BASTIAN BAKER - Finanz Und Wirtschaft
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| INSELFERIEN | von Claus Schweitzer<br />
Idylle und Romantik<br />
Gibt es das? Eine idyllische Insel für<br />
ein paar ruhige Tage ganz in der<br />
Nähe? Ohne Touristenrummel, T-Shirt-<br />
Läden und Souvenirstände? Weit und<br />
breit keine Autos? <strong>Und</strong> keine lärmenden<br />
Reisegruppen, die übers Frühstücksbuffet<br />
herfallen wie surreale Heuschreckenschwärme<br />
mit weissen Gliedmassen und<br />
kurzen Hosen?<br />
Nur ein Traum? Eine Insel mit authentischem<br />
italienischem Charme und hohem<br />
Romantikfaktor, fast aus einer anderen Zeit<br />
und dennoch leicht vom Tessin aus zu erreichen?<br />
Das gibt es: Isola Pescatori heisst<br />
das autofreie Eiland, 350 Meter lang, maximal<br />
100 Meter breit und die einzige Insel<br />
im Lago Maggiore, die seit dem 14. Jahrhundert<br />
bis heute dauerhaft bewohnt ist.<br />
Sie zählt zum Archipel der Borromäischen<br />
Inseln, gehört jedoch nicht (wie die direkt<br />
benachbarte Isola Bella) den reichen Bor-<br />
62 | <strong>Finanz</strong> und <strong>Wirtschaft</strong> LUXE<br />
REIF FÜR DIE INSEL, ABER NUR ZWEI, DREI TAGE ZEIT? DA HABEN WIR<br />
ETWAS FÜR SIE. ZWEI KLEINE, FEINE INSELHOTELS IN WEEKENDNÄHE, IN<br />
DENEN MAN SICH WIE AUF EINEM ANDEREN KONTINENT FÜHLT.<br />
romei, sondern den Bewohnern, Fischern<br />
zumeist. Hier schlägt das wahre Herz Italiens:<br />
Wäsche spannt sich über enge Gassen,<br />
im kleinen Hafen treff en sich gewöhnlich<br />
ein paar der sechzig Inselbewohner zum<br />
abendlichen Tratsch, und zwischen den<br />
bunt ineinandergeschachtelten Häusern<br />
mit pfl anzenumrankten Balkonen fühlt<br />
man sich in den tiefen Süden versetzt.<br />
LOGENPLATZ IM LAGO MAGGIORE<br />
Den Logenplatz der Isola Pescatori am<br />
südöstlichen Inselende nimmt das Hotel<br />
Verbano ein: Der Blick auf die nur 400 Meter<br />
entfernte Isola Bella ist betörend. Das<br />
Hotel ist ein typischer italienischer Familienbetrieb,<br />
bei dem das Restaurant den grösseren<br />
Stellenwert geniesst als die Gästezimmer.<br />
Letztere sind jedoch durchweg<br />
gepfl egt und mit Holzböden ausgestattet,<br />
die meisten verfügen über einen Mini-Bal-<br />
kon oder direkten Zugang zu einer grossen<br />
Gemeinschaftsterrasse. Der Luxus<br />
im Verbano besteht vor allem darin, beim<br />
gleichmässigen Plätschern der Wellen am<br />
Seeufer einzuschlafen – und morgens mit<br />
diesem Cinemascope-Panorama von See<br />
und Bergen aufzuwachen.<br />
Das Restaurant verteilt sich auf diverse<br />
Terrassen direkt am Wasser. Wenn dann<br />
noch ein Sonnenuntergang die Szenerie in<br />
rotes Licht taucht, verschlägt es einem glatt<br />
die Sprache – ob Deutsch oder Italienisch.<br />
Bei schlechtem Wetter werden die Sinne<br />
auch im stimmungsvollen Speisesaal von<br />
1895 gut bedient. «Pesce secondo l’umore<br />
del lago» – Fisch je nach Laune des Sees –<br />
verspricht die Speisekarte. Hier kommt nur<br />
auf den Teller, was absolut frisch und mit<br />
einer Leichtigkeit und Einfachheit zubereitet<br />
worden ist, die man selbst in Italien<br />
schwer fi ndet. Die liebenswürdigen Gast-<br />
geber behalten stets den Überblick und<br />
empfehlen nicht den teuersten, sondern<br />
den besten Wein.<br />
Wie kommt man hin? Im Hafen von Stresa<br />
oder Baveno das Auto abstellen (Gratisparkplätze)<br />
und per Schiff zur Isola Pescatori<br />
(regelmässig Kurse von 8 bis 19 Uhr).<br />
Ausserdem stellt das Hotel täglich von<br />
19.30 bis 23.30 Uhr kostenlos ein hauseigenes<br />
Motorboot zur Überfahrt bereit. Für<br />
Ausfl üge auf die berühmteren, nahe beieinander<br />
liegenden Borromäischen Inseln<br />
lohnt sich ein Taxiboot. Die unbewohnte<br />
Isola Madre spricht mit ihrer zauberhaften<br />
englischen Gartenlandschaft, den seltenen<br />
Pfl anzen und Bäumen, den Papageien<br />
