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hört auf zu lernen - fangt an zu denken - JungdemokratInnen/Junge ...

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schülerInnenreader der jungdemokratInnen/junge linke nrw<br />

<strong>hört</strong> <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong>


2 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

inhalt<br />

4 °geschichte der schule<br />

11 °geschichte der sv<br />

17 °<strong>an</strong>tipädagogik-das ende der<br />

erziehungsideologie?<br />

19 °der geheime lehrpl<strong>an</strong><br />

22 °frauen und schule<br />

25 °sport ist böse-aber warum bloss<br />

32 °ein bericht, der die schule verändert<br />

36 °die demokratischen strukturen der schule von<br />

heute-offen für die gesellschaft von morgen?<br />

40 °von der reform <strong>zu</strong>r deform<br />

43 °wir brauchen keine zeugnisse<br />

46 °religionsunterricht abschaffen<br />

47 °der verbotene blick über den tellerr<strong>an</strong>d<br />

49 °gymnasium ist asozial<br />

54 °die <strong>zu</strong>kunft besetzen<br />

58 °fight for your right<br />

impressum<br />

herausgeberin: <strong>JungdemokratInnen</strong>/<strong>Junge</strong><br />

Linke NRW,<br />

Herner Str. 79, 44791 Bochum<br />

tel: 0234-57967849<br />

email: info@jungdemokratinnen.de<br />

internet: www.jungdemokratinnen.de<br />

redaktion: Sarah Dellm<strong>an</strong>n, Dörte Gutschow,<br />

Tine Locke, Carola Pohlen (V.i.S.d.P)<br />

<strong>auf</strong>lage: 200<br />

druck: eigendruck


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 3<br />

Liebe<br />

SchülerInnen<br />

und sonstige<br />

Lesende!<br />

Ihr haltet gerade die neueste Version des<br />

SchülerInnenreaders der <strong>JungdemokratInnen</strong>/<strong>Junge</strong><br />

Linke NRW in den Händen. Wir<br />

haben hier Texte <strong>zu</strong>sammengestellt, die<br />

eine grundlegende theoretische Kritik <strong>an</strong><br />

Schule üben, aber auch Aktionstipps und<br />

Informationen über Entwicklungen in der<br />

Bildungspolitik.<br />

Um Schule, Bildungspolitik und was damit<br />

<strong>zu</strong>sammenhängt vollständig, perfekt und<br />

rhetorisch gew<strong>an</strong>d kritisieren <strong>zu</strong> können,<br />

braucht es zwar sicherlich mehr als nur so<br />

ein paar Texte, als Einstieg <strong>zu</strong>r Kritik <strong>an</strong><br />

Schule sind sie aber g<strong>an</strong>z gut verwendbar.<br />

Und Kritik <strong>zu</strong> üben wird immer notwendiger<br />

in Zeiten, in denen die meisten<br />

SchülerInnen Noten <strong>zu</strong>mindest unvermeidlich<br />

finden und sich Lernen gar nicht mehr<br />

<strong>an</strong>ders als in der bestehenden Schule vorstellen<br />

können. Ihr habt sicherlich auch<br />

selber schon mal festgestellt, dass eure<br />

MitschülerInnen alles g<strong>an</strong>z in Ordnung oder<br />

<strong>zu</strong>mindest so „normal“ f<strong>an</strong>den, dass sie es<br />

nicht mehr hinterfragen wollten.<br />

Was der/die Einzelne <strong>lernen</strong> will ist in der<br />

Schule nicht so wichtig, es kommt vielmehr<br />

dar<strong>auf</strong> <strong>an</strong>, das <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong>, „was sein muss“,<br />

dabei möglichst gute Noten <strong>zu</strong> bekommen,<br />

um d<strong>an</strong>ach vielleicht das <strong>lernen</strong> <strong>zu</strong> dürfen,<br />

was interess<strong>an</strong>ter ist. Und diesen Schwachsinn<br />

aus<strong>zu</strong>halten ohne dabei <strong>zu</strong> vergessen,<br />

dass es nicht immer so<br />

sein muss, wie es jetzt ist<br />

und dass es auch <strong>an</strong>ders<br />

gehen könnte, ist gar nicht<br />

immer so einfach.<br />

Um es ein bisschen leichter<br />

<strong>zu</strong> machen, gibt es jetzt<br />

diesen Reader. Es sind<br />

zwar nicht alle Texte g<strong>an</strong>z<br />

aktuell, aber einige alte<br />

f<strong>an</strong>den wir noch gut genug.<br />

Außerdem erhebt er keinen<br />

Anspruch <strong>auf</strong> Vollständigkeit.<br />

Wir haben uns zwar<br />

Mühe gegeben, möglichst<br />

viele Bereiche ab<strong>zu</strong>decken,<br />

wir sind aber trotzdem<br />

offen für Kritik und Verbesserungsvorschläge.<br />

Jetzt bleibt mir nur noch,<br />

euch viel Spaß beim Lesen<br />

<strong>zu</strong> wünschen. Vielleicht<br />

verringert es ja eure Verzweiflung<br />

über den täglichen<br />

Unsinn ein wenig,<br />

wenn ihr wisst, dass ihr mit<br />

euren Ideen nicht g<strong>an</strong>z<br />

alleine seid.<br />

Tut euch <strong>zu</strong>sammen und<br />

bringt die versteinerten<br />

Verhältnisse <strong>zu</strong> t<strong>an</strong>zen!<br />

Carola Pohlen


4 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

Geschichte der<br />

Schule<br />

<strong>an</strong><strong>zu</strong>sprechen, <strong>zu</strong> erfassen und <strong>zu</strong> mobi-<br />

1. Geschichte der Schule<br />

1.1. Das 18. Jahrhundert<br />

Das Kontinentaleuropa des ausgehenden<br />

18. Jahrhundert war vom<br />

Überg<strong>an</strong>g der alten Ständegesellschaft<br />

<strong>zu</strong>m modernen Staat<br />

absolutistischer Prägung bestimmt.<br />

Dies bedeutet einen grundsätzlichen<br />

systematischen Umbruch. Die öffentliche<br />

Gewalt, die bisher zwischen<br />

den verschiedenen Ständen <strong>auf</strong>geteilt<br />

war, konzentriert sich in der<br />

Person des jeweiligen L<strong>an</strong>desherren,<br />

die politischen Herrschaftsstände<br />

werden entpolitisiert und <strong>auf</strong> ihre<br />

sozialen und wirtschaftlichen Funktionen<br />

beschränkt. Es entsteht ein<br />

<strong>auf</strong>wendiger Beamtenapparat, der<br />

die politischen Entscheidungen der<br />

neuen zentralen Gewalt durchsetzt.<br />

Diese Entwicklung war unter <strong>an</strong>derem<br />

notwendig geworden, weil<br />

sich eine neue Wirtschaftsordnung<br />

etablierte. In den vorherigen<br />

Jahrhunderten produzierten<br />

die Menschen in erster<br />

Linie für den Eigenbedarf. Dies<br />

änderte sich in den M<strong>an</strong>ufakturen<br />

des Merk<strong>an</strong>tilismus, mit<br />

ihrer arbeitsteiligen Produktionsweise.<br />

Diese produzierten<br />

vorr<strong>an</strong>gig für den H<strong>an</strong>del. So<br />

wurden größere wirtschaftliche<br />

Ressourcen freigesetzt, <strong>auf</strong> die<br />

der Staat <strong>zu</strong>rückgreifen konnte.<br />

Das schuf aber auch neue Probleme:<br />

Die alten Regulationsmech<strong>an</strong>ismen<br />

wurden weitgehend<br />

zerschlagen. Der Staat<br />

war somit gezwungen, in bisher<br />

nicht gek<strong>an</strong>ntem Ausmaß<br />

die einzelnen Untert<strong>an</strong>en direkt<br />

lisieren, für den öffentlichen Nutzen <strong>zu</strong><br />

aktivieren. Diese Tendenz bezeichnet<br />

m<strong>an</strong> als Sozialdisziplinierung. Es wurden<br />

neue Sozialisationsinst<strong>an</strong>zen notwendig,<br />

um die Bevölkerung <strong>auf</strong> die neuen Aufgabenfelder<br />

vor<strong>zu</strong>bereiten.<br />

Der Staat beg<strong>an</strong>n daher, die Schule in<br />

seinen Dienst <strong>zu</strong> stellen, das Bildungswesen<br />

wurde verstaatlicht.<br />

Dieser Schlag richtete sich sowohl gegen<br />

die Autonomie der Bildungseinrichtungen,<br />

als auch gegen die politische Autonomie<br />

ihrer Träger (Städte und Kirche).<br />

Viel wichtiger war aber, daß die Schule<br />

folgende Funktionen für den Staat übernahm:<br />

- die Ausbildung der loyalen Beamten dieses<br />

modernen Staates;<br />

- die Ertüchtigung des Stadtbürgers für<br />

Gewerbe und H<strong>an</strong>del;<br />

- die Sozialdisziplinierung der ländlichen<br />

Sozialschichten für Gutsherrschaft und


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 5<br />

Militärdienst.<br />

Die Schule wird in den Dienst des neu<br />

entst<strong>an</strong>denen Staates gestellt, um die<br />

Gesellschaft für staatliche Interessen<br />

nutzbar <strong>zu</strong> machen. Dementsprechend<br />

sahen die Konzepte der neuen Schule<br />

aus. Karl Abraham von Zedlitz, Vorsitzender<br />

des preußischen<br />

Oberschulkollegiums, definierte die Funktion<br />

der neuen Schule folgendermaßen:<br />

"ein System von Bildungseinrichtungen,<br />

in dem jedem Bürger seinen gesellschaftlichen<br />

Aufgaben entsprechend ein bestimmtes<br />

Maß von Bildung <strong>zu</strong>geteilt werden<br />

sollte".<br />

Die von ihm entworfene Schule war eine<br />

dreigliedrige, unterteilt in Bauern, Bürger-<br />

und Gelehrtenschule.<br />

All dies ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert:<br />

1) Die Schule dient den staatlichen<br />

Verwertungsinteressen<br />

2) Die ständische Gesellschaft ist noch<br />

nicht abschließend überwunden. Die<br />

neue Schule gar<strong>an</strong>tiert, daß auch im<br />

"neuen" Staat die gesellschaftliche<br />

Position des einzelnen weitgehend von<br />

seinem Geburtsst<strong>an</strong>d abhängig ist. Die<br />

einzelnen Berufsstände erreichten ihre<br />

arbeitsteilige Entfaltung erst im staatlich<br />

org<strong>an</strong>isierten Be<strong>zu</strong>g. Somit diente<br />

die Schule auch da<strong>zu</strong>, bestehende<br />

gesellschaftlich Hierarchien weiter <strong>zu</strong><br />

stützen.<br />

1.2. Die L<strong>an</strong>dschulen<br />

Das L<strong>an</strong>d war geprägt von der Gutsherrschaft<br />

des Adels im Gegensatz <strong>zu</strong> den<br />

Städten, die bereits weitgehend durch die<br />

absolutistische Bürokratie kontrolliert<br />

wurden.<br />

Die nahe<strong>zu</strong> despotische Rechtsposition<br />

des Adels wurde l<strong>an</strong>ge nicht <strong>an</strong>getastet,<br />

im Gegenteil: Sie wurde <strong>zu</strong>nächst gestärkt,<br />

quasi als Gegenleistung für den<br />

Verzicht des Adels <strong>auf</strong> Mitwirkung in der<br />

L<strong>an</strong>desregierung.<br />

Die L<strong>an</strong>dschule war daher für den L<strong>an</strong>desherren<br />

äußerst interess<strong>an</strong>t, sie war<br />

die einzige Zugriffsmöglichkeit <strong>auf</strong><br />

das Leben der jugendlichen L<strong>an</strong>dbevölkerung.<br />

Ziele der L<strong>an</strong>dschule waren:<br />

1) Verbesserung der Verwertbarkeit<br />

der Bauern, durch die Vermittlung<br />

elementarer Kulturtechniken (Lesen,<br />

Schreiben, Rechnen).<br />

2) Die Her<strong>an</strong>bildung sich treu unterordnender<br />

Staatsbürger, durch das<br />

jahrel<strong>an</strong>ge Gewöhnen <strong>an</strong> Ordnungselemente<br />

wie Pünktlichkeit, Stillsitzen,<br />

etc. und das Einüben wertebildender<br />

und h<strong>an</strong>dlungsleitender<br />

Texte, die "Tugenden" vermitteln<br />

sollten, wie Ehrlichkeit, Fleiß, Bescheidenheit,<br />

Unterordnung.<br />

Jedoch gingen<br />

im späten 18.<br />

Jahrhundert<br />

trotz Schulpflicht<br />

nur etwa<br />

50% der Kinder<br />

tatsächlich <strong>zu</strong>r<br />

Schule. Die<br />

volksbildenden<br />

Leistungen des<br />

spätabsolutistischenStaates<br />

sollten daher<br />

nicht überschätzt<br />

werden. Zu sehr klafften<br />

Anspruch und Wirklichkeit ausein<strong>an</strong>der.<br />

Dies lag vor allem dar<strong>an</strong>, daß<br />

der Staat nicht in der Lage war, die<br />

ökonomischen Probleme seiner Zeit<br />

<strong>zu</strong> lösen, da Bevölkerungswachstum<br />

und vorindustrielles Wirtschaftswachstum<br />

noch <strong>zu</strong> sehr ausein<strong>an</strong>derscherten.<br />

Dennoch ist es wichtig, diese Zeit <strong>zu</strong><br />

betrachten. In ihr wurde die staatliche<br />

Schule <strong>an</strong>gelegt und es kam in<br />

der folgenden Schulentwicklung <strong>zu</strong><br />

keinem gravierenden Bruch. Schule<br />

ist vielmehr in dieser Kontinuität <strong>zu</strong><br />

sehen.


6 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

1.3. Das erste Drittel des 19. Jahrhunderts<br />

Das 19. Jahrhundert brachte die endgültige<br />

Absage <strong>an</strong> die Ständegesellschaft<br />

und in einer Art Modernisierung<br />

von oben die Vorausset<strong>zu</strong>ngen<br />

für eine liberalkapitalistische Klassengesellschaft.<br />

Träger dieser Veränderung<br />

war vor allem die Bürokratie.<br />

Ziele dieser Veränderung waren eine<br />

florierende Wirtschaft und eine vom<br />

Patriotismus getragene und daher wieder<br />

siegreiche Armee.<br />

Der Wille <strong>zu</strong>r Veränderung m<strong>an</strong>ifestierte<br />

sich <strong>zu</strong>nächst in den preußischen<br />

Reformgesetzen von 1807. Diese umfaßten<br />

konkret:<br />

1) die Agrarreformen ("Bauernbefreiung"),<br />

die <strong>zu</strong>r Neuordnung der<br />

Eigentumsverhältnisse <strong>auf</strong> dem L<strong>an</strong>d<br />

im privatkapitalistischen Sinne führten,<br />

sowie <strong>zu</strong>r Mobilität von Arbeitskräften.<br />

2) die Einführung der Gewerbefreiheit,<br />

die gleichfalls <strong>zu</strong>r Mobilität von Kapital<br />

und Arbeit führte und die Marktkräfte<br />

<strong>zu</strong>m Regulativ wirtschaftlicher Tätigkeit<br />

machte.<br />

3) die Städteordnung, die dem <strong>zu</strong> erwartenden<br />

gestärktem Wirtschaftsbürgertum<br />

<strong>auf</strong> der kommunalen Ebene<br />

die politische Selbsttätigkeit einräumte.<br />

Diese Reformen waren abstrakt <strong>auf</strong> die<br />

freie Entfaltung aller Individuen ausgerichtet.<br />

Wenn m<strong>an</strong> jedoch beachtet,<br />

daß die alten Sicherungssysteme einfach<br />

nur wegfielen und nicht durch<br />

neue ersetzt wurden, und daß dieses<br />

<strong>zu</strong> großen sozialen Problemen führt<br />

(Bevölkerungsexplosion, Über<strong>an</strong>gebot<br />

<strong>an</strong> Arbeitskräften, Verarmung, Kinderarbeit<br />

usw.), so zeigt sich, daß sie konkret<br />

lediglich <strong>auf</strong> die Interessen bürgerlicher<br />

Privatproduzenten <strong>zu</strong>geschnitten<br />

sind.<br />

1.4. Das bildungspolitische<br />

Reformprogramm des Neuhum<strong>an</strong>ismus<br />

Die Reformer des Neuhum<strong>an</strong>ismus erhoben<br />

die Forderung, allen Mitgliedern<br />

der Gesellschaft eine allgemeine Bildung<br />

<strong>zu</strong> gar<strong>an</strong>tieren. Betrachtet m<strong>an</strong><br />

jedoch die soziale Realität, so mußte<br />

dieser Anspruch von vornherein unerfüllbar<br />

bleiben, <strong>zu</strong>mal die überwiegende<br />

Mehrheit der Reformer die sozialen<br />

Ungleichheiten als gerade<strong>zu</strong> schicksalhaft<br />

betrachteten und dieses nicht als<br />

staatlich <strong>zu</strong> bearbeitendes Problemfeld<br />

erk<strong>an</strong>nten.<br />

In der Tat war die Entwicklung gegenteilig.<br />

Die Reformer setzten eine stärkere<br />

staatsfunktionale Verkoppelung<br />

der Bildung durch, der erzielte Abschluß<br />

war ausschlaggebend dafür, ob<br />

m<strong>an</strong> bestimmte Positionen innerhalb<br />

des Staatswesens einnehmen konnte<br />

oder nicht. Gleichzeitig war es so, daß<br />

sich das Niveau der höheren Schulen<br />

stark weiterentwickelte, wohingegen<br />

das Niveau der L<strong>an</strong>dschulen oft noch<br />

hinter den sowieso schon niedrig <strong>an</strong>gelegten<br />

Anforderungen <strong>zu</strong>rückst<strong>an</strong>d.<br />

Nachdem m<strong>an</strong> gerade mit dem Abbau<br />

geburtsständischer Privilegien begonnen<br />

hatte, übernahm der Bildungssektor<br />

immer stärker die Funktion, neu<br />

entst<strong>an</strong>dene gesellschaftliche Hierarchien<br />

ab<strong>zu</strong>sichern.<br />

1.5. Anpassung des Schulwesens<br />

<strong>an</strong> die Interessen der Privatindustrie<br />

Das höhere Schulwesen des 19. Jahrhunderts<br />

war <strong>zu</strong>nächst ausschließlich<br />

<strong>an</strong> den Bedürfnissen der gehobenen<br />

Bürokratie orientiert. Dies führte <strong>zu</strong><br />

Konflikten mit der erstarkenden Industrie,<br />

die Probleme hatte, ihre benötigten<br />

Führungskräfte <strong>zu</strong> rekrutieren,<br />

da sie dabei nicht <strong>auf</strong> ein etabliertes<br />

Vorbildungssystem Be<strong>zu</strong>g nehmen<br />

konnte. Die Ausein<strong>an</strong>derset<strong>zu</strong>ngen<br />

wurden vor allen Dingen um die Anerkennung<br />

der Gleichwertigkeit des Realschulwesens<br />

und der Technischen<br />

Hochschulen geführt. Die Bürokratie<br />

und die adeligen Großgrundbesitzer<br />

sperrten sich jedoch gegen eine solche<br />

Anerkennung, da sie durch eine<br />

Verbreiterung des höheren Bildungs-


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 7<br />

wesen gesellschaftsverändernde Konsequenzen,<br />

vor allem Statuseinbußen,<br />

befürchteten.<br />

In den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts<br />

mußte die Bürokratie jedoch<br />

erkennen, daß sie die durch tiefgreifende<br />

sozialökonomische, politische<br />

und kulturelle Veränderung gespeiste<br />

Exp<strong>an</strong>sion des höheren Bildungswesens<br />

nicht mehr <strong>auf</strong>halten konnte. Hin<strong>zu</strong><br />

kam, daß das Wirtschaftsbürgertum<br />

schon längst den Frontwechsel vollzogen<br />

hatte und mit dem Adel <strong>zu</strong> einer<br />

neuen herrschenden Klasse verschmolzen<br />

war, die einen neuen gemeinsamen<br />

Feind ausmachte, nämlich die von<br />

unten nachrückende Masse.<br />

1.6. Modernisierung und Herrschaft:<br />

Integrationsstrategien im<br />

Klassenkampf<br />

Die Bildungspolitik zwischen dem ausgehendem<br />

19. Jahrhundert und dem<br />

ersten Weltkrieg stellt einen ständigen<br />

Spagat des Wirtschaftsbürgertums dar.<br />

Zum einen waren Modernisierungen im<br />

Interesse der Industrie notwendig,<br />

<strong>zu</strong>m <strong>an</strong>deren durften sie jedoch nicht<br />

so weit gehen, daß sie den neu gewonnen<br />

Herrschafts<strong>an</strong>spruch über die<br />

Massen in Frage stellten. Die Bildungspolitik<br />

der Wilhelminisch-<br />

Bismarckschen Zeit steht direkt im<br />

Zusammenh<strong>an</strong>g der Klassenausein<strong>an</strong>derset<strong>zu</strong>ng.<br />

Konsequenterweise richtet sich die<br />

Aufmerksamkeit der damaligen Zeit<br />

verstärkt <strong>auf</strong> die Volksschule. Die einklassige<br />

Elementarschule in der ein<br />

Lehrer alle Schüler gleichzeitig unterrichtete,<br />

wurde <strong>zu</strong>mindest in der Stadt<br />

nach und nach durch mehrklassige<br />

Schulen verdrängt. Die Schüler wurden<br />

so frühzeitig <strong>an</strong> die innerbetriebliche<br />

Hierarchisierung gewöhnt. Der<br />

Leistungsged<strong>an</strong>ke wurde durch die<br />

Möglichkeit des "Sitzenbleibens" weiter<br />

verstärkt. Die Verkleinerung der<br />

Lerngruppen führte <strong>zu</strong> einer besseren<br />

Vergleichbarkeit der Leistungen, <strong>zu</strong><br />

einer Verstärkung des<br />

Konkurrenzprinzips.<br />

Die Einführung eines<br />

Stundenpl<strong>an</strong>es und die<br />

damit verbundene Bürokratisierung<br />

der<br />

Lernzeiten bereitete<br />

das Individuum <strong>auf</strong><br />

eine rigide fremdbestimmteArbeitspl<strong>an</strong>ung<br />

vor.<br />

Es ging darum, den<br />

<strong>zu</strong>künftigen Arbeiter<br />

als g<strong>an</strong>ze Person <strong>zu</strong><br />

erfassen und ihn optimal<br />

in die betriebliche<br />

und gesellschaftliche<br />

Org<strong>an</strong>isation <strong>zu</strong> integrieren.<br />

Die Loyalität<br />

der Lehrer wurde durch eine intensivere<br />

Lehrerausbildung und eine höhere<br />

Besoldung sichergestellt. Gleichzeitig<br />

wurden die sogen<strong>an</strong>nten Mittel- und<br />

Fachschulen eingeführt, die für untergeordnete<br />

Bürotätigkeiten qualifizieren<br />

sollten. Politisch erhielt diese Maßnahme<br />

dadurch Bedeutung, dass durch die<br />

Gewährung eingeschränkter Aufstiegsmöglichkeiten<br />

und der Etablierung eines<br />

neuen kleinbürgerlichen St<strong>an</strong>des<br />

von Angestellten das Proletariat gespalten<br />

werden sollte.


8 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

1.7. Die Weimarer Republik<br />

Wie in vielen gesellschaftlichen<br />

Bereichen, gab es auch im<br />

Schulsystem keinen grundlegenden<br />

Bruch mit der Wilhelminischen<br />

Zeit. Von den bestehenden<br />

reformpädagogischen<br />

Ansätzen f<strong>an</strong>d nichts Wesentliches<br />

Ein<strong>zu</strong>g in die Schule. Der<br />

politische Streit entzündete<br />

sich vor allem <strong>an</strong> drei Punkten:<br />

Der Frage des Religionsunterrichtes,<br />

der Frage der<br />

Einheitsschule und der Ausrichtung<br />

des Unterrichtsfaches<br />

"staatsbürgerliche Gesinnung".<br />

Die Positionen in der Frage des<br />

Religionsunterrichtes waren im wesentlichen<br />

drei: die Bekenntnisschule,<br />

die christliche Simult<strong>an</strong>schule (d.h.<br />

beide Bekenntnisse <strong>an</strong> einer Schule)<br />

und die weltliche Schule (ohne kirchlichen<br />

Religionsunterricht). Schlußendlich<br />

setzte sich die Simult<strong>an</strong>schule als<br />

Regelschule durch, die Teilnahme am<br />

Religionsunterricht hing vom Elternwillen<br />

ab. Die bereits bestehenden Bekenntnisschulen<br />

wurden jedoch nicht<br />

<strong>an</strong>getastet.<br />

In der Frage der Einheitsschule (die<br />

übrigens nicht nur von linken Kräften,<br />

sondern als "nationale Einheitsschule"<br />

auch von rechts gefordert wurde), kam<br />

es <strong>zu</strong> einem bek<strong>an</strong>nten Kompromiß:<br />

In den ersten vier Jahren wurden alle<br />

Schüler in einer gemeinsamen Grundschule<br />

unterrichtet.<br />

Die staatsbürgerliche Gesinnung war<br />

"im Geiste deutschen Volkstums und<br />

der Völkerverständigung <strong>zu</strong> erstreben."<br />

Zumindest ersteres hat funktioniert.<br />

Insgesamt ergab sich so folgende<br />

Struktur: christliche Simult<strong>an</strong>schule,<br />

vierjährige gemeinsame Grundschule,<br />

d<strong>an</strong>ach Aufgliederung in drei getrennte<br />

Schulzweige. Alles in allem bek<strong>an</strong>nt.<br />

1.8. Der Nationalsozialismus<br />

Ziel des Nationalsozialismus war laut Hitler:<br />

"Die Erziehung des Deutschen <strong>zu</strong>m<br />

f<strong>an</strong>atischen Nationalismus."<br />

Um dieses Ziel <strong>zu</strong> erreichen, wurden folgende<br />

Maßnahmen ergriffen:<br />

- Umschulung der Lehrerschaft,<br />

- Neuordnung der Ausbildung <strong>zu</strong>künftiger<br />

Lehrer<br />

- Gleichschaltung der Fachpresse, Stärkung<br />

des NS-Lehrerbundes<br />

- Erlaß neuer Lehrpläne und Richtlinien<br />

für die Schulen, in denen die Gesinnungsfächer<br />

(Geschichte, Deutsch, Erdkunde,<br />

Biologie) entsprechend ausgerichtet wurden.<br />

- Säuberung und Kontrolle der Schulbüchereien<br />

- Abschaffung des Privatschulwesens<br />

Eine Änderung der Schulstruktur war<br />

bezeichnenderweise nicht notwendig. Die<br />

Schulische Erziehung wurde ergänzt<br />

durch die außerschulische Erziehung in<br />

Lagern. So gab es für die Absolventen<br />

der Volksschule das sogen<strong>an</strong>nte "L<strong>an</strong>djahr",<br />

für die Absolventen der höheren<br />

Schulen "nationalpolitische Lehrgänge",<br />

die unter Leitung der Hitler Jugend durchgeführt<br />

wurden. Neben diesen Einrichtungen<br />

gab es noch die "Adolf-Hitler-<br />

Schulen" die in der Tradition der preußischen<br />

Kadetten<strong>an</strong>stalten st<strong>an</strong>den. Von ihnen<br />

gab es aber nur 50, so dass sie nie<br />

wirklich Bedeutung erl<strong>an</strong>gten.


