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Broschüre als PDF - Migrationsrat Berlin-Brandenburg eV

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„rassIsmus Ist nIcht In Der<br />

mItte Der Gesellschaft<br />

anGekommen,<br />

er Ist Dort entstanDen!“<br />

Wann hast du mit antirassistischer Arbeit begonnen?<br />

Ich habe schon kurz nachdem ich Ende 1979 in<br />

Deutschland angekommen bin nach Möglichkeiten<br />

gesucht, mich politisch zu engagieren.<br />

Schon zu diesem Zeitpunkt habe ich mich mit<br />

Rassismus auseinander gesetzt und wollte<br />

auch in diesem Bereich aktiv sein. So bin ich<br />

dann zur Flüchtlingsunterstützungsarbeit gekommen<br />

und habe Rassismus <strong>als</strong> eines meiner<br />

Schwerpunktthemen gesehen.<br />

Was waren dam<strong>als</strong> deine schwerpunktthemen<br />

in Bezug auf Rassismus?<br />

Alltagsrassismus, zu dem heute in Workshops,<br />

Veranstaltungen, selbst an Schulen, diskutiert<br />

wird, war dam<strong>als</strong> zwar auch ein Thema, jedoch<br />

hat man den Begriff des Rassismus nicht benutzt.<br />

In Deutschland verstand man zu dieser<br />

Zeit unter Rassismus die rassistische Gesetzge-<br />

Interview<br />

Biplab Basu ist Mitarbeiter von ReachOut<br />

und aktiv bei der Kampagne für Opfer rassistischer<br />

Polizeigewalt (KOP). Gemeinsam<br />

mit Jana Proschek wagte er einen<br />

Rückblick über Kämpfe und Bündnisse<br />

gegen Rassismus.<br />

Foto: Nicole Walter<br />

bung und Politik der Nazizeit. Es war auch für<br />

mich schwierig, meinen Freund_innen und den<br />

Leuten, mit denen ich politisch aktiv war, klarzumachen,<br />

dass Rassismus nicht in der Nazi-<br />

zeit entstanden ist und nicht mit dem Ende des<br />

Zweiten Weltkrieges an Bedeutung verlor, sondern<br />

schon viel länger existiert und dass unsere<br />

heutige Gesellschaft immer noch rassistisch<br />

ist. Das wurde vor allem in der Migrations- und<br />

Flüchtlingspolitik sichtbar. Es gab jedoch dam<strong>als</strong><br />

wenige Gruppen oder Projekte, die zum<br />

Thema Antirassismus gearbeitet haben.<br />

Wie ist es dann weiter gegangen? Ab wann wurde<br />

der Begriff Rassismus gesellschaftsfähig?<br />

Schon in den 1980er Jahren gab es Menschen,<br />

die den Begriff Rassismus benutzten und zu<br />

diesem Thema arbeiteten. Doch zu einem allgemeinen<br />

gesellschaftlichen Thema wurde<br />

Rassismus erst in den 1990er Jahren, nach<br />

dem Mauerfall. Da änderte sich die Situation.<br />

Wir hatten nun mehr Verbündete und die Menschen<br />

aus der ehemaligen DDR verfügten über<br />

ganz andere Perspektiven und Erfahrungen, die<br />

auch in die politische Arbeit einflossen.<br />

Zum anderen nahmen jedoch auch die Angriffe<br />

auf Migrant_innen und Flüchtlinge praktisch<br />

über Nacht massiv zu. Zu diesem Zeitpunkt<br />

wuchs zumindest das Bewusstsein für rassistische<br />

Zustände, auch wenn der Begriff Fremden-<br />

oder Ausländerfeindlichkeit nach wie vor<br />

häufiger benutzt wurde.<br />

In welchen Zusammenhängen hast du dich<br />

zu Beginn der 1990er Jahre gegen Rassismus<br />

engagiert?<br />

Bereits Ende der 1980er Jahre, noch vor dem<br />

Mauerfall, gründeten einige Leute in <strong>Berlin</strong> das<br />

Antirassistische Telefon. Die Idee war, dass<br />

Menschen, die von Rassismus betroffen waren,<br />

angegriffen oder diskriminiert wurden, dort anrufen<br />

