BASTIAN BAKER - Finanz Und Wirtschaft
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| DAMIEN HIRST | von Marine Heer<br />
Blockbuster<br />
BIS 9. SEPTEMBER BLICKT DIE TATE<br />
MODERN IN LONDON AUF DIE 25<br />
SCHAFFENSJAHRE DES UM-<br />
STRITTENSTEN UND MEDIENWIRK-<br />
SAMSTEN GEGENWARTSKÜNSTLERS<br />
ZURÜCK. DIES, OBWOHL DAMIEN<br />
HIRST IN DEN FRÜHEN NEUNZIGERN<br />
DAVID BOWIE IN EINEM VIDEO<br />
ERKLÄRT HATTE, DASS ER NICHT IN<br />
DER TATE AUSSTELLEN WOLLE, DA<br />
MUSEEN ETWAS FÜR TOTE SEIEN.<br />
Hirst widerspricht sich zwar in seiner<br />
einstigen Verweigerung gegenüber<br />
Museen, bleibt aber insofern konsequent,<br />
als er seine Ausstellung in der Tate<br />
ganz unter seiner Kontrolle hält. Im Februar<br />
dieses Jahres sorgte er einmal mehr<br />
für Aufsehen, als er in den elf Galerien<br />
von Larry Gagosian 250 seiner bunten<br />
Punktbilder gleichzeitig ausstellte. Die<br />
Retrospektive «Damien Hirst: the Complete<br />
Spot Paintings» eröff nete am selben<br />
Abend in ihrer jeweiligen Zeitzone<br />
in New York, London, Athen, Paris, Rom,<br />
Los Angeles, Genf und Hongkong.<br />
Begüterte Hirst-Fans waren eingeladen,<br />
an einer «Spot Challenge» teilzunehmen:<br />
Wer mit einer Stempelkarte nachweisen<br />
konnte, dass er alle elf Ausstellungen besucht<br />
hatte, bekam einen vom Künstler<br />
signierten Druck. Nach einer Woche hatten<br />
bereits sechs Personen Phileas Fogg<br />
gespielt und waren dank Low-Cost-Flügen<br />
um die Welt gejettet, um eines der begehrten<br />
Spot Paintings zu ergattern. Der<br />
von Hirst und dem grössten Kunsthändler<br />
der Welt gemeinsam orchestrierte Geniestreich<br />
spaltete die Kunstkritiker einmal<br />
mehr. Hirst polarisiert: Entweder man ist<br />
von ihm fasziniert, oder man lehnt ihn ab.<br />
KUNST UND KOMMERZ<br />
Hirst ist aber kein Ausserirdischer und<br />
keineswegs immun gegen <strong>Finanz</strong>turbulenzen.<br />
Bevor ihn die Krise einholte, er-<br />
Damien Hirst. All rights reserved. DACS 2011. Photographed by Prudence Cuming Associates.<br />
lebte er 2008 ein Rekordjahr: Er verkaufte<br />
381 Werke für insgesamt 134 738 980 €.<br />
Zwei Auktionen bei Sotheby’s, am 14. und<br />
15. September 2008, machten ihn zu einem<br />
der teuersten lebenden Künstler der<br />
Welt. Seine 218 speziell für die Versteigerung<br />
realisierten Werke gingen für 120<br />
Mio. $ über den Tisch. Vor allem aber war<br />
es ihm gelungen, die Galerien, die seit dem<br />
19. Jahrhundert als exklusive Vermittler<br />
zwischen Künstler und Sammler agieren,<br />
kurzzuschliessen und somit die von ihnen<br />
erhobenen Kommissionen zu umgehen.<br />
Während Lehman Brothers Konkurs<br />
machte und die Börse in eine Abwärtsspirale<br />
riss, bewies Damien Hirst mit seiner<br />
verwegenen Aktion, dass es auf dem<br />
internationalen Kunstmarkt trotz der<br />
schwierigen <strong>Wirtschaft</strong>slage noch immer<br />
Käufer, Interessenten und Spekulanten<br />
gibt. «Ich bin total erschöpft und<br />
entzückt, dass sich Kunst verkauft, während<br />
die Banken einstürzen. Vielleicht<br />
ist das ein Zeichen dafür, dass die Leute<br />
ihr Geld lieber in Schmetterlinge investieren<br />
als in Banken. Ich sehe darin eine<br />