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 9<br />

1.9. Die Bundesrepublik Deutschl<strong>an</strong>d<br />

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges<br />

setzten die Alliierten neue Maßstäbe<br />

für die Bildungspolitik. Ziel war<br />

die endgültige Entfernung nationalsozialistischer<br />

und militaristischer Ideologien<br />

und die Etablierung demokratischer<br />

Ideen. Die Umset<strong>zu</strong>ng dieses<br />

Grundsatzes fiel in den unterschiedlichen<br />

Besat<strong>zu</strong>ngszonen freilich unterschiedlich<br />

aus. Während die Amerik<strong>an</strong>er<br />

eine recht grundsätzliche Kritik am<br />

bisherigen deutschen Schulsystem<br />

übten und ein Schulsystem forderten,<br />

das allen Menschen, nicht nur den herrschenden<br />

Schichten, in gleicher Weise<br />

Bildungsch<strong>an</strong>cen gewährte, wurde in<br />

der britischen Zone <strong>an</strong> Konzepte der<br />

20er Jahre <strong>an</strong>geknüpft: eine gemeinsame<br />

4-jährige Grundschule, <strong>an</strong> die<br />

sich drei Schultypen mit unterschiedlicher<br />

inhaltlicher Ausrichtung <strong>an</strong>schlossen.<br />

Die Stellung des Gymnasiums<br />

blieb durch die bildungspolitischen<br />

Diskussionen in den Westzonen un<strong>an</strong>getastet,<br />

gleichwohl es eine gesellschaftliche<br />

Bewegung hin <strong>zu</strong>r Einheitsschule<br />

gab, die sich aber <strong>auf</strong>grund des<br />

<strong>zu</strong>nehmenden Erstarkens der konservativen<br />

Kräfte im Nachkriegsdeutschl<strong>an</strong>d<br />

nicht durchsetzen konnte. Hin<strong>zu</strong><br />

kam der <strong>zu</strong>nehmende Ost/West-Konflikt<br />

und die damit verbundene <strong>an</strong>tikommunistische<br />

Propag<strong>an</strong>da in den<br />

Westzonen, was die Entwicklung einer<br />

Einheitsschule im Westen<br />

verunmöglichte. Bereits <strong>zu</strong> Beginn der<br />

50er Jahre war das dreigliedrige Schulsystem<br />

in der BRD wieder un<strong>an</strong>gefochten.<br />

Reformen der Westalliierten wurden<br />

endgültig <strong>zu</strong>rückgenommen und<br />

die Entnazifizierung der Lehrer/<br />

innenschaft gestoppt.<br />

Erst als 1964 die "Bildungskatastrophe"<br />

ausgerufen wird, kommt<br />

wieder Bewegung in die bildungspolitische<br />

Diskussion, was da<strong>zu</strong> führt, dass<br />

dieKultusministerkonferenz (KMK)<br />

Schulversuche als Alternative <strong>zu</strong>m bestehenden<br />

Bildungssystem <strong>zu</strong>läßt. Mit<br />

der Schüler/innenbewegung Mitte der<br />

60er Jahre entst<strong>an</strong>den neue Anstöße<br />

für Form und Inhalt der Schule. Vereinzelte<br />

Änderungen im Bildungsziel<br />

und in den Unterrichtsformen wurden<br />

vollzogen. Dies war mit eine Ursache<br />

für die Paralysierung der Schüler/<br />

innenbewegung. In den 70ern wurden<br />

zahlreiche Schulversuche unternommen<br />

und auch die Debatte um die Gesamtschule<br />

erhielt einen neuen Aufwind.<br />

In einigen Bundesländern wurde<br />

sie im L<strong>auf</strong>e der Zeit <strong>zu</strong>r Regelschule<br />

erkoren. Sie hatte den Vorteil, die<br />

Durchlässigkeit im dreigliedrigen<br />

Schulsystem <strong>zu</strong> erhöhen. Die Gesamtschule<br />

war <strong>zu</strong>nächst einmal ein Fortschritt<br />

im existierenden Bildungssystem,<br />

gleichwohl sie dem Prinzip<br />

Leistung unter Zw<strong>an</strong>g nichts entgegen<strong>zu</strong>setzen<br />

vermochte.<br />

Die wirtschaftliche Realität der 70er<br />

Jahre hatte jedoch erneut die pädagogische<br />

Debatte überrollt und scheinbaren<br />

"Sachzwängen" unterworfen. So<br />

stellte der Bundesbildungsminister von<br />

Dohn<strong>an</strong>y 1974 fest, dass Jugendliche<br />

in funktionsgerechter Weise <strong>auf</strong> die<br />

Ausbildungsgänge verteilt werden<br />

müssen. Nun wurde die Bildungspolitik<br />

weiter <strong>an</strong> die Bedürfnisse der Wirtschaft<br />

<strong>an</strong>gepaßt. Mit dem <strong>an</strong>brechenden<br />

Computerzeitalter wurden Facharbeiter<br />

nicht mehr<br />

in der bisherigen<br />

Anzahl benötigt,<br />

statt dessen<br />

war<br />

eine hochqualifizierte<br />

Elite gefragt.<br />

1987 wurde die in den 70er Jahren beschlossene<br />

liberalere Abiturvereinbarung<br />

geändert. Die Wahlfreiheit<br />

der Abiturfächer wurde eingeschränkt<br />

und ein bundesweites<br />

Zentralabitur <strong>an</strong>gedacht (s.u.). Begründet<br />

wurde diese Maßnahme mit<br />

der Exp<strong>an</strong>sion des Gymnasiums, was


10 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

<strong>an</strong>geblich einer Schwächung der Bedeutung<br />

des Abiturs entsprach. Die<br />

Abiturvereinbarung der KMK läßt sich<br />

in den seit Mitte der 80er Jahre <strong>an</strong>dauernden<br />

Prozeß der neokonservativen<br />

Wende einordnen. Diese beinhaltete<br />

verstärkte Ausleseverfahren, die Betonung<br />

berufs- und leistungsorientierter<br />

Bildung sowie die Rückbesinnung <strong>auf</strong><br />

"traditionelle" Werte.<br />

1.10. Die DDR<br />

Sofort nach Beendigung des Krieges<br />

und damit verbunden dem Zusammenbruch<br />

nationalsozialistischer Machtstrukturen,<br />

beg<strong>an</strong>n in der Sowjetischen<br />

Besat<strong>zu</strong>ngszone (SBZ) der Aufbau eines<br />

neuen Schulsystems.<br />

Auf der Konferenz der Bildungsausschüsse<br />

von KPD und SPD wurde<br />

ein "Aufruf <strong>zu</strong>r demokratischen Schulreform"<br />

verfaßt. Das Zentralkomitee<br />

der KPD und der Zentralausschuß der<br />

SPD verabschiedeten am 18.10.1945<br />

diesen Aufruf. Grundsätzliche Forderungen<br />

waren die Abschaffung des<br />

Bildungsprivilegs und die Trennung von<br />

Kirche und Schule.<br />

Eine grundlegende Erneuerung des<br />

Schulwesens hin <strong>zu</strong> einer "neuen und<br />

demokratischen Schule" konnte nur mit<br />

der Entfernung der NS-Lehrerschaft aus<br />

dem Schulbetrieb einhergehen. Um den<br />

daraus entstehenden Lehrkräftem<strong>an</strong>gel<br />

<strong>zu</strong> kompensieren, wurde die Neulehrerbewegung<br />

ins Leben gerufen.<br />

Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft<br />

wurden nach einer kurzen,<br />

jedoch äußerst intensiven Ausbildung<br />

<strong>an</strong> den LehrerInnenberuf her<strong>an</strong>geführt.<br />

Diese Ausbildung st<strong>an</strong>d unter der direkten<br />

Aufsicht der sowjetischen<br />

Bildungsoffiziere, die hauptsächlich <strong>zu</strong>r<br />

sozialistischen Ideologievermittlung<br />

eingesetzt wurden.<br />

Von Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong> gab es eine Einheitsschule,<br />

die 1950 in die zehnjährige<br />

Polytechnische Oberschule (POS) mündete.<br />

Um die Verbindung zwischen Bildung<br />

und Arbeit deutlich <strong>zu</strong> machen, wur-<br />

den die Fächer "Produktive Arbeit" (in<br />

Fabriken <strong>an</strong>gegliederten Werkstätten)<br />

und "Einführung in die sozialistische<br />

Produktion" (ESP) in den Lehrpl<strong>an</strong> <strong>auf</strong>genommen.<br />

Neben der Ideologievermittlung in den<br />

einzelnen Fächern (Deutsch, Geschichte,<br />

Geographie) gab es ab der<br />

achten Klasse den Staatsbürgerkundeunterricht.<br />

Die Org<strong>an</strong>isation der<br />

SchülerInnen f<strong>an</strong>d einzig und allein<br />

durch die Pionierorg<strong>an</strong>isationen (<strong>Junge</strong>-<br />

und Thälm<strong>an</strong>npioniere) und die<br />

FDJ statt. Eine<br />

SchülerInnenvertretung, wie sie in der<br />

BRD existiert, gab es nicht.<br />

Felix Stumpf


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 11<br />

Geschichte<br />

der SV<br />

1. Entwicklung der<br />

SMV von 1950 bis<br />

1966<br />

Schon unmittelbar<br />

nach dem zweiten Weltkrieg entst<strong>an</strong>den<br />

in vielen Schulen<br />

SchülerInnengruppen, die sich aktiv<br />

am Aufbau der Schulen und <strong>an</strong> der<br />

Wiederherrichtung der Unterrichtsräume<br />

beteiligten. LehrerInnen und<br />

SchülerInnen f<strong>an</strong>den sich in der gleichen<br />

Notlage und so mußten sich alle,<br />

um den Unterricht überhaupt <strong>zu</strong> ermöglichen,<br />

<strong>an</strong> einer neuen Gestaltung<br />

des Schullebens beteiligen. So entwikkelten<br />

sich sehr schnell erste Formen<br />

der SchülerInnenmitverwaltung.<br />

Doch nicht nur die Notwendigkeit der<br />

Mithilfe der SchülerInnen beim Wieder<strong>auf</strong>bau,<br />

sondern auch Initiativen der<br />

Besat<strong>zu</strong>ngsmächte in den westlichen<br />

Besat<strong>zu</strong>ngszonen führten <strong>zu</strong> der raschen<br />

(Wieder-)Einführung der SMV.<br />

Im Rahmen der „Reeducation“ sollten<br />

die SchülerInnen Demokratie im eigenen<br />

Lebensbereich erfahren und den<br />

Umg<strong>an</strong>g mit demokratischen Spielregeln<br />

er<strong>lernen</strong>. Bei diesen institutionalisierten<br />

SchülerInnengruppen lag der<br />

Schwerpunkt <strong>auf</strong> der Mitgestaltung des<br />

Schullebens und der Erfüllung eines<br />

Aufgabenkataloges, einklagbare Rechte<br />

innerhalb der Schulgemeinde gar<strong>an</strong>tierten<br />

sie den SchülerInnen nicht. Innerhalb<br />

bestimmter Bereiche sollten<br />

die SchülerInnen Mitver<strong>an</strong>twortung<br />

übernehmen, z.B. in Bereichen wie<br />

„Klassenraum, Schulhaus, -hof und -<br />

garten“, „Sorge für den Mitschüler“,<br />

„Schulfeste, Aufführungen, Spiele“,<br />

„Sportver<strong>an</strong>staltungen“, „politische<br />

Gedenkstunden“ (im Geiste des Antikommunismus),<br />

„W<strong>an</strong>derung und<br />

Studienfahrt“, „Fahrraddienst“ und<br />

„Schülerlotsendienst“.<br />

Die SMV war ein pädagogisches Instru-<br />

ment der Nachkriegszeit, mit dem der<br />

neue Ged<strong>an</strong>ke „Gehorsam durch Einsicht“<br />

statt durch gewaltsame Autorität<br />

in den Schulen <strong>zu</strong>m Ausdruck kommen<br />

sollte. Die Aufforderung, eine SMV<br />

<strong>zu</strong> bilden, richtete sich nicht <strong>an</strong> die<br />

SchülerInnen, sondern war lediglich ein<br />

Appell <strong>an</strong> die SchulleiterInnen und<br />

LehrerInnen, sich, statt autoritäre<br />

Methoden <strong>zu</strong> gebrauchen, der neuen<br />

Gesinnung <strong>an</strong><strong>zu</strong>schließen und eine<br />

SMV ein<strong>zu</strong>richten.<br />

Die SMV war also in der H<strong>an</strong>d der<br />

LehrerInnen, es lag in deren Ermessen,<br />

ob und wie sie das pädagogische<br />

Instrument SMV <strong>an</strong>wendeten oder<br />

nicht.<br />

Diese Konzentration der SMV <strong>auf</strong> die<br />

Funktion als pädagogisches Instrument<br />

und die daraus resultierende Beschränkung<br />

ihrer Aufgaben <strong>auf</strong> die Mitwirkung<br />

<strong>an</strong> der Gestaltung des Schullebens und<br />

die Hilfe bei der Ausführung von Verwaltungs<strong>auf</strong>gaben<br />

erklärt sich auch<br />

durch die herrschende pädagogische<br />

Beurteilung der Schulgemeinschaft in<br />

der damaligen Zeit: Aus der direkt nach<br />

dem Krieg notwendigen Kooperation<br />

zwischen LehrerInnen und<br />

SchülerInnen erwuchs der Ged<strong>an</strong>ke<br />

einer „harmonischen<br />

Schulgemeinschaft“, „in der alle <strong>an</strong><br />

einem Str<strong>an</strong>g ziehen“, Interessengegensätze<br />

zwischen LehrerInnen und<br />

SchülerInnen also gar nicht existieren<br />

können. Die SMV als Mittel <strong>zu</strong>m Er<strong>lernen</strong><br />

des Umg<strong>an</strong>gs mit formaldemokratischen<br />

Strukturen („...die<br />

praktische Seit der politischen Bildung...“)<br />

und <strong>zu</strong>r ver<strong>an</strong>twortlichen<br />

Mitverwaltung des Schullebens unter<br />

Aufsicht des Erziehenden wäre nach<br />

damaliger Sicht ihrem Auftrag nicht<br />

nachgekommen, wenn sie sich als<br />

SchülerInnengewerkschaft verst<strong>an</strong>den<br />

hätte, da sie d<strong>an</strong>n dem Erziehenden<br />

als pädagogisches Instrument entglitten<br />

wäre. („Es wäre nicht richtig, sie<br />

(die SMV) als eine Art gewerkschaftliche<br />

Vertretung der SchülerInnenschaft<br />

<strong>an</strong><strong>zu</strong>sehen, die deren Rechte gegen-


12 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

über der LehrerInnenschaft durchkämpfen<br />

solle.“)<br />

Aus dieser Sichtweise heraus musste<br />

auch die Konsequenz erwachsen, dass<br />

jede Form der überregionalen SMV<br />

nicht erwünscht war: Denn <strong>auf</strong> überregionaler<br />

Ebene gab es keinen direkten<br />

Be<strong>zu</strong>g <strong>zu</strong> einer Schulgemeinschaft,<br />

um die sich die SchülerInnen hätten<br />

bemühen können. So hätten in kürzester<br />

Zeit gemeinsame politische St<strong>an</strong>dpunkte<br />

und Ziele entstehen können,<br />

so dass eine Ausein<strong>an</strong>derset<strong>zu</strong>ng um<br />

den Ausbau der SchülerInnenrechte<br />

zwischen SchülerInnen und Schulverwaltung,<br />

also eine Zersplitterung der<br />

harmonischen Schulgemeinschaft,<br />

nicht mehr <strong>zu</strong> vermeiden gewesen<br />

wäre. Überregionale Zusammenschlüsse<br />

hätten sich außerdem all<strong>zu</strong> schnell<br />

der pädagogisch wachenden H<strong>an</strong>d der<br />

LehrerInnen entziehen können und<br />

damit die Grenzen der SMV als pädagogisches<br />

Mittel gesprengt.<br />

Mit Ende der gemeinsamen<br />

Wieder<strong>auf</strong>bauphase s<strong>an</strong>k das Interesse<br />

der SchülerInnenschaft <strong>an</strong> der Mitwirkung<br />

in der SMV immer mehr. Die<br />

dringlichen Aufgaben der Nachkriegszeit<br />

hatten sich in beliebige Hilfs- und<br />

Ordnungsdienste verw<strong>an</strong>delt, und den<br />

SchülerInnen wurde bewusst, dass diese<br />

Situation allein <strong>zu</strong>r Verlängerung<br />

des Arms der LehrerInnenschaft diente.<br />

Es entst<strong>an</strong>d die Forderung nach einer<br />

rechtlich umrissenen Grundlage, die<br />

die SMV als Vertretung der<br />

SchülerInnen ver<strong>an</strong>kern und von der<br />

Willkür der LehrerInnen und der<br />

SchulleiterInnen unabhängig machen<br />

sollte. Eine SMV, die nur Hilfsdienste<br />

übernimmt, <strong>an</strong>sonsten aber keine<br />

Rechte besitzt, wurde von den<br />

SchülerInnen nicht ernst genommen;<br />

„...das heutige Schattenkabinett ist ein<br />

Spott <strong>auf</strong> die Demokratie - denn <strong>auf</strong><br />

demokratischem Wege ist es ja gewählt<br />

- und ich wage sogar, die H<strong>an</strong>dhabung<br />

unserer heutigen SMV als einen<br />

Verstoß gegen die Verfassung un-<br />

seres L<strong>an</strong>des <strong>zu</strong> bezeichnen, die eine<br />

Erziehung im Geiste der Demokratie<br />

gar<strong>an</strong>tiert und der wir <strong>auf</strong>grund unserer<br />

Wahlvergnügen wohl eher entfremdet<br />

als gewonnen werden...“<br />

2. Entwicklung der SMV von<br />

1967 - 1972 in der Zeit der<br />

SchülerInnenproteste in der<br />

BRD<br />

Mit einer Flut von Aktionen, Flugblättern<br />

und Aufrufen, die die Schulen, vor<br />

allem die Gymnasien, überschwemmten,<br />

regten sich 1967 die ersten<br />

SchülerInnenproteste.<br />

Die SchülerInnen kritisierten die „autoritäre<br />

Struktur der Schule“ in einer<br />

nur „formaldemokratischen Gesellschaft“<br />

und die „rechtlose, unterdrückte“<br />

Stellung, die die SchülerInnen in<br />

dieser Gesellschaft einnehmen. Mit ihrer<br />

Massenbewegung erreichten die<br />

SchülerInnen erstmals eine breite öffentliche<br />

Diskussion um das, was sie<br />

<strong>an</strong> der Schule, der Erziehung und auch<br />

<strong>an</strong> der Gesellschaft kritisierten.<br />

„SMV und Schülerzeitungen sind heute<br />

die „demokratischen Feigenblätter“<br />

einer undemokratischen Gesellschaft.<br />

Sie sind bis heute Instrumente <strong>zu</strong>r


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 13<br />

Verschleierung der autoritären Struktur<br />

der Schule geblieben.“<br />

Obwohl sich die<br />

SchülerInnenbewegung in unterschiedliche<br />

Flügel teilte, wurde dies in<br />

der Öffentlichkeit kaum bemerkt und<br />

so war die Schlagkraft der<br />

SchülerInnenbewegung enorm. Während<br />

der liberale Flügel (bestehend aus<br />

„Liberaler Schülerbund“ und „Katholische<br />

Studierende Jugend“) der<br />

SchülerInnenbewegung nur systemimm<strong>an</strong>ent<br />

Reformen <strong>zu</strong>r Demokratisierung<br />

der inneren Struktur der Schule<br />

forderte, wollte der radikale Teil<br />

(„Aktionszentrum Unabhängiger und<br />

Sozialistischer Schüler“ und „Unabhängige<br />

Schülervertretung“) eine Veränderung<br />

des gesamten Systems. Reformen<br />

lehnte er als „sinnlos“ ab. Da jedoch<br />

der radikale Flügel Reformen aus<br />

pragmatischen Gründen akzeptierte,<br />

und der gemäßigte Teil der<br />

SchülerInnenbewegung die gleichen<br />

provok<strong>an</strong>ten Mittel wie der radikale<br />

Teile benutzte, um veraltete Strukturen<br />

<strong>auf</strong><strong>zu</strong>brechen, wurde dieser Unterschied<br />

in der Öffentlichkeit kaum deutlich.<br />

Die SMVen schlossen sich den Forderungen<br />

der politischen<br />

SchülerInnengruppen <strong>an</strong> und forderten<br />

nun mit ihnen gemeinsam die Anerkennung<br />

als legitime Vertretung der<br />

Interessen der SchülerInnen, sowie die<br />

Abschaffung autoritärer Strukturen in<br />

der Schule und weitgehende innerschulische<br />

Mitbestimmung bei Entscheidungen,<br />

die einzelne<br />

Schüler-<br />

Innen<br />

oder das<br />

Schulleben<br />

betreffen<br />

und einengesetzlic<br />

h e n<br />

Rahmen für die SMV. Auch l<strong>an</strong>desweite<br />

SMVen wurden gefordert, um die<br />

Mitsprache der SchülerInnen auch <strong>auf</strong><br />

L<strong>an</strong>desebene <strong>zu</strong> sichern.<br />

Einzelne SMVen lösten sich hingegen<br />

g<strong>an</strong>z <strong>auf</strong>, um ihrer eigenen Nichtigkeit<br />

als „demokratische Feigenblätter“ Ausdruck<br />

<strong>zu</strong> verleihen. Sie folgten damit<br />

einer vom AUSS im Juni 1967 <strong>auf</strong>gestellten<br />

These: „Die Abschaffung der<br />

Institution SMV würde die gegenwärtige<br />

Schulwirklichkeit nicht verändern,<br />

aber entlarven.“<br />

Auch die herrschende pädagogische<br />

Sichtweise der SMV veränderte sich in<br />

diesen Jahren. Die Möglichkeit der<br />

Vermittlung eines demokratischen<br />

Bewusstseins mit Hilfe einer formaldemokratischen<br />

Institution, deren Arbeit<br />

durch eineN NichtgewählteN (den/<br />

die SchulleiterIn) bestimmt wird, wurde<br />

bezweifelt, beziehungsweise als<br />

gescheitert betrachtet. Auch die „harmonische<br />

Schulgemeinde“ als Grundlage<br />

der Erziehung blieb nicht länger<br />

un<strong>an</strong>getastet, sondern wurde als Verschleierung<br />

eines Konfliktes betrachtet.<br />

Eine Partnerschaft unter Gleichberechtigten<br />

sei nie vorh<strong>an</strong>den gewesen,<br />

Partnerschaft bedeute lediglich<br />

die Übernahme der Normen der Pädagogen<br />

und die Einsicht in die Notwendigkeit<br />

einer Autorität. Auch Urteilsund<br />

Kritikfähigkeit könnten durch die<br />

Förderung von konformem Mitmachen<br />

nicht erl<strong>an</strong>gt werden. So unterschieden<br />

sich die Forderungen eines westfälischen<br />

Arbeitskreises der<br />

VerbindungslehrerInnen des AUSS:<br />

„Die Schülermitver<strong>an</strong>twortung muß<br />

von der bisherigen Scheinver<strong>an</strong>twortung<br />

<strong>zu</strong>r Schülermitbestimmung<br />

entwickelt werden.“<br />

Neben der Mitbestimmung der SMV bei<br />

der Gestaltung des Unterrichts, der<br />

Notengebung etc. fordert der Arbeitskreis<br />

weiter: „Primäre Funktion (der<br />

SMV) muß...die Interessenvertretung<br />

der Schüler sein. (Sie) ergibt sich aus<br />

dem Demokratisierungsprozess der<br />

Gesellschaft.“


14 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

Um der Radikalisierung der<br />

SchülerInnenschaft entgegen<strong>zu</strong>wirken,<br />

waren die Kultusministerien gezwungen,<br />

<strong>zu</strong>mindest teilweise Zugeständnisse<br />

<strong>zu</strong> machen. Vor allem die Selbst<strong>auf</strong>lösung<br />

von SMVen und die starken<br />

Aktivitäten der politischen<br />

SchülerInnengruppen bewegten<br />

schließlich die Kultusministerkonferenz<br />

(KMK) 1968, neue Richtlinien für die<br />

SMV-Erlasse der Länder fest<strong>zu</strong>legen.<br />

Denn eine SMV, die durch Erlasse in<br />

geregelte Bahnen gelenkt und damit<br />

kontrollierbar wird, ist wesentlich bequemer<br />

und überschaubarer als von<br />

der Schule völlig unabhängige<br />

SchülerInnengruppen. Zudem sollte<br />

sie als Kompromiss für die<br />

SchülerInnen wieder akzeptabel werden.<br />

Die KMK gesteht am 3.10. 1968<br />

der SMV zwar die Vertretung der Interessen<br />

der SchülerInnenschaft <strong>zu</strong>,<br />

hält aber <strong>auf</strong> der <strong>an</strong>deren Seite am<br />

Partnerschaftsged<strong>an</strong>ken weiterhin fest.<br />

Dieser KMK-Beschluß selbst zeigte lediglich<br />

den politischen Willen der<br />

KultusministerInnen <strong>an</strong>, eine rechtliche<br />

Verbesserung brachte er unmittelbar<br />

jedoch nicht.<br />

Als Verwirklichung des KMK-Beschlusses,<br />

der nur als Empfehlung <strong>an</strong> die<br />

Länder gerichtet war, folgten nach und<br />

nach in allen Ländern neue Erlasse für<br />

die SMV, die erstmals paritätische<br />

Schlichtungsausschüsse enthielten und<br />

der SMV neue Rechte einräumten.<br />

Wenngleich diese Neuerungen nicht<br />

das brachten, was die SchülerInnen<br />

gefordert hatten, so waren sie doch für<br />

die damalige Zeit ein Fortschritt. Die<br />

Intention der Kultusministerien war es,<br />

„der SMV eine neue Funktion <strong>zu</strong> geben,<br />

um sie für Schüler wieder akzeptabel<br />

<strong>zu</strong> machen und so den Schülergruppen<br />

das Wasser ab<strong>zu</strong>graben.“<br />

3. Entwicklung der SMV von<br />

1972 - heute (Bsp.: Rheinl<strong>an</strong>d-<br />

Pfalz)<br />

Mit den Reformen der späten Sechzi-<br />

ger beziehungsweise Anf<strong>an</strong>g der Siebziger<br />

Jahre verfehlte m<strong>an</strong> sein Ziel<br />

nicht: Die heftigen SchülerInnenproteste<br />

verloren sich nach und nach,<br />

die SMV hingegen beg<strong>an</strong>n <strong>an</strong> Stelle der<br />

politischen SchülerInnengruppen als<br />

politische Führungsspitze die Arbeit <strong>zu</strong><br />

übernehmen. So wurden die Protestaktionen<br />

zwar <strong>zu</strong>nächst nicht geringer,<br />

doch immer mehr wurde deutlich, dass<br />

politisches Interesse bei einer breiten<br />

Masse von SchülerInnen meist nur in<br />

größeren Städten und nur punktuell<br />

und meist bei persönlicher Betroffenheit<br />

hervorgerufen werden konnte.<br />

Mit den SchülerInnenprotesten ging<br />

auch den PädagogInnen der Glaube <strong>an</strong><br />

die harmonische Schulgemeinschaft<br />

verloren. Sie forderten für die<br />

SchülerInnen eine rechtlich umrissene<br />

SMV, die ihnen das ihnen <strong>zu</strong>stehende<br />

Machtinstrument <strong>zu</strong>r Verteidigung<br />

ihrer Interessen geben solle. Konflikte<br />

mit den Machtverhältnissen in der<br />

Schule sollten nicht verdrängt, sondern<br />

offengelegt und ausgetragen werden,<br />

um die SchülerInnen den Umg<strong>an</strong>g mit<br />

„Macht und Kontrolle der Macht“ als<br />

„normales Instrumentarium der Demokratie“<br />

<strong>zu</strong> lehren.<br />

Dieses immer noch pädagogische Verständnis<br />

von SMV konnte sich bis heute<br />

weitgehend erhalten und war somit<br />

Basis aller dar<strong>auf</strong> folgenden Entwicklungen<br />

der SMV, sofern sie nicht von<br />

den SchülerInnen selbst ausging. Die<br />

SMV war und ist heute immer noch<br />

pädagogisches Instrument, das heißt<br />

weitgehend ohne Mitbestimmungsmöglichkeiten,<br />

liegt jedoch durch einen<br />

gesicherten rechtlichen Rahmen<br />

mehr in den Händen der SchülerInnen<br />

als <strong>zu</strong>vor. Diese Auffassung von SMV<br />

kam <strong>zu</strong>m Beispiel in der Schulordnung<br />

vom 11. Mai 1978 deutlich <strong>zu</strong>m Ausdruck:<br />

„Mit dem Erziehungs<strong>auf</strong>trag der<br />

Schule ist die Aufgabe verbunden, die<br />

Schüler <strong>zu</strong>r Mitver<strong>an</strong>twortung <strong>zu</strong> befähigen.<br />

