28. Echo Ende 2010 - BBS Köllitsch eV
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Muziko kaj Danco – Musik und Tanz<br />
Wenn ich den Kongress in Havanna mit den von mir besuchten<br />
Vorgängerveranstaltungen vergleichen soll, fällt mir<br />
als Erstes die für mich unerwartete Allgegenwärtigkeit von<br />
Musik, Lachen und Tanz ein. Das sollte in Lateinamerika nun<br />
wirklich keine Überraschung darstellen, lockerte aber die<br />
üblicherweise ernsthafte Atmosphäre dieser Veranstaltungen<br />
angenehm auf. Jeden Nachmittag konnte man ins Souterrain<br />
des Kongresszentrums hinabsteigen und zu erfrischender<br />
Live-Musik das Tanzbein schwingen: Die jugendlichen Vortänzer<br />
versuchten nach Kräften, uns steifen Europäern Sol,<br />
Mambo, Cha-Cha und Salsa beizubringen. Mein Lernerfolg<br />
war aber nicht erwähnenswert.<br />
Nach der willkommenen Stärkung an der Mojito-Bar traten<br />
meist kubanische Sänger, Trommler, Kabarettisten und Musikgruppen<br />
auf – gelegentlich waren Chansons zu hören – eine<br />
herzerfrischende Mischung. Und auf keinem Kongress habe<br />
ich es vorher erlebt, dass sich spontan Leute auf den Sofas<br />
zwischen den Tagungsräumen zusammenfanden, eine Gitarre<br />
wie aus dem Nichts auftauchte und wenig später der Raum<br />
von Gesang erfüllt war: Guantanamera war der Dauerbrenner<br />
(selbstverständlich auf Esperanto), aber die Kubaner haben<br />
auch Lieder und kleine Gedichte neueren Datums unter die<br />
Leute gebracht.<br />
Spontankultur im Kongresszentrum<br />
Undenkbar auch, dass der Besuch im Sitz der kubanischen<br />
Esperantobewegung in einem europäischen Land so abgelaufen<br />
wäre wie in Havanna: Für den Mittwoch, der bei Weltkongressen<br />
traditionell den Ganztagsexkursionen gehört,<br />
hatte der Chef der Landesorganisation die Nicht-Exkursierenden<br />
in die Zentrale eingeladen. Ich hatte die organisierte<br />
Bustour abgewählt und streifte stattdessen mit meinem spanischen<br />
Brieffreund durch die Altstadt. Danach blieb noch<br />
Zeit, der Einladung in das Zentralbüro Folge zu leisten. Mit<br />
dem altertümlichen Taxi ging es nun in ein altes Wohnviertel,<br />
bröckelnder Putz, kratertiefe Schlaglöcher, leicht trostlose<br />
Vorgärten. „Fühlt Euch wie zu Hause“, sagte Julian zur Begrüßung<br />
und das wäre wirklich nicht schwer gefallen. Eine<br />
Etage des Gebäudes diente der finanzschwachen Jugend als<br />
Übernachtungsquartier, nur ein paar Prospekte und Plakate<br />
über Esperanto in den übrigen Räumen deuteten auf die<br />
wahre Aufgabe des Gebäudes hin. Eine Treppe führte in einen<br />
mittels Plane schattig gehaltenen Hinterhof, in dem sich die<br />
Plastestühle nach und nach zu füllen begannen. Zwei Gitarren<br />
waren zur Hand, ein paar Musiker waren anwesend, die ers-<br />
Andrea beim Esperantistenkongress auf Kuba<br />
ten Lieder erklangen, Sketche wurden inszeniert, Rum, Cola<br />
und Eis wurden in Plastebechern gemixt, später ging der Hut<br />
rum, damit die Rumflasche ersetzt werden konnte.<br />
Bonvolu ne plori! – Bitte nicht weinen!<br />
Eines der Lieder, das bald jeder mitsingen konnte, heißt auf<br />
Deutsch: „Lache, lache – Bitte nicht weinen!“ Es beschreibt<br />
diverse Schicksalsschläge, schließt aber jede Strophe mit<br />
einem kleinen Sonnenstrahl und der Aufforderung, doch die<br />
positive Seite des Dramas „Leben“ zu sehen.<br />
Zwei "Tränen-Bilder" aus dem fahrenden Bus aufgenommen<br />
Diese Grundidee begegnet einem in Kuba oft, sei es nun<br />
in Liedern und Versen, sei es im Gespräch mit den Menschen.<br />
Man jammert nicht gern in diesem Land, das zwar<br />
mit ökonomischen Schwierigkeiten kämpft, das einem aber<br />
meist ein Lächeln zeigt, wenn auch ein Lächeln mit ausgebrochenen<br />
Zahnecken. Die Kubaner, mit denen wir geredet<br />
haben, waren stolz auf ihr Land, verteidigten es gegenüber<br />
provokanten Fragen und nehmen die Situation als gegeben<br />
hin. Möglicherweise sind das keine spezifisch kubanischen<br />
Charakteristika, sondern ist dies einfach die Mentalität der<br />
Karibik?<br />
Erfreulicherweise färbt die entspannte Grundhaltung auch<br />
auf den Touristen ab. Während ich in den Anfangstagen<br />
beim Warten auf Frühstück, das jeweilige Transportmittel<br />
oder das Einchecken mittelschwere Anfälle von Ungeduld<br />
erlitt, legte sich das nach einigen Tagen und ich sah diesen<br />
Kleinigkeiten gelassen ins Auge.<br />
Daher sage ich, „Koran dankon, Kubo! – Vielen Dank,<br />
Kuba!“.<br />
Eure Andrea Schmidt (87/90)<br />
<strong>BBS</strong>@koellitschverein.de www.koellitschverein.de<br />
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