Öffnungszeiten 25 / 2011 - Fachhochschule Lübeck
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34 <strong>Öffnungszeiten</strong> <strong>25</strong> / <strong>2011</strong><br />
ßerst angenehm, die Performance stimmt. Nach einer Weile trägt der Gastgeber eine<br />
kleine, abgeschabte Schachtel zum Tisch. Die Schachtel wird sorgsam geöffnet, darin<br />
kommt ein Messer zum Vorschein. Eine Neuerwerbung. Das Messer stelle eine Rarität<br />
dar; es habe einem Adligen vor mehr als zweihundert Jahren gehört. Das Messer hat<br />
in der Tat eine besondere Form, ein besonders gut ausgeglichenes Gewicht. Es ist ein<br />
Klappmesser, aus Silber. Der Gastgeber lässt das Picknickmesser durch die Hände<br />
der Gäste wandern. Wir sprechen über Ergonomie, Material, Handwerklichkeit. Aber<br />
zur praktischen Vorführung im Probeschneiden kommt es nicht. Der Gastgeber erklärt,<br />
das Messer habe er nicht zur Benutzung gekauft: zu wertvoll, zu schön, zu viel<br />
Geschichte … und übrigens schneide jedes Messer, das auf dem Tisch liegt, besser.<br />
– Das Messer hatte inzwischen soviel Eigenwert, dass es der Sphäre der Nützlichkeit<br />
enthoben war.<br />
Und in der Tat, ein (Design-)Objekt, das im Sinne Kants ein interesseloses<br />
Wohlgefallen vermittelt, ohne eigentlich einen nennenswerten Gebrauchswert<br />
zu haben, erlangt häufig einen höheren Tauschwert als ein funktionsnützliches<br />
Objekt, wie Simmel feststellt. Man denke nur an das Briefmarkensammeln. Wolfgang<br />
Fritz Haug zeigt in seiner Kritik der Warenästhetik (1971), dass Gebrauchs- und<br />
Tauschwert der Waren auseinandergehende Parameter sind. Wenn aber ein interesseloses<br />
Wohlgefallen uns antreibt, ein bestimmtes Objekt besitzen zu wollen<br />
(man begehrt ja auch Kunst), heißt das, der Begehrende wisse, wie Kunst zu genießen<br />
sei. Die Performance des »Schöner-Lebens« (ein Schulfach in Korea) fordert<br />
Kenntnisse und Fähigkeiten. In der japanischen Teezeremonie gibt es eine Phase, in<br />
welcher der Teetrinkende die Ästhetik der Trinkschale explizit würdigt, durch genaue<br />
Beobachtung der mehr oder weniger zufällig entstandenen Muster der handwerklichen<br />
Glasierung. Die Distanz zwischen ästhetischem Tauschwert und Gebrauchswert<br />
beinhaltet, wie Thorstein Veblen in seinem Werk Theorie der feinen Leute hervorhebt,<br />
dass man eine erhebliche Zeit dafür aufgewendet hat, ein gewisses Niveau verfeinerten<br />
Geschmacks nach Maßgabe der »müßigen Klasse« zu erreichen. Diese zeitliche Mühe<br />
ist freilich mit Geld nicht zu verkürzen.<br />
…<br />
+ 2<br />
+ 1 0<br />
– 1<br />
– 2 …<br />
Ästhetik<br />
Tauschwert<br />
Gebrauchswert<br />
Nützlichkeit