Broschüre als PDF - Migrationsrat Berlin-Brandenburg eV
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mediopolitischen ebene werden stadtteile<br />
konstruiert, die <strong>als</strong> Repräsentanten für „Integrationsverweigerung“<br />
und „sozi<strong>als</strong>taatsmissbrauch“<br />
funktionieren. Der „Problembezirk“<br />
neukölln etwa muss seit Jahren <strong>als</strong> zentraler<br />
Ort für „Parallelgesellschaften“ und „Ghettos“<br />
herhalten.<br />
Der Funktionswandel der Stadt in der Ära der<br />
neoliberalen Globalisierung ist mit der Arbeit<br />
von Saskia Sassen schon seit fast zwei fast<br />
Jahrzehnten eingehend untersucht. Auch die<br />
Pionierarbeiten von Walter Prigge und Klaus<br />
Ronneberger am Beispiel Frankfurts mit der<br />
Studie „Kapital fatal“ haben nicht nur die Transformationsprozesse,<br />
denen der städtische<br />
Raum im Zuge der Globalisierung unterliegt,<br />
sondern auch die transformatorischen Dynamiken,<br />
welche von ihm ausgehen, für die deutsche<br />
Debatte analysiert. Der städtische Raum<br />
und die Produktion eines „New Metropolitan<br />
Mainstreams“ (Christian Schmid und Daniel<br />
Weiss) sind dabei zentral für das Verständnis<br />
von „postliberalem Rassismus“. Die seit den<br />
1990er Jahren durch Gentrifizierung und „Entmischungspolitiken“<br />
verursachte Transformation<br />
traditionell „multikultureller“ innerstädtischer<br />
Quartiere ist beispielhaft dafür. Dabei erfolgt<br />
die Beschreibung „problembehafteter Gebiete“<br />
oder auch „überlasteter Nachbarschaften“ auf<br />
der Basis von Statistiken, Expert_innen- oder<br />
auch Bewohner_innen-Interviews ausschließlich<br />
mittels negativer Begriffe. Diese Begriffe<br />
reproduzieren <strong>als</strong> Ansammlung von städtebaulichen<br />
und sozialen Pathologien durch wiederkehrende<br />
Bilderreihen und narrative Strategien<br />
die gesellschaftlich hegemonialen Bilder von<br />
„Problemquartieren“ oder „Ghettos“.<br />
In Zeiten der Terrorismusbekämpfung avancieren<br />
die panischen Räume der „ethnischen<br />
Parallelgesellschaften“ zu Laboratorien einer<br />
neuen Kunst des Regierens der Migration, in<br />
der Stadtpolitiken mit Sicherheitspolitiken zusammengefügt<br />
werden. Meine Untersuchung<br />
zielt darauf ab, hierbei die Entstehung urbaner<br />
Konflikte und räumlicher Konstellationen, die<br />
eine neue städtische Mehrheitsgesellschaft<br />
hervorbringen, neu zu perspektivieren.<br />
Es geht darum, das Verhältnis von Stadt und<br />
Migration in Hinblick auf eine in der Stadt- und<br />
Migrationsforschung selten berücksichtigte soziale<br />
Gruppe, die der neuen städtischen Eliten,<br />
zu reformulieren. In den sogenannten sozialen<br />
Brennpunkten geht dieser „New Metropolitan<br />
Mainstream“ nämlich mit der Aktivierung<br />
von Sexismus, Homophobie und antimuslimischem<br />
Rassismus einher. So konstituieren sich<br />
die neuen städtischen Eliten selbst, etwa durch<br />
die Skandalisierung und affektive Aufladung<br />
homophober Äußerungen der ethnisierten<br />
“muslimischen Anderen“ im Stadtteil, indem<br />
sie nicht nur die vermeintliche Toleranz der Dominanzgesellschaft<br />
verkörpern, sondern auch<br />
urbane Paniken vorantreiben. Oder um etwas<br />
Hamburger Kolorit zu versprühen: Als ich kürzlich<br />
mit einer hanseatischen Reederin über Migrationspolitik<br />
