dort zum ersten Mal lebend. Bei einem meinerBesuche in Berlin lernte ich im Büro von Günther PetersWolfgang Böhme (damals noch Doktorand in Kiel) kennen.Dieses Kennenlernen und die daraus erwachseneFreundschaft waren so einschneidend, dass ab 1978Bonn für 33 Jahre zu meiner Heimat wurde.Mein (W. Bö.) erster Kontakt zu Günther Peters im Juli1966 liegt 57 Jahre zurück. Als Kieler Zoologie-Studentwollte ich für meine Doktorarbeit gern ein Lacertiden-Themabearbeiten und bat daher den Herpetologendes Berliner Museums in einem Brief nicht nurum Sonderdrucke seiner hervorragenden Arbeiten überdiese Tiere, sondern auch um Ratschläge für meine Ar-99

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