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Zum stadtfest: - Gießener Allgemeine

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Das Motto dieses ersten CSD Mittelhessen, der am 1. September um<br />

12 Uhr am Rathaus mit einer Demonstration durch die Innenstadt<br />

beginnen wird, lautet »Queer denken! Bunt leben!«. Geplant ist, dass<br />

der Veranstaltungsort in Zukunft von Jahr zu Jahr wechselt, sodass<br />

möglichst alle Städte der Region (u.a. Marburg, Wetzlar, Friedberg)<br />

eingebunden werden. Das Ende der Demo soll eine Kundgebung auf<br />

dem Kirchenplatz bilden, zu der sich neben der Oberbürgermeisterin<br />

u.a. auch der ehemalige Marburger Bernd Aretz angesagt hat. Der<br />

Rentner, Autor und Jurist war schon früh der Schwulenbewegung<br />

verbunden. HIV politisierte ihn Mitte der 1980er. In der Folge arbeitete<br />

er ehrenamtlich auf allen Ebenen der Aidshilfe und ist heute Mitglied<br />

des Nationalen Aidsbeirates.<br />

Gegen 14 Uhr soll dann an Ort und Stelle ein buntes Straßenfest mit<br />

Live-Musik starten, das durch verschiedene Info-Stände und diverse<br />

Workshops (z.B. Homophobie im HipHop oder Schwulsein im Alter)<br />

abgerundet wird. Durch das Programm wird die Drag Queen und<br />

Travestiekünstlerin Jessica Walker aus Frankfurt führen. »Ich freue<br />

mich sehr, mal wieder nach Gießen zu kommen«, ließ sie bereits auf<br />

Facebook wissen.<br />

Sie wird die Ehre haben, tolle Künstler auf der Bühne begrüßen zu<br />

können. Unter anderem wird Gitarrist AND.I aus Gießen mit seiner<br />

neuen Band sein noch nicht veröffentlichtes Album vorstellen. Mit<br />

dabei sind außerdem die Livercheese Both Corporation aus Gießen,<br />

die Comedy-Combo Duo Farfalle, die Cheerleadergruppe Power-<br />

Puschels aus Siegen und die Schwestern der perpeduellen Indulgenz<br />

aus Rostock und Berlin. »Wir freuen uns sehr, dass vor allem die<br />

Künstler aus Gießen auf ihre gewöhnlichen Gagen verzichten und<br />

quasi zum Selbstkostenpreis spielen. Anders wäre es uns nicht möglich<br />

gewesen, ein so tolles Line-up zu präsentieren«, sagt Stefano<br />

Mattiello, einer der Organisatoren. Den Abschluss des Straßenfestes<br />

wird dann Sookee, eine queerfeministische Rapperin aus Berlin, bestreiten.<br />

Sie hat HipHop zunächst über Graffiti kennengelernt, aber<br />

schnell bemerkt, dass ihr durch Sprache erzeugte Bilder mehr liegen<br />

Foto: dpa<br />

StADtGESpräch<br />

als solche an Wänden. Mit feministischer Theorie und Praxis ist sie vor<br />

allem durchs Studium in Berührung gekommen. Neben ihrem Auftritt<br />

wird sie in Gießen auch einen Workshop zu (Hetero-)Sexismus im<br />

HipHop anbieten. Ihre Musik beinhaltet sowohl Kritik an hierarchischen<br />

und normativen Strukturen als auch empowerment von widerständigen<br />

Identitäten, sodass ihre Texte zwar nicht leicht verdaulich,<br />

aber nie dogmatisch sind. In Gießen wird Sookee mit Refpolk auftreten,<br />

dessen deutsche Raptexte nicht weniger Eindruck hinterlassen.<br />

Im Rahmen des Bühnenprogramms findet außerdem gegen 17 Uhr<br />

eine Talkrunde statt, zu der Vertreter und Vertreterinnen der lesben-<br />

und schwulenpolitischen Arbeitskreise, der im Hessischen Landtag<br />

vertretenen Parteien eingeladen wurden. Um 20 Uhr wird im Jokus<br />

das Musical »Verqueerte Welt«, das die Diskriminierungsproblematik<br />

aufgreift, uraufgeführt. Jugendliche aus dem Café Queer in Gießen<br />

haben es gemeinsam mit der Aidshilfe erarbeitet. Den Abschluss des<br />

ersten CSD bildet eine große Party (ab 21 Uhr) in der Ess-Bahn am<br />

<strong>Gießener</strong> Hauptbahnhof. Auch dort wird Jessica Walker zu Gast sein.<br />

