E_1928_Zeitung_Nr.078
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Strasse frei?<br />
Jedes Jahr, wenn der Bettag vorüber ist, an den<br />
Jurahängen der Herbst seine ersten, bunten Kleckse<br />
hinmalt und in den Reben die Trauben reifen, bekommen<br />
die sonst stillen Dörfer am Bielersee vermehrten<br />
Besuch von nah und fern: die Lesetsonntage<br />
sind alte Tradition und sie locken auch heute<br />
noch eine gewaltige Menschenmenge nach Vingelz,<br />
Tüscherz, Twann, Ligerz und Neuenstadt.<br />
Unzählig sind die Sauserbummler, die zu Fuss<br />
den See hinauf wandern und auf «Bernerwägeli»<br />
und Fahrrädern kommen die Besucher aus Stadt<br />
und Land. Nur das Automobil hat an diesen Sonntagen<br />
zu gewissen Stunden — und zwar von mittags<br />
bis abends — auf einer gewissen Strecke am<br />
Bielersee (zwischen Biel und Twann) nichts zu suchen.<br />
Da müssen die Wagen hübsch in Biel oder<br />
Twann halten und diejenigen Automobilisten, die<br />
den See hinauf, etwa nach Ligerz oder Neuenstadt<br />
wollen, müssen auf Umwegen dorthin gelangen<br />
oder eben warten. —<br />
So war es wenigstens in den letzten Jahren. Aber<br />
heuer dürfte man doch eine Aenderung dieses verkehrsfeindlichen<br />
Erlasses erwarten dürfen. Seinerzeit,<br />
als die Strasse in schlechtem Zustande war<br />
und die Fussgänger von jedem Fahrzeug in Staubwolken<br />
gehüllt wurden, mochte dieses partielle<br />
Fahrverbot eine gewisse Berechtigung haben. Heute<br />
aber, wo die Strasse asphaltiert ist, sollte man den<br />
Verkehr auch an den Sonntagen durchgehend freigeben.<br />
Allgemein geht man sonst so vor, dass man eine<br />
wirtschaftlich heimgesuchte Gegend auf alle nur erdenklichen<br />
Arten unterstützt und vor allem den<br />
Verkehr fördert. Viele Jahre lang haben nun die<br />
Beben sozusagen keinen oder doch nur einen ganz<br />
geringen Ertrag abgeworfen. Was das für die ar- I<br />
men, genügsamen und fleissigen Rebbauern bedeutet,<br />
das kann nur der richtig ermessen, der einen<br />
richtigen Begriff von der mühsamen Rebarbeit hat!<br />
In den verschiedenen Ortschaften am See erfreut<br />
sich das Automobil einer grossen Beliebtheit, denn<br />
man schätzt allgemein im seeländischen Gastwirtsgewerbe<br />
die Automobilisten als gute Kunden. Nun<br />
aber sollen just diejenigen, die jahraus, jahrein<br />
einen keineswegs gering zu schätzenden Verdienst<br />
in die Dörfer bringen, an den Lesetsonntagen nicht<br />
das sonst geltende Recht, für das sie notabene dem<br />
Staat ihren Obolus entrichten, haben ... sie sollen<br />
in der Verkehrsfreiheit wieder aufs empfindlichste<br />
gehemmt werden.<br />
Mit einigem guten Willen liesse sich auch an<br />
Lesetsonntagen am Bielersee ein durchgehender,<br />
bloss in der Geschwindigkeit beschränkter Automobilverkehr<br />
durchführen und es ist zu hoffen, dass in<br />
diesem Jahr das teilweise Fahrverbot an den Sonntagnachmittagen<br />
als unberechtigt und verkehrsrückständig<br />
aufgehoben wird. Das erwartet man in den<br />
Ortschaften am Bielersee allgemein.<br />
Wir erwarten, dass an den kommenden Lesetsonntagen<br />
die Strasse am Bielersee den ganzen<br />
Tag für den Motorfahrzeugverkehr frei gegeben<br />
wird. R.<br />
Alte Walensee- und Kerenzenroute. In der<br />
«Sarganserländischen Volkszeitung» und in<br />
den «Glarner Nachrichten» äussern sich<br />
