Broschüre als PDF - Migrationsrat Berlin-Brandenburg eV
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BeratunG <strong>als</strong> PolItIk<br />
GeGen rassIstIsche<br />
(ohn-)machtsstrukturen<br />
Von Angelina Weinbender<br />
Angelina Weinbender ist Mitarbeiterin<br />
im <strong>Migrationsrat</strong> <strong>Berlin</strong> <strong>Brandenburg</strong> e.V.<br />
Zwischen 2000 und 2007 werden Enver Şimsek,<br />
Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü,<br />
Habil Kılıç, Yunus Turgut, Ismail Yaşar, Theodoros<br />
Boulgarides, Mehmet Kubaşık und Halit<br />
Yozgat durch die gleiche Tatwaffe ermordet.<br />
Am 09. Juni 2004 explodiert in einem überwiegend<br />
von People of Color bewohnten Viertel in<br />
Köln eine Nagelbombe, 22 Menschen werden<br />
zum Teil schwer verletzt. In der Öffentlichkeit<br />
ist man sich schnell einig, dass diese Morde<br />
und der Anschlag in Köln mit dem „Migrationshintergrund“<br />
der Opfer zusammenhängen.<br />
In gängiger rassistischer Manier wird der „Migrationshintergrund“<br />
zum Indiz für kriminelle<br />
„Im Übrigen gilt ja hier derjenige,<br />
der auf den Schmutz hinweist,<br />
für viel gefährlicher <strong>als</strong> der,<br />
der den Schmutz macht.“<br />
(Kurt Tucholsky)<br />
Machenschaften der Verletzten und Ermordeten.<br />
Die Hinweise der Angehörigen auf mögliche<br />
rassistische Motive werden ignoriert. Die<br />
Sicherheitsbehörden ermitteln gegen das Umfeld<br />
der Opfer und ihrer Angehörigen. Obwohl<br />
die eigens eingerichtete Sonderkommission<br />
„Bosporus“ zu den Größten in der Geschichte<br />
der BRD zählt, bleiben ihre Ermittlungen ergebnislos.<br />
Erst <strong>als</strong> die Polizei im November 2011 eher zufällig<br />
bei tot aufgefundenen Neonazis auf die<br />
Tatwaffe der rassistischen Mordserie und das<br />
Bekennervideo zum Anschlag stößt, werden<br />
die Gewalttaten öffentlich <strong>als</strong> rassistisch motiviert<br />
anerkannt und die Arbeit der Sicherheitsbehörden<br />
und Innenministerien kritisiert.<br />
Es wird darüber gesprochen, dass die Regierung<br />
nicht genug gegen Rechtsextremismus<br />
tut, man empört sich erneut über die Zusammenarbeit<br />
des Verfassungsschutzes mit organisierten<br />
Nazis, diskutiert ein NPD-Verbot<br />
und stellt Konzepte zum Ausbau des Über-<br />
wachungsapparats vor. Über Rassismus in den<br />
eigenen Reihen wird nicht gesprochen. Dass<br />
die Behörden auf dem rechten Auge blind seien,<br />
ist häufig das Höchste der Kritik. Die Kriminalisierung<br />
von People of Color durch die Sicherheitsbehörden<br />
und ihre Entmenschlichung<br />
durch die mediale Berichterstattung („Döner-<br />
Morde“) wird nicht <strong>als</strong> rassistisch kritisiert, vielmehr<br />
wird Rassismus erneut <strong>als</strong> ein Phänomen<br />
gesellschaftlicher Randgruppen verharmlost.<br />
Genau an diesem Punkt beginnt und endet die<br />
Arbeit einer Beratungsstelle für Opfer rassistischer,<br />
rechter und antisemitischer Gewalt.<br />
Die Ereignisse um die rassistischen Serienmorde<br />
und den Anschlag in der Kölner Keupstraße<br />
zeigen erneut, dass bereits die Benennung einer<br />
Tat <strong>als</strong> „rassistisch“ ein politischer Akt ist,<br />
der Entscheidungs- und Durchsetzungsmacht<br />
bedarf. Die immer wieder gemachte Erfahrung<br />
der Kriminalisierung und Entmenschlichung<br />
durch Politik, Polizei, Justiz, und Medien zeugt<br />
von der inferioren gesellschaftlichen Position<br />
der Menschen, die von rassistischer Gewalt betroffen<br />
sind. Ihnen wird misstraut, sie werden<br />
verdächtigt, selbst schuld oder zu sensibel und<br />
überhaupt aggressiv und irgendwie nicht ganz<br />
richtig im Kopf zu sein. So geht es nicht nur am<br />
deutschen Stammtisch zu, das ist behördlicher<br />
Alltag, gängige, politisch bestimmte Praxis.<br />
Muslimische Kopftuchträgerinnen werden nicht<br />
nur durch Bespucken erniedrigt, sondern auch<br />
durch das Kopftuchverbot in der Beamt_innenlaufbahn<br />
(Neutralitätsgesetz).<br />
Deutschlands zweitgrößter Arbeitgeberin, die<br />
Kirche, ist es gesetzlich erlaubt, Andersgläubige<br />
nicht zu beschäftigen (§10 AGG). Außerdem<br />
wird mit dem politischen Programm „Extremismus“<br />
brennenden Autos mehr Aufmerksamkeit<br />
geschenkt <strong>als</strong> brennenden Menschen.<br />
Die Polizei kontrolliert an „kriminalitätsbelasteten<br />
Orten“ (§21 ASOG) Menschen aufgrund ihrer<br />
Hautfarbe oder einer bestimmten Herkunft,<br />
die Senatsverwaltung für Inneres begrüßt dieses<br />
polizeiliche Vorgehen. In ihrem Auftrag<br />
werden Menschen schwarzer Hautfarbe oder<br />
einer bestimmten angenommenen Herkunft<br />
per Statistik einer spezifischen Kriminalitätsart<br />
zugeordnet und die gesonderte Kontrolle der<br />
so bestimmten Menschengruppen politisch<br />
10 Jahre ReachOut | ReachOut in der Praxis<br />
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