Zum stadtfest: - Gießener Allgemeine
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Foto: Foto: Lademann Lademann<br />
Das Rezept ist einfach wie genial: Bands,<br />
Bier und Bratwurst will das Volk. Einmal im<br />
Jahr kommt Gießen zusammen. Der traditionelle<br />
Termin mitten in den Semesterferien ist<br />
für eine Studentenstadt fast schon revolutionär<br />
gewählt. Man weiß: Die guten Schulfreunde<br />
aus der Jugend, die irgendwann dem<br />
Ruf der Großstadt gefolgt waren, stehen wie<br />
jedes Jahr an der vorderen Plockstraße. Man<br />
würde sie blind finden. Die verschrobenen<br />
Freunde der Eltern, bei denen man früher mit<br />
der Familie regelmäßig zu Grillabenden eingeladen<br />
war, erzählen auch dieses Mal wieder<br />
ihre Geschichten von damals am Kirchenplatz.<br />
Heimatgefühl deluxe. Dazu die kleinen<br />
Perlen im Bühnenprogramm: Tess Wiley, OK<br />
KID, The Joy Over The Lost Penny oder Budzillus<br />
werden in diesem Jahr dabei sein. Das<br />
Leben kann so schön sein, so easy, so leicht.<br />
Doch dann: Keine Musik! Keine altbekannten<br />
Gesichter an den altbekannten Ständen! Kein<br />
Bierpilz am Kirchenplatz! Kein Stau bei den<br />
Schwätzern! Was für Anhänger des Stadtfests<br />
klingt wie Horrorszenarien wäre 1992 fast zur<br />
bitteren Realität geworden. Von einer »teuflischen<br />
Hinrichtungsart« war die Rede in<br />
einem Schreiben, das damals von einem<br />
»Arbeitskreis Stadtmitte« an <strong>Gießener</strong> Haushalte<br />
verteilt wurde. Ein Polizeiminister aus<br />
Peking, so hieß es dort, habe sich die Methode<br />
vor etwa 4000 Jahren ausgedacht. Die<br />
Idee: »Durch permanentes Trommeln, Flötenspielen<br />
und Lärmen ließ er die Verurteilten zu<br />
Wahnsinn und schließlich Tod treiben.« Das<br />
Stadtfest in seiner damaligen Form gefährde<br />
zwar nicht das Leben, so wurde in dem<br />
Schreiben argumentiert, wohl aber die Gesundheit<br />
der Anwohner. Was folgte war ein<br />
Streit, der nach einer Klage bis vor den Hessischen<br />
Verwaltungsgerichtshof führte. Die<br />
Organisatoren des Stadtfests hatten der Klägerin<br />
sogar angeboten, ihr und ihrer Tochter für<br />
die Tage der Innenstadtfeierei einen Urlaub<br />
zu spendieren. Ohne Erfolg. Erst einen Tag<br />
vor Beginn stand 1992 überhaupt fest, dass<br />
es ein Stadtfest geben würde. Allerdings nicht<br />
wie in den Jahren zuvor: Am späten Abend<br />
durften eng gesetzte Lärmrichtwerte nicht<br />
mehr überschritten werden. Dazu kam die<br />
Verkürzung des Fests von vier auf drei Tage.<br />
Noch heute werden die Bühnen nur bis<br />
23 Uhr bespielt, bis 1 Uhr sind Bier und Bratwurst<br />
zu bekommen.<br />
Ein Plan der Gießen Marketing GmbH vor<br />
etwa acht Jahren, die Regelung des frühen<br />
Zapfenstreichs aufzuweichen, und die Lautsprecher<br />
erst um 24 Uhr auszumachen, wurde<br />
von den internen Juristen mit dem Hinweis<br />
abgeblockt, das Urteil von 1992 habe<br />
weiter Bestand. Bei genauerem Hinsehen<br />
muss die Innenstadtfeierei in Gießen heute<br />
den Vergleich mit anderen Städten aber auch<br />
gar nicht fürchten: So werden die Bühnen<br />