konnten, um Unterstützung und Hilfe zu<br />

bekommen. Andererseits ging es darum, die<br />

Angriffe und Vorfälle dokumentieren und veröffentlichen<br />

zu können. Dieses Antirassistische<br />

Telefon wurde dann in Antirassistische Initiative<br />

umbenannt. Die Aktivist_innen setzten sich<br />

intensiv mit Rassismus auf ganz unterschiedlichen<br />

Ebenen und mit den Menschen, die betroffen<br />

sind, auseinander. Sie beschäftigten<br />

sich vor allem mit der Frage: Was kann man tun<br />

und wie lässt sich der institutionelle Rassismus<br />

bekämpfen?<br />

Ich bin dann Anfang der 1990er Jahre, eher aus<br />

Zufall, durch Bekannte zur Antirassistischen Ini-<br />

tiative gekommen. Seitdem habe ich intensiv<br />

antirassistische Politik betrieben. Dies bedeutete<br />

zum einen eine akademisch-intellektuelle<br />

Auseinandersetzung mit dem Thema und zum<br />

anderen praktische politische Arbeit. Dazu<br />

gehörte das Thematisieren von rassistischen<br />

Strukturen in der Gesellschaft. Wir haben beispielsweise<br />

zur Kopftuchdebatte an Schulen<br />

und im öffentlichen Dienst oder zu rassistischen<br />

Übergriffen von Seiten der Polizei gearbeitet<br />

und Aktionen organisiert. Außerdem waren die<br />

Medien und die rassistische Berichterstattung<br />

ein Thema, mit dem wir uns beschäftigten. Die<br />

rassistisch motivierten Angriffe und die praktische<br />

Unterstützung der Betroffenen waren stets<br />

ein Thema unserer Arbeit. Insgesamt war es unser<br />

Ziel, Rassismus öffentlich zu thematisieren<br />

und Handlungsstrategien zu finden.<br />

Wie würdest du die weiteren entwicklungen<br />

seit dem Jahr 2000 beschreiben?<br />

Auch zu diesem Zeitpunkt kam es immer wieder<br />

zu teilweise pogromartigen Angriffen. Dies führte<br />

zu einer Empörung in der Gesellschaft und<br />

brachte Politiker_innen dazu einzugreifen. Ein<br />

staatliches Förderprogramm gegen Rechtsextremismus<br />

wurde entwickelt und entsprechende<br />

Projekte ab Mitte 2001 gefördert. So konzipierten<br />

Kolleg_innen, mit denen ich auch schon<br />

vorher gegen Rassismus aktiv war, Reach-<br />

Out. Das damalige Förderprogramm ermöglichte<br />

es zum ersten Mal, die Perspektive der Opfer<br />

in den Vordergrund zu stellen. Bis dahin ging<br />

es von Seiten der Regierung vielmehr darum,<br />

Projekte und Einrichtungen zu finanzieren, die<br />

sich mit den Täter_innen beschäftigt haben,<br />

um diese zu resozialisieren und zu integrieren.<br />

Wir hatten es vor der Gründung von ReachOut<br />

immer schwer, die Perspektive der Opfer in den<br />

Vordergrund zu stellen. Mit dem Projekt Reach-<br />

Out erhielten wir <strong>als</strong>o quasi die staatliche Legitimation<br />

dazu.<br />

Es geht uns zum einen um die Unterstützung<br />

der Opfer aber natürlich auch um Rassismus <strong>als</strong><br />

gesellschaftliches Phänomen. Rassismus ist<br />

kein Problem der Neonazis, sondern in breiten<br />

Teilen der Gesellschaft zu finden. Für uns ist es<br />

deshalb in unserer Arbeit wichtig, auch gegen<br />

diese Strukturen vorzugehen.<br />

Welche konkreten Aufgaben hast du bei Reach-<br />

Out und was ist dir dabei besonders wichtig?<br />

Ich bin hauptsächlich in der Beratung tätig.<br />

Dabei ist es mir wichtig, dass ich Menschen,<br />

10 Jahre ReachOut | Rückblicke und Perspektiven auf Rassismus<br />

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