BASTIAN BAKER - Finanz Und Wirtschaft
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ACTU | PASSÉ-PRÉSENT | par David Chokron<br />
Dass nach diesem herausragenden Erfolg<br />
auf dem internationalen Ausstellungs-<br />
und Auktionsparkett die Station<br />
der Ausstellung in Berlin, die pünktlich<br />
zu seinem achtzigsten Geburtstag am 9.<br />
Februar eröff net wurde, zu einem eigenen<br />
Erfolg wurde, hängt auch mit dem<br />
Mut der Ausstellungsmacher der Nationalgalerie<br />
zusammen. Gerhard Richter,<br />
der die Londoner Hängung als nach-<br />
38 | <strong>Finanz</strong> und <strong>Wirtschaft</strong> LUXE<br />
« Die Kunst ist die höchste<br />
Form von Hoff nung.»<br />
gerade ideal empfunden hatte, nannte<br />
die Präsentation mit freundlicher Ironie<br />
selbst «dekorativ und brutal». Hatte<br />
man noch erwartet, dass dieses kanonische<br />
Werk überraschen könne?<br />
DEKORATIV UND BRUTAL<br />
Udo Kittelmann und sein Team waren<br />
zwar tatsächlich gleichfalls streng nach<br />
der Werkgenese vorgegangen, aber an-<br />
gesichts der Präsentation war das kaum<br />
zu glauben: Schon weil in der Mitte der<br />
symmetrischen Architektur von Mies<br />
van der Rohe drei – in London eher zurückhaltend<br />
auf einer Wand präsentierten<br />
– Wolkenbilder meterhoch übereinander<br />
gestaff elt waren, als öff ne sich<br />
inmitten der architektonischen Moderne<br />
ein barockes Himmelsgefühl. Dass<br />
die Ausstellungsarchitektur zudem den<br />
vollkommen verglasten Bau zwar nach<br />
aussen abschloss, die dafür notwendigen<br />
weissen Wände jedoch in ein paar<br />
Metern Abstand zur gläsernen Fassade<br />
installierte, bescherte der Schau einen<br />
Wandelgang, der, nach allen Seiten of-<br />
© Gerhard Richter, 2012<br />
© Gerhard Richter, 2012<br />
f«4096 Farben», 1974, 254x254 cm,<br />
Lack auf Leinwand<br />
i«Tante Marianne», 1965, 120x130, Öl auf<br />
Leinwand<br />
fen, Platz für alle 196 kleinen Farbtafeln<br />
der Serie «4900 Farben, Version I» bot:<br />
Nachts und beleuchtet verwandelte das<br />
Farbgekästel den pathetischen Bau in<br />
eine freundliche Laterna Magica.<br />
So experimentierfreudig hatte man<br />
Gerhard Richter noch nicht erlebt – und<br />
dass man ein so epochales Werk wie die<br />
als RAF-Zyklus apostrophierte Serie «18.<br />
Oktober 1977» dieser verspielten Instal-<br />
lation nicht einfügen mochte, bescherte<br />
der Werkschau einen zweiten Ausstellungsort<br />
in Berlin: In unmittelbarer<br />
Nachbarschaft zu deutscher Romantik<br />
wurden die Gemälde, die Gerhard Richter<br />
nach schwarz-weissen Zeitungsfotos<br />
aus der Zeit des Deutschen Herbstes<br />
gemalt hatte, im Schinkelsaal der Alten<br />
Nationalgalerie gezeigt.<br />
Der Abstand, in dem sich dieses medienrefl<br />
exive, konzeptuelle und politisch<br />
nie schwärmerische Werk in dieser<br />
Gegenüberstellung zu der deutschen<br />
Kunstgeschichte zeigte, war selten radikaler<br />
markiert worden. Kurz vor der Vereinnahmung<br />
durch die deutsche Bildtra-<br />
dition durfte Richters Malerei sich hier<br />
deutlich distanzieren – eher hatte man<br />
den Eindruck, dass die von den Medien<br />
und den Terroristen gepfl egte Bildsprache<br />
an die Motive deutscher Geistesgeschichte<br />
anschloss als dieses skeptische,<br />
aufrichtige Oeuvre.<br />
An solche pointierten und präzisen<br />
Setzungen kann die Schau im Centre<br />
Pompidou klug anknüpfen – und es<br />
bleibt spannend abzuwarten, wie sich<br />
diese fast nur aus Hauptwerken zusammengestellte<br />
Ausstellung in Frankreich<br />
in unmittelbarer Nachbarschaft zu einer<br />
der wichtigsten Sammlungen der Nachkriegskunst<br />
erneut entfalten wird. |<br />
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