Dies geschieht durch den Unterricht,<br />

die sonstigen schulischen Ver<strong>an</strong>staltungen<br />

und durch die Schüler-


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 15<br />

vertretung.“ Durch die Verabschiedung<br />

der herrschenden pädagogischen Meinung<br />

von dem Ged<strong>an</strong>ken der „harmonischen<br />

Schulgemeinschaft“, konnte<br />

der SMV das Recht <strong>auf</strong> Interessenvertretung<br />

der SchülerInnen gegenüber<br />

der Schulverwaltung <strong>zu</strong>gest<strong>an</strong>den werden,<br />

das jedoch bei den Gesetzen <strong>zu</strong>r<br />

SMV nicht unbedingt im Vordergrund<br />

st<strong>an</strong>d.<br />

Während das pädagogische Verständnis<br />

von SMV <strong>auf</strong> dem oben beschriebenen<br />

St<strong>an</strong>d stehenblieb und auch<br />

kaum Gegenst<strong>an</strong>d von Ausein<strong>an</strong>derset<strong>zu</strong>ngen<br />

war, rückten die Strukturen<br />

der SMV in Debatten um die Demokratisierung<br />

der Schulen in den Vordergrund.<br />

Die Verrechtlichung der SMV<br />

führte <strong>zu</strong> einer Erweiterung der Rechte<br />

der SchülerInnen und einer gesicherten,<br />

da einklagbaren Grundlage für<br />

die Arbeit der SMV.<br />

Wie in den meisten <strong>an</strong>deren Bundesländern<br />

gab es auch in Rheinl<strong>an</strong>d-Pfalz<br />

nach den SchülerInnenprotesten erstmals<br />

eine rechtliche Absicherung der<br />

Strukturen der SchülerInnenvertretung<br />

mittels eines Gesetzes. Erstmals<br />

gab es l<strong>an</strong>desweite, von offizieller<br />

Seite <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nte Strukturen (den<br />

L<strong>an</strong>desschülerInnenbeirat), der auch<br />

mit geringen fin<strong>an</strong>ziellen Mitteln unterstützt<br />

wurde. Die rechtliche Position<br />

der SchülerInnen <strong>auf</strong> L<strong>an</strong>desebene<br />

wurde erstmals als solche abgesichert.<br />

Die Struktur des LSB nahm jedoch einer<br />

1973 in Kusel privatrechtlich gegründetenL<strong>an</strong>desschülerInnenvertretung<br />

den Wind aus den Segeln<br />

und führte <strong>zu</strong> deren Aushöhlung. Die<br />

von den SchülerInnen selbst gegründete<br />

LSV wurde vom Kultusminister<br />

nicht <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt, der Besuch ihrer Tagungen<br />

durch Androhung von Repression<br />

für SMVler erschwert. Mit Beginn<br />

dieser Jahre vermischte sich die Diskussion<br />

des (Selbst-)Verständnisses<br />

von SchülerInnenvertretung immer<br />

mehr mit der Diskussion um die Strukturen,<br />

in denen SchülerInnenvertretung<br />

org<strong>an</strong>isiert ist, da diese<br />

Ausdruck des Verständnisses von SMV<br />

sind. So war <strong>zu</strong>m Beispiel die Entwicklung<br />

des L<strong>an</strong>desschülerInnenbeirates<br />

der Gymnasien und Gesamtschulen in<br />

Rheinl<strong>an</strong>d-Pfalz <strong>zu</strong>r L<strong>an</strong>desschüler-<br />

Innenvertretung der Gymnasien und<br />

Gesamtschulen kennzeichnend für das<br />

Bestreben der SchülerInnen nach einer<br />

demokratischen SchülerInnenvertretung.<br />

Aus den unterschiedlichen<br />

Auffassungen von SMV entwickelten<br />

sich unterschiedliche Modelle (z.B. die<br />

1973 nicht <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nte, selbst gegründete<br />

LSV der SchülerInnen gegen den<br />

LSB des Ministeriums), die schließlich<br />

in der Ausein<strong>an</strong>derset<strong>zu</strong>ng mit dem Ministerium<br />

waren.<br />

4. Geschichte der<br />

BundesschülerInnenvertretung:<br />

Bundesweit gab es <strong>zu</strong>nächst (1968<br />

<strong>zu</strong>m ersten Mal) eine jährliche Tagung<br />

der L<strong>an</strong>desschulsprecher;<br />

1973<br />

schlossen sie<br />

sich <strong>zu</strong> einer<br />

„Konferenz<br />

der L<strong>an</strong>desschülervertretungen<br />

der Länder<br />

der Bundesrepublik


16 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

Deutschl<strong>an</strong>d“ <strong>zu</strong>sammen, die mit<br />

Beschluss vom September 1975 die<br />

Bildung einer BundesschülerInnenvertretung<br />

als <strong>zu</strong>r Zeit nicht gewollt<br />

ablehnte. Im Mai 1977 schloss sich die<br />

KdLSV mit der LSV Westberlins <strong>zu</strong>sammen;<br />

die Gründung einer BSV wurde<br />

diskutiert. 1979 beschloss die KdLSV,<br />

die Gründung einer BSV <strong>an</strong><strong>zu</strong>streben.<br />

In dieser Entschließung kommt unter<br />

<strong>an</strong>derem das Selbstverständnis der<br />

SchülerInnenvertretungen Ende der<br />

Siebziger Jahre <strong>zu</strong>m Ausdruck: „Zahlreiche<br />

Rechte konnten in den letzten<br />

Jahren durch die demokratische<br />

SchülerInnenvertretung erkämpft und<br />

verteidigt werden. Die<br />

SchülerInnenvertretungen wurden ihrer<br />

Aufgabe mehr und mehr gerecht,<br />

die vielfältigen Interessen der<br />

SchülerInnen <strong>zu</strong> vertreten.“ Im Dezember<br />

1983 f<strong>an</strong>d der erste bundesweite<br />

SchülerInnenkongress in Köln<br />

statt, der den Antrag <strong>auf</strong> Gründung<br />

einer BSV <strong>an</strong>nahm. Auf der ersten<br />

Bundesdelegiertenkonferenz im März<br />

1984 wurde der erste Bundesvorst<strong>an</strong>d<br />

der BSV gewählt und eine<br />

Grundsatzerklärung beschlossen,<br />

in der sich die<br />

BSV <strong>zu</strong>r „Interessenvertretung<br />

aller SchülerInnen von<br />

allgemeinbildenden und<br />

berufsbildenden Schulen im<br />

Bundesgebiet und in Westberlin“<br />

erklärte. Seitdem<br />

f<strong>an</strong>den jährlich eine BDK<br />

und ein BSK/seit der Wiedervereinigung<br />

ein Gesamtdeutscher<br />

SchülerInnenkongreß<br />

(GSK) statt.<br />

Mit einer bundesweiten<br />

Kampagne gegen die sogen<strong>an</strong>nte<br />

„Abideform“ (Neugestaltung<br />

der Oberstufe)<br />

gel<strong>an</strong>g es der BSV sowohl<br />

in der Öffentlichkeit, als<br />

auch in der<br />

SchülerInnenschaft für die<br />

Probleme der Schule <strong>zu</strong> sensibilisieren.<br />

Mit der Begründung, dass Bildungspolitik<br />

in die Kulturhoheit der Länder falle,<br />

wurde die BSV bisher nicht als<br />

BundesschülerInnenvertretung <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt.<br />

Seit der Wiedervereinigung gibt<br />

es jedoch Verh<strong>an</strong>dlungen des Bundesvorst<strong>an</strong>des<br />

mit den Kultusministern<br />

und dem Bundesbildungsminister, die<br />

eine Anerkennung und damit fin<strong>an</strong>zielle<br />

Unterstüt<strong>zu</strong>ng der BSV wenigstens<br />

noch erhoffen lassen.<br />

Der/die AutorIn ist unbek<strong>an</strong>nt; den<br />

Text f<strong>an</strong>den wir trotzdem gut.


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 17<br />

Antipädagogik<br />

- das Ende der<br />

Erziehungsideologie?<br />

1.1. Pädagogik aus Sicht der<br />

Antipädagogik<br />

AntipädagogInnen kritisieren alle<br />

Formen und Arten von Erziehung. Sie<br />

<strong>an</strong>alysieren, dass hinter jeder Art von<br />

Erziehung eine offene oder versteckte<br />

Absicht, ein Menschenbild, dem es<br />

gerecht <strong>zu</strong> werden gilt, und<br />

Programme und Vorstellungen<br />

darüber, wie sich Menschen <strong>zu</strong><br />

verhalten haben, steht. „Die Pädagogik<br />

ist gleichsam immer un<strong>zu</strong>frieden mit<br />

dem Menschen, so wie er jeweils ist.<br />

Sie will ihn verändern, indem sie ihn<br />

<strong>zu</strong>m Lernen bzw. Da<strong>zu</strong><strong>lernen</strong><br />

zwingt.“(1)<br />

So ergibt sich aus Sicht der<br />

Antipädagogik, daß Erziehung immer<br />

ein Gewaltverhältnis im Sinn von<br />

psychischer Gewalt von Menschen über<br />

Menschen impliziert, i.d.R. von<br />

Erwachsenen über Kinder und<br />

Jugendliche. Erziehung bleibt damit<br />

immer <strong>zu</strong>gleich auch<br />

Herrschaftsausübung.<br />

Erziehung als Ver<strong>an</strong>staltung<br />

der Erwachsenen begründet<br />

sich allgemein in der<br />

Annahme, Kinder und<br />

Jugendliche seien „von Natur<br />

aus“ unmündig und hilflos<br />

und erst die richtige Methode,<br />

das richtige Programm führe<br />

<strong>zu</strong>r Mündigkeit und<br />

Selbständigkeit der <strong>zu</strong><br />

Erziehenden. „Wir Pädagogen<br />

betrachten den Menschen als<br />

ein Wesen, das erst durch<br />

Lernen wirklich <strong>zu</strong>m<br />

Menschen wird.“(2)<br />

AntipädagogInnen halten<br />

dem entgegen, dass diese<br />

vorgebliche Mündigkeit<br />

tatsächlich vor allem<br />

Anpassung und<br />

Unterwerfung unter bestehende<br />

Herrschaftsverhältnisse bewirkt.<br />

Während die/der Erziehende dem Kind<br />

Ordnung „beibringen“ will, lernt es<br />

tatsächlich, sich unter die<br />

Vorstellungen und Erwartungen der/<br />

des Erziehenden unter<strong>zu</strong>ordnen.<br />

AntipädagogInnen bemühen sich, den<br />

Widerspruch zwischen aktiven und<br />

passiven Begrifflichkeiten in den<br />

Begründungs<strong>zu</strong>sammenhängen <strong>zu</strong>r<br />

Rechtfertigung der Erziehung<br />

<strong>auf</strong><strong>zu</strong>decken: Der Widerspruch etwa,<br />

dass nur der- bzw. diejenige etwas<br />

lernt, den/die m<strong>an</strong> da<strong>zu</strong> zwingt. Lernen<br />

gesehen als ein subjektiver, innerer,<br />

individueller Vorg<strong>an</strong>g läßt sich nicht<br />

durch noch so intensive äußere<br />

Zw<strong>an</strong>gsprogrammme produzieren. Im<br />

üblichen Verständnis k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong><br />

Individuen nicht <strong>zu</strong> Subjekten<br />

„machen“, sondern höchstens <strong>zu</strong><br />

Objekten fremdbestimmter<br />

Erziehungsideologie. Subjekte jedoch


18 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

müssen von sich aus sein. Dieser Widerspruch<br />

durchzieht die Gesamtheit aller bisherigen<br />

Formen pädagogischen Denkens. Aus dieser<br />

Sicht ist alle Pädagogik kinderfeindlich.<br />

1.2. „Spiel ohne Ende“ und die<br />

Abschaffung der Pädagogik<br />

Die allgemein vorherrschende Auffassung von<br />

Pädagogik läßt aus Sicht der Antipädagogik<br />

eine Unzahl von Problemen entstehen:<br />

Generationskonflikte, weitgehende<br />

Unmündigkeit, „autoritärer Charakter“,<br />

m<strong>an</strong>gelndes Selbstwertgefühl.<br />

Zuvorderst aber auch das „Spiel ohne Ende“:<br />

Der Druck, der durch die Erziehung ausgeübt<br />

wird, erzeugt Gegendruck, der Druck wird<br />

verstärkt usw. Auf die gleiche Art erzeugt<br />

Fremdbestimmung Unmündigkeit, diese<br />

rechtfertigt wiederum Fremdbestimmung,<br />

und immer so weiter. Diese Mech<strong>an</strong>ismen<br />

stehen dem Glück und der freien Entfaltung<br />

der Persönlichkeiten im Weg; Erziehung wird<br />

<strong>zu</strong>m „Erziehungskrieg“. „Spiele ohne Ende ...<br />

sind genau das, was der Ausdruck besagt:<br />

sie sind in dem Sinne endlos, als sie keine<br />

Vorkehrungen für ihr Aufhören enthalten.<br />

Aufhören, wie erwachen aus dem Traum, ist<br />

nicht Teil dieses Spiels selbst; Aufhören ist<br />

meta <strong>zu</strong>m Spiel, es hat einen höheren<br />

Abstraktionsgrad.“(3) Die Lösung aus Sicht<br />

der <strong>an</strong>tipädagogischen Bewegung k<strong>an</strong>n nur<br />

die Abschaffung der Erziehung sein. Sie<br />

vertrauen <strong>auf</strong> die „Natur des Kindes“ ,<br />

plädieren für die Überwindung aller<br />

pädagogischen Einstellungen und halten die<br />

„Un<strong>an</strong>tastbarkeit der Würde des Kindes“<br />

hoch.<br />

2. Zur Kritik der Antipädagogik<br />

Der entscheidende Kritikpunkt<br />

em<strong>an</strong>zipatorischer Politik <strong>an</strong> den<br />

<strong>an</strong>tipädagogischen Versuchen muß die Kluft<br />

zwischen Anspruch und Wirklichkeit sein. Ist<br />

es tatsächlich möglich, dass jem<strong>an</strong>d <strong>zu</strong> einem<br />

völlig autonomen und selbständigen<br />

Menschen wird, dass er also tatsächlich frei<br />

von allen erzieherischen Einflüssen groß wird?<br />

Selbst „nach der Revolution“ und schon gar<br />

nicht in der bestehenden Gesellschaft läßt sich<br />

eine völlige direkte oder indirekte Vermittlung<br />

von Wert- und Normvorstellungen aus-<br />

schließen. Der/die Erziehende<br />

wird sich schwerlich völlig von<br />

seinen eigenen Werten und<br />

Prinzipien im Umg<strong>an</strong>g mit<br />

Kindern losmachen können.<br />

Wenn also AntipädagogInnen<br />

eindrucksvoll die Abschaffung<br />

der Erziehung propagieren,<br />

kommt leicht der Verdacht der<br />

Verlogenheit <strong>auf</strong>. Weitgehend<br />

sinnvoller und<br />

em<strong>an</strong>zipatorischer als die<br />

Verschleierung von<br />

erzieherischen Einflüssen<br />

erscheint daher das Bemühen<br />

um Tr<strong>an</strong>sparenz der eigenen<br />

Wert- und Normvorstellungen,<br />

das Offenlegen erzieherischer<br />

Rollen und Machtverhältnisse.<br />

Nur so läßt sich wirkungsvoll<br />

versteckte Indoktrination und<br />

falsche Illusion vermeiden.<br />

Damit <strong>zu</strong>sammenhängend<br />

vernachlässigen AntipädagogInnen<br />

auch <strong>zu</strong> sehr die Frage<br />

nach gesamt-gesellschaftlichen<br />

Zusammenhängen. Etwa die<br />

institutionellen Bedingungen<br />

von Schule („geheimer<br />

Lehrpl<strong>an</strong>“, „funktionale<br />

Erziehung“) bleiben wenig<br />

beachtet.<br />

<strong>JungdemokratInnen</strong>/ <strong>Junge</strong><br />

Linke stehen in der Tradition der<br />

<strong>an</strong>tiautoritären Schüler-<br />

Innenbewegung der 70er Jahre<br />

und teilen die Kritik der<br />

AntipädagogInnen <strong>an</strong><br />

gesellschaftliche Machtgefälle<br />

stützender Pädagogik und ihren<br />

institutionellen, repressiven<br />

Rahmenbedingungen.<br />

Alex<strong>an</strong>der Koensler<br />

Anmerkungen:<br />

1Hartmut Lüdtke<br />

2ebd.<br />

3Watzlawick


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 19<br />

Der geheime<br />

Lehrpl<strong>an</strong><br />

Eigentlich ist der geheime Lehrpl<strong>an</strong><br />

eine ziemlich öffentliche Angelegenheit.<br />

Aber er ist nirgendwo festgelegt<br />

und steht in keinem Lehrpl<strong>an</strong>, sondern<br />

ist struktureller Best<strong>an</strong>dteil von Schule.<br />

Als Wichtigstes <strong>lernen</strong> SchülerInnen,<br />

die fremde Verfügungsgewalt über ihre<br />

Lebenszeit durch <strong>an</strong>dere <strong>zu</strong> akzeptieren:<br />

Was sie tun und lassen, ist nicht<br />

ihre Entscheidung, sondern die <strong>an</strong>derer.<br />

Das fängt beim Zw<strong>an</strong>g, pünktlich<br />

<strong>zu</strong> sein, <strong>an</strong> und äußert sich in solchen<br />

Absurditäten, dass SchülerInnen, die<br />

kr<strong>an</strong>k waren, sich entschuldigen müssen<br />

- also den Beweis <strong>an</strong>treten müssen,<br />

dass sie tatsächlich nicht da sein<br />

konnten. Dahinter steckt eben nicht<br />

nur berechtigtes Mißtrauen der Insti-<br />

tution gegen die SchülerInnen, die sich<br />

über ihre Attraktivität für ihre<br />

InsassInnen augenscheinlich keinerlei<br />

Illusionen macht. Sondern auch die<br />

Botschaft: "Deine Zeit ge<strong>hört</strong> nicht<br />

Dir". Ohne dies wäre das Umschalten<br />

der Aufmerksamkeit zwischen verschiedenen<br />

Themen im 45-Minuten-<br />

Takt gar nicht machbar - <strong>zu</strong>mal die<br />

Themen von <strong>an</strong>deren vorgegeben und<br />

festgelegt werden. Zusätzlich <strong>lernen</strong><br />

SchülerInnen das Leben und Arbeiten<br />

in Zw<strong>an</strong>gskollektiven, mit denen sie<br />

sich identifizieren sollen (Klassengemeinschaft<br />

heißt sowas d<strong>an</strong>n). Das<br />

heißt, sie bekommen g<strong>an</strong>z beiläufig<br />

vermittelt, dass sie sich die Umstände,<br />

unter denen sie leben und arbeiten,<br />

nicht aussuchen können, sondern<br />

sie als natürlich/gottgegeben ("Geht ja<br />

nicht <strong>an</strong>ders") <strong>zu</strong> akzeptieren haben.<br />

Gleichzeitig <strong>lernen</strong> SchülerInnen, entfremdet<br />

<strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> und <strong>zu</strong> arbeiten. Das<br />

heißt, Dinge <strong>zu</strong> tun, von denen sie nicht<br />

wissen, wo<strong>zu</strong> sie gut sein sollen. Sie<br />

<strong>lernen</strong>, eine Aufgabe <strong>zu</strong> erfüllen, ohne<br />

l<strong>an</strong>ge nach dem Wieso und Warum <strong>zu</strong><br />

fragen oder sich eigenständige Ged<strong>an</strong>ken<br />

<strong>zu</strong> machen. Dies führt d<strong>an</strong>n <strong>zu</strong>r<br />

"gelernten Hilflosigkeit", <strong>zu</strong> jener Form<br />

von Passivität, die Schule herbeiführt,<br />

um sie d<strong>an</strong>n per Zw<strong>an</strong>g <strong>zu</strong> überwinden.<br />

Eigene Interessen, Lieblingsthemen,<br />

sp<strong>an</strong>nende Diskussionen müssen<br />

links liegengelassen werden - und später<br />

heißt es d<strong>an</strong>n, m<strong>an</strong> müsse die Kinder<br />

<strong>zu</strong>m Lernen zwingen, weil sie ja<br />

sonst nichts <strong>lernen</strong> wollten und niemals<br />

schreiben lernten.<br />

Lernen verstehen SchülerInnen unter<br />

diesem Zw<strong>an</strong>g d<strong>an</strong>n als "Leistung", das<br />

heißt als Arbeit pro Zeit. Gute<br />

SchülerInnen <strong>lernen</strong> möglichst viel in<br />

möglichst wenig Zeit. Der Inhalt ist<br />

dabei entgegen dem Gerede von der<br />

"Allgemeinbildung" herzlich egal - die


20 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

Dass SchülerInnen dieses Funktionieren nach den<br />

Vorgaben erst <strong>lernen</strong> mußten und müssen, zeigt<br />

der folgende Text. Es ist ein Zeitpl<strong>an</strong>-Vorschlag<br />

vom Beginn des letzten Jahrhunderts für eine<br />

Schulstunde. Dass er gemacht wurde, zeigt, wie<br />

nötig die Disziplinierung war und wie sie vor<strong>an</strong>getrieben<br />

wurde:<br />

„8.45 Eintritt des Monitors, 8.52 Ruf des Monitors,<br />

8.56 Eintritt der Schüler und Gebet, 9 Uhr Einrükken<br />

in die Bänke, 9.04 erste Schiefertafel, 9.08<br />

Ende des Diktats, 9.12 zweite Schiefertafel...“<br />

Heute wirkt all das etwas lockerer - aber die Kinder<br />

bringen schon von <strong>zu</strong> Hause, aus dem Kindergarten<br />

usw. mehr Zeitdisziplin mit.<br />

Zitiert nach: Michel Foucault: Überwachen und<br />

Strafen. Die Geburt des Gefängnisses, Fr<strong>an</strong>kfurt<br />

am Main 1976<br />

Gleichgültigkeit gegenüber dem Inhalt,<br />

die mit vorgesetztem Lernstoff und unter<br />

Zw<strong>an</strong>g stattfindendem Lernen produziert<br />

wird, wird d<strong>an</strong>n auch noch verstärkt,<br />

wenn Inhalte als<br />

Disziplinierungsinstrumente benutzt<br />

werden (Haus<strong>auf</strong>gaben als Strafe etc.,<br />

Tests).<br />

Die Kontrolle und Bewertung der eigenen<br />

Arbeit durch <strong>an</strong>dere wird so selbstverständlich.<br />

In der Schule treten Kinder<br />

in der Regel <strong>zu</strong>m ersten Mal Autoritäten<br />

gegenüber, <strong>zu</strong> denen sie kein<br />

emotionales Verhältnis haben (dass<br />

GrundschülerInnen ein solches d<strong>an</strong>n<br />

schaffen, macht die Bewertung durch<br />

diese Autoritäten noch einmal besonders<br />

übel für sie).<br />

Aber auch die Verlagerung der Kontrolle<br />

nach Innen - also sie gleich selber<br />

über sich selbst aus<strong>zu</strong>üben - im Interesse<br />

des besseren Überlebens im System<br />

Schule - ge<strong>hört</strong> <strong>zu</strong> den unbestreitbaren<br />

Lernerfolgen. So wird Herrschaft<br />

über sich selbst, Unterdrückung eigener<br />

Bedürfnisse und Bewirtschaftung<br />

der eigenen Zeit hergestellt, wie sie für<br />

das Überleben und Funktionieren im<br />

Kapitalismus nötig sind. Die Schule ist<br />

<strong>zu</strong>gleich der erste Kontakt des Nachwuchses<br />

mit dem Staat. Daß dies in<br />

Form eines Zw<strong>an</strong>gsverhältnisses geschieht,<br />

ist dabei sehr bezeichnend.<br />

Auch das Welt- und Menschenbild<br />

wird durch die<br />

Schule geprägt. Die Verinnerlichung<br />

der Selektion<br />

("es gibt Gute und weniger<br />

Gute") und des<br />

Zw<strong>an</strong>gs ("ohne Druck<br />

läuft nichts")sind durchaus<br />

konsequente Verarbeitung<br />

schulischer Realität.<br />

Dass es Gute und<br />

Schlechte gibt, schreibt<br />

die Schule locker fest:<br />

Wer bei einer Arbeit/<br />

Klausur etwas nicht gewußt<br />

hat, kriegt eine<br />

Sechs und nicht etwa den<br />

fraglichen Sachverhalt<br />

noch einmal erklärt. Ausgleichen k<strong>an</strong>n<br />

sie/er diese "Schlappe", die <strong>auf</strong> das<br />

Selbstwertgefühl durchschlägt, höchstens<br />

beim nächsten Mal.<br />

Den SchülerInnen wird in der Schule<br />

so konsequent die Lust <strong>zu</strong>m Lernen<br />

ausgetrieben, dass sie in<br />

der Regel bei Wegfall der<br />

sie überwachenden Autorität<br />

den Freiraum für etwas<br />

<strong>an</strong>deres nutzen. Daraus<br />

schließen sie: Der<br />

Mensch muß <strong>zu</strong>m Guten<br />

gezwungen werden; mit<br />

Spaß können Lernen und<br />

Arbeiten gleich gar nichts<br />

<strong>zu</strong> tun haben. Der Mensch<br />

ist dem Mensch ein Faulpelz.<br />

Das ist die Rechtfertigung<br />

für jede Sorte<br />

Zw<strong>an</strong>g und Gewalt als<br />

Vorausset<strong>zu</strong>ng menschlicher<br />

Kultur. Dabei <strong>lernen</strong><br />

die SchülerInnen aber<br />

auch, dass es neben dieser<br />

öffentlichen Sphäre,<br />

die erst die Schule und<br />

später der Betrieb ist,<br />

auch eine private Sphäre<br />

gibt, wo das Individuum<br />

sein Selbst und seine Freiheit<br />

ausleben k<strong>an</strong>n. Ich<br />

leb mein Leben g<strong>an</strong>z


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 21<br />

spont<strong>an</strong>, ich k<strong>an</strong>n... Diese Trennung<br />

von öffentlicher und privater Sphäre<br />

ge<strong>hört</strong> auch <strong>zu</strong> den Sozialisationserfolgen<br />

