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Zum stadtfest: - Gießener Allgemeine

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Der Schießstand der Schützengilde Homberg,<br />

Justus’ Heimatverein, für den er immer<br />

noch antritt, ist im Feuerwehrstützpunkt<br />

untergebracht. Die Türen sind alle verschlossen.<br />

Aber Justus, der im Stadtteil Appenrod<br />

zu Hause ist, wenn er denn mal zu Hause<br />

ist, hat natürlich einen Schlüssel. Er darf hier<br />

immer trainieren, wenn ihm danach ist.<br />

Auf der Anlage für Luftgewehre gibt es aber<br />

keine elektronische Schusserfassung. Hier<br />

muss der Schütze sein Ergebnis noch selbst<br />

ablesen – auf der kleinen Zielscheibe aus<br />

Pappe, die einen Durchmesser von etwa vier<br />

Zentimeter hat. Aber jetzt geht es endlich<br />

los. Justus öffnet einen langen silbernen Koffer<br />

und holt sein Gewehr heraus. Ein High-<br />

End-Modell. Kostenpunkt etwa 2000 Euro.<br />

Damit wird er in London am 3. August den<br />

olympischen Wettkampf bestreiten und versuchen,<br />

eine Medaille zu holen. Ich fasse es<br />

nicht. Justus drückt mir die Waffe in die Hände.<br />

Ich – absoluter Laie – darf einen Schuss<br />

mit dem »Olympiagewehr« abgeben.<br />

Der Homberger fährt die Scheibe mit einer<br />

Scheibenzuganlage auf dünnen Seilen an die<br />

zehn Meter entfernte Wand. Ich versuche<br />

nun, seinen Anweisungen zu folgen und<br />

begebe mich in Position. Mit leicht gespreizten<br />

Beinen stehe ich seitlich zur Scheibe und<br />

kippe mein Becken leicht nach links, also<br />

zum Ziel hin. »Und jetzt den linken Ellenbogen<br />

auf dem Hüftknochen ablegen«, sagt Justus.<br />

Idealerweise verwendet man nämlich<br />

kaum Muskelkraft, um die 5,2 kg schwere<br />

Waffe zu halten. Ich ziele, und noch bevor<br />

ich gemerkt habe, dass ich den Abzug berühre,<br />

löst sich schon ein Schuss. »Der<br />

Abzug ist sehr sensibel«, sagt Justus und<br />

lacht. Er holt die Zielscheibe per Knopfdruck<br />

zu uns zurück. Ich war ja ehrlich gesagt froh,<br />

dass das Projektil überhaupt den Weg in<br />

Richtung Scheibe gefunden hat, denn die<br />

Wand hinter dem Kugelfang war zum Teil<br />

Ein perfekter<br />

Schuss von<br />

Justus, und<br />

einer von mir –<br />

ein bisschen<br />

weniger perfekt<br />

schon sehr in Mitleidenschaft gezogen. Ich<br />

wollte nicht, dass sie weiteren Schaden<br />

nimmt. Und ich habe es geschafft. Die<br />

kleine Kugel aus Blei hat den äußeren Ring<br />

der Scheibe angekratzt. »Eine Eins«, sagt<br />

Justus.<br />

Beim zweiten Schuss soll alles besser werden.<br />

Ich zwänge mich in eine schwere Jacke,<br />

die Justus zum Schießen anzieht, um eine<br />

gewisse Stabilität zu erlangen. Für ein paar<br />

Schüsse ist das eigentlich nicht nötig, doch<br />

ich verspreche mir davon auch eine ruhigere<br />

Haltung, denn beim Zielen hatte die Waffe<br />

bei mir doch sehr geschwankt. Ein Gläschen<br />

Jägermeister hätte es vielleicht auch getan,<br />

aber dafür ist es jetzt zu spät. Auf die passende<br />

Schutzhose, Handschuhe und eine Blende,<br />

um vor Lichteinfall zu schützen, verzichte<br />

ich und wage mich an Schuss zwei.<br />

Laden ist jetzt meine Aufgabe. Also, Spannhebel<br />

zurück, das kleine Projektil mit dem<br />

offenen Ende nach hinten in den Lauf. Das<br />

ist eine Friemelei. Außerdem zittere ich<br />

leicht. Die Aufregung. Geschafft. Ich nehme<br />

