Zum stadtfest: - Gießener Allgemeine
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chen. Denn, da ist der Verband sicher:<br />
»Wenn die neue Tarifreform kommt, können<br />
viele Läden dichtmachen.« Landauf, landab<br />
maulen die Veranstalter, dass die neuen Tarife<br />
eine erhebliche Verteuerung mit sich brächten,<br />
bis hin zur Existenzbedrohung. »Wir<br />
würden finanziell an unsere Grenze gehen«,<br />
sagt Paul Chrustek, Vorsitzender des Musik-<br />
und Kunstvereins (MuK). »Wir können in<br />
einer Studentenstadt nicht<br />
utopische Eintritts- und<br />
Getränkepreise verlangen.«<br />
Inwieweit die <strong>Gießener</strong><br />
Clubs tatsächlich<br />
betroffen sind, hat der<br />
streifzug mit Rechtsanwalt Christian Koch aus<br />
der Lindener Kanzlei Bindhardt – Fiedler –<br />
Zerbe erörtert. Der Krofdorfer Koch tritt unter<br />
dem Label »Metal-Anwalt« auf und hat sich<br />
unter anderem auf die Gebiete Musik- und<br />
Urheberrecht spezialisiert.<br />
Schnell stellen wir fest: Die Tarife an sich sind<br />
nicht das Problem. Schwierig ist vor allem,<br />
dass vieles nicht klar definiert ist, denn unter<br />
welchen Tarif fällt denn eine Veranstaltung,<br />
wenn sie etwa Konzert- und Tanzelemente<br />
enthält, wie bei vielen Partys in Gießen<br />
üblich? Dazu gibt es seitens der GEMA vorab<br />
keine Auskünfte –»nur im Streitfall«, zitiert<br />
Koch einen Rechtsanwalt der Verwertungsgesellschaft.<br />
»Die GEMA ist ein Verein – es<br />
besteht keinerlei Auskunftspflicht nach dem<br />
Informationsfreiheitsgesetz«, erklärt der<br />
Metal-Anwalt, »dennoch ist die GEMA strukturiert<br />
wie eine Behörde.«<br />
Die GEMA-Gebühren ergeben sich aus der<br />
Größe des Veranstaltungsraumes und dem<br />
Eintritts- beziehungsweise Ticketpreis, wobei<br />
bei Veranstaltungen mit Preisstaffelung immer<br />
vom höchsten Kartenpreis ausgegangen wird.<br />
Als Beispiel dient das »Scarabee« in Gießen –<br />
hier finden regelmäßig Partys mit Tonträgerwiedergabe<br />
statt. Das »Scarabee« fiele also<br />
unter den Vergütungssatz M-V. Bei 120 Quadratmetern<br />
Fläche und einem konstanten<br />
Eintrittspreis von drei Euro (Quelle: Christel<br />
Brömer-Weber, zusammen mit Inge Menges<br />
Inhaberin des »Scarabee«), fallen hier nach<br />
dem neuen Tarif 60 Euro Gebühren pro<br />
Veranstaltung an. Allerdings nur dann, wenn<br />
maximal fünf Stunden Musik gespielt werden;<br />
werden diese fünf Stunden überschritten,<br />
fallen zusätzlich noch einmal 50 Prozent an –<br />
das wären dann 90 Euro. Bei vier Veranstaltungstagen<br />
die Woche wären das übers Jahr<br />
18 720 Euro. Vergleicht man das mit dem<br />
aktuellen Tarif M-U wären bei einer Diskothek<br />
dieser Größe 127,20 Euro pro Abend<br />
fällig. Im direkten Vergleich der vermeintlich<br />
gleichen Tarife kämen die Clubs also mit den<br />
neuen Tarifen billiger weg. Aber: Durch die<br />
Zusammenstreichung der Tarife fallen viele<br />
Massiv betroffen: große<br />
und mittelgroße Clubs<br />
Ausnahmeregelungen weg, so auch der Untertarif<br />
M-U III, durch den für Diskotheken<br />
bislang Sonderkonditionen galten: Ab 16 Veranstaltungen<br />
und mehr pro Monat wurde<br />
bislang nämlich pauschal abgerechnet. Und<br />
diesem Tarif zufolge muss ein Club mit 120<br />
Quadratmetern 4188 Euro abdrücken – pauschal<br />
für das ganze Jahr. »Man muss sehr<br />
genau rechnen«, erklärt Koch, »massiv betroffen<br />
sind vor allem die<br />
mittelgroßen und großen<br />
Discotheken.«<br />
Ein Blick auf die Tabelle<br />
verrät Folgendes: Bei 500<br />
Quadratmetern fallen bei<br />
einem Eintrittspreis bis drei Euro 150 Euro<br />
Gebühren an; mit jeden weiteren 100 Quadratmetern<br />
steigt die Gebühr linear um je<br />
30 Euro. Bei einem Club wie der »Admiral<br />
Music Lounge«, der nach unseren Informationen<br />
rund 1000 Quadratmeter Fläche umfasst<br />
und in der Regel sechs Euro Eintritt verlangt,<br />
kommt man auf summa summarum 600 Euro<br />
netto pro Abend. Ergibt – bei drei Veranstaltungstagen<br />
in der Woche – 93600 Euro netto<br />
im Jahr – zuzüglich Umsatzsteuer. Wobei es<br />
möglich ist, Jahrespauschalverträge abzuschließen,<br />
die Rabatte gewähren, sofern man<br />
mehr als 15 Veranstaltungen im Jahr hat. Dieser<br />