der Schule.<br />

In der Grundschule stehen Disziplin,<br />

Ordnung, Pünktlichkeit und Einschränkung<br />

der eigenen Spont<strong>an</strong>eität <strong>auf</strong><br />

dem geheimen Lehrpl<strong>an</strong>. Meistens<br />

macht das Lernen den Kindern noch<br />

Spaß, und seit die rigiden<br />

Disziplinierungsrituale abgeschafft<br />

worden sind, scheint die Grundschule<br />

aushaltbar. Vor allem nähern sich die<br />

GrundschullehrerInnen meistens mit<br />

onkel- und t<strong>an</strong>tenhafter Betulichkeit<br />

den Kindern und tun mehr, als nur<br />

Sachzwänge exekutieren.<br />

In der Mittelstufe werden Selektion und<br />

Konkurrenz wichtig. Um diese aus<strong>zu</strong>halten,<br />

müssen SchülerInnen ihre Unlust<br />

selber überwinden, d.h. <strong>zu</strong> sich<br />

selbst und den eigenen Bedürfnissen<br />

ein im schlimmsten Sinne "sachliches"<br />

Verhältnis einnehmen. In der Mittel-<br />

stufe verlieren - natürlich hängt<br />

das auch mit der schwierigen<br />

Lebensphase Pubertät <strong>zu</strong>sammen,<br />

deren Komplikationen<br />

LehrerInnen nur als Störfaktor<br />

<strong>an</strong>sehen - SchülerInnen auch<br />

das letzte Quentchen Lust am<br />

Lernen; hier treten die unterschiedlichen<br />

"Begabungen",<br />

sich den schulischen Zwängen<br />

<strong>an</strong><strong>zu</strong>passen und sie <strong>zu</strong> verinnerlichen,<br />

in Form guter und<br />

schlechter Noten weiter ausein<strong>an</strong>der.<br />

In der Oberstufe des Gymnasiums<br />

genießen die<br />

SchülerInnen demgegenüber<br />

eine hierarchisierte, bürokratisierte<br />

Freiheit relativer Wahl<br />

der Lerngruppe unter den Bedingungen<br />

von Anonymität und<br />

der Themen. Allerdings ist das<br />

Lernen als Individuum unter<br />

den Bedingungen von Anonymität und<br />

Vereinzelung ein hartes Geschäft -<br />

wer's durchsteht, ist <strong>auf</strong> die Uni gut<br />

vorbereitet. OberstufenschülerInnen<br />

haben es noch mehr als SchülerInnen<br />

<strong>an</strong>derer Schulstufen bzw. -arten dr<strong>auf</strong>,<br />

Wissen unter dem Aspekt des Tauschwerts<br />

<strong>zu</strong> betrachten (wie viele Punkte<br />

bringt mir der Kurs?). Im besten Fall<br />

wird der Gebrauchswert in Augenschein<br />

genommen (was k<strong>an</strong>n ich damit<br />

<strong>an</strong>f<strong>an</strong>gen?). Die Vorstellung, etwas<br />

<strong>zu</strong> <strong>lernen</strong>, ohne direkt den Nutzen davon<br />

bestimmen <strong>zu</strong> können, ist durch<br />

die schulische Praxis grundlegend versaut<br />

worden.<br />

Fr<strong>an</strong>k-Oliver Sobich/Michael Schulte


22 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

Frauen in<br />

Schule<br />

60% der AbiturientInnen in der BRD<br />

sind Frauen. Schülerinnen bleiben<br />

seltener sitzen und haben oftmals<br />

bessere Noten. Es scheint fast so,<br />

als wäre Schule ein Bereich, in der<br />

die Benachteiligung von Frauen<br />

überwunden wurde. Doch mehrere<br />

Untersuchungen zeigen, dass die Bedingungen<br />

<strong>an</strong> Schulen für Schülerinnen<br />

immer noch die schlechteren<br />

sind:<br />

Koedukation<br />

Unter Koedukation versteht mensch<br />

das gemeinsame Unterrichten von<br />

Mädchen und <strong>Junge</strong>n, das seit 1965<br />

in der BRD <strong>zu</strong>r Regel wurde.<br />

Auf der einen Seite war die<br />

Durchset<strong>zu</strong>ng der<br />

koedukativen Schule als Regelschule<br />

der erste Schritt <strong>zu</strong>r<br />

Auflösung der traditionell<br />

geschlechterspezifischen Bildung,<br />

<strong>auf</strong> der <strong>an</strong>deren Seite<br />

brachte sie auch Probleme mit<br />

sich. Dies ist auch nicht verwunderlich,<br />

da, wie so oft,<br />

nicht em<strong>an</strong>zipatorische Überlegungen<br />

im Vordergrund<br />

st<strong>an</strong>den, sondern vielmehr fin<strong>an</strong>zpolitische<br />

Aspekte den<br />

Ausschlag gaben. Abgesehen<br />

davon existieren Schulen nicht<br />

im luftleeren Raum, sondern<br />

reflektieren und reproduzieren<br />

die herrschenden Verhältnisse,<br />

damit auch die<br />

Geschlechterverhältnisse.<br />

Ungleichbeh<strong>an</strong>dlung<br />

Mädchen werden im Unterricht<br />

weniger gefördert<br />

und beachtet als ihre Mitschüler.<br />

Durch Dale Spender<br />

1985 in ihrer Studie<br />

belegt und seit dem konst<strong>an</strong>t bewiesen,<br />

ist dass egal ob Lehrerin oder Lehrer,<br />

2/3 der Aufmerksamkeit den <strong>Junge</strong>n <strong>zu</strong>kommen,<br />

selbst wenn mehr Mädchen in<br />

der Klasse sind. <strong>Junge</strong>n unterbrechen<br />

Mädchen viel öfter als umgekehrt. Auch<br />

wird dazwischenrufen bei <strong>Junge</strong>n weniger<br />

scharf kritisiert als bei Mädchen. So<br />

werden Mädchen <strong>zu</strong>m Stillsein und <strong>Junge</strong>n<br />

<strong>zu</strong>m Lautsein erzogen. M<strong>an</strong>chmal<br />

werden die Schülerinnen einer Klasse<br />

auch zwischen „die lauten <strong>Junge</strong>n“ gesetzt,<br />

um für Ruhe <strong>zu</strong> sorgen.<br />

Wenn eine Schülerin gut in Physik ist,<br />

wird dies <strong>zu</strong>meist <strong>auf</strong> ihren Fleiß, beim<br />

Schüler <strong>auf</strong> seine Begabung <strong>zu</strong>rückgeführt.<br />

Dies hat wiederum <strong>zu</strong>r Folge, dass<br />

<strong>Junge</strong>n ihren naturwissenschaftlichen<br />

Fähigkeiten trauen,<br />

selbstbewusst sind und im Unterricht<br />

dominieren. Bei Mädchen zeigt sich<br />

das genaue Gegenteil: Sie trauen<br />

sich noch weniger und zweifeln <strong>an</strong><br />

ihren Fähigkeiten.<br />

Frauenbild im Unterricht - Beispiel<br />

Schulbücher<br />

Obwohl heute allgemein akzeptiert<br />

ist, dass Frauen nicht nur Mütter sein<br />

müssen, finden sich in Schulbüchern<br />

Rollenklischees: Wer hat in Mathe<br />

nicht Text<strong>auf</strong>gaben wie: Herr Maier<br />

will ein Auto k<strong>auf</strong>en, wie viele Raten<br />

muss er von seinem Gehalt zahlen?<br />

Frau Müller k<strong>auf</strong>t das Obst <strong>auf</strong> dem<br />

Markt. Reicht da<strong>zu</strong> das Haushaltsgeld?<br />

Oder in English: Mr. Pearson is<br />

driving the taxi while Mrs Pearson is<br />

cle<strong>an</strong>ing the car. Frauen in mittleren<br />

oder höheren Positionen kommen so<br />

gut wie gar nicht vor.<br />

Eine weitere Diskriminierung erfahren<br />

lesbische Schülerinnen (und<br />

schwule Schüler) durch die meisten<br />

Bio-Bücher: Immer noch wird Homo-


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 23<br />

sexualität als widernatürlich, kr<strong>an</strong>khaft<br />

und/oder „Phase“ dargestellt, die irgendw<strong>an</strong>n<br />

vorbeigeht. Nicht selten<br />

wird das Thema Homosexualität auch<br />

gänzlich überg<strong>an</strong>gen. Und lesbische<br />

Frauen werden in Text<strong>auf</strong>gaben oder<br />

in Lesebüchern auch verschwiegen<br />

Frauen kommen nicht vor -<br />

Unterrichtsinhalte<br />

Ebenfalls durch Spender belegt wurde<br />

die Erfahrung, dass mädchenzentrierter<br />

Unterricht von den <strong>Junge</strong>n<br />

der Klasse so gestört wird, dass er<br />

unmöglich gemacht ist. Klar, dass sich<br />

die LehrerInnen den Stress von mehr<br />

Unruhe, Störungen und Kritik erspa-<br />

ren wollen.<br />

So ist es nicht verwunderlich, dass<br />

Themen wie z.B. Geschichte der Frauenbewegung<br />

oder auch Frauenliteratur<br />

nicht vorkommen. Unterrichtsstunden,<br />

die das Thema „Geschlechterverhältnis“<br />

<strong>zu</strong>m Inhalt haben,<br />

verl<strong>auf</strong>en (<strong>zu</strong>mindest in der<br />

Mittelstufe) meist chaotisch<br />

und werden durch störende<br />

<strong>Junge</strong>n unmöglich gemacht.<br />

Schülerinnen, die dies kritisieren<br />

sind d<strong>an</strong>n die „Em<strong>an</strong>zen“<br />

und werden - teils auch von<br />

den Mitschülerinnen - verachtet.<br />

Immer noch müssen Schülerinnen<br />

sich mit Formulierungen<br />

wie „Alle Schüler sollen die<br />

Folie abzeichnen“ oder „Die<br />

Schüler dieser Schule“ mitgemeint<br />

fühlen. Auch in Schulbüchern<br />

wird mensch die<br />

geschlechtsneutrale Sprache<br />

nicht finden. Schreibt einE<br />

SchülerIn in Klassenarbeiten<br />

und Klausuren konsequent das<br />

„Große I“ (LehrerInnen statt<br />

Lehrer usw.), liegt es im Ermessen<br />

des Lehrers / der Lehrerin,<br />

dies <strong>zu</strong> akzeptieren oder<br />

als Rechtschreibfehler <strong>an</strong><strong>zu</strong>streichen<br />

und die Klausur<br />

schlechter <strong>zu</strong> zensieren.<br />

Sexualisierte Gewalt<br />

Schulen sind kein Raum, der<br />

frei von Sexismus ist. Fast jede<br />

Schülerin macht im L<strong>auf</strong>e ihrer<br />

Schull<strong>auf</strong>bahn Erfahrungen<br />

mit sexueller Gewalt in Schule<br />

- sei es durch Sprüche und Anmache<br />

oder gar durch Übergriffe. Oftmals<br />

werden Schülerinnen wegen ihres Körpers<br />

<strong>an</strong>gemacht und in einigen Fällen<br />

sogar belästigt. Durch die Macht des<br />

Lehrers bei der Notenvergabe trauen<br />

sich viele Schülerinnen nicht, etwas <strong>zu</strong><br />

unternehmen. Selbst wenn eine<br />

Dienst<strong>auf</strong>sichtsbeschwerde (bei dem<br />

Schulamt) oder gar ein Straf<strong>an</strong>trag<br />

(vor Gericht) gestellt wurde, haben sie


24 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

kein Recht dar<strong>auf</strong>, für die Dauer des Verfahrens<br />

<strong>an</strong> einem <strong>an</strong>deren Kurs teil<strong>zu</strong>nehmen.<br />

Aber auch Mitschüler sind nicht immer nett<br />

und lassen ekelhafte Sprüche ab. Auch wenn<br />

Schüler keine Noten geben, ist es nicht immer<br />

leicht, sich <strong>zu</strong> beschweren, da mensch<br />

ab d<strong>an</strong>n von den <strong>Junge</strong>n der Klasse gehasst<br />

wird und es sich - <strong>zu</strong>mindest mit dem männlichen<br />

Teil der Klasse - <strong>auf</strong> Dauer verscherzt<br />

hat. Dennoch ist es hier einfacher, etwas <strong>zu</strong><br />

unternehmen: Klassenkonferenzen können<br />

m<strong>an</strong>chmal helfen.<br />

Situation von Lehrerinnen<br />

Nicht nur Schülerinnen, auch Lehrerinnen<br />

sind in Schule strukturell benachteiligt. So<br />

sind meist Frauen Angestellte (d.h. nicht<br />

verbeamtet) und haben deswegen ein geringeres<br />

Einkommen und keinen Kündigungsschutz<br />

- obwohl sie dieselbe Stundenzahl<br />

arbeiten. Nur 14% der Lehrerinnen <strong>an</strong><br />

Gymnasien sind mit Schulleitungsfunktionen<br />

be<strong>auf</strong>tragt; selbst <strong>an</strong> Grundschulen, wo fast<br />

ausschließlich Frauen arbeiten, sind <strong>an</strong> 50%<br />

der Schulen die Lehrer auch die Schulleiter.<br />

Forderungen:<br />

Um die Situation von Frauen in Schule <strong>zu</strong><br />

verbessern, gibt es mehrere Ansätze. Obwohl<br />

Mädchen und Frauen in Schule benachteiligt<br />

werden, soll <strong>an</strong> dem Grundprinzip der<br />

Koedukation festgehalten werden. Nicht desto<br />

trotz fordern wir die teilweise Aufhebung<br />

der Koedukation in einigen Fächern (Sportunterricht,<br />

sol<strong>an</strong>ge er noch nicht g<strong>an</strong>z abgeschafft<br />

ist) für bestimmte Klassen. Einige<br />

Schulen haben auch Mathe- und Physik-Kurse<br />

getrennt. Dies k<strong>an</strong>n <strong>zu</strong>m einen da<strong>zu</strong> führen,<br />

dass Mädchen die Ch<strong>an</strong>ce bekommen,<br />

ohne Kommentare der Mitschüler à la „das<br />

ist nichts für Mädchen“ sich den Stoff <strong>an</strong><strong>zu</strong>eignen,<br />

<strong>zu</strong>m <strong>an</strong>deren aber auch da<strong>zu</strong>, dass<br />

über die „Mädchen-Kurse“ abwertend gelästert<br />

wird oder aber Lehrer, die meinen, dass<br />

Physik und Mathe nichts für Mädchen seien,<br />

Mädchen-Kurse <strong>auf</strong> einem niedrigeren Niveau<br />

unterrichten. Eine Gesamtschule in<br />

Bergisch-Gladbach hat sehr gute Erfahrungen<br />

mit „Binnen-Trennung“ gemacht: In<br />

Chemie saßen Schülerinnen und Schüler<br />

zwar im selben Raum, aber <strong>an</strong> jeweils Jun-<br />

gen- bzw. Mädchentischen. So<br />

wird verhindert, dass nur die <strong>Junge</strong>n<br />

die Experimente durchführen,<br />

während die Mädchen ständig<br />

Protokolle schreiben und<br />

Experimentiergeräte spülen. Dabei<br />

nehmen Schülerinnen und<br />

Schüler gar<strong>an</strong>tiert den selben<br />

Stoff durch.<br />

Des weiteren fordern wir verpflichtende<br />

Fortbildungen für alle<br />

LehrerInnen <strong>zu</strong>m Thema<br />

Geschlechterverhältnis und Koedukation<br />

sowie die verbindliche<br />

Ver<strong>an</strong>kerung dieser Themen in<br />

die Ausbildung der<br />

ReferendarInnen. Dem Thema<br />

Geschlechterverhältnis soll ein<br />

größeres Gewicht im Lehrpl<strong>an</strong><br />

eingeräumt werden.<br />

Sarah Dellm<strong>an</strong>n


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 25<br />

Sport ist<br />

böse<br />

-aber warum bloß<br />

Eine Szene aus einer x-beliebigen<br />

Turnhalle irgendwo<br />

in der BRD:<br />

Die meisten SchülerInnen<br />

freuen sich: heute keine<br />

Leichtathletik, wo Zeit- und<br />

Längenmessungen scheinbar objektiv die<br />

eigene Unfähigkeit beweisen. Heute auch<br />

kein Zw<strong>an</strong>g, die Angst davor unterdrükken<br />

<strong>zu</strong> müssen, in komischen Stellungen<br />

über Kästen <strong>zu</strong> hüpfen. Der Sportlehrer<br />

läßt spielen, und da besteht auch keine<br />

Gefahr, wegen Schlappheit körperlich gezüchtigt<br />

<strong>zu</strong> werden - durch Strafübungen.<br />

Gespielt wird "Völkerball". Ein "Volk" versucht<br />

das <strong>an</strong>dere durch Abschießen <strong>zu</strong><br />

besiegen bzw. aus<strong>zu</strong>rotten. Doch mit der<br />

Pausenklingel endet für viele noch nicht<br />

die Sportstunde, z.B. für die Schülerinnen,<br />

die befürchten müssen, daß ihr<br />

Sportlehrer mal wieder in die Mädchenduschen<br />

reinkommt, natürlich nur, um die<br />

vergessene Uhr ab<strong>zu</strong>geben.<br />

Sportunterricht - l<strong>an</strong>ge nicht so harmlos,<br />

wie viele <strong>denken</strong>. Wir wollen sowohl<br />

geschichtliche Hintergründe als auch gesellschaftliche<br />

Bedeutungen von Sport<br />

und Sport in der Schule näher beleuchten.<br />

Sport ist Krieg und Krieg ist Fortset<strong>zu</strong>ng<br />

des Sports mit <strong>an</strong>deren Mitteln?!<br />

Krieg k<strong>an</strong>n, wenn wir einen Blick in die<br />

Geschichte werfen, in vielen Fällen als<br />

Fortset<strong>zu</strong>ng des Sports mit <strong>an</strong>deren Mitteln<br />

beschrieben werden. "Es gibt schon<br />

genug reale Ursachen für Ärger, wir brauchen<br />

nicht noch mehr davon, indem wir<br />

junge Männer ermutigen, sich unter dem<br />

Gebrüll des rasenden Publikums gegenseitig<br />

vors Schienenbein <strong>zu</strong> treten." meinte<br />

George Orwell <strong>zu</strong>m Thema. In einigen<br />

Sportarten, darunter Fußball, Rugby,<br />

Hockey und Boxen, wird die<br />

Gewalt <strong>zu</strong>m zentralen und legitimen<br />

Best<strong>an</strong>dteil in Form einer<br />

spielerischen Schlacht oder<br />

eines Scheingefechts zwischen<br />

zwei Spielern oder Gruppen.<br />

Physische Gewalt ist hier sozial<br />

akzeptiert, ritualisiert und<br />

kommt mehr oder weniger<br />

kontrolliert <strong>zu</strong>m Ausdruck.<br />

Generell gibt es <strong>zu</strong> <strong>denken</strong>,<br />

dass die Sportsprache durchsetzt ist<br />

von Militarismen wie "Angriff" und<br />

"Verteidigung", "Schuß" oder wenn<br />

JournalistInnen von "Schlachtfeld",<br />

"Kampfgetümmel", "Trommelfeuer",<br />

von einer "Bombench<strong>an</strong>ce" oder gar<br />

vom "Bomber der Nation" reden<br />

oder schreiben.<br />

Gerade Wettkampfsport und Krieg<br />

weisen einige grundsätzliche Parallelen<br />

und teilweise sogar gemeinsamen<br />

Ursprung <strong>auf</strong>. Sie besitzen<br />

größtenteils dieselben Codes, kennen<br />

nur Sieg oder Niederlage, lehren<br />

Führen und Gehorchen, diszipliniertes<br />

Erfüllen taktischer Aufgaben<br />

und weisen jedem (jeder?) seinen<br />

natürlichen Platz <strong>zu</strong>. Sport ist weit<br />

mehr als körperliche<br />

Wehrertüchtigung (so<br />

sah der Olympia-Erfinder<br />

Coubertin in der<br />

Einführung des Sportunterrichts<br />

in Engl<strong>an</strong>d<br />

1840 den Grund für<br />

militärischen und<br />

kolonialistischen Erfolg),<br />

entsprechendes<br />

Denken und Taktiken<br />

werden verbreitet.<br />

Auch der allbek<strong>an</strong>nte<br />

"Turnvater Jahn"<br />

meinte 1816 beispielsweise<br />

"Jeder<br />

Turner soll <strong>zu</strong>m Wehrm<strong>an</strong>n reifen...".<br />

Noch heute heißen (in nationalsozialistischer<br />

Tradition) Bezirke des<br />

Deutschen Turner Bundes "Gaue", es


26 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

gibt G<strong>auf</strong>achwarte, Gaumeisterschaften<br />

etc., <strong>zu</strong>dem wird sich<br />

noch positiv <strong>auf</strong> Jahn bezogen.<br />

Sport und Demokratie - und gar noch<br />

radikale Vorstellungen von Demokratie<br />

- passen einfach nicht <strong>zu</strong>sammen:<br />

Im Sport läßt sich nicht diskutieren<br />

oder Kompromisse aush<strong>an</strong>deln, sondern<br />

er kennt nur Unterwerfung, willkürlich<br />

gesetzte Regeln sind<br />

unhinterfragbar.<br />

Sport und Nationalsozialismus<br />

Besonders deutlich wurde der Zusammenh<strong>an</strong>g<br />

von Sport und Militarismus/<br />

Nationalismus während der NS-Zeit.<br />

Da<strong>zu</strong> ein Zitat aus "Deutsche<br />

Turnzeitung 1933, Nr. 23, S. 429f:<br />

"Hochverehrter Herr Reichsk<strong>an</strong>zler!<br />

Mein Führer! [...] Mit ungeheuerem<br />

Jubel ist von der<br />

gesamten DeutschenTurnerschaft<br />

der Sieg<br />

der deutschen<br />

Freiheitsbewegung<br />

und<br />

die Ergreifung<br />

durch Sie, mein<br />

Führer, begrüßt<br />

worden. Die<br />

Deutsche Turnerschaft<br />

hat<br />

sich sofort der<br />

nationalen Regierung<br />

<strong>zu</strong>r Verfügung<br />

gestellt.<br />

[...] Alle jungen<br />

Turner sollen sich zwischen dem 18.<br />

und 21. Lebensjahr einem<br />

Pflichtturnjahr unterziehen und werden<br />

als Turnerwehr <strong>zu</strong>sammengefaßt. Die<br />

Deutsche Turnerschaft hat ihr g<strong>an</strong>zes<br />

Turnen heute unter das Ziel der Wehrhaftigkeit<br />

gestellt. [...] Das alles, hoch<strong>zu</strong>verehrender<br />

Herr Reichsk<strong>an</strong>zler,<br />

mein Führer, gibt mir den Mut, Ihnen<br />

<strong>an</strong><strong>zu</strong>bieten, daß die Deutsche Turnerschaft<br />

sich unter Ihrer Führung Seite<br />

<strong>an</strong> Seite neben SA und Stahlhelm stellt,<br />

und daß sie unter Ihrer Führung Schul-<br />

ter <strong>an</strong> Schulter mit SA und Stahlhelm<br />

den Vormarsch ins Dritte Reich <strong>an</strong>tritt..."<br />

In "Mein Kampf" stellt Adolf Hitler den<br />

Zusammenh<strong>an</strong>g zwischen Sport und<br />

Nation wie folgt her: "M<strong>an</strong> gebe der<br />

deutschen Nation 6 Millionen sportlich<br />

tadellos trainierte Körper, alle von f<strong>an</strong>atischer<br />

Vaterl<strong>an</strong>dsliebe durchglüht<br />

und <strong>zu</strong> höchstem Angriffsgeist erzogen,<br />

und ein nationaler Staat wird aus<br />

ihnen, wenn notwendig, in nicht einmal<br />

2 Jahren eine Armee geschaffen<br />

haben."<br />

Kein Wunder, daß nach der Kapitulation<br />

in der "Direktive Nr. 23" der Alliierte<br />

Kontrollrat die folgende Verfügung<br />

<strong>zu</strong>r Beschränkung und Entmilitarisierung<br />

des deutschen Sportwesens er-<br />

ließ: "Der Kontrollrat verfügt wie folgt:<br />

1. Allen vor der Kapitulation in<br />

Deutschl<strong>an</strong>d bestehenden sportlichen,<br />

militärischen oder paramilitärischen<br />

athletischen Org<strong>an</strong>isationen (Klubs,<br />

Vereinen, Anstalten und <strong>an</strong>deren Org<strong>an</strong>isationen)<br />

wird jede Betätigung<br />

untersagt, und sie sind bis <strong>zu</strong>m<br />

1.1.1946 spätestens <strong>auf</strong><strong>zu</strong>lösen. [...]<br />

Ausgefertigt in Berlin, den 17. Dezember<br />

1945" (Rösch: Politik und Sport in<br />

Geschichte und Gegenwart, S. 124)