Auflegen werden mehrere DJs.<br />

Der CSD Mittelhessen ist in seiner Gesamtheit als eine emanzipations-<br />

und bildungsfördernde Veranstaltung konzipiert und bewusst in die<br />

eher ländliche Region gelegt worden, um »queeres« Leben dort sichtbar<br />

zu machen. Mit der Durchführung des CSD in einer Stadt wie<br />

Gießen und nicht wie üblich in einer Großstadt sollen die Strukturen<br />

gefördert werden, um sich auch auf dem Land bzw. in der Provinz<br />

sein Leben einrichten zu können, ohne ständig gegen Vorurteile und<br />

Ausgrenzungen ankämpfen zu müssen. Der CSD in der Provinz soll<br />

auf die besonderen Problematiken hinweisen, mit denen man als<br />

Angehöriger/Angehörige der betroffenen Gruppen täglich zu tun hat.<br />

»Erfahrungsgemäß helfen solche Veranstaltungen dabei, das eigene<br />

Lebensumfeld neu zu erfahren und das Selbstbewusstsein zu stärken«,<br />

sagt Holger Kleinert. Anfang der 1990er hatte es bereits abwechselnd<br />

CSDs in der Provinz gegeben. 1994 machte diese Reihe auch in<br />

Gießen einmal Station. Das war’s. Die regionalen queeren Gruppen<br />

haben sich daher notgedrungen in den letzten Jahren auf eine Präsenz<br />

auf dem CSD Frankfurt beschränkt. »Dort sehen wir die Problematiken,<br />

die man im ländlichen Raum hat, aber nicht adäquat vertreten«,<br />

meint Kleinert. Für viele Homo-Bi-Trans-Queer-Personen in Gießen<br />

und Mittelhessen sei es immer noch sehr schwierig, offen zu ihrer Veranlagung<br />

zu stehen. Sie könnten sich nicht in der Anonymität verstecken,<br />

wie es in einer Großstadt möglich wäre. Für viele Betroffene sei<br />

die Flucht in die Großstadt aber keine Alternative, weil sie dort familiäre<br />

und soziale Anknüpfungspunkte verlieren würden. Jedoch führt<br />

die Unterdrückung eines wesentliches Teils der eigenen Persönlichkeit<br />

dazu, dass man sich wertlos fühlt, dass man psychisch instabil und<br />

krank wird. »Der CSD soll dabei helfen, eine Verbesserung dieser<br />

Situation herbeizuführen«, sagt Mattiello, ehrenamtlicher Vorstand des<br />

schwul-lesbischen Sportvereins Regenbogen aus Gießen. bf<br />

Was ist ein CSD? Der Christopher Street Day ist ein Festtag,<br />

Gedenktag und Demonstrationstag von Lesben, Schwulen,<br />

Bi sexuellen und Transgendern. Gefeiert und demonstriert wird<br />

für die Rechte dieser Gruppen sowie gegen Diskriminierung und<br />

Ausgrenzung. Der CSD erinnert an den ersten bekannt gewordenen<br />

Aufstand von Homosexuellen und anderen sexuellen<br />

Minder heiten gegen die Polizeiwillkür in der New Yorker<br />

Christopher Street. Am 28. Juni 1969 fand in der Bar Stonewall<br />

Inn der Stonewall-Aufstand statt. Zu dieser Zeit gab es immer<br />

wieder gewalttätige Razzien der Polizei in Kneipen mit homosexuellem<br />

Zielpublikum. Es kam in der Folge zu Straßenschlachten<br />

zwischen Homosexuellen und der Polizei.<br />

8/2012 streifzug 19

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