und den Pfauen vorwiegend stille Geniesser<br />
und botanisch Interessierte an. Auf der<br />
geschäftigen Isola Bella, die eine monumentale<br />
Palastanlage mit zehnstöckigem<br />
Terrassengarten und verwinkeltem Dörflein<br />
voller Gelati-Bars bietet, herrscht die<br />
gleiche Hektik wie auf den Promenaden<br />
von Rimini oder San Remo. Wie wohltuend,<br />
wenn man sich dann binnen wenigen<br />
Bootsminuten auf die Isola Pescatori zurückziehen<br />
kann.<br />
ROUSSEAUS REFUGIUM<br />
Während die Gegend um die Borromäischen<br />
Inseln mit landschaftlicher Grandezza<br />
auftrumpft, umschmeichelt die Dreiseenregion<br />
ihre Besucher mit sanfter Anmut.<br />
Von besonderer Schönheit ist die St. Petersinsel,<br />
die wie ein 4,7 Kilometer langes und<br />
180 bis 750 Meter breites Schiff weit in den<br />
Bielersee ragt und seit einer Seespiegelsenkung<br />
über eine sehr fl ache Landzunge mit<br />
dem Festland verbunden (und damit eigentlich<br />
eine Halbinsel) ist. Das Naturreservat<br />
im Angesicht der Jurakette wird geprägt<br />
durch Schilf, Weiden und Wälder, die den<br />
Entdeckergeist in uns wecken und zahlreiche<br />
Tier- und Vogelarten beheimaten.<br />
Von Erlach führt der Heidenweg in rund<br />
einer Stunde Gehzeit, 15 Velominuten oder<br />
25 Schiff sminuten bis ans äusserste Inselende,<br />
wo das ehemalige Kluniazenserkloster<br />
aus dem 12. Jahrhundert steht – heute<br />
das einzige Inselhotel der Schweiz. Als der<br />
Naturphilosoph Jean-Jacques Rousseau im<br />
Jahr 1765 hier eintraf, blieb er gleich sechs<br />
Wochen und verbrachte – bevor er durch<br />
Berner Aristokraten vertrieben wurde –<br />
nach eigenen Worten die glücklichste Zeit<br />
seines Lebens.<br />
Sehr viel verändert hat sich seither nicht,<br />
weshalb das Klosterhotel St. Petersinsel als<br />
historisches Hotel des Jahres 2010 ausgezeichnet<br />
wurde – von der Jury gelobt für<br />
das «Erlebbarmachen von rund tausend<br />
Jahren europäischer Kultur- und Baugeschichte,<br />
die sich in Kombination der intakten<br />
Naturlandschaft und der gepfl egten<br />
Gastronomie zu einem einzigartigen Erlebnis<br />
für alle Sinne verdichten».<br />
Das Klostergebäude mit eigenem Gutshof<br />
gehört nicht nur zur Geschichte, sondern<br />
auch zum Gesamterlebnis der St.<br />
Petersinsel. Die dreizehn Zimmer in ehemaligen<br />
Mönchszellen versprühen trotz<br />
schlicht-modernem Design einen Hauch<br />
bewegter alter Zeiten. Es gibt weder Fernseher<br />
noch Minibar, dafür rund ums Haus<br />
zahlreiche ruhige Plätzchen zwischen<br />
Oleander und Eukalyptussträuchern, und<br />
durch die Bäume leuchtet der See. Zum Badestrand<br />
sind es wenige Schritte. Es sei jedoch<br />
nicht verschwiegen, dass man die Romantik<br />
dieser Zufl ucht erst gegen Abend<br />
verspürt, wenn die Karawanen der Tagesausfl<br />
ügler und die Schulklassen abgezogen<br />
sind. Dann gehört die Insel den weni-<br />
gen Gästen, die hier ein Zimmer reserviert<br />
haben.<br />
Ein Traum? Braucht man für Inselferien<br />
gar nicht in die Ferne zu schweifen? «Die<br />
schönste Freude erlebt man immer da, wo<br />
man sie am wenigsten erwartet hat», wusste<br />
schon Goethe, auch er ein früher Gast<br />
auf der St. Petersinsel. <strong>Und</strong> tatsächlich:<br />
Sitzt man nach Sonnenuntergang im lauschigen<br />
Restaurantgarten zu Füssen der<br />
hauseigenen Reben, geniesst die regionalen<br />
Fischspezialitäten und das Natura-Beef<br />
vom Inselbauern, lauscht dem Gesang der<br />
Vögel und der Grillen, fragt man sich, halb<br />
ungläubig, halb verzaubert: Gibt’s das? |<br />
fHotel Ristorante Verbano, Isola Pescatori –Stresa<br />
www.hotelverbano.it, Tel. +39 0323 304 08,<br />
DZ ab 180 Fr.<br />
sKlosterhotel St. Petersinsel, Erlach am Bielersee<br />
www.st-petersinsel.ch, Tel. 032 338 11 14,<br />
DZ ab 203 Fr.<br />
<strong>Finanz</strong> und <strong>Wirtschaft</strong> LUXE | 63