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 27<br />

Wenn selbst "Linke" den deutschen<br />

Fußball-Sieg feiern - oder<br />

warum Sport und Nationalismus<br />

so eng <strong>zu</strong>sammenhängen<br />

Selbst unter Linken ist es nicht rufschädigend,<br />

bei der WM selbstverständlich<br />

"für Deutschl<strong>an</strong>d" <strong>zu</strong> sein und<br />

nach einem Sieg mit "Gleichgesinnten"<br />

gröhlend durch die Stadt <strong>zu</strong> ziehen.<br />

Einige, die d<strong>an</strong>n aus Prinzip nicht "für<br />

Deutschl<strong>an</strong>d" sind, feiern d<strong>an</strong>n lieber<br />

g<strong>an</strong>z "internationalistisch" die olympischen<br />

Erfolge Kameruns. Aber wo ist<br />

da der Unterschied (abgesehen natürlich<br />

von Deutschl<strong>an</strong>ds besonderer Geschichte)?<br />

Haben rechte Fußballf<strong>an</strong>s<br />

den Zusammenh<strong>an</strong>g zwischen solchen<br />

Kriegsersatzh<strong>an</strong>dlungen und Nationalismus<br />

da nicht schon besser verst<strong>an</strong>den?<br />

Mit der ideologischen Funktion von<br />

Sport für Kriegführen hängt auch die<br />

Bedeutung für die Nation <strong>zu</strong>sammen:<br />

Beim Sport wird gelernt, sich bedingungslos<br />

mit abstrakten Konstrukten<br />

<strong>zu</strong> identifizieren (etwa mit Vereinen),<br />

die Nation wird erst im Sport "real"<br />

und dient dem dahinterstehenden<br />

Staat der nationalen Repräsentation.<br />

Im täglichen Medaillenspiegel etwa<br />

scheint die Überlegenheit bestimmter<br />

Nationen und "Völker" sichtbar <strong>zu</strong><br />

werden. Gerade "junge Staaten" bedienen<br />

sich der Nationalm<strong>an</strong>nschaften,<br />

um durch dieses Symbol die nationale<br />

Einheit vor<strong>zu</strong>stellen und mit Fahnen<br />

und Hymnen dafür <strong>zu</strong> werben. Auch<br />

in Krisenzeiten können sportliche Erfolge<br />

stiftend für die nationale Einheit<br />

sein. Bis 1964 gab es etwa eine gesamtdeutsche<br />

Olympiam<strong>an</strong>nschaft.<br />

Nicht umsonst wurde der Verb<strong>an</strong>dssport<br />

vom Kaiserreich über die Weimarer<br />

Republik und das Dritte Reich<br />

bis in unsere Zeit aus dem jeweiligen<br />

Innenministerium gefördert. (Arnd<br />

Krüger: Sport und Gesellschaft, S.<br />

30ff.)<br />

Eine kleinere Einheit als die Nation,<br />

aber für viele F<strong>an</strong>s nicht unbedeutender<br />

("ich bin Schalker") ist der Verein.<br />

Da wird mit Symbolen (Fahne, Hymne,<br />

Schlachtrufe, Schals, Socken,...)<br />

für ein <strong>an</strong> sich absurdes Konstrukt geworben<br />

und so bildet sich ein Kollektiv.<br />

Und auch "Linke" sind da keine Ausnahme:<br />

die fettige Bratwurst, die<br />

schlechten Anfeuerungsrufe und das<br />

stupide Rahmenprogramm werden<br />

nicht nur hingenommen, sondern <strong>zu</strong>m<br />

Kult erklärt. Lokalpatriotismus, Härteideal,<br />

Männerbündelei und<br />

Expertentum werden zelebriert.<br />

Sport<br />

und RassismusIdentitätenbildung<br />

erfolgt im<br />

Sport wie<br />

<strong>an</strong>derswo<br />

ü b e r<br />

Ausgren<strong>zu</strong>ng.AlltäglicherRassismus<br />

wird<br />

eingeübt.<br />

Biologist-ische Menschenbilder erhalten<br />

im Sport scheinbare Bestätigung:<br />

"Gute Gene" seien zentral, "Schwarze<br />

können schneller<br />

rennen". Im Sport werden Idealkörper<br />

präsentiert, <strong>an</strong>dere Körper werden als<br />

kr<strong>an</strong>khafte Abweichung von der so<br />

konstruierten Normalität <strong>auf</strong>gefaßt und<br />

z.T. sogar ausgeschlossen. Es entstehen<br />

"Behinderte". Der Wert der Menschen<br />

im Sport wird d<strong>an</strong>ach bemessen,<br />

wieviel Leistung sie bringen können,<br />

wer nach engen Kriterien wenig<br />

leistet, ist (fast) nichts wert. Daß der<br />

Körper als Kapital wie eine Maschine<br />

gepflegt wird ist d<strong>an</strong>n auch selbstverständlich.<br />

... und Kapitalismus<br />

"Vom Tellerwäscher <strong>zu</strong>m Millionär", ein<br />

Traum, der wichtige Legitimationsgrundlage<br />

des Kapitalismus ist, wird<br />

wenigstens im Sport m<strong>an</strong>chmal wahr.


28 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

Entsprechende Geschichten, die im<br />

Leistungssport immer seltener werden,<br />

werden massiv <strong>auf</strong>gebauscht. Eine so<br />

nicht existierende soziale Durchlässigkeit<br />

der Gesellschaft wird vorgetäuscht.<br />

"Leistung lohnt sich" und "wer<br />

tüchtig ist, hat Erfolg" wird im Sport<br />

immerwährend inszeniert. "Survival of<br />

the fittest", das Überleben des Tüchtigsten<br />

wird präsentiert, Sport fördert<br />

sozialdarwinistische Gesellschaftskonzepte.<br />

Dass die <strong>an</strong>geblich Schwächeren,<br />

wie im Kapitalismus, untergehen<br />

oder krass weniger vom Kuchen<br />

abkriegen, erscheint im Sport sinnvoll.<br />

Sport macht Hoffnung <strong>auf</strong> ein besseres<br />

Leben, da <strong>an</strong>dere Fortschrittsutopien<br />

als gescheitert gelten. Sport<br />

räumt <strong>auf</strong> mit der Zukunfts<strong>an</strong>gst vor<br />

Ökokatastrophe und sozialem Niederg<strong>an</strong>g,<br />

das "höher, schneller, weiter"<br />

scheint unendlich fortsetzbar. Sport<br />

verleitet <strong>zu</strong>r Flucht aus der sozialen<br />

Wirklichkeit und <strong>an</strong>dere Probleme (gewinnt<br />

Schalke?) treten in den Vordergrund.<br />

Im Sport gibt's nur Männer oder<br />

Frauen<br />

Frauenturnen<br />

wurde Ende des<br />

19. Jahrhunderts<br />

gefördert und in<br />

den "Töchterschulen"eingeführt,<br />

weil es förderlich<br />

für die<br />

weibliche Erwerbstätigkeit<br />

war, die bürgerliche Frauenbewegung<br />

forderte jedoch schon l<strong>an</strong>ge<br />

sportliche Betätigung für Frauen mit<br />

dem Hinweis <strong>auf</strong> die physische Vernachlässigung<br />

des weiblichen Geschlechts.<br />

Dabei k<strong>an</strong>n frau auch heute<br />

diskutieren, ob Frauen-Catchen <strong>zu</strong>r<br />

Gleichberechtigung beiträgt oder eh<br />

völliger Blödsinn ist.<br />

Interesse erweckt Sport auch heute<br />

noch vornehmlich bei Männern, deren<br />

dominierendes Gesprächsthema er<br />

häufig ist. Auswirkungen hat das auch<br />

<strong>auf</strong> das Leben von Frauen, denn Männer<br />

belassen es leider nicht beim reinen<br />

Interesse am Sport. Welche Frau<br />

hält sich Samstag nachmittag schon<br />

gerne in Stadionnähe oder im<br />

Stadtexpress zwischen Dortmund und<br />

Köln <strong>auf</strong>?<br />

Darüber hinaus exerziert Sport die perfekte<br />

Geschlechtertrennung. Menschen<br />

müssen sich eindeutig in Männer und<br />

Frauen einteilen lassen, <strong>an</strong>sonsten<br />

wird's schwierig mit dem Wettkampfsport.<br />

Bei "außergewöhnlich kräftigen"<br />

Frauen werden Geschlechtstests<br />

durchgeführt. Erst reichte die Begutachtung<br />

der sekundären Geschlechtsmerkmale<br />

aus. Zu Zeiten von DDR und<br />

UdSSR, als es hieß, Männer würden<br />

einfach als Frauen starten, wurde d<strong>an</strong>n<br />

der Bahrkörperchen-Test eingeführt<br />

(Bluttest). Da konnte es schon mal<br />

passieren, daß eine Frau plötzlich mit<br />

der Tatsache konfrontiert wurde, dieses<br />

genetische Merkmal nicht <strong>zu</strong> besitzen<br />

und <strong>auf</strong> einmal keine Frau mehr<br />

sein <strong>zu</strong> dürfen.<br />

"Fit for Fun"<br />

In der Gesellschaft<br />

werden<br />

Frauen immer<br />

noch häufig <strong>auf</strong><br />

ihren Körper reduziert<br />

(z.B. sexistische<br />

Werbung).<br />

Frauen - und in<br />

<strong>zu</strong>nehmendem<br />

Maße auch Männer<br />

- haben sich<br />

b e -<br />

stimmtenKörpernormen<br />

<strong>zu</strong> unterwerfen. Für Mädchen und<br />

Frauen gelten immer noch Rollenstereotype<br />

(Anmut, Zartheit, Schönheit),<br />

sowohl für ihr Äußeres als auch<br />

für Bewegungsabläufe im Sport, wo<br />

ihre Tätigkeitsbereiche immer noch<br />

recht eng umsteckt sind.<br />

Männer wie Frauen versuchen, sich in


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 29<br />

einer bestimmten Weise schön, gesund<br />

und leistungsfähig <strong>zu</strong> erhalten. Sie<br />

gehen ins Fitnesscenter um die Ecke,<br />

essen rechtsdrehenden Joghurt und<br />

pflegen sich in einer bestimmten Art<br />

und Weise. Der Einfluß gesellschaftlicher<br />

Institutionen wird deutlich durch<br />

die Forderung, die Gesundheit nicht <strong>zu</strong><br />

gefährden (bzw. die Kr<strong>an</strong>kenkassen in<br />

Anspruch <strong>zu</strong> nehmen), "jedoch nicht<br />

mehr in Form repressiver Kontrolle,<br />

sondern als stimulierende Kontrolle<br />

[...]: Entkleide Dich...aber sei schl<strong>an</strong>k,<br />

schön, gebräunt!" (Michel Foucault, in:<br />

Mikrophysik der Macht, Berlin 1976, S.<br />

107.). Dementsprechend wird bezogen<br />

<strong>auf</strong> das Schönheitsideal von Frauen<br />

nach der rundlichen, üppigen Frau in<br />

der Nachkriegszeit sowie dem schmalen<br />

"Twiggy-Typ" heute der "sportliche<br />

Typ" bevor<strong>zu</strong>gt. Vom weiblichen Körper<br />

wird verl<strong>an</strong>gt, "daß er Fleisch sei,<br />

jedoch mit Maß; er soll schl<strong>an</strong>k sein,<br />

nicht von Fett beschwert; muskulös,<br />

geschmeidig, kräftig, [...] m<strong>an</strong> möchte<br />

ihn nicht bleich wie eine Treibhauspfl<strong>an</strong>ze,<br />

sondern von der Sonne berührt<br />

[...) (Simone de Beauvoir: Das<br />

<strong>an</strong>dere Geschlecht).<br />

Blättert<br />

mensch in Kontakt<strong>an</strong>zeigen,<br />

so<br />

sind alle "sportlich"<br />

und suchen<br />

e i n e N<br />

"schl<strong>an</strong>keN"<br />

PartnerIn, kulturelle<br />

oder politische<br />

Interessen<br />

r<strong>an</strong>gieren nur<br />

g<strong>an</strong>z hinten. Der Begriff der Sportlichkeit<br />

hat sich gew<strong>an</strong>delt: er bedeutet<br />

nicht mehr Verbissenheit oder Askese,<br />

sondern "attraktiv", "lässig" und<br />

"unkompliziert". Eben: "Fit for Fun".<br />

Ähnlich verhält es sich mit neuen<br />

Modesportarten (dabei sind wir uns<br />

nicht g<strong>an</strong>z sicher, ob <strong>zu</strong>r-U-Bahn-Rennen<br />

oder Inline-Skaten schon Sport ist,<br />

aber Freeclimbing und Snowboarden<br />

schon), die in erster Linie der Freizeit-<br />

betätigung dienen. Klar ist, dass die<br />

kriegerischen Elemente hier wegfallen,<br />

dafür aber im spätkapitalistischen<br />

(wahlweise postmodernen) Sport nicht<br />

die kollektive, sondern die individuelle<br />

Identitätsbildung zählt, d.h. ein schöner<br />

Körper wichtiger ist als das<br />

"M<strong>an</strong>nschaftsgefühl".<br />

Leibesübungen, Körperertüchtigung,<br />

Leibeserziehung<br />

Grundlegend für eine Kritik am Sportunterricht<br />

ist selbstverständlich die<br />

allgemeine Sportkritik, die wir oben<br />

skizziert haben. Zwei Ziele dominierten<br />

die Geschichte des Schulsports:<br />

<strong>zu</strong>m einen die Vermittlung von Basisqualifikationen<br />

für den Arbeitsprozeß<br />

und <strong>zu</strong>m <strong>an</strong>deren die Bedeutung für<br />

das Militär. Leibesübungen bzw. Gymnastik<br />

gibt es seit 1806 offiziell <strong>an</strong><br />

Schulen, "als Erziehungsmittel". Während<br />

der preußischen Turnsperre<br />

(1820-42, Turnen galt für die Monarchien<br />

als staatsgefährdend und wurde<br />

unter Strafe gestellt, wegen seiner nationalen<br />

"bürgerlichen" Ausrichtung)<br />

war Schulsport verboten. Wiedereingeführt<br />

wurde<br />

der Schulsport<br />

1842 von König<br />

Friedrich Wilhelm<br />

IV., nachdem in<br />

einem Gutachten<br />

<strong>auf</strong>grund der<br />

schlechten<br />

Musterungsergebnisse<br />

für<br />

das preußische<br />

Heer und besonders<br />

für die Jugend in den Schulen das<br />

Turnen eindringlich empfohlen wurde<br />

(Rösch, S. 26). Selbst Karl Marx forderte<br />

eine "allseitige Erziehung", in der<br />

Leibesübungen <strong>an</strong> zweiter Stelle st<strong>an</strong>den<br />

(Wildt, S. 63). Die Schullehrpläne<br />

vor dem 1. Weltkrieg weisen vermehrt<br />

"Ordnungsübungen (militärische Formen)"<br />

<strong>auf</strong>, ebenso die Lehrpläne in der<br />

nationalsozialistischen Ära (Sportunterricht<br />

wurde <strong>zu</strong>m Hauptfach) und


30 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

in m<strong>an</strong>chen Staaten sind auch heute<br />

noch paramilitärische Übungen <strong>an</strong> der<br />

Tagesordnung. Aber auch heute ist der<br />

Sportunterricht nicht g<strong>an</strong>z "ohne".<br />

Schulsport heute<br />

Die einen lieben ihn, da sie sich endlich<br />

austoben dürfen, für <strong>an</strong>dere ist<br />

"Sport" ein Fach wie jedes <strong>an</strong>dere<br />

(schließlich gibt's Noten), wiederum<br />

<strong>an</strong>dere versuchen sich sooft es geht<br />

"<strong>zu</strong> drücken" und empfinden den<br />

Sportunterricht als die reinste Schik<strong>an</strong>e.<br />

Wie die historischen Wurzeln von<br />

(Schul-)Sport zeigen, ist dieser stark<br />

ideologisch <strong>auf</strong>geladen.<br />

Wir sehen den Schulsport als ein besonders<br />

krasses Beispiel für Bewertung<br />

und Vermessung in der Schule, es zählt<br />

die körperliche Funktionsfähigkeit, bezogen<br />

<strong>auf</strong> Normkörper. Und dafür gibt<br />

es d<strong>an</strong>n Noten, Leistungs- und<br />

Konkurrenz<strong>denken</strong> werden hier in<br />

Reinform eingeübt. Einen direkten Zusammenh<strong>an</strong>g<br />

zwischen Schulsport und<br />

Leistungssport stellt der Bundeswettbewerb<br />

"Jugend trainiert für Olympia"<br />

dar. Eingeführt wurde er 1969 von<br />

'Stern'-Redakteur Henri N<strong>an</strong>nen, quasi<br />

als Antwort <strong>auf</strong> das "Medaillendesaster"<br />

der deutschen<br />

OlympiateilnehmerInnen 1968 in Mexiko.<br />

Talentsichtung und Olympiavorbereitung<br />

waren die erklärten Ziele.<br />

Während "Jugend trainiert für Olympia"<br />

nur einige SchülerInnen betrifft,<br />

müssen <strong>zu</strong> den "Bundesjungendspielen"<br />

alle <strong>an</strong>treten und um Sekunden,<br />

Meter und Zentimeter kämpfen.<br />

Zudem gibt es eine bundeseinheitliche<br />

Bewertung (x Sekunden ist eine vier<br />

minus) von z.B. Leichtathletik im Unterricht,<br />

wo <strong>an</strong>sonsten Bildung<br />

L<strong>an</strong>dessache ist.<br />

Auch treten geschlechtsspezifische<br />

Rollenklischees verstärkt<br />

hervor: Für <strong>Junge</strong>n ist<br />

Erfolg im Sportunterricht für<br />

ihren sozialen R<strong>an</strong>g und soziales<br />

Prestige in der Clique<br />

und Gesellschaft besonders<br />

wichtig. Es gilt die körperliche<br />

Überlegenheit des eigenen<br />

Geschlechts immer wieder<br />

<strong>zu</strong> beweisen. Welcher<br />

<strong>Junge</strong> k<strong>an</strong>n sich dem sozialen<br />

Zw<strong>an</strong>g <strong>zu</strong>r Teilnahme am<br />

Pausenfußball etc. entziehen?<br />

Die Mädchen stehen d<strong>an</strong>n am<br />

R<strong>an</strong>d und feuern die <strong>Junge</strong>n<br />

<strong>an</strong> oder spielen F<strong>an</strong>gen. Für<br />

Mädchen gilt im Sportunterricht:<br />

sie müssen nicht hervorstechen,<br />

»sind halt schwächer«, und<br />

werden von vornherein <strong>an</strong>ders bewertet.<br />

Doch Mädchen haben im Rahmen<br />

des Sportunterrichts noch g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>dere<br />

Probleme: Es gibt kaum eine Schule,<br />

<strong>an</strong> der nicht der ein oder <strong>an</strong>dere<br />

Sportlehrer in die Mädchenkabinen<br />

geht, <strong>auf</strong>dringliche Hilfestellungen<br />

macht, direkt sexistische Bemerkungen<br />

von sich gibt, Mädchen und junge<br />

Frauen <strong>an</strong>starrt. Auch von Seiten der<br />

Mitschüler müssen sich Mädchen und<br />

junge Frauen im Sportunterricht oft<br />

<strong>an</strong>starren lassen oder werden durch<br />

sexistische Bemerkungen verunsichert.<br />

Nicht <strong>zu</strong> unterschätzen (sowohl bei<br />

Mädchen als auch bei <strong>Junge</strong>n) ist der<br />

Körperkult, der betrieben wird. Dicke


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 31<br />

haben's schwer <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt <strong>zu</strong><br />

werden und werden oft <strong>zu</strong>m<br />

Gespött der g<strong>an</strong>zen Klasse. Und<br />

wenn m<strong>an</strong>n nicht die nötigen<br />

Muskeln hat und die Mädchen<br />

nicht die neuesten Leggins tragen,<br />

haben sie auch verloren.<br />

Außerdem ist der Sportunterricht<br />

wohl das einzige<br />

Fach, in dem körperliche Züchtigung<br />

alltäglich ist, zwar gibt's<br />

keine Stockschläge, doch Strafen<br />

des Lehrkörpers à la "wenn<br />

Ihr jetzt nicht ruhig seid, l<strong>auf</strong>t<br />

Ihr 10 Runden" kennt wohl<br />

jedeR <strong>zu</strong> genüge.<br />

Sportkritik und<br />

Schulsportkritik - ein Arbeitspapier<br />

der Bochumer JD/JL<br />

im Dezember 1996<br />

Mögliche Forderungen:<br />

Die Probleme, die wir hier <strong>an</strong>gerissen<br />

haben können die paar untenstehenden<br />

Forderungen keinesfalls lösen,<br />

dennoch könnten sie g<strong>an</strong>z sinnvoll<br />

sein.<br />

* Abschaffung des Sportunterrichts<br />

* allermindestens keine<br />

Notengebung im Sportunterricht<br />

* Freiwilligkeit und kritische<br />

Hinterfragung von Sport und Sportunterricht<br />

* Mädchengruppen (d.h. Aufhebung<br />

der Koedukation im Sportunterricht,<br />

die allerdings in den<br />

Lehrplänen extra erwünscht ist),<br />

<strong>zu</strong>mindest während der Pubertät<br />

* Angebot von Selbstverteidigungskursen<br />

für Mädchen und junge<br />

Frauen <strong>an</strong> den Schulen<br />

Zum Weiterlesen:<br />

Beiersdorfer, D. u.a.: Fußball und Rassismus. Göttingen 1993.<br />

Bernett, Hajo: Der Sport im Kreuzfeuer der Kritik. Kritische Texte aus<br />

100 Jahren deutscher Sportgeschichte.Schorndorf 1982.<br />

Krüger, Arnd: Sport und Gesellschaft. H<strong>an</strong>nover 1980.<br />

Pfister Gertrud: Geschlechtsspezifische Sozialisation und Koedukation im<br />

Sport. Berlin 1983.<br />

Rösch, Heinz-Egon: Politik und Sport in Geschichte und Gegenwart. Freiburg/Würzburg<br />

1980.<br />

Schulke, H<strong>an</strong>s-Jürgen: Kritische Stichwörter <strong>zu</strong>m<br />

Sport. München 1983.<br />

Tschap-Bock, Angelika:<br />

Frauensport und Gesellschaft.<br />

Ahrensburg bei<br />

Hamburg 1983.<br />

Wildt, Kl. C.: Daten <strong>zu</strong>r<br />

Sportgeschichte,<br />

Schorndorf 1972 (Zeittafeln<br />

<strong>zu</strong> Schulsport, B<strong>an</strong>d<br />

2).