zwei Korrespondenten in schärfster Sprache<br />
über den himmeltraurigen Zustand der jetzigen<br />
Walenseestrasse. Mit Genugtuung ist<br />
zu konstatieren, dass die Bevölkerung nach<br />
und nach zu begreifen beginnt, dass Unzu-<br />
AUTOMOBIL-REVUE <strong>1928</strong> — NO 78<br />
kömmlichkeiten, die ein vermehrter Verkehr<br />
bringt, durch die schlechten Strassenverhältnisse<br />
bedingt sind, während noch vor kurzer<br />
Zeit alles den Automobilisten in die Schuhe<br />
geschüttet worden ist. In den erwähnten<br />
Artikeln ist unter anderm zu lesen: «Die<br />
Schmalheit der Strasse und unsere speziellen<br />
Verhältnisse am Seeufer bedingen es,<br />
dass das st. gallische Baudepartement für einen<br />
besseren Unterhalt dieser Strecke auch<br />
etwelche Anstrengungen zu machen haben<br />
wird. Wir fordern das mit allem Nachdruck.<br />
Die Strasse war während des ganzen Sommers<br />
in einem derart erbärmlichen Zustande,<br />
wie man das in der ganzen Schweiz, auch<br />
im ärmsten Gebirgskanton nirgends antrifft.<br />
Eine durchgängige Teerung oder Pflasterung,<br />
wie das auf andern, weniger frequentierten<br />
Strecken des Kantons St. Gallen möglich<br />
war, ist absolut nicht mehr zu ermangeln.<br />
Aus der Million, die der Kanton St. Gallen<br />
jährlich an Abgaben der Kraftfahrzeuge einnimmt,<br />
ist noch herzlich wenig zu uns an<br />
den Walensee geflossen.» Im Anschluss an<br />
die Berichterstattung verschiedener leichterer<br />
und schwererer Unfälle auf der Walenseestrecke<br />
bemerkt ein Einsender: «DieWalenseestrassenbenützer<br />
werden gut tun, bei<br />
der Häufigkeit der Unfälle auf derselben,<br />
wenn sie jeweils die Haftpflicht des Staates<br />
gründlich in Erwägung ziehen. Es ist nicht<br />
recht denkbar, dass nur Private und Gemeinden<br />
den Bestimmungen des Obligationenrechtes<br />
unterworfen sind.» Wir Autofahrer<br />
am Walensee wünschen ebenfalls dringend,<br />
dass ein neues Projekt, sei es am linken<br />
oder rechten Seeufer entlang, recht bald zur<br />
Ausführung kommt, können es jedoch unter<br />
keinen Umständen gut heissen, wenn bis zu<br />
jenem Zeitpunkt die einzige Strasse, die uns<br />
zum Verlassen des Tales zur Verfügung steht,<br />
derart lausig vernachlässigt werden sollte.<br />
* E. G.<br />
Bosch und die diesjährige Automobil-Meisterschaff.<br />
Den Höhepunkt und Abschluss der Rennsaison<br />
bildet alljährlich der Grosse Preis von Europa,<br />
der zugleich auch die Weltmeisterschaft des<br />
laufenden Jahres entscheidet. Die am Endsieg beteiligten<br />
Automobil- und Zubehör-Firmen dürfen<br />
mit berechtigtem Stolz auf diesen Erfolg hinweisen,<br />
weil ja gerade dieser Titel erst nach schärfsten<br />
Kämpfen verliehen wird. Für <strong>1928</strong> hat das Bennen<br />
von Monza, am 9. September, den französischen<br />
Bennfahrer Chiron als ersten Sieger hervorgehen<br />
lassen. Der Bugatti-Wagen, mit dem die Weltmeisterschaft<br />
<strong>1928</strong> errungen wurde, war, wie alle<br />
siegreichen Wagen in den internationalen Bennen<br />
der letzten Jahre, mit Bosch-Magnet ausgerüstet.<br />
Die weltbekannten Erzeugnisse der Bobert Bosch<br />
A.-G. haben durch diesen Erfolg die verdiente Anerkennung<br />
für Zuverlässigkeit und Dauerhaftigkeit<br />
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