und die Stadt redete, sagte sie<br />
mir unmissverständlich „das ist alles vergeudetes<br />
Geld, sorgen Sie einfach dafür, dass mein<br />
Auto nicht angezündet wird“.<br />
ahmet In wunDerlanD<br />
Über Verschwörungstheorien und andere Einfältigkeiten<br />
Von Sabine Schiffer<br />
Foto: Susanne Gabler (Copyright IMV)<br />
Das war schon ein genialer Coup, dam<strong>als</strong> vor<br />
gut 50 Jahren. Ahmet wäre nie von alleine darauf<br />
gekommen, dass er Teil eines großen Plans<br />
war, <strong>als</strong> er dem Aufruf folgte und zum Arbeiten<br />
in die Bundesrepublik Deutschland auswanderte.<br />
Leicht war es ihm nicht gefallen, sein<br />
Heimatdorf in der Nähe von Trabzon zu verlassen.<br />
Der Wunsch, dort regel mäßig Familie<br />
und Freunde zu besuchen, zerschlug sich bald<br />
angesichts der Not wendigkeit, das Geld lieber<br />
in die Heimat zu schicken, statt selbst dorthin<br />
zu fahren. Getröstet hat ihn, dass noch viele<br />
seinem Beispiel folgten und er bald auch in<br />
Deutschland wieder einen ansehnlichen Freundeskreis<br />
vorweisen konnte. Ob er und seine<br />
Freund_innen dam<strong>als</strong> schon von ihrer großen<br />
Mission ahnten?<br />
Sie hatten einen ganz anderen Auftrag <strong>als</strong> nur<br />
den, in Deutschland zu arbeiten, wie Ahmet<br />
jetzt deutschen Radiosendungen, Zeitungsmeldungen<br />
und Blogkommentaren entnehmen<br />
kann. Leicht ist es ihm ja nicht gefallen, das<br />
Deutschlernen, aber er hat es geschafft und<br />
kann heute ohne Probleme verstehen, wenn<br />
sich seine Kolleg_innen über das unterhalten,<br />
was sie in der Bildzeitung, dem Internet und<br />
in Thilo Sarrazins Beststeller gelesen haben.<br />
Naja, die Werbekampagne des Spiegel für das<br />
Sabine Schiffer ist Medienpädagogin<br />
und Leiterin des Instituts für Medienverantwortung<br />
(IMV).<br />
Buch des herkunftstraumatisierten Sarrazenen<br />
hatte ihn schon überrascht. Was aus dem<br />
Spiegel geworden ist – nun ja, nichts ist, wie<br />
es bleibt. Nun erfährt er schließlich, wie genial<br />
er sich <strong>als</strong> Analphabet in die großen Pläne<br />
einfügen konnte, die offensichtlich ohne sein<br />
Wissen oder auch nur seine Ahnung gehegt<br />
wurden. All die Jahre blieb er in seiner Mission<br />
<strong>als</strong> Muslim unent deckt und dies bewundert er<br />
heute an sich selber. Bis vor kurzem glaubte er<br />
noch, dass die Anwerbung eine deutsche Initiative<br />
war. Jetzt lehrt ihn das Gerede anderes. Er,<br />
Ahmet aus Görele, ist Teil einer konzertierten<br />
„islamistischen Aktion“. Seine Rolle ist es nämlich,<br />
Westeuropa zu islamisieren – jawohl! Und<br />
es macht ihn nun ein wenig stolz zu entdecken,<br />
dass er offensichtlich ein wichtiger Teil dieses<br />
großen Plans ist.<br />
Geschickt hatte es das Religionsministerium<br />
angestellt, die Fäden hinter der US-Wiederaufbauhilfe<br />
für Deutschland mitsamt dem<br />
Marshall-Plan zu ziehen. Niemand hat es 50<br />
Jahre lang gemerkt, auch nicht Ahmet, dass das<br />
sogenannte deutsche Wirt schaftswunder eine<br />
türkische Initiative war, ein Vorwand, um Muslim_innen<br />
nach West europa zu entsenden. Zudem<br />
hatte man mit türkischer Cleverness überlegt,<br />
vor allem ungebildete Landarbeiter_innen<br />
10 Jahre ReachOut | Rückblicke und Perspektiven auf Rassismus<br />
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