32 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

Ein Bericht, der die<br />

Schule verändert<br />

Die Schule verändern wird er mit Sicherheit,<br />

der Bericht "Zukunft der Bildung - Schule der<br />

Zukunft" der gleichnamigen Kommission. Dafür<br />

steht der Name des NRW-Ministerpräsidenten<br />

Joh<strong>an</strong>nes Rau und die Zusammenset<strong>zu</strong>ng<br />

der Kommission aus hochr<strong>an</strong>gigen Wirtschaftsleuten<br />

und renommierten WissenschaftlerInnen,<br />

aber auch schlicht die durch die St<strong>an</strong>dortdebatte<br />

bedingte Notwendigkeit von Veränderungen.<br />

Rau hatte die Kommission 1992 <strong>zu</strong>sammengerufen,<br />

weil er sich Sorgen um sein Schulsystem<br />

machte. "Mit Recht", sagt Ihr? - "Mit Recht",<br />

sagen einhellig auch Wissenschaft, Wirtschaft<br />

und sogar - mit taktisch kalkulierten Einschränkungen<br />

- alle großen Parteien! Ist das, was von<br />

den Deutschbänkern bis <strong>zu</strong> grünen Fundis alle<br />

so toll finden, wirklich für alle gut?<br />

Schule - seit Preußen nur halbherzig reformiert<br />

Das Schulsystem,<br />

wie es heute einE<br />

jedeR von uns kennt,<br />

hat seine Wurzeln im<br />

alten Preußen. Kinder<br />

- <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gs nur<br />

<strong>Junge</strong>n - wurden<br />

durch die allgemeine<br />

Schulpflicht vor <strong>zu</strong><br />

früher Verkrüppelung<br />

in den Bergwerken<br />

und <strong>an</strong>deren Betrieben<br />

bewahrt, <strong>an</strong><br />

paramilitärische Disziplin<br />

gewöhnt und<br />

erhielten nebenbei<br />

noch ein paar Kenntnisse<br />

und Fähigkeiten vermittelt, die für den<br />

sinnvollen Einsatz <strong>zu</strong>nächst im Militär, später<br />

auch in der Industrie, von Bedeutung waren.<br />

Die ersten Volksschulen erfüllten ihre Aufgabe<br />

recht gut: Heraus kamen - im "Idealfall" - gefügige,<br />

körperlich fitte Untert<strong>an</strong>en, durch elementare<br />

Bildung universell weiter verwendbar,<br />

wenig <strong>auf</strong>geklärt und ziemlich religiös, dadurch<br />

friedlich und bereit <strong>zu</strong> akzeptieren, was ihnen<br />

vorgesetzt wurde.<br />

Die Anforderungen <strong>an</strong><br />

SchulabgängerInnen änderten<br />

sich - trotz kurzfristig<br />

wechselnder Tendenzen - nur<br />

sehr l<strong>an</strong>gsam. Eine bürgerliche<br />

Revolution und ein Weltkrieg<br />

gingen verloren,<br />

Scheidem<strong>an</strong>n - immerhin Sozialdemokrat<br />

- rief die Weimarer<br />

Republik aus und mußte<br />

gleich wieder uneinsichtige<br />

KommunistInnen niederschießen<br />

lassen, Untert<strong>an</strong>engeist<br />

war also immer noch<br />

gefragt und wurde erfolgreich<br />

vermittelt. Ein paar<br />

SozialdemokratInnen zogen<br />

als Lehrpersonal in die Schulen<br />

ein, natürlich gab es ei-<br />

nen l<strong>an</strong>gsamen,<br />

kleinschrittigen W<strong>an</strong>del, aber<br />

große Veränderungen? - Keine.<br />

Die Nazis f<strong>an</strong>den daher auch<br />

ein Schulsystem vor, daß sich<br />

gut für ihre Zwecke nutzen<br />

ließ und das auch nach dem<br />

zweiten Weltkrieg bis in die<br />

sechziger Jahre kaum verän-


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 33<br />

dert wurde. Erst mit der kulturrevolutionären<br />

Bewegung der<br />

68erInnen wurden wieder verstärkt<br />

Neuerungen in die Schulen getragen.<br />

Diese Neuerungen best<strong>an</strong>den vor allem<br />

in einem zivileren Umg<strong>an</strong>gston<br />

(wobei zivil hier wirklich als "weniger<br />

militärisch" <strong>zu</strong><br />

verstehen ist),<br />

und der Umset<strong>zu</strong>ng<br />

einiger der<br />

elementarsten<br />

und l<strong>an</strong>ge gesichertenErkenntnisse<br />

der<br />

L e r n -<br />

psychologie.<br />

Auch wurde vor<br />

allem in den sozialdemokratisch<br />

regierten<br />

Bundesländern<br />

in Ansätzen damit<br />

begonnen,<br />

neben dem direktabfragbarenFaktenwissen<br />

("Was ist 2+3?"; "Wie wurde<br />

Ludwig der XIV. gen<strong>an</strong>nt?"; etc.) <strong>zu</strong><br />

vermitteln, wie m<strong>an</strong> sich Wissen <strong>an</strong>eignen<br />

k<strong>an</strong>n und wie m<strong>an</strong> sich einen<br />

Überblick über Sachverhalte verschafft.<br />

Trotzdem ist die Schule von<br />

heute in der Regel immer noch eine,<br />

in der die SchülerInnen in neun bis<br />

dreizehn (m<strong>an</strong>chmal auch mehr) Jahren<br />

vor allem vermittelt bekommen,<br />

einigermaßen regelmäßig und pünktlich<br />

<strong>zu</strong> erscheinen und ohne ernsthaft<br />

den Sinn <strong>zu</strong> hinterfragen das <strong>zu</strong> tun,<br />

was einE LehrerIn ihnen sagt. Irgendw<strong>an</strong>n<br />

steigen sie ins Berufsleben ein,<br />

erscheinen einigermaßen regelmäßig<br />

und pünktlich und tun ohne ernsthaft<br />

den Sinn <strong>zu</strong> hinterfragen das, was einE<br />

ChefIn ihnen sagt. Früher war das gut<br />

für die Firmen. Heute jedoch hat die<br />

moderne Arbeitspsychologie dieses<br />

Verhältnis, das ein gewisser Karl Marx<br />

vor eineinhalb Jahrhunderten als "entfremdete<br />

Arbeit" kritisierte, als Pro-<br />

blem erk<strong>an</strong>nt. Viel mehr Profit lasse<br />

sich erzielen, wenn der einzelne Mitarbeiter<br />

sich als wichtigen Teil des Betriebes<br />

fühle, die Bedeutung seiner<br />

Tätigkeit für den Produktionsabl<strong>auf</strong><br />

erkenne und sich innovativ und kritisch<br />

mit Verbesserungsmöglichkeiten des<br />

Produktionsabl<strong>auf</strong>es ausein<strong>an</strong>dersetze.<br />

Dieser Mitarbeiter arbeite nämlich<br />

motivierter und daher effektiver und<br />

helfe gleichzeitig auch noch, Einsparungsmöglichkeiten<br />

in der Produktion<br />

<strong>auf</strong><strong>zu</strong>decken, die die Ingenieurin im<br />

praxisfernen Pl<strong>an</strong>ungsbüro mitunter<br />

kaum finden könne.<br />

Die Wirtschaft will Schulreformen,<br />

die Linke dreißig Jahre gefordert<br />

haben. Wen wundert's?<br />

Auch einfache ArbeiterInnen und Angestellte<br />

müssen heute mit<strong>denken</strong>: Sie<br />

sollen die Produktivität durch "kritischen<br />

Dialog" verbessern helfen, im<br />

Team arbeiten, weil das effektiver ist,<br />

alle paar Jahre mit grundlegend neuen<br />

Technologien <strong>zu</strong>recht kommen, flexibel<br />

sein was Arbeitsort und -zeit <strong>an</strong>geht.<br />

Das aber lernten sie bisher kaum<br />

in der Schule. So wird verständlich,<br />

warum jetzt, fast dreißig Jahre nach<br />

den 68erInnen, plötzlich auch Hilmar<br />

Kopper von der Deutschen B<strong>an</strong>k AG,<br />

Professor Doktor Doktor Peter Meyer-<br />

Dohm von der "Volkswagenstiftung"<br />

und Gisa Schultze-Wolters für IBM<br />

Deutschl<strong>an</strong>d als Co-AutorInnen des<br />

Bildungskommissionsberichts Forderungen<br />

nach grundlegenden Reformen<br />

des schulischen Lernens unterstützen,<br />

hin <strong>zu</strong>r Vermittlung von Kritik- und<br />

Teamfähigkeit und Flexibilität. Mit Tränen<br />

der Rührung in den Augen gibt eine<br />

einst kämpferische Grüne Stadtverordnete<br />

<strong>zu</strong>: "Der Bildungskommissionsbericht<br />

sagt genau das, was wir immer<br />

schon wollten."<br />

Ein Umst<strong>an</strong>d kommt dem Kapitalistenpack<br />

mit seinen Forderungen besonders<br />

<strong>zu</strong>r Hilfe: Die Leere in den öffentlichen<br />

Kassen. Bei gewöhnlicher staatlicher<br />

Fin<strong>an</strong>zierung könnte sich aus den


34 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

Ideen des Berichtes unter Umständen<br />

durchaus die eine oder <strong>an</strong>dere tatsächliche<br />

Verbesserung <strong>an</strong> den Schulen<br />

ergeben. Vielleicht (?) würden<br />

SchülerInnen sich von vornherein kritischer<br />

mit der Frage beschäftigen, was<br />

denn überhaupt von dem Wirtschaftssystem<br />

<strong>zu</strong> halten ist, in dem sie leben<br />

und für das sie arbeiten sollen. Da die<br />

Kassen aber leer sind, ziehen die Bänker<br />

und Bonzen noch einen Joker:<br />

"Sponsoring" heißt er eigentlich,<br />

schämt sich aber seines Namens und<br />

kommt deshalb unter vielen Pseudonymen<br />

daher. Orts<strong>an</strong>sässige oder auch<br />

überregionale Wirtschaftsunternehmen<br />

fördern die sächliche oder sogar<br />

personelle Ausstattung der Schulen.<br />

Dass das Politikbuch der Bertelsm<strong>an</strong>nstiftung<br />

natürlich beim Bertelsm<strong>an</strong>n-<br />

Verlag erscheint und dass es frei sein<br />

wird von ernsthafter Systemkritik,<br />

steht außer Frage. Wenn die Chemielehrerin<br />

ihr Gehalt am Ende des Monats<br />

gar <strong>zu</strong>r Hälfte von der Hüls AG<br />

überwiesen bekommt, läßt sich ihre<br />

Bereitschaft, die Verwendung von PVC<br />

<strong>zu</strong> kritisieren, selbst d<strong>an</strong>n noch <strong>an</strong> einer<br />

H<strong>an</strong>d ausrechnen, wenn diese <strong>auf</strong>grund<br />

chemiebedingter Mutationen<br />

nur noch dreieinhalb<br />

Finger hat.<br />

Es scheint, die Schule werde<br />

<strong>an</strong>genehmer.<br />

Die Schule nach den Vorstellungen<br />

der Bildungskommission<br />

wird trotzdem<br />

<strong>an</strong>genehmer. Dafür stehen<br />

nicht <strong>zu</strong>letzt Namen wie<br />

Klaus Hurrelm<strong>an</strong>n und Maria<br />

Wasna, niedlich sozialdemokratischeWissenschaftlerInnen,<br />

die einem naiven<br />

Spieltrieb folgend domestizierte<br />

Versionen ihrer Träume<br />

in den Bericht einbrachten.<br />

Von Einzelfällen abgesehen<br />

wohl kaum <strong>zu</strong>m Ärger<br />

der Wirtschaftsbosse. Für die<br />

InsassInnen der Schule der<br />

Zukunft soll ja möglichst viel<br />

nachvollzieh- und einsehbar<br />

sein. Zum Beispiel, wenn<br />

gesiebt wird: "Elitebildung<br />

muß ja sein", und wenn in<br />

der Gruppendiskussion die<br />

entscheidenden Noten oder<br />

Zug<strong>an</strong>gsberechtigung ausgeh<strong>an</strong>delt<br />

werden, d<strong>an</strong>n<br />

sieht das furchtbar selbstbestimmt<br />

aus, während in Wirklichkeit die Konkurrenz<br />

verschärft fortgesetzt wird.<br />

Der Schein trügt.<br />

Darin liegt ein Geheimnis moderner kapitalistischer<br />

Arbeitspsychologie: Zunächst<br />

sieht der Arbeitsprozeß selbstbestimmter,<br />

freiwilliger, einfach <strong>an</strong>genehmer<br />

aus. Bei genauem Hinsehen<br />

jedoch stellt sich d<strong>an</strong>n heraus, daß der<br />

alte Zw<strong>an</strong>g, z.B. Befehlen <strong>zu</strong> gehorchen<br />

oder pünktlich <strong>zu</strong> sein, neuen<br />

Zwängen gewichen ist: Die/der einzel-


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 35<br />

ne hat im Vergleich mit den <strong>an</strong>deren Mitgliedern<br />

der Gruppe ausreichend effektiv<br />

<strong>zu</strong> arbeiten und die Gruppe muss sich mit<br />

<strong>an</strong>deren Gruppen messen lassen. Wenn<br />

eine Arbeiterin kr<strong>an</strong>k ist, kommt der größte<br />

Druck nun unmittelbar von ihren<br />

KollegInnen, die fürchten müssen, das<br />

Gruppensoll <strong>zu</strong> verfehlen. Die so von<br />

Teamarbeit Beflügelten haben immerhin<br />

noch das Glück, überhaupt ausgebeutet<br />

<strong>zu</strong> werden. Den Arbeitslosen in der Bundesrepublik,<br />

in Europa aber vor allem in<br />

der sogen<strong>an</strong>nten dritten Welt geht es da<br />

noch wesentlich schlechter. Zumindest die<br />

bundesdeutschen <strong>zu</strong>künftigen Arbeitslosen<br />

müssen dar<strong>auf</strong> auch in der Schule vorbereitet<br />

werden. Durch diese neuen Dimensionen<br />

der Konkurrenz wird das Erl<strong>an</strong>gen<br />

eines solidarischen Wir-Gefühls<br />

der ArbeiterInnen natürlich noch schwieriger,<br />

als es ohnehin schon ist.<br />

Schule bereitet bestens <strong>auf</strong> die<br />

Gesellschaft vor - bald wieder!<br />

Die Untert<strong>an</strong>enschule der Verg<strong>an</strong>genheit<br />

bereitete <strong>auf</strong> das Leben als<br />

BefehlsempfängerIn vor. Sie erfüllte<br />

diese Aufgabe, aber die<br />

BefehlsempfängerInnen erwirtschaften<br />

hier<strong>zu</strong>l<strong>an</strong>de nicht mehr den<br />

größten Profit. Die selbständige<br />

Teamworkerin, die nachvollziehen<br />

will, warum ihr H<strong>an</strong>deln der Firma<br />

dient und die freudig mit ihrem<br />

Team konkurriert, die es erträgt,<br />

drei Monate arbeitslos <strong>zu</strong> sein und<br />

<strong>an</strong>schließend einen Job mit 40%<br />

weniger Lohn akzeptiert, ist die<br />

Mehrwertquelle der Zukunft. Wenn<br />

die Schule auch weiterhin der Wirtschaft<br />

dienen will, d<strong>an</strong>n ist eine<br />

Schulreform, wie sie die Denkschrift<br />

der Bildungskommission entwirft,<br />

dringend geboten.<br />

Uns SchülerInnen jedoch sollte klar<br />

sein, daß der Zweck der bevorstehenden<br />

Schulreform ein wirtschaftlicher<br />

ist, der uns insgesamt ein<br />

Stück weiter weg führt von einem<br />

<strong>zu</strong>gleich solidarischen und individualistischen<br />

Leben.<br />

Christoph Hassel


36 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

Referat für die Ver<strong>an</strong>staltung „Schule herausgefordert<br />

durch die Gesellschaft von morgen“ der<br />

Ev<strong>an</strong>gelischen Akademie Mülheim <strong>an</strong> der Ruhr<br />

Die demokratischen Strukturen<br />

der Schule von heute - offen für<br />

die Gesellschaft von morgen ???<br />

Als ich den Titel las, unter welchem ich ein Referat<br />

<strong>auf</strong> dieser Ver<strong>an</strong>staltung halten soll, habe<br />

ich mich etwas gewundert, denn er klingt so, als<br />

wäre er von jem<strong>an</strong>dem erarbeitet worden, der/<br />

die die Strukturen der Schule von heute auch<br />

wirklich für demokratisch hält. Dies k<strong>an</strong>n ich allerdings<br />

nicht teilen. Denn nicht nur die wirklich<br />

demokratietechnischen Strukturen, grundsätzlich<br />

muss auch die Konzeption der Schule <strong>an</strong> sich, in<br />

Funktion und Gestaltung, als undemokratisch bezeichnet<br />

werden. Außerdem wirft das die Frage<br />

<strong>auf</strong>, wie die Gesellschaft von<br />

morgen überhaupt aussehen<br />

und ob sie demokratische Strukturen<br />

benötigen wird. Ich will jedoch<br />

bei der Schule bleiben.<br />

Die Schule k<strong>an</strong>n nie unabhängig<br />

von der sie umgebenden Gesellschaft<br />

gesehen werden. An<br />

sie werden gesellschaftliche und<br />

wirtschaftliche Ansprüche gestellt,<br />

die <strong>zu</strong>m Teil direkt, über<br />

klare Forderungen und Bestimmungen<br />

in die Schule und deren<br />

Arbeitsweise einfließen, <strong>zu</strong>m<br />

Teil auch indirekt, über alles,<br />

was gesellschaftliche Relev<strong>an</strong>z hat, in die Vorstellungen<br />

von LehrerInnen und Schulleitungen, auch<br />

Eltern und SchülerInnen Ein<strong>zu</strong>g halten.<br />

Unter einer demokratischen Schule stelle ich mir<br />

allerdings eine vor, in der die Betroffenen, die<br />

Schülerinnen und Schüler, ihr Schulleben selbstbestimmt<br />

<strong>an</strong>gehen können. Eine Schule, die sich<br />

selbst und damit die Gesellschaft von innen heraus<br />

verändern k<strong>an</strong>n, die also eine Bildung vermittelt,<br />

die wesentlich <strong>zu</strong>r Em<strong>an</strong>zipation des Menschen<br />

aus dem Unwissen, aus Herrschafts- und<br />

Abhängigkeitsverhältnissen beiträgt.<br />

Verständlicherweise aber muss die Schule in einem<br />

solchen wie dem unsrigen System die Schü-<br />

lerinnen und Schüler dar<strong>auf</strong><br />

vorbereiten, fremdbestimmt<br />

<strong>zu</strong> arbeiten, aber<br />

doch immer so selbständig,<br />

wie die gerade bevor<strong>zu</strong>gte<br />

Betriebswirtschaftsweise es<br />

erfordert. Auch muss sie<br />

unterscheiden zwischen<br />

guten und schlechten<br />

SchülerInnen, zwischen<br />

brauchbar und nicht<br />

brauchbar, klug oder<br />

dumm, h<strong>an</strong>dwerklich oder<br />

intellektuell begabt...<br />

Und das habe ich nicht<br />

einfach so <strong>zu</strong>sammentheoretisiert,<br />

das ist täglich<br />

im Schulleben spürbar.<br />

Nicht <strong>zu</strong>fällig rutscht noch<br />

so m<strong>an</strong>chem/m<strong>an</strong>cher<br />

LehrerIn im Unterricht die<br />

Redewendung übers Trennen<br />

des Weizen von der<br />

Spreu heraus. Dies erfordert<br />

Noten und Konkurrenz


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 37<br />

unter SchülerInnen, harte<br />

Disziplinierungsmaßnahmen, Trennung<br />

von guten und schlechten<br />

SchülerInnen durch Hauptschule und<br />

Gymnasium. Das Gemeine dar<strong>an</strong> ist,<br />

dass es mir stets als meine Privat<strong>an</strong>gelegenheit<br />

erscheint, gute Noten und<br />

gute Abschlüsse <strong>zu</strong> erreichen, obwohl<br />

es massiv gesellschaftlich beeinflusst<br />

ist und ebenso gesellschaftliche Auswirkungen<br />

hat.<br />

Schülerinnen und Schüler leiden unter<br />

Leistungsdruck und Schul<strong>an</strong>gst und<br />

die vielbeschworene Ellenbogengesellschaft<br />

ist mitsamt alltäglicher<br />

Rücksichtslosigkeit unter Jugendlichen<br />

und Kindern oft besonders gut <strong>zu</strong> beobachten.<br />

Dies alles nenne ich undemokratisch,<br />

weil es nicht <strong>an</strong> den Interessen und<br />

Wünschen der Schülerinnen und Schüler<br />

ausgerichtet ist, sondern seinerseits<br />

diese <strong>auf</strong> das Gegebene ausrichtet. Es<br />

wird gelernt, was <strong>auf</strong> den Tisch kommt,<br />

auch wenn ich kein Interesse dar<strong>an</strong><br />

habe.<br />

Dadurch lerne ich auch, entgegen<br />

meiner Interessen <strong>an</strong>deren <strong>zu</strong> gehorchen<br />

und von ihnen bewertet <strong>zu</strong> werden.<br />

Und zwar in einer Form, die wiederum<br />

Auswirkungen dar<strong>auf</strong> hat, wie<br />

<strong>an</strong>dere mich bewerten und wem ich<br />

später gehorchen muß. Denn die Noten<br />

meiner LehrerInnen sind später<br />

Entscheidungskriterien bei der Wahl<br />

meines Berufes oder der weiteren Ausbildung.<br />

Nun also die Frage, ob unsere Schule<br />

offen ist für die Gesellschaft von<br />

morgen.<br />

All die Interessen,<br />

die bei der Gestaltung<br />

des Schulwesens<br />

eine Rolle<br />

spielen, verändern<br />

sich natürlich und<br />

fordern dementsprechend<br />

eine Veränderung<br />

der Schule.<br />

Insgesamt ist es<br />

dieser auch mög-<br />

lich, dar<strong>auf</strong> <strong>zu</strong> reagieren, wenn auch<br />

meist etwas schwerfällig. In vielen<br />

Bundesländern, insbesondere hier in<br />

Nordrhein-Westfalen, gab es um die<br />

Schul-autonomie viele Diskussionen.<br />

Vor<strong>an</strong>geg<strong>an</strong>gen ist<br />

ihnen natürlich<br />

eine wirtschaftliche,<br />

eine insbesonderebetriebswirtschaftlicheVeränderung:<br />

Von jap<strong>an</strong>ischen<br />

M<strong>an</strong>agements entwickelt<br />

und inzwischen weltweit im<br />

Vormarsch ist die Le<strong>an</strong> Production. Sie<br />

löst die Epoche des Fordismus ab. Hierarchien<br />

werden abgeflacht um Entscheidungen<br />

schneller und<br />

un<strong>auf</strong>wendiger herbei<strong>zu</strong>führen. Kompetenzen<br />

werden nach unten verlagert,<br />

Akkordarbeit kommt nicht mehr vor.<br />

Die Angestellten arbeiten in kleinen<br />

Teams, ihr Lohn oder Gehalt hängt von<br />

der Leistungsfähigkeit ihres Teams ab.<br />

Dies erfordert soziale Kompetenzen,<br />

Ver<strong>an</strong>twortungsbewusstsein, Teamfähigkeit<br />

und für die Vorgesetzten eine<br />

besondere, in letzter Zeit sehr hochgejubelte<br />

und in unzähligen Workshops<br />

vermittelte Führungskompetenz inklusive<br />

Einfühlungsvermögen, Kontaktfreudigkeit<br />

und so weiter.<br />

Das sieht alles sehr nach einer Demokratisierung<br />

des Betriebswesens<br />

aus, doch ist es lediglich eine<br />

Verschl<strong>an</strong>kung der Produktion, wie der<br />

Name Le<strong>an</strong> Production schon sagt.<br />

Auch diese Teams werden nicht eingesetzt,<br />

weil die M<strong>an</strong>agerInnen besonders<br />

menschenfreundlich wären und<br />

das Arbeiten in Be<strong>zu</strong>gsgruppen bestimmt<br />

netter ist. Gerade die Teamarbeit<br />

setzt die MitarbeiterInnen erheblich<br />

unter Druck, weil die Kontrolle unterein<strong>an</strong>der<br />

wesentlich effektiver ist als<br />

früher die Kontrolle vieler<br />

MitarbeiterInnen durch wenige Vorgesetzte.<br />

Wenn mein Lohn davon abhängt,<br />

wie gut jedes einzelne Teammitglied<br />

mitarbeitet, d<strong>an</strong>n sorge ich


38 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

auch dafür, dass niem<strong>an</strong>d kr<strong>an</strong>kfeiert,<br />

dass alle vernünftig arbeiten und so<br />

weiter. Die Solidarität unter<br />

ArbeiterInnen einer Firma ist damit<br />

verschwunden. M<strong>an</strong><br />

k<strong>an</strong>n sich nicht mehr<br />

gemeinsam gegen die<br />

Chefs <strong>zu</strong>r Wehr setzen,<br />

sondern muss<br />

sich unterein<strong>an</strong>der<br />

kontrollieren. Das<br />

Problem dabei ist freilich<br />

nicht die Teamarbeit<br />

<strong>an</strong> sich, sondern<br />

die fremdbestimmte<br />

Arbeit und der Mech<strong>an</strong>ismus,<br />

dass ich für<br />

bessere Arbeit besseres Geld erhalte.<br />

Außerdem sorgt diese Produktionsweise<br />

für eine große Corporate Identity,<br />

die Identifikation mit dem Betrieb.<br />

Verbesserungen müssen d<strong>an</strong>n nicht<br />

mehr von M<strong>an</strong>agerInnen entwickelt<br />

und von MitarbeiterInnen übernommen<br />

werden, jedeR selbst effektiviert<br />

die eigenen Arbeitsgänge best möglich<br />

und verbessert damit nicht unbedingt<br />

die Atmosphäre am Arbeitsplatz,<br />

aber <strong>auf</strong> jeden Fall die Profitrate.<br />

Die Debatte um die teilautonome<br />

Schule wiederum erinnert in einigen<br />

Punkten stark <strong>an</strong> die Entwicklung der<br />

Le<strong>an</strong> Production. Kompetenzen sollen<br />

nach unten verlagert werden, die<br />

Schule soll ihren Haushalt selbst verwalten.<br />

Viele sprechen hier nicht von<br />

Haushalts-, sondern von Schuldenverwaltung,<br />

weil bei fortschreitendem<br />

Sozialabbau die Schulen auch immer<br />

weniger Geld erhalten. Aber Not macht<br />

ja <strong>an</strong>geblich erfinderisch, und da sollen<br />

die Schulen selber sehen, wie sie<br />

mit dem nicht vorh<strong>an</strong>denen Geld auskommen.<br />

Der Bildungskommissionsbericht<br />

NRW, der Meilenstein in der Diskussion<br />

um die eigenver<strong>an</strong>twortliche Schule,<br />

schreibt hier<strong>zu</strong>:<br />

„Die Schulen sollen das Recht erhalten,<br />

sich <strong>zu</strong>sätzlich <strong>zu</strong>r Grundausstattung<br />

weitere Mittel <strong>zu</strong> erschließen. Dies<br />

können öffentliche Mittel aus dem regionalen<br />

Entwicklungsfonds sein, aber<br />

auch private Mittel, die <strong>zu</strong>m Beispiel<br />

durch den Verk<strong>auf</strong> pädagogischer Leistungen<br />

<strong>auf</strong> dem<br />

Bildungsmarkt oder<br />

durch Sponsoring gewonnen<br />

werden.“<br />

Bildung ist also <strong>zu</strong> einem<br />

Markt geworden.<br />

An einigen Stellen<br />

spricht das Buch sogar<br />

von einem „freien Wettbewerb<br />

zwischen Schulen“.<br />

Das Grundrecht <strong>auf</strong><br />

Bildung wird also<br />

marktwirtschaftlichen Mech<strong>an</strong>ismen<br />

unterworfen werden. Das würde eine<br />

noch schlechtere, weil ungleichere Verteilung<br />

der Bildung und damit die Aufhebung<br />

des letzten Rests <strong>an</strong> Ch<strong>an</strong>cengleichheit<br />

<strong>zu</strong>r Folge haben. Der Staat<br />

zieht sich aus der Ver<strong>an</strong>twortung.<br />

Doch der Wirtschaft k<strong>an</strong>n das ja nur<br />

Recht sein. Wenn m<strong>an</strong> die Menschen<br />

früh dr<strong>an</strong> gewöhnt, dass sie sich durchbeißen<br />

müssen, d<strong>an</strong>n werden sie auch<br />

gute ArbeiterInnen. Nicht umsonst fordern<br />

auch der Bildungskommissionsbericht<br />

und <strong>an</strong>dere wirtschaftsliberale<br />

Fortschrittspädagogen die stärkere<br />

schulische Vermittlung von den oben<br />

gen<strong>an</strong>nten Schlüsselkompetenzen namens<br />

Teamfähigkeit,<br />

Ver<strong>an</strong>twortungsbewusstsein, soziales<br />

H<strong>an</strong>deln und so weiter. In der Bildungskommission<br />

saßen unter <strong>an</strong>deren Hilmar<br />

Kopper, damals noch Bundesb<strong>an</strong>kchef,<br />

ein Herr von einer Volkswagen-<br />

Stiftung und eine Dame der Bayer-AG.<br />

Im Zuge dieser Entwicklung der<br />

Schule deutet auch alles dar<strong>auf</strong> hin,<br />

dass die ohnehin schon lächerlich<br />

schlechte strukturelle Demokratie in<br />

der Schule wieder ausgehöhlt wird.<br />

Die vorh<strong>an</strong>dene Beset<strong>zu</strong>ng der<br />

Schulkonferenz ist aus<br />

SchülerInnensicht eine Farce. Wir sind<br />

in der Schule die größte Gruppe und<br />

wir sind die Betroffenen. Wir haben ein


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 39<br />

Viertel der Sitze. LehrerInnen haben<br />

doppelt so viele, was <strong>an</strong>gesichts der<br />

Tatsache, dass SchülerInnen und<br />

LehrerInnen m.E. eigentlich grundverschiedene,<br />

sogar entgegengesetzte<br />

Interessen haben, ein Witz ist.<br />

Eltern hingegen haben meiner Meinung<br />

nach sehr wenig in schulischer<br />

Mitwirkung <strong>zu</strong> suchen. Sie erziehen<br />

und deformieren uns Kinder schon privat<br />

genug, sind die<br />

AnsprechpartnerInnen für LehrerInnen<br />

minderjähriger SchülerInnen. Der<br />

Bildungskommissionsbericht hingegen<br />

fände es toll, die Schulkonferenz <strong>zu</strong><br />

25% von LehrerInnen, 25% von<br />

SchülerInnen und lächerlichen 50%<br />

von Eltern <strong>zu</strong> besetzen. Unter<br />

SchülerInnen ist das ein großer Lacherfolg.<br />

Ich habe noch keineN SchülerIn<br />

gesehen, der oder die dabei nicht gro-<br />

ße Augen gemacht hätte.<br />

Außerdem wünscht sich der Bildungskommissionsbericht<br />

eine Öffnung der<br />

schulischen Mitwirkung für das Umfeld<br />

der Schule. Das passt hervorragend <strong>zu</strong>r<br />

Schulbudgetierung im regionalen Umfeld:<br />

Schulen in reichen Stadtteilen<br />

können sich mehr leisten, weil sie von<br />

reichen Eltern und BürgerInnen mehr<br />

Geld kriegen, dafür sollen die<br />

BürgerInnen - im Zweifelsfall<br />

SponsorInnen mit starkem Interesse<br />

<strong>an</strong> der inhaltlichen und methodischen<br />

Ausrichtung der Schule - auch mitreden<br />

dürfen.<br />

Äußere Veränderungen k<strong>an</strong>n die<br />

Schule also mitvollziehen, wenn genügend<br />

Beschwerden vorh<strong>an</strong>den sind,<br />

wie schlecht die Schule doch sei. Dies<br />

ist ja im Moment auch der Fall, denn<br />

immer mehr Betriebe beschweren sich,<br />

dass Lehrlinge mit<br />

Hauptschulabschluss <strong>zu</strong> doof seien,<br />

und das Abitur ist auch viel <strong>zu</strong> leicht<br />

<strong>zu</strong> haben. „Mit dieser Schule läßt sich<br />

kein Wettbewerb gewinnen“, so wird<br />

der Sozialabbau und die St<strong>an</strong>dortdebatte<br />

auch <strong>auf</strong> den bisl<strong>an</strong>g von Bürgerrechten<br />

geschützten Bereich Bildung<br />

ausgedehnt.<br />

Auch wenn die Veränderungen im<br />

Schulwesen etwas l<strong>an</strong>gsamer verl<strong>auf</strong>en,<br />

als m<strong>an</strong>che sich das wünschen -<br />

die nächste Schulreform wird für die<br />

Wirtschaft <strong>zu</strong>friedenstellend verl<strong>auf</strong>en<br />

und die Schulautonomie mit sich bringen.<br />

Insgesamt werden also gesellschaftliche<br />

Widersprüche in der Schule stets<br />

reproduziert. Sie werden nicht bearbeitet<br />

und oder im Hinblick <strong>auf</strong> ihre<br />

Überwindung thematisiert. Insofern ist<br />

die Schule also offen für die äußeren<br />

Anforderungen der Zukunft. Sie hat<br />

kein eigenes veränderndes Potential,<br />

in dem Schülerinnen und Schüler ihre<br />

Zukunft - und damit die Zukunft der<br />

Gesellschaft - selbstbestimmt gestalten<br />

könnten.<br />

H<strong>an</strong>nes Hüfken


40 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

Von der Reform <strong>zu</strong>r<br />

Deform Die Geschichte der gymnasialen<br />

Oberstufe<br />

50er und 60er Jahre<br />

Zu Beginn der BRD gab es ein sehr elitäres Schulsystem,<br />

welches den einzelnen SchülerInnen<br />

kaum Möglichkeiten bot, eigenen Interessen und<br />

Neigungen nach<strong>zu</strong>gehen. Im Dreigliedrigen<br />

Schulsystem (Gymnasium, Hauptschule, Gesamtschule)<br />

bestimmte die soziale Zugehörigkeit über<br />

die Schulform, <strong>auf</strong> welche mensch gehen konnte<br />

und damit über die Möglichkeiten, welche mensch<br />

in seinem späteren Leben hatte. Auf das Gymnasium<br />

gingen die Kinder aus sozial besser gestellten<br />

Familien, sie sollten das Abitur machen<br />

und später “auch mal was werden”.<br />

Die Oberstufe war, wie die Unterstufe,<br />

im Klassenverb<strong>an</strong>d org<strong>an</strong>isiert,<br />

d.h. dass die SchülerInnen<br />

nicht wählen konnten, welche Fächer<br />

sie belegen wollten, klassische<br />

Fächer (z.B. Deutsch, Mathe, Latein)<br />

wurden als wichtiger <strong>an</strong>gesehen als<br />

<strong>an</strong>dere. Das Gymnasium war so org<strong>an</strong>isiert,<br />

dass es eine Elite ausbilden<br />

sollte. Kinder von ArbeiterInnen<br />

oder QuereinsteigerInnen von<br />

Haupt- und Realschule hatten kaum<br />

eine Ch<strong>an</strong>ce, das Abitur <strong>zu</strong> erl<strong>an</strong>gen<br />

und damit ein Studium <strong>an</strong><strong>zu</strong>f<strong>an</strong>gen.<br />