etwa bei »3 Tage Marburg« ebenfalls nicht<br />
länger bespielt. In vielen anderen Städten<br />
stellt sich die Situation nicht anders dar.<br />
Außerdem gibt es Alternativen. Im Ulenspiegel<br />
hat man bereits vor vier Jahren den ersten<br />
Schritt gemacht: Ab 23 Uhr geht die Musik<br />
inzwischen im Keller weiter. Weiterfeiern ist<br />
möglich, ohne die Nerven der Anwohner<br />
überzustrapazieren. In diesem Jahr spielen<br />
Elfmorgen und Weltrekorder ihre rockig-alternativen<br />
Stücke. Auch das MuK bittet zum<br />
Tanz, nachdem die Innenstadtfeierei vorbei<br />
ist. Während für Freitag ein »90er Eurodance<br />
Open Air« geplant ist, geben sich am Samstag<br />
wie gewohnt und wie geliebt die Jungs von<br />
UNDERtheGROUND die Ehre. Beim »Stadtfest<br />
Open Air« an der Automeile wird zu<br />
elektronischer Tanzmusik auch der 15. Geburtstag<br />
der Partyreihe gefeiert. Das Monkeys<br />
lädt am Freitag zur legendären Kopfhörerparty.<br />
Am Samstag kommen die »King Kong<br />
Warriors« zurück: Die ersten Gäste in der<br />
Affenkammer erhalten ein Laserschwert.<br />
Wichtig für die Weiterfeierei: Freitag und<br />
Samstag fahren die Stadtbusse zusätzlich um<br />
0.30 Uhr und um 1 Uhr ab Marktplatz. Die<br />
Nachtbuslinien Venus und Saturn verkehren<br />
von 0.30 Uhr bis 4.30 Uhr. Florian Dörr<br />
bLickpuNkt<br />
»Run and Roll«<br />
Herz beweisen kann Gießen am<br />
Sonntag, 19. August, beim Stadtlauf<br />
»Run’n’Roll for Help« durch die Innenstadt.<br />
Die Erlöse kommen der<br />
Aidshilfe und der Lebenshilfe zugute.<br />
Ausgesprochen sportlich müssen die<br />
Teilnehmer nicht sein: Um 15.30 Uhr<br />
laden die Veranstalter auf die 5-km-<br />
Strecke zum Nordic Walking, danach<br />
folgt der Schülerlauf über 1000 Meter.<br />
Ausreden gibt es also nicht. Um<br />
16.45 Uhr wird es beim Lauf auf der<br />
5-km-Strecke etwas anspruchsvoller,<br />
bevor um 18 Uhr traditionell zur<br />
Königsdisziplin des »Run’n’Roll for<br />
Help« geblasen wird: 10 000 Meter<br />
stehen dann auf dem Programm. Quer<br />
durch die Innenstadt, über Walltorstraße,<br />
Ostanlage, Neuen Bäue und<br />
Brandplatz führt die Route. Die Online-Anmeldung<br />
auf www.runandrollforhelp.de<br />
ist bis zum 15. August<br />
möglich.<br />
Drachenbootcup<br />
Seit 2300 Jahren kennt man die Boote.<br />
Der Legende nach gehen sie auf den<br />
Versuch zurück, einen Ertrinkenden<br />
vor dem sicheren Tod zu retten. In<br />
Gießen sind Drachenboote zumindest<br />
seit neun Jahren ein Thema. Seitdem<br />
holt man sie einmal im Sommer heraus,<br />
um den inzwischen traditionellen<br />
Drachenbootcup auszutragen. Am<br />
Samstag, 18. August, ist es wieder so<br />
weit. Auf 200 Lahnmetern kämpfen<br />
die stärksten Männer und zähesten<br />
Frauen der Stadt um Ruhm und Ehre.<br />
Dabei gilt: Wer das Boot erst einmal<br />
in Bewegung gebracht hat, der kann<br />
bereits stolz sein. Denn ein voll besetztes<br />
Drachenboot wiegt immerhin<br />
bis zu zwei Tonnen. Den ersten Startschuss<br />
gibt es bereits um 9 Uhr. Ausgetragen<br />
wird ein Sport- und ein Funcup<br />
für mehr oder weniger am-<br />
bitionierte Sportler.<br />
8/2012 streifzug 5