Tarif gewährt dann zehn Prozent Nachlass,<br />
gerechnet ab der ersten Veranstaltung.<br />
Bleiben immer noch 84240 Euro – deutlich<br />
mehr als aktuell nach dem Tarif M-U III.<br />
Die Gebühren entsprechen der Rechnung der<br />
GEMA zu Folge zehn Prozent des Bruttoumsatzes<br />
aus dem Eintrittsgeld, betonte Bezirksdirektor<br />
Lorenz Schmid<br />
auf einer Pressekonferenz.<br />
Allerdings: Auf zehn<br />
Prozent kommt man nur,<br />
wenn man von einem gut<br />
besuchten Haus ausgeht;<br />
bei einem 300- Quadratmeter-Club müssten<br />
bei drei Euro Eintritt 300 Gäste kommen,<br />
damit dieser Satz tatsächlich zehn Prozent<br />
der Bruttoeinnahmen entspricht. Für Veranstaltungen<br />
mit geringem Besucheraufkommen<br />
könnte die Lizenzgebühr somit tatsächlich<br />
ruinöse Folgen haben – von Party-Modellen<br />
wie »Eintritt frei bis 24 Uhr, danach 3 Euro«<br />
ganz abgesehen.<br />
Die GEMA argumentiert auf ihrer Facebook-<br />
Seite »GEMAdialog« damit, dass es ja auch<br />
viele Veranstaltungen mit starker Fluktation<br />
gebe, die weitaus mehr als den theoretischen<br />
einen Gast pro Quadratmeter hätten<br />
und dort ändere sich die Gebühr ja auch<br />
nicht zugunsten der GEMA. Clubs, die nicht<br />
regelmäßig zu zwei Dritteln gefüllt seien,<br />
würden auch ohne die GEMA-Gebühren<br />
pleitegehen, und »wir können nicht für den<br />
wirtschaftlichen Erfolg einer Veranstaltung<br />
MuK würde finanziell<br />
an Grenzen kommen<br />
kuLtur<br />
verantwortlich gemacht werden«, heißt es<br />
seitens »GEMA dialog«.<br />
Kritik gibt es auch, weil die GEMA offenbar<br />
gar nicht genau weiß, welche Musik gerade<br />
in kleinen, dem Mainstream fernen Clubs gespielt<br />
wird. Denn: DJs führen keine Playlisten,<br />
wie das bei Live-Konzerten gemacht werden<br />
muss, sondern die GEMA ermittelt was<br />
gespielt wird über das sogenannte Diskothekenmonitoring:<br />
Bei rund 120 Tanzflächen<br />
(von 5000 gelisteten) wird mittels einstündigem<br />
Programmmonitoring pro Woche und<br />
Tanzfläche (immer an zufällig ausgewählten<br />
Tagen und Stunden) das gesamte Spektrum<br />
der in einem Jahr wiedergegebenen Musiktitel<br />
repräsentativ abgebildet. Eine Gewichtung<br />
der Tanzflächen nach Größe oder Lizenzhöhe<br />
erfolgt nicht. Wie sich die 120 Tanzflächen<br />
zusammensetzen, bleibt dabei allerdings völlig<br />
im Dunkeln.<br />
Die Kritik, dass dieses viele Geld nur einigen<br />
wenigen zukommt (2011 hat die GEMA laut<br />
Geschäftsbericht rund 313 Millionen Euro an<br />
ihre Mitglieder ausgeschüttet, 65 Prozent,<br />
also rund 204 Millionen gingen dabei an die<br />
ordentlichen Mitglieder; da sind rund 58 000<br />
Euro pro Kopf) die eh schon viel verdienen,<br />
erscheint naheliegend, wenn man die Struktur<br />
der GEMA kennt: Der Verein setzt sich aus<br />
angeschlossenen, außerordentlichen und<br />
ordentlichen Mitgliedern zusammen: 55000<br />
angeschlossene Mitglieder, etwa 6400 außerordentliche<br />
und 3300 ordentliche Mitglieder,<br />
wobei nur die ordentlichen Mitglieder als<br />
»Vollmitglieder« angesehen werden, die angeschlossenen<br />
Mitglieder aber nur von der<br />
GEMA vertretene Urheber<br />
ohne Mitgliedstatus sind.<br />
Die außerordentlichen Mitglieder<br />
verfügen über eingeschränkte<br />
Rechte. Die<br />
Auszahlungen gehen zum<br />
größten Teil an die ordentlichen Mitglieder<br />
(2010: 64 Prozent), deren Repertoire auch<br />
den größten Teil der aufgeführten Werke<br />
repräsentiert. Verteilung und Auszahlungsmodalitäten<br />
werden in der Mitgliederversammlung<br />
beschlossen. Diese besteht aus<br />
den ordentlichen Mitgliedern der GEMA sowie<br />
64 Delegierten der außerordentlichen<br />
und angeschlossenen Mitglieder.<br />
»So etwas wie die GEMA muss es geben,<br />
denn die Urheber sind immer das unterste<br />
Glied in der Kette und müssen für ihre Werke<br />
auch Lizenzgebühren erhalten«, betont der<br />
Metal-Anwalt, »aber die Strukturen sollten<br />
meiner Meinung nach überdacht und novelliert<br />
werden.« Aber er beschwichtigt auch:<br />
»Die Tarifreform wird kommen. Aber nicht in<br />
der vorgelegten Form. Es bleibt abzuwarten,<br />
was das Schiedsverfahren bringt.«<br />
Sabine Glinke<br />
8/2012 streifzug 39