bessere Welt», sagte er nach der Auktion<br />
und bezog sich dabei auf die präparierten<br />
Schmetterlinge in seinen Gemälden.<br />
Als Andy Warhol in den Sechzigerjahren<br />
behauptete, Business sei die höchste<br />
Kunstform, wollte er damit provozieren.<br />
Ob seine Aussage ironisch oder bitterernst<br />
gemeint war, sei dahingestellt. Fakt<br />
ist, dass er sein Atelier in eine Fabrik verwandelte,<br />
Techniken der Serienproduktion<br />
anwandte, mit den Medien spielte<br />
und so die Logik der Kulturindustrie<br />
akzeptierte, die in der Kunstgeschichte<br />
eine entscheidende Wende einläutete.<br />
Von diesem Zeitpunkt an verschmolz die<br />
Kunst gut sichtbar mit den Mechanismen<br />
der Kulturwirtschaft. Heute ist Kunst ein<br />
Tätigkeitsmodell, das in der Geschäftswelt<br />
nicht nur hohes Ansehen geniesst,<br />
sondern auch viel wert ist.<br />
MARKETING MIT TROPHÄEN<br />
Damien Hirst ist zum Symbol der Star-<br />
Künstler, der allmächtigen Kunsthändler<br />
wie Gagosian oder Saatchi und der wirtschaftsverzerrenden<br />
Spekulation geworden.<br />
Vergessen wir nicht, dass die Preise<br />
für Gegenwartskunst zwischen 2003 und<br />
2008 um 800% gestiegen sind. Sogar die<br />
chinesischen Künstler, die erst seit kurzem<br />
auf dem internationalen Markt mitmischen,<br />
erhalten für ihre Werke bereits<br />
das Fünff ache.<br />
Die Werkschau in der Tate Modern<br />
macht die wirtschaftlichen Erwägun-<br />
« Die Menschen investieren lieber in<br />
Schmetterlinge als in Banken.<br />
Ein Zeichen für eine bessere Welt. »<br />
gen vorübergehend vergessen und wird<br />
Hirsts historischer Rolle als Anführer der<br />
Young British Artists gerecht, deren Erstausstellung<br />
Freeze er organisiert hatte.<br />
Als Aushängeschild der Bewegung sorgte<br />
er dafür, dass die britische Gegenwartskunst<br />
zehn Jahre lang im Rampenlicht<br />
stand. Er trug auch massgeblich dazu bei,<br />
die Konzeptkunst mit seiner umfangreichen<br />
Produktion zum Thema Tod salonfähig<br />
zu machen.<br />
Hirsts Werke der letzten 25 Jahre sind<br />
in der Galerie den ganzen Sommer zu sehen.<br />
Publikumsmagnete sind natürlich<br />
seine bekanntesten Installationen wie<br />
die in Formaldehyd eingelegten Tierkadaver,<br />
die Schmetterlinge und die Apothekerschränke,<br />
die einst sein Londoner<br />
Restaurant schmückten. Auch der dia-<br />
mantenbesetzte Totenschädel, mit dem er<br />
das Marketing erstmals über die Kreation<br />
stellte und ab dem es für ihn kein Zurück<br />
mehr gab, fehlt nicht. Sein Statement: Er<br />
wolle schlechte Kunst machen und sie<br />
sehr teuer verkaufen.<br />
Die Ausstellung in Grossbritannien<br />
wurde zum grossen Teil von der Qatar<br />
Museums Authority gesponsert. 3,2 Mio.<br />
$ soll sie gemäss Schätzungen der Zeitschrift<br />
«The Economist» hingeblättert<br />
haben, damit die Retrospektive nächstes<br />
Jahr im Museum von Doha gezeigt werden<br />
kann. Der Kauf von Paul Cézannes<br />
«Kartenspieler» durch die Herrscherfamilie<br />
für astronomische 250 Mio. $ zeigt,<br />
welche Ambitionen sie in Sachen Kunst<br />
hegt. Damien Hirst passt perfekt zu ihren<br />
pharaonischen Projekten. |<br />
www.artifi cialgallery.co.uk<br />
<strong>Finanz</strong> und <strong>Wirtschaft</strong> LUXE | 41