Öffnungszeiten 25 / 2011 - Fachhochschule Lübeck
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28 <strong>Öffnungszeiten</strong> <strong>25</strong> / <strong>2011</strong><br />
Geldscheine sind, abgesehen vom geringen Papierwert, ganz und gar aus<br />
Symbolen gemacht. Das führte, mehr noch als bei den Münzen, zum Problem der<br />
Fälschungssicherheit (ein weiterhin bei den Euroscheinen nicht wirklich gelöstes<br />
Problem). Frühe Briefmarken, Aktien, Geldscheine und andere Urkunden erhielten<br />
ein möglichst kompliziertes, detailreiches Design, das es erschweren sollte, sie zu fälschen.<br />
Dies macht bis zum heutigen Tage die typische Ästhetik von Banknoten aus.<br />
Ein Geldschein ist also ein Symbol, dessen Geltungskraft nicht unwesentlich von seiner<br />
Fälschungssicherheit abhängt.<br />
Was heute regiert, ist allerdings das immaterielle, elektronische Geld. Ein Stück<br />
Plastik, versehen mit einem Chip, ist das einzige materiell verbliebene Unterpfand<br />
unserer Zahlungsmöglichkeiten. Statistiken in Spanien haben gezeigt, dass der<br />
Durchschnittsbürger im Jahr 2010 etwa 50 Euro bares Geld mit sich trug (in einigen<br />
Gegenden sogar nur 30 Euro). Dieses bare, »nackte« Geld dient nur noch<br />
dazu, Kleinigkeiten zu bezahlen, wie einen Espresso oder eine Zeitung. Auch diese<br />
Kleinigkeiten werden demnächst wohl überall per Handy zu bezahlen sein.<br />
Mit dem »Plastikgeld« ist es nur noch eine digital gespeicherte Adresse, die zur<br />
Identifizierung des Bankkontos und zur Information über seinen Zustand führt. Jeder<br />
muss heute das »Geld auf der Bank haben«, wenn ein Kauf im Internet getätigt wird.<br />
Vorbei ist der Tag, da man ein gutes Versteck suchte, das Geld aufzubewahren.<br />
Die zunehmende Abstraktheit und Vernetzung des Geldes führte um 1900 herum zu<br />
einer näheren Beschäftigung der Philosophie und Soziologie mit Fragen des Geldes.<br />
Dies hat mit den großen Wandlungen seit Ende des 18. Jhs. im ökonomischen, technologischen<br />
und soziologischen Umfeld zu tun. Es ist in der Tat ein Epochenumbruch,<br />
in dem Intellektuelle zu verstehen versuchen, inwiefern nun eine Globalisierung der<br />
Welt in stetigem Wandel beginnt. Viele erkennen, dass die Gesellschaftsstrukturen<br />
der Kolonialzeit langsam enden und andere Werte mit neuen Sozialstrukturen in<br />
den Vordergrund treten. Das Geld ist endgültig Kapital geworden (Karl Marx), was<br />
auch im Privaten neue Lebensstile schafft (Gründerzeit). Die Weltkommunikation<br />
ist schneller und enger geworden. Bereits 1880 konnte man zwischen London und<br />
dem Empire auf der ganzen Welt telegrafieren. 1891 fand das erste Telefongespräch<br />
zwischen Paris und London statt. Der 1. Mai 1886 wird in Illinois und Chicago zum<br />
ersten Kampftag der Arbeiterklasse. Erfindungen wie die Farbfotografie 1891 oder<br />
Lumières Kinematographie 1894 sorgen für soziale Begeisterung. 1900 eröffnet die<br />
Weltausstellung in Paris zugleich mit dem ersten Teil der Pariser Metro. Die Welt, die<br />
jetzt im Prinzip in 80 Tagen umrundet werden kann (Jules Verne, 1873), ist kleiner<br />
geworden, der Austausch dichter.<br />
Kein Zufall, wenn nach dem Erscheinen des ersten Bandes (1867) von Karl Marx’<br />
Das Kapital bald andere Werke erscheinen wie das von Georg Simmel, Philosophie<br />
des Geldes (1900), das von Thorstein Veblen Theorie der feinen Leute (1899) oder<br />
auch Max Webers Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus (1904).<br />
In diesem zunehmend komplexen Kontext können Soziologen wie Veblen ihre<br />
scharfe Beobachtungsgabe gesellschaftlicher Neuerungen einsetzen; der bedeutende<br />
Philosoph und Soziologe Simmel prophezeit für die Zukunft Änderungen, die sich<br />
dann während des 20. Jahrhunderts symptomatisch bestätigen. Weber untersucht die<br />
Frage, wie Religion und ökonomische Aktivität zu einander stehen.