das Gewehr hoch. Das Zielen fällt mir komischerweise<br />

schwerer als zuvor. Ohne dass<br />

ich etwas dagegen tun könnte, beginnt sich<br />

der Punkt im Korntunnel um die Scheibe zu<br />

drehen. Ich muss absetzen. Noch mal von<br />

vorne. Meine Entscheidung, das Gewehr<br />

nicht so lange oben zu halten, erweist sich<br />

als klug. Ich löse den Schuss zügig aus. Mist.<br />

Aus der Entfernung kann ich keinen Einschlag<br />

erkennen. Doch das geübte Auge<br />

sieht mehr. »Schon besser«, meint Justus und<br />

holt die Scheibe zurück. Tatsächlich: Es ist<br />

eine Fünf. Wer sagt’s denn. Da man auf dem<br />

Höhepunkt abtreten sollte, verzichte ich auf<br />

einen weiteren Versuch. Wer in Mathe früher<br />

aufgepasst hat, kann sich ja ausrechnen, wie<br />

es weitergegangen wäre: Eins, Fünf, Neun –<br />

oder vielleicht doch wieder eine Eins?<br />

Christoph Sommerfeld<br />

Schießen<br />

SpOrtwELt<br />

Beim Sportschießen werden Waffen als<br />

Sportgerät benutzt. Ziel ist es, die Mitte<br />

einer Scheibe zu treffen. Dazu bedarf<br />

es sowohl der Körperbeherrschung als<br />

auch der inneren Ruhe, um äußere<br />

Einflüsse ausblenden zu können.<br />

Das Schießen mit dem Luftgewehr ist<br />

eine olympische Disziplin. Die Scheibe<br />

ist dabei zehn Meter vom Schützen<br />

entfernt. <strong>Zum</strong> Programm der Sommerspiele<br />

zählen außerdem das kleinkalibrige<br />

Sport- und Freigewehr sowie der<br />

Kleinkaliber-Liegendkampf.<br />

Mit dem Luftgewehr werden die Schüsse<br />

im Stehend-Anschlag abgegeben.<br />

Julian Justus aus Homberg-Appenrod<br />

wird bei den Olympischen Spielen in<br />

London in dieser Disziplin an den Start<br />

gehen.<br />

Justus muss in der englischen Hauptstadt<br />

innerhalb von 105 Minuten<br />

60 Schuss abgeben. Mit einem Schuss<br />

können im Vorkampf maximal zehn<br />

Ringe erreicht werden. Bei 60 Schuss<br />

ist die Bestmarke folglich 600 Ringe,<br />

da im Vorkampf nur die vollen Ringe<br />

gezählt werden. Eine Zehn ist dann erzielt,<br />

wenn das Projektil den innersten<br />

Ring der Scheibe zumindest ankratzt.<br />

Berührt die Kugel nur den zweiten<br />

Ring, hat der Schütze neun Ringe erzielt.<br />

Im Finale eines Wettkampfs, für<br />

das sich in der Regel acht Teilnehmer<br />

qualifizieren, werden die Punkte noch<br />

genauer unterteilt. Die Bestmarke ist<br />

dann eine 10,9 (siehe Foto unten).<br />

<strong>Zum</strong> Schießen benötigt man – na klar<br />

– eine Waffe. Das High-End-Produkt<br />

von Justus kostet etwa 2000 Euro.<br />

Anfängergewehre sind ab 500 Euro<br />

erhältlich. <strong>Zum</strong> »Schnuppern« halten<br />

Schützenvereine Waffen bereit. Der<br />

Schutzanzug, der im Wettkampf zum<br />

Einsatz kommt, liegt komplett bei etwa<br />

600 Euro.<br />

Neben der Schützengilde Homberg,<br />

dem Heimatverein von Justus, gibt es<br />

auch im Schützenkreis Gießen viele<br />

Schützenvereine. Beim SV Gießen<br />

(Sportstätte am Hangelstein in Wieseck)<br />

wird beispielsweise in der Regel<br />

mittwochs ab 16.30 Uhr und sonntags<br />

ab 10 Uhr mit dem Luftgewehr geschossen.<br />

Interessierte sind immer willkommen.<br />

Nähere Infos gibt es unter<br />

Tel. 06 41/5 40 07 oder bei Schützenmeister<br />

Dr. Rolf van Delden unter<br />

Tel. 0 64 03/10 02. cso<br />

8/2012 streifzug 41

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