1972<br />

In den 70er Jahren war ein relativ<br />

günstiges Klima für fortschrittliche<br />

Schulreformen. Durch die<br />

StudentInnen- und SchülerInnenbewegung<br />

war ein Bewusstsein für<br />

notwendige Reformen entst<strong>an</strong>den,<br />

welches bei der sozial-liberalen Koalition<br />

durchaus <strong>auf</strong> Gehör stieß. Ch<strong>an</strong>cengleichheit<br />

im Bildungssystem für alle soziale Gruppen<br />

wurde gefordert. Hin<strong>zu</strong> kam, dass die Wirtschaft<br />

ein Interesse <strong>an</strong> viel mehr hochqualifizierten<br />

StudienabgängerInnen (die natürlich vorher Abitur<br />

gemacht haben mußten) hatte. Es kam <strong>zu</strong><br />

einigen Bildungsreformen, die Koedukation wurde<br />

eingeführt, die Gesamtschule erfunden und<br />

die gymnasiale Oberstufe<br />

wurde reformiert. Alle Fächer<br />

wurden nun als gleichberechtigt<br />

<strong>an</strong>gesehen, die<br />

SchülerInnen konnten wählen,<br />

welche sie belegen wollten.<br />

Da<strong>zu</strong> wurde das Kurssystem<br />

eingeführt, besonderes<br />

Gewicht erhielten die<br />

Leistungskurse, zwei Kurse,<br />

die jedeR nach seinen/ihren<br />

Interessen wählen konnte.<br />

Die neue Oberstufe bot nun<br />

für viele Menschen die Mög-<br />

lichkeit, das Abitur <strong>zu</strong> erl<strong>an</strong>gen.<br />

Natürlich war diese Oberstufe<br />

keine Traumschule und<br />

hatte nach wie vor ihre<br />

Funktion in der bürgerlichen<br />

Gesellschaft. Druck durch<br />

Schulnoten, undemokratische<br />

Strukturen, Hierarchie


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 41<br />

etc. waren nicht abgeschafft. Aber<br />

trotzdem war diese Oberstufe die bisher<br />

fortschrittlichste mit den besten<br />

Möglichkeiten für den/die einzelneN,<br />

seinen/ihren Interessen nach<strong>zu</strong>gehen.<br />

1986<br />

Nach der Abi-Reform nun die erste<br />

Deform: die von Helmut Kohl 1982 bei<br />

seinem Dienst<strong>an</strong>tritt als Bundesk<strong>an</strong>zler<br />

verkündete geistig-moralische Wende<br />

machte auch vor dem Bildungssystem<br />

nicht halt. Nicht mehr größtmögliche<br />

Bildungsch<strong>an</strong>cen für alle und<br />

die freie Ausbildung eigener Neigungen<br />

und Interessen sollten das<br />

Bildungssystem bestimmen, sondern<br />

wieder Leistung und Elitenförderung.<br />

In der Oberstufe wurde die Gleichwertigkeit<br />

aller Fächer erstmals eingeschränkt.<br />

Der sogen<strong>an</strong>nte Pflichtbereich<br />

(bestehend aus den sogen<strong>an</strong>nten<br />

“Kernfächern” Mathe, Deutsch,<br />

Fremdsprache) wurde wieder stärker<br />

betont, außerdem wurde die Einteilung<br />

der Fächer in drei Bereiche eingeführt,<br />

die jeweils durch die Prüfungsfächer<br />

im Abitur abgedeckt werden mußten.<br />

Trotz größerer Proteste von<br />

SchülerInnen bundesweit wurde diese<br />

Abi-Deform so von der Kultusministerkonferenz<br />

(KMK, der<br />

Zusammenschluss aller für Schulpolitik<br />

ver<strong>an</strong>twortlichen Länderminister-<br />

Innen <strong>auf</strong> Bundesebene) beschlossen.<br />

Hin<strong>zu</strong> kamen Ende der 80er und Anf<strong>an</strong>g<br />

der 90er Jahre Einsparungen im<br />

Bildungssektor. Um Geld <strong>zu</strong> sparen<br />

wurden die Kursgrößen <strong>an</strong>gehoben.<br />

Dies hatte nicht nur den Nachteil, dass<br />

mensch jetzt mit mehr Leuten in einem<br />

Kurs <strong>lernen</strong> muss, auch die Wahlfreiheit<br />

wurde dadurch weiter eingeschränkt,<br />

da viele Kurse nun nicht<br />

mehr <strong>zu</strong>st<strong>an</strong>de kommen können, wenn<br />

gar nicht erst genug Menschen den<br />

Kurs belegen. An vielen Schulen wurden<br />

so immer weniger Fächer <strong>an</strong>geboten.<br />

Die 90er Jahre<br />

...waren auch keine schöne Zeit in der<br />

Bildungspolitik. Die meisten Debatten<br />

die geführt wurden, sind von Konservativen<br />

und der Wirtschaft <strong>an</strong>gestoßen<br />

worden mit dem Ziel einer weiteren<br />

Rücknahme von Bildungsreformen,<br />

weiterer Auslese und Elitenbildung und<br />

weiterer Einschränkung von Freiheiten<br />

<strong>zu</strong>gunsten sogen<strong>an</strong>nter “Allgemeinbildung”.<br />

Eine Debatte war, ob die Schulzeit<br />

bis <strong>zu</strong>m Abitur von 13 <strong>auf</strong> 12 Jahre<br />

gekürzt werden sollen. Eine weitere<br />

Debatte (oft damit verknüpft) war<br />

eine neue “Reform” der Oberstufe. So<br />

wurde gefordert, die Abiturprüfung in<br />

fünf statt bisher vier Fächern durch<strong>zu</strong>führen,<br />

darunter verpflichtend für<br />

alle Deutsch, Mathe und eine Fremdsprache.<br />

Die CDU wollte da<strong>zu</strong> noch das<br />

Zentralabitur für alle Länder einführen<br />

(das heißt, dass alle SchülerInnen eines<br />

Abitur-Jahrg<strong>an</strong>gs in einem Bundes-<br />

L<strong>an</strong>d mit den selben Aufgaben geprüft<br />

werden).<br />

Die schlimmsten Vorschläge wurden<br />

zwar abgeschmettert, was die KMK<br />

1995 beschlossen hat war aber dennoch<br />

ein weiterer Rückschritt. Die<br />

“Kernfächer” wurden erneut gestärkt,<br />

nun müssen Deutsch, Mathe und eine<br />

Fremdsprache bis <strong>zu</strong>m Abitur durchgängig<br />

belegt werden (früher konnten<br />

sie <strong>zu</strong>mindest <strong>zu</strong>m Teil abgewählt werden)<br />

und auch in die Durchschnittsnote<br />

eingebracht werden, die <strong>an</strong>deren<br />

Fächer wurden dadurch wieder geschwächt.<br />

Insbesondere Musik und<br />

Kunst wurden geschwächt, da diese<br />

nun nicht mehr in der Abiturprüfung<br />

für den sprachlich-künstlerischen Fächer-Bereich<br />

zählen und mensch sich<br />

<strong>zu</strong>sätzlich in einer Sprache prüfen lassen<br />

muss.<br />

Die Umset<strong>zu</strong>ng<br />

dieser Beschlüsse<br />

in Nordrhein-<br />

Westfalen hat<br />

1998 stattgefunden,<br />

bei dieser<br />

Umset<strong>zu</strong>ng hat


42 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

die rot-grüne L<strong>an</strong>desregierung d<strong>an</strong>n<br />

gleich noch ein paar weitere Veränderungen<br />

(im Rahmen ihrer Sparpolitik)<br />

vorgenommen. So wurden die Leistungskurse<br />

von sechs <strong>auf</strong> fünf Stunden<br />

gekürzt, die LKs setzen nun auch<br />

erst in der 12. Jahrg<strong>an</strong>gsstufe ein. Dadurch<br />

wird den SchülerInnen die Möglichkeit<br />

genommen, erstmal in Ruhe<br />

<strong>zu</strong> schauen, ob ihnen ein LK-Angebot<br />

<strong>zu</strong>sagt oder nicht.<br />

Und die Zukunft?<br />

Die verspricht auch<br />

nichts Gutes. Zur Zeit<br />

wird diskutiert, Elite-<br />

Klassen ein<strong>zu</strong>führen,<br />

die d<strong>an</strong>n in 12 statt 13<br />

Jahren Abitur machen.<br />

Dadurch wird <strong>zu</strong>m einen<br />

ein zwei-Klassen-<br />

Abitur eingeführt, <strong>zu</strong>m<br />

zweiten wird durch die<br />

Hintertür nun doch ein<br />

Schuljahr abgeschafft.<br />

Es ist nur eine Frage der<br />

Zeit, w<strong>an</strong>n es <strong>zu</strong>r Debatte<br />

kommt, doch für<br />

alle die Schulzeit <strong>zu</strong> verkürzen.<br />

Die Debatte um die Einführung<br />

eines Zentralabiturs<br />

ist auch nicht<br />

vom Tisch, die CDU<br />

macht regelmäßig Vorschläge in diese<br />

Richtung, die immer mehr Gehör finden.<br />

Die PISA-Studie hat hier weiteren<br />

Zunder geliefert.<br />

Die konservative Wende in der Bildungspolitik<br />

ist noch nicht <strong>zu</strong> Ende,<br />

machen wir uns auch im Bereich der<br />

gymnasialen Oberstufe <strong>auf</strong> neue Restriktionen<br />

gefasst.<br />

Joh<strong>an</strong>nes Bock


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 43<br />

Wir brauchen keine Zeugnisse!<br />

Noten machen häßlich<br />

Das Schlechte <strong>an</strong> der Schule ist irgendwie<br />

mystisch: Stellenweise macht Schule<br />

sogar Spaß, ist sie doch der Ort, <strong>an</strong><br />

dem Du alle Deine FreundInnen triffst,<br />

m<strong>an</strong>che LehrerInnen sind richtig nett und<br />

wenn sie's nicht sind, macht m<strong>an</strong> eben<br />

Scherze über sie oder k<strong>an</strong>n sich gemeinsam<br />

über sie <strong>auf</strong>regen. Selbst die Gänge<br />

und Klassenzimmer, der Kreidestaub und<br />

der Schiefer der Tafeln scheinen eine gemütliche<br />

Atmosphäre aus<strong>zu</strong>strahlen, so<br />

dass m<strong>an</strong> nach sechs Wochen Sommerferien<br />

froh ist, wieder dorthin <strong>zu</strong>rück<strong>zu</strong>kehren,<br />

wo m<strong>an</strong> systematisch diszipliniert,<br />

getriezt, genervt, <strong>an</strong>gepaßt, <strong>zu</strong>rechtgestutzt<br />

und verdummt wird. Genau<br />

von dem zentralen Instrument<br />

dafür h<strong>an</strong>delt dieser Artikel:<br />

Den Noten.<br />

Der Sinn und Zweck der Benotung<br />

liegt im dumpfen Bereich<br />

des Selbstverständlichen: Na<br />

klar, die Firmen müssen doch<br />

wissen, wie gut der Mensch ist,<br />

den sie da einstellen, häufig tauchen<br />

auch schon mal die Argumente<br />

<strong>auf</strong>, SchülerInnen sollten<br />

ihre eigenen Schwächen erkennen<br />

und sie d<strong>an</strong>n korrigieren können<br />

oder daß m<strong>an</strong> <strong>auf</strong> die Leistungsgesellschaft<br />

in der Schule<br />

bereits vorbereitet werden müsse.<br />

Klar ist: Für die SchülerInnen<br />

ist das Erreichen einer guten Note<br />

enorm wichtig, entscheidet sich<br />

doch so, ob sie später <strong>zu</strong> den<br />

SozialhilfeempfängerInnen gehören oder<br />

die Ch<strong>an</strong>ce <strong>auf</strong> einen M<strong>an</strong>agerInnenjob<br />

samt Dienstwagen und Haus im Grünen<br />

haben werden. Und das alles wegen einer<br />

Zahl.<br />

Noten sind nicht objektiv<br />

Eine Note ist Bewertung eines Prüfungsergebnisses.<br />

Aber von der Vergleichbarkeit<br />

von Prüfungen in unterschiedlichen<br />

Klassen, bei unterschiedlichen<br />

LehrerInnen, <strong>an</strong> unterschiedlichen<br />

Schulen k<strong>an</strong>n keine Rede sein.<br />

Schließlich sind Noten immer auch<br />

abhängig von dem- oder derjenigen,<br />

der/die sie erteilt, von der jeweiligen<br />

Vorliebe für ein Geschlecht, Verhalten,<br />

Kleidung, Umg<strong>an</strong>gston der<br />

SchülerInnen - oder eben der Abneigung<br />

dagegen - , von der Stimmung<br />

der Lehrerin oder des Lehrers,<br />

vom pädagogischen Stil oder<br />

schlicht von Vorurteilen bzw. Vorwissen<br />

über den Schüler oder die Schülerin.<br />

Die eine Lehrerin bewertet<br />

Kommafehler in der Fr<strong>an</strong>zösischarbeit<br />

mit, ihr Kollege dagegen nicht,<br />

der eine Deutschlehrer mag es,<br />

wenn SchülerInnen persönliche Erfahrungen<br />

und Gefühle mit einfließen<br />

lassen, seine Kollegin hingegen<br />

setzt <strong>auf</strong> Objektivität und Nüchternheit.<br />

Am allerdeutlichsten wird dies<br />

in Fächern wie Musik, Kunst oder<br />

Sport: Wer will ein Kunstwerk objektiv<br />

bewerten und wie soll es "gerechte"<br />

Noten geben, wenn Menschen<br />

für die Erfüllung der vorgegebenen<br />

Aufgaben einfach ein un-


44 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

terschiedlich gutes Werkzeug - ihren<br />

Körper - haben?<br />

Noten rufen stures Pauken hervor<br />

Noten reduzieren <strong>an</strong>geeignetes Wissen<br />

und die Fähigkeit, dieses <strong>zu</strong> reproduzieren<br />

- d.h., in irgendeiner Weise<br />

nach<strong>zu</strong>weisen, daß "gelernt" wurde -<br />

<strong>auf</strong> eine Zahl. Die Individualität der<br />

Schülerin oder des Schülers wird unsichtbar.<br />

Dieser Zw<strong>an</strong>g, eine bestimmte<br />

Qualität (das Wissen) <strong>auf</strong> eine Qu<strong>an</strong>tität<br />

(die Note) um<strong>zu</strong>formen, bestimmt<br />

schon die Form der Aneignung des<br />

Wissens und damit auch seine Inhalte.<br />

Wissen wird in Details zerlegt, die<br />

entweder richtig oder falsch sein können,<br />

und nach<br />

dem prozentualen<br />

Gehalt der<br />

richtigen Aussagen<br />

wird in<br />

Tests die Note<br />

gegeben. Sinnvolles<br />

Lernen,<br />

das ein Problem<br />

in seiner Gesamtheit<br />

erfaßt<br />

statt nur immer<br />

einzelne Teilaspekte<br />

<strong>zu</strong> beleuchten<br />

und<br />

Lösungs<strong>an</strong>sätze<br />

erkennbar<br />

macht, wird<br />

diesem Schema<br />

ebenso entzogen<br />

wie vernetztes, abstraktes und<br />

dialektisches Denken. Noten fördern<br />

nicht das Verständnis für den Lerngegenst<strong>an</strong>d,<br />

sondern das Lernen für<br />

das Kurzzeitgedächtnis, weil immer nur<br />

für den nächsten Test oder die nächste<br />

Arbeit gelernt wird. Ziel des Lernens<br />

ist das Erreichen einer möglichst<br />

guten Note, nicht das Er<strong>lernen</strong> von<br />

sinnvollem Wissen oder Techniken. Sei<br />

mal ehrlich: Weißt Du noch was von<br />

dem, das Ihr vor zwei Jahren in Biologie<br />

durchgenommen habt?<br />

Noten verhindern wirkliches Lernen,<br />

das nur in einem <strong>an</strong>gstfreien Klima<br />

möglich ist - durch die Notengebung<br />

wird eine Prüfungssituation geschaffen,<br />

in der eine Streßsituation herrscht<br />

und die Angst vor einer schlechten<br />

Note die Ged<strong>an</strong>ken bestimmt. Noten<br />

bewerten nichts <strong>an</strong>deres als die jeweilige<br />

Tagesform der SchülerInnen (und<br />

wenn die mal fehlt, d<strong>an</strong>n gibt's ja immer<br />

noch Aspirin oder Speed), die Fähigkeit<br />

<strong>zu</strong>m Auswendig<strong>lernen</strong>, die<br />

Streßbelastbarkeit und die Fähigkeit,<br />

Emotionen wie Angst vor der Umgebung<br />

<strong>zu</strong> verstecken und sie <strong>zu</strong> verdrängen.<br />

Gute Noten haben den Effekt, motivierte<br />

SchülerInnen noch stärker <strong>zu</strong><br />

motivieren, aber<br />

schlechte Noten<br />

frustrieren oft unmotivierte<br />

SchülerInnen immer<br />

weiter - für<br />

viele ein Teufelskreis.<br />

Aufgrund ihres<br />

vorgeblich objektivenCharakters<br />

ziehen viele<br />

SchülerInnen aus<br />

den Noten einen<br />

großen Teil ihres<br />

Selbstwertgefühls:<br />

Gute Note - Du<br />

k<strong>an</strong>nst es;<br />

schlechte Note -<br />

Du bist nichts. So<br />

haben also<br />

LehrerInnen nicht nur direkten Zugriff<br />

<strong>auf</strong> die berufliche Zukunft der<br />

SchülerInnen, sondern auch <strong>auf</strong> das<br />

Selbstwertgefühl.<br />

Noten sichern die schulische<br />

Hierarchie ab<br />

Noten werden mitnichten nur für erbrachte<br />

oder nicht erbrachte Leistung<br />

gegeben - Noten sichern die Autorität<br />

der LehrerInnen. Sie sind das wichtigste<br />

Disziplinierungsmittel (neben Verweis<br />

etc.), das häufig gegen kritische<br />

SchülerInnen eingesetzt wird - <strong>zu</strong>min-


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 45<br />

dest haben LehrerInnen immer potentiell<br />

die Möglichkeit da<strong>zu</strong>. Dieses<br />

Machtverhältnis wird häufig durch den<br />

scheinbar objektiven Charakter der<br />

Noten vertuscht, es verliert dadurch<br />

aber keinesfalls seine Wirkung. Noten<br />

sichern die schulische Hierarchie ab.<br />

Gäbe es die Noten nicht, so würdest<br />

Du ein g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>deres Verhältnis <strong>zu</strong> Deinen<br />

LehrerInnen haben - um Deinen<br />

Respekt <strong>zu</strong> verdienen müßten sie<br />

schon fachlich was <strong>auf</strong> dem Kasten<br />

haben, die schlichte Macht über Dich<br />

und Deine Zukunft hätten sie ja nicht<br />

mehr. Eine <strong>an</strong>tiautoritäre, d.h. eine<br />

kritische Dist<strong>an</strong>z <strong>zu</strong> Autoritäten vermittelnde<br />

Erziehung ist mit Noten nicht<br />

möglich.<br />

Noten abschaffen - und was d<strong>an</strong>n?<br />

Kritisiert m<strong>an</strong> Noten, wird einem häufig<br />

die Forderung entgegengehalten,<br />

m<strong>an</strong> sollte doch Alternativen <strong>zu</strong>r Benotung<br />

<strong>auf</strong>zeigen. Noten existieren<br />

aber nicht im luftleeren Raum - durch<br />

sie soll die für unsere gesamte Gesellschaft<br />

elementare Praxis von Leistung<br />

und Zw<strong>an</strong>g unter Konkurrenzdruck in<br />

der Schule verinnerlicht und vermittelt<br />

werden. Die SchülerInnen <strong>lernen</strong><br />

etwas <strong>zu</strong> tun, dessen Sinn sie nicht<br />

einsehen und dessen Inhalt uninteress<strong>an</strong>t<br />

ist. Tätigkeiten sollen auch später<br />

im Beruf nicht mehr hinterfragt<br />

werden. Dieser Mech<strong>an</strong>ismus dient<br />

da<strong>zu</strong>, bestehende Herrschaftsverhältnisse<br />

<strong>zu</strong> erhalten und Kritik dar<strong>an</strong><br />

<strong>zu</strong> verhindern. Durch Noten wird<br />

massiv Auslese betrieben. Als "leistungsschwach"<br />

werden in der Schule<br />

diejenigen eingestuft, deren persönliche<br />

Vorausset<strong>zu</strong>ngen dem reibungslosen<br />

Funktionieren der Gesellschaft<br />

entgegenstehen. Es ist eben doch so -<br />

nicht für die Schule, für das Leben <strong>lernen</strong><br />

wir.<br />

Noten - egal, ob in Form von Zahlen<br />

oder "Worturteilen" - als notwendig <strong>zu</strong><br />

bezeichnen, heißt, Leistungsdruck,<br />

Konkurrenz und Ausbeutung als gottgegeben<br />

<strong>zu</strong> akzeptieren und <strong>zu</strong> unter-<br />

stützen.<br />

Dabei ist Lernen auch <strong>an</strong>ders möglich!<br />

Natürlich nicht innerhalb der bestehenden<br />

(gesellschaftlichen und schulischen)<br />

Strukturen - deshalb heiß Noten<br />

abschaffen: Gesellschaft verändern.<br />

Inhalte und Form des Unterrichts müssen<br />

geändert werden, damit selbstbestimmtes<br />

Lernen - ohne Notendruck<br />

- möglich wird. Es k<strong>an</strong>n keine Form von<br />

"demokratischen" Noten geben, z.B.<br />

als in Gruppendiskussion entwickelte<br />

ausformulierte Bewertungen, wie es<br />

einige AlternativpädagogInnen vorschlagen.<br />

Zw<strong>an</strong>g bleibt Zw<strong>an</strong>g, gleichgültig,<br />

wer ihn ausübt und wie er verschleiert<br />

wird.<br />

Vielleicht kommen Dir diese Worte jetzt<br />

etwas hart vor - weil eben Schule tatsächlich<br />

noch m<strong>an</strong>chmal Spaß macht.<br />

Wenn dem so ist, d<strong>an</strong>n aber nicht wegen,<br />

sondern trotz der Noten. Gäbe es<br />

nur das Schlechte <strong>an</strong> der Schule, gäbe<br />

es nicht noch ein paar idealistische<br />

LehrerInnen, die mal einen Film gukken<br />

oder mit der Klasse einen Spazierg<strong>an</strong>g<br />

machen etc., so gäbe es nicht<br />

nur weit mehr AlkoholikerInnen unter<br />

den SchülerInnen, sondern auch würde<br />

die Schule ob ihrer Unerträglichkeit<br />

schlichtweg <strong>zu</strong>sammenbrechen. Und<br />

Du hättest ein paar Sorgenfalten mehr<br />

im Gesicht - deshalb machen Noten<br />

häßlich.<br />

D<strong>an</strong>iel Loick


46 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

Religionsunterricht abschaffen !<br />

Religionsunterricht ist das einzige Fach,<br />

in dem die Einseitigkeit der Lehrperson<br />

und die aktive Meinungsbeeinflussung<br />

der SchülerInnen nicht ein unerwünschtes<br />

Problem, sondern Konzept ist. Religionsunterricht<br />

dient der Missionierung.<br />

Das ist so im Grundgesetz und der daraus<br />

folgenden Gesetzgebung und<br />

Rechtsprechung klar geregelt. Schließlich<br />

fühlt sich der Staat dem Konkordat<br />

von 1933, das zwischen Vatik<strong>an</strong> und<br />

dem nationalsozialistischen Deutschl<strong>an</strong>d<br />

geschlossen wurde, verpflichtet. Religionsunterricht<br />

ist vollständig staatlich fin<strong>an</strong>ziert,<br />

doch die Inhalte und<br />

LehrerInnen bestimmen weitgehend die<br />

jeweiligen Großkirchen. Diese einseitige<br />

Bevor<strong>zu</strong>gung zweier gesellschaftlicher<br />

Kräfte in einem L<strong>an</strong>d<br />

k<strong>an</strong>n für <strong>auf</strong>geklärt <strong>denken</strong>de<br />

Menschen nicht akzeptabel<br />

sein.<br />

Die faktischen<br />

Einflussmöglichkeiten von<br />

ReligionslehrerInnen <strong>auf</strong><br />

SchülerInnen sind beschränkt.<br />

Vorh<strong>an</strong>den sind sie dennoch.<br />

Das finden viele halb so wild -<br />

schließlich können<br />

SchülerInnen (ab 14 Jahren)<br />

den Reli-Unterricht abwählen<br />

- <strong>zu</strong>mindest <strong>auf</strong> dem Papier. In der Praxis<br />

sieht es aber so aus, dass viele von<br />

der Reli-Abwahl absehen, weil ihnen die<br />

Eltern Streß machen, oder weil sie es<br />

sich nicht mit Reli-LehrerInnnen verderben<br />

wollen, die gleichzeitig noch ein <strong>an</strong>deres<br />

besonders wichtiges Fach unterrichten.<br />

Wesentlich übler sieht es für die aus,<br />

die später im Sozialbereich beruflich unterkommen<br />

möchten. Die Kirchen, Adenauers<br />

“Subsidaritätsprinzip” sei D<strong>an</strong>k,<br />

sind hier federführend. Auch wenn z.<br />

B. kirchliche Kr<strong>an</strong>kenhäuser oder Altenheime<br />

<strong>zu</strong> 100 Prozent öffentlich fin<strong>an</strong>ziert<br />

werden, hat die Kirche hier das<br />

alleinige Sagen. “Aha, mit 14 direkt den<br />

Religionsunterricht abgewählt und auch<br />

noch aus der Kirche ausgetreten? - Und<br />

da wollen Sie einE guteR<br />

Kr<strong>an</strong>kenpflegerln sein? Nee, ne, Gott be-<br />

wahre, Sie soll der Teufel holen...”<br />

Nichtsdestotrotz genießt Religionsunterricht<br />

eine gewisse Beliebtheit unter SchülerInnen.<br />

M<strong>an</strong>che nehmen gerne die guten Reli-Noten<br />

mit. Und nicht <strong>zu</strong>letzt gestalten viele engagierte<br />

Religionslehrerlnnen ihren Unterricht<br />

plural und interess<strong>an</strong>t. Knallharte Missionierung<br />

findet mensch fast nur noch im<br />

Grundschulbereich. Dass dies so ist, liegt<br />

nicht dar<strong>an</strong>, dass die Kirche ihr Privileg nicht<br />

wahrnehmen will, das sie so bevor<strong>zu</strong>gt. Es<br />

ist simpler Selbstschutz. Nur sol<strong>an</strong>ge der Reli-<br />

Unterricht ,,total harmlos“ oder ,,g<strong>an</strong>z interess<strong>an</strong>t”<br />

ist, k<strong>an</strong>n dieses Privileg gesellschaftlich<br />

gerechtfertigt und die Abmeldezahlen<br />

gering gehalten werden.<br />

Trotzdem ist die Zahl der Religionsunterrichts-VerweigerInnen<br />

ständig gestiegen.<br />

Deshalb gibt es in den meisten Bundesländern<br />

einen zw<strong>an</strong>gsweisen und<br />

l<strong>an</strong>gweiligen Ersat<strong>zu</strong>nterricht. Auch<br />

in NRW wird jetzt das Fach „praktische<br />

Philosophie“ als Strafmaßnahme<br />

für all diejenigen eingeführt, die<br />

nicht am Reli-Unterricht teilnehmen<br />

wollen.<br />

Bei der Kritik des Religionsunterrichtes<br />

darf eins nicht vergessen<br />

werden: Es geht dabei aber nicht<br />

nur um die Vermittlung christlicher<br />

Ideologie. Konfessioneller Religionsunterricht<br />

hat noch eine g<strong>an</strong>z <strong>an</strong>dere Funktion:<br />

Er grenzt aus. Es wirkt eher amüs<strong>an</strong>t,<br />

dass KatholikInnen und Protest<strong>an</strong>tInnen ausein<strong>an</strong>der<br />

dividiert werden. Doch gibt es ja<br />

noch eine große Gruppe, die sowohl vom katholischen<br />

als auch vom ev<strong>an</strong>gelischen Unterricht<br />

ausgegrenzt wird: junge TürkInnen<br />

muslimischen Glaubens. Mit dem Religionsunterricht<br />

wird in der Schule also ein<br />

“türkInnenfreier Raum” geschaffen. Hier wird<br />

faktisch Rassismus betrieben, hier wird das<br />

umgesetzt, was Altk<strong>an</strong>zler Kohl meinte, wenn<br />

er sagte: “Türkinnen und Türken gehören<br />

nicht <strong>zu</strong>m abendländischen Kulturkreis.”<br />

Martin Budich


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 47<br />

Der verbotene Blick über den<br />

Tellerr<strong>an</strong>d<br />

“Die SV k<strong>an</strong>n im Rahmen des Auftrags der Schule<br />

schulpolitische, d.h. solche Bel<strong>an</strong>ge wahrnehmen,<br />

die die Schüler in ihrer durch den Besuch<br />

einer Schule und die Ausbildung gekennzeichneten<br />

spezifischen Situation unter Berücksichtigung<br />

des bildungspolitischen Gesamt<strong>zu</strong>sammenh<strong>an</strong>gs<br />

betreffen. ... Ein allgemeinpolitisches<br />

M<strong>an</strong>dat steht Schülervertretern und Schülervertretungen<br />

nicht <strong>zu</strong>.”<br />

So steht es im SV-Erlass des Kulusministeriums.<br />

Dieser Passus besagt also, dass SVen sich nur<br />

<strong>zu</strong> schulpolitischen bzw. schulspezifischen Problemen<br />

äußern dürfen, es sei denn, “die Schule”<br />

gibt ihnen den Auftrag, d.h. die Erlaubnis,<br />

die Schule im Zusammenh<strong>an</strong>g mit<br />

dem Rest der Welt <strong>zu</strong> sehen. Den Rest<br />

der Welt ohne direkten Schulbe<strong>zu</strong>g<br />

dürfen SchülerInnen-Vertretungen<br />

nicht beurteilen.<br />

Bis heute hat die Verwehrung des allgemeinpolitischen<br />

M<strong>an</strong>dates, also die<br />

Möglichkeit, sich <strong>zu</strong> allen gesellschaftlichen<br />

Themen äußern <strong>zu</strong> dürfen (und<br />

nicht nur <strong>zu</strong> schulpolitischen) eine<br />

Kontrollfunktion über SVen.<br />

Schulleitungen können SVen, die politische<br />

Positionen vertreten, die ihnen<br />

nicht in den Kram passen, einfach<br />

verbieten, z.B. ein Soli-Konzert<br />

für bei Atomtr<strong>an</strong>sporten verhaftete<br />

Menschen <strong>zu</strong> pl<strong>an</strong>en. Die SV ist also<br />

von der Schulleitung jedes Mal abhängig,<br />

wenn sie <strong>an</strong>dere Sachen macht,<br />

als <strong>an</strong> der Schulhofgestaltung oder<br />

der Pl<strong>an</strong>ung von Schulfesten mit<strong>zu</strong>wirken.<br />

Streng genommen dürfte eine<br />

SV noch einmal einen Antifa-Arbeitskreis gründen.<br />

Denn was hat Antifaschismus schon direkt<br />

mit Schule <strong>zu</strong> tun?<br />

Die Trennung zwischen allgemeinpolitischem<br />

und bildungspolitischem M<strong>an</strong>dat ist bewusst eingeführt<br />

worden. In den 70er Jahren schlossen<br />

sich viele SchülerInnen, denen die noch geringen<br />

Mitspracherechte der Schülermitverwaltung<br />

nicht ausreichten, außerschulischen<br />

SchülerInnengruppen <strong>an</strong>. Diese SchülerInnengruppen<br />

kritisierten nicht nur die Schule, son-<br />

dern stellten beim Blick über<br />

den Tellerr<strong>an</strong>d fest, dass der<br />

Rest der Welt auch nicht besser<br />

war. Sie schlossen sich<br />

den rebellierenden Studierenden<br />

<strong>an</strong> und kritisierten Schule<br />

im Zusammenh<strong>an</strong>g mit der<br />

Gesellschaft, in der sie lehrt.<br />

Als diese drohten, <strong>zu</strong> kritisch<br />

<strong>zu</strong> werden oder den Schulleitungen<br />

arg unliebsame Po-<br />

sitionen <strong>zu</strong> vertreten wurde es<br />

für die VertreterInnen der<br />

herrschenden Ordnung gefährlich.<br />

Sie ben<strong>an</strong>nten die<br />

SMV in SV um und stattete sie<br />

mit den Rechten aus, die SVen<br />

heute haben. Ein Großteil der<br />

außerschulischen<br />

SchülerInnenaktivistInnen<br />

versuchten nun, innerhalb der<br />

ihnen <strong>zu</strong>gest<strong>an</strong>denen Rechte


48 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

das beste draus <strong>zu</strong> machen - und verloren <strong>an</strong> Radikalität.<br />

Die kleine Gruppe SchülerInnen, die die SV-Erlasse<br />

für immer noch nicht ausreichend hielten, konnten<br />

getrost über<strong>hört</strong> werden. Sie waren nun nicht mehr<br />

so viel und deswegen nicht mehr gefährlich.<br />

Kritische SV-Arbeit ist seitdem schwieriger geworden.<br />

Wie soll SV-Arbeit auch kritisch sein, wenn mensch<br />

sich zwar beschweren darf, dass ein Lehrer Schülerinnen<br />

<strong>an</strong>macht ohne dabei patriachale Strukturen in dem<br />

Rest der Welt <strong>zu</strong> thematisieren? Wieso soll eine SV<br />

Demokratie-Defizite <strong>an</strong> der Schule (der Direx wird nicht<br />

gewählt, kein Stimmrecht in Fachkonferenzen, nur 1/<br />

6 bis ¼ der Stimmen in der Schulkonferenz ...) <strong>an</strong>pr<strong>an</strong>gern<br />

aber sich nicht für eine demokratischere Gesellschaft<br />

einsetzen dürfen (Wahlrecht für<br />

Migr<strong>an</strong>tInnen, Demokratisierung der Wirtschaft)? Wie<br />

soll eine SV eine Projektwoche gegen Rassismus <strong>an</strong><br />

der Schule machen ohne sich mit staatlichem Rassismus<br />

ausein<strong>an</strong>der<strong>zu</strong>setzen?<br />

Schule existiert nicht im luftleeren Raum. Sie produziert<br />

und reproduziert gesellschaftliche Widersprüche.<br />

Deswegen ist SchülerInnenpolitik ist nicht nur Schulpolitik<br />

- schließlich sind SchülerInnen ja auch nicht<br />

nur von schulpolitischen Entscheidungen betroffen: Jugendarbeitslosigkeit,<br />

Abschiebung, Rassismus, Gewalt<br />

gegen Homosexuelle, Sexismus, Armut, Umweltpolitik<br />

usw. sind Bereiche, die SchülerInnenr betreffen<br />

und <strong>zu</strong> denen sie sich deswegen auch äußern dürfen<br />

müssen!<br />

Sicherlich k<strong>an</strong>n mensch <strong>zu</strong> vielen Themen - gerade<br />

weil Schule ja Spiegelbild der Gesellschaft ist, <strong>auf</strong> die<br />

sie vorbereitet - irgendwie einen Zusammenh<strong>an</strong>g herstellen.<br />

Aber die Zeit, die sich eine SV dafür nimmt,<br />

möglichst unverfängliche Formulierungen für ihre coolen<br />

Aktionen <strong>zu</strong> überlegen, k<strong>an</strong>n sie nicht mehr nutzen,<br />

um <strong>an</strong> dem coolen Projekt weiter<strong>zu</strong>machen.<br />

Sarah Dellm<strong>an</strong>n


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 49<br />

Gymnasium ist asozial!<br />

Für die integrierte Gesamtschule als einzige Regelschule<br />

Um <strong>zu</strong> erläutern, warum die Integrierte<br />

Gesamtschule besser als das<br />

dreigliedrige Schulsystem ist, muss<br />

mensch erst einmal die Fehler und<br />

Mängel des herkömmlichen Schulsystems<br />

erkennen.<br />

Eines der <strong>auf</strong>fälligsten M<strong>an</strong>kos unseres<br />

Systems ist wohl die frühe Differenzierung<br />

<strong>auf</strong> die weiterführenden<br />

Schulen. Die allermeisten ExpertInnen<br />

sind der Meinung, dass nach vier<br />

Grundschuljahren keine Voraussagen<br />

über die <strong>zu</strong>künftige Entwicklung von<br />

SchülerInnen gemacht werden können.<br />

Die meisten <strong>an</strong>deren Industrienationen<br />

haben daraus die Konsequenz<br />

gezogen und verteilen die<br />

SchülerInnen erst nach sechs, acht<br />

oder noch mehr Jahren gemeinsamer<br />

Schulzeit <strong>auf</strong> die unterschiedlichen weiterführenden<br />

Schulen. Gute Beispiele<br />

hierfür sind Amerika, Jap<strong>an</strong>, Fr<strong>an</strong>kreich,<br />

Großbrit<strong>an</strong>nien und Italien.<br />

Doch sogar in diesen Ländern sind die<br />

Empfehlungen für die weiterführenden<br />

Schulen immer ungenau und höchst<br />

unsicher. In den Bundesländern der<br />

ehem. DDR <strong>zu</strong>m Beispiel, wo erst nach<br />

sechs Grundschuljahren differenziert<br />

wird, schaffen bis <strong>zu</strong> 73 % der nichtempfohlenen<br />

RealschülerInnen und bis<br />

<strong>zu</strong> 83 % (!!!) der nicht-empfohlenen<br />

GymnasiastInnen die Verset<strong>zu</strong>ng in die<br />

achte Klasse ohne Probleme.<br />

Die Einstufung in die Schultypen<br />

Ein zweites großes Problem ist die Einstufung<br />

der SchülerInnen in die drei<br />

Schultypen. Jede dieser drei Formen<br />

verl<strong>an</strong>gt nach einer/m „typischen<br />

SchülerIn“. Der Hauptschultyp soll in<br />

allen Fächern unterdurchschnittlich begabt,<br />

dafür aber praktisch ver<strong>an</strong>lagt<br />

sein. Der Realschultyp muss wohl all-<br />

gemein durchschnittlich begabt und<br />

technisch oder k<strong>auf</strong>männisch interessiert<br />

sein. Der Gymnasialtyp dagegen<br />

ist der absolute Überflieger in theoretischen<br />

Dingen, aber praktisch eine<br />

Null. JedeR von uns weiß, dass diese<br />

Vereinfachung der verschiedenen Persönlichkeiten<br />

absoluter Quatsch ist.<br />

Alle haben ihre Stärken und Schwächen<br />

in verschiedenen Fächern und<br />

keineR, der sein/ihr Mofa reparieren<br />

k<strong>an</strong>n, ist gleichzeitig eine Niete in<br />

Mathe und umgekehrt.<br />

All dies zeigt, dass Prognosen über die<br />

Eignung oder Nichteignung eines/r<br />

SchülerIn für diese oder jene Schule<br />

so sicher sind wie die Wettervorhersage<br />

für übernächste Woche.<br />

Sitzenbleiben ist sinnlos!<br />

Das nächste Problem liegt im<br />

dreigliedrigem System selbst. Alle wissen:<br />

Wer am Ende des Schuljahres<br />

zwei Fünfen hat, bleibt sitzen. Wer öfter<br />

mal sitzenbleibt, muss die Schule<br />

wechseln. Es klingt sehr simpel, doch<br />

diese Fakten beinhalten die Gründe für<br />

die unzähligen Geschichten der<br />

SchülerInnen über ihre Angst vor Klassenarbeiten<br />

und der Schule. Und außerdem<br />

- ist es notwendig, ein komplettes<br />

Jahr <strong>zu</strong> wiederholen nur weil<br />

mensch in zwei Fächern den Anforderungen<br />

nicht entsprochen hat? Die allermeisten<br />

von uns werden diese Frage<br />

wohl mit überzeugtem ,,Nein“ be<strong>an</strong>tworten<br />

können. Somit wäre die<br />

Sinnlosigkeit des Sitzenbleibens pädagogisch,<br />

bildungsökonomisch, psychologisch<br />

und volkswirtschaftlich<br />

deutlich bestätigt.


50 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

„Ch<strong>an</strong>cengleicheit heißt nicht,<br />

dass die Ch<strong>an</strong>cen für Reiche gleich<br />

gut und die für Arme gleich<br />

schlecht bleiben!“<br />

Hin<strong>zu</strong> kommt das Ungleichgewicht der<br />

sozialen Schichten in den einzelnen<br />

Schultypen. Einige Zahlen: Kinder aus<br />

Arbeiterfamilien besuchen <strong>zu</strong> fast 60%<br />

die Hauptschule, aber nur <strong>zu</strong> 10% ein<br />

Gymnasium. Kinder aus Beamtenoder<br />

Angestelltenfamilien besuchen <strong>zu</strong><br />

etwa 50% ein Gymnasium aber nur <strong>zu</strong><br />

ca. 18.% die Hauptschule. Erstaunlich,<br />

nicht wahr?!? Doch natürlich ist weder<br />

der Bildungsst<strong>an</strong>d der Eltern noch<br />

die soziale Schicht, in der mensch <strong>auf</strong>wächst<br />

entscheidend für seine/ihre<br />

Neigung und Interessen. Das zeigt uns,<br />

dass die Schulwahl nicht von Fähigkeiten<br />

und Neigungen, sondern von der<br />

Zugehörigkeit <strong>zu</strong> einer sozialen Schicht<br />

abhängig ist. Größere soziale Ungerechtigkeit<br />

ist kaum möglich. Außerdem<br />

k<strong>an</strong>n es so niemals <strong>zu</strong> sozialem<br />

Verständnis führen,<br />

denn HauptschülerInnen<br />

genauso wie<br />

Gymnasiastlnnen sind<br />

nur mit ihresgleichen<br />

<strong>zu</strong>sammen.<br />

Ch<strong>an</strong>cengleichheit !?<br />

In den 1960er Jahren<br />

wurde im Zuge der<br />

SchülerInnenbewegung<br />

und der Studierendenrevolte<br />

und der Forderung<br />

nach Bildung für<br />

alle mehrere Reformen<br />

beschlossen. Idee war,<br />

dass es eine Ch<strong>an</strong>cengleichheit<br />

für alle Schülerinnen und<br />

Schüler geben sollte, egal aus welcher<br />

sozialen Schicht m<strong>an</strong> herkam. So wurde<br />

z.B. das Bundes-Ausbildungs-<br />

Förderungs-Gesetz (BAFöG) verabschiedet,<br />

dass Studierenden, deren<br />

Eltern sich nicht das Studium ihrer Kinder<br />

leisten konnten, be<strong>an</strong>tragen konnten.<br />

Eine weitere Maßnahme <strong>zu</strong>r Verwirklichung<br />

der Ch<strong>an</strong>cengleichheit war<br />

die Einführung der Gesamtschule. Sie<br />

sollte die bestmögliche Förderung aller<br />

Schüler und Schülerinnen unabhängig<br />

von ihrer sozialen Herkunft sichern,<br />

Menschen mit Behinderung in eine<br />

„normale“ Schule gehen lassen und das<br />

Verständnis der verschiedenen sozialen<br />

Schichten und Kulturen fürein<strong>an</strong>der<br />

fördern.<br />

Von Ch<strong>an</strong>cengleichheit k<strong>an</strong>n im mehrgliedrigen<br />

Schulsystem keine Rede<br />

sein. Bereits nach der vierten Klasse<br />

wird entschieden, wer später die Ch<strong>an</strong>ce<br />

(keineswegs die Sicherheit!) hat,<br />

einen höher qualifizierten Beruf <strong>zu</strong> ergreifen<br />

und wer nicht. Das mehrgliedrige<br />

Schulsystem sichert Bildungsprivilegien<br />

für wenige - während die Elite<br />

das Gymnasium besucht, dürfen<br />

Real-, Haupt- und Sonderschule die<br />

„gescheiterten“ SchülerInnen einsammeln.<br />

Die brutale Aufgabe vor<strong>zu</strong>sortieren,<br />

wer später StraßenkehrerIn<br />

und wer M<strong>an</strong>agerIn wird, erfüllt die<br />

Schule ziemlich gut – und wenn <strong>zu</strong> viele<br />

das Abi machen und studieren wollen,<br />

wie derzeit, d<strong>an</strong>n schafft der Staat<br />

einfach mal eben das 13. Schuljahr ab<br />

oder verzinst das BAFÖG und verschärft<br />

so die Selektion.


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 51<br />

Die Idee der Integrierten Gesamtschule<br />

(IGS)<br />

Die Gesamtschule ist ein Schulsystem,<br />

in dem die Aufteilung nach der vierten<br />

Klasse nicht mehr existiert und alle<br />

SchülerInnen dieselbe Schulform besuchen.<br />

Somit wird der Idee, Ch<strong>an</strong>cengleichheit<br />

für alle <strong>zu</strong> gewährleisten, ein<br />

wenig nähergekommen.<br />

Das erste Hauptmerkmal der IGS ist<br />

der Kernunterricht. Kernunterricht ist<br />

der Unterricht der allen SchülerInnen<br />

<strong>zu</strong>sammen gegeben wird. Er soll den<br />

Aufbau von Freundschaften und der<br />

Klassengemeinschaft fördern und das<br />

Verständnis der Kinder aus verschiedenen<br />

sozialen Schichten fürein<strong>an</strong>der<br />

stärken. Wie viele und welche Fächer<br />

in jeder Stufe im Kernunterricht gegeben<br />

werden, ist von Schule <strong>zu</strong> Schule<br />

verschieden. Bis <strong>zu</strong>r 10 können z.B.<br />

Gesellschaftslehre, Kunst, Musik und<br />

Sport gemeinsam unterrichtet werden.<br />

Kursunterricht nennt mensch das<br />

nächste wichtige Merkmal der IGS. Es<br />

bedeutet, dass einige Fächer (z.B. Englisch<br />

und Mathe) mit verschiedenen<br />

Leistungs<strong>an</strong>sprüchen unterrichtet werden.<br />

Die leistungsstärkeren<br />

SchülerInnen besuchen die<br />

E(rweiterungs)-Kurse, die Leistungsschwächeren<br />

die G(rund)-Kurse. Das<br />

sorgt dafür, dass alle Schülerinnen ihren<br />

Fähigkeiten entsprechen gefördert<br />

werden können. So k<strong>an</strong>n eine Schülerin,<br />

die ihre Stärken in Mathe, ihre<br />

Schwächen in Deutsch und Englisch<br />

hat, ohne sitzen<strong>zu</strong>bleiben gefördert<br />

werden.<br />

Die Aufteilung heißt Differenzierung.<br />

Dabei muss mensch zwischen innerer<br />

und äußerer Differenzierung sowie<br />

Leistungs- und Neigungsdifferenzierung<br />

unterscheiden.<br />

Äußere Differenzierung ist das Aufteilen<br />

der SchülerInnen in verschieden<br />

<strong>an</strong>spruchsvolle Kurse, wie oben dargestellt.<br />

Innere Differenzierung bedeutet,<br />

dass nicht alle einer Klasse <strong>zu</strong>r gleichen<br />

Zeit das Gleiche <strong>lernen</strong> müssen.<br />

Die Klasse k<strong>an</strong>n in verschiedene Lern-<br />

gruppen <strong>auf</strong>geteilt werden, die verschiedene<br />

Aspekte eines Themas bearbeiten.<br />

Oft sind die Gruppen mit<br />

TeilnehmerInnen verschiedener Leistung,<br />

Herkunft und Interesse <strong>zu</strong>sammengesetzt<br />

und können sich so gegenseitig<br />

ergänzen und unterstützen.<br />

Häufig gibt es auch Lernkarteien, in denen<br />

z.B. Aufgaben gestellt werden, die<br />

alleine bearbeitet und kontrolliert werden<br />

können. Es k<strong>an</strong>n Zeit in den einzelnen<br />

Fächern für solche Freiarbeit bereitgestellt<br />

werden oder extra Stunden<br />

dafür eingepl<strong>an</strong>t werden, in denen die<br />

SchülerInnen nach einem selbst<strong>an</strong>gefertigten<br />

Wochenpl<strong>an</strong> frei arbeiten.<br />

So können Lücken<br />

ausgeglichen werden<br />

und Probleme<br />

mit dem Stoff mit<br />

Hilfe des/r Lehrers/in<br />

gelöst werden.Leistungsdifferenzierung<br />

ist<br />

das selbe wie äußere<br />

Differenzierung (s.o.).<br />

Neigungsdifferenzierung ist die Aufteilung<br />

der Schülerinnen nach ihren Interessen.<br />

Das ist auch schon in allen<br />

<strong>an</strong>deren Schulformen durchgesetztes<br />

Prinzip.<br />

Mensch k<strong>an</strong>n also nach der 6. und der<br />

8. Klasse wählen, welches <strong>zu</strong>sätzliche<br />

Fach er/sie noch <strong>lernen</strong> möchte. Dies<br />

nennt mensch d<strong>an</strong>n Wahlpflichtunterricht<br />

(WP). Fächer, die mensch<br />

häufig wählen k<strong>an</strong>n, sind z.B. 2. oder<br />

3. Fremdsprache, Technik, Arbeitslehre,<br />

Naturwissenschaften u.ä.. Das<br />

vierte Hauptmerkmal ist der Wahlunterricht.<br />

Dies sind Angebote <strong>an</strong> die<br />

Schülerinnen, <strong>auf</strong> die sie freiwillig eingehen<br />

können. Die Vielfalt dieser Angebote<br />

ist von Schule <strong>zu</strong> Schule verschieden<br />

und reicht im allgemeinen<br />

von Schulbücherei über verschiedenste<br />

Sportarten bis <strong>zu</strong> Bastel- und<br />

H<strong>an</strong>dwerkskursen. Dieses ermöglicht<br />

den SchülerInnen, neue Fertigkeiten <strong>zu</strong><br />

erwerben und mit SchülerInnen der<br />

g<strong>an</strong>zen Schule zw<strong>an</strong>glos <strong>zu</strong>sammen-


52 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

<strong>zu</strong>kommen. Wahlunterreicht oder<br />

Arbeitsgemeinschaften werden nicht<br />

benotet!<br />

Das fünfte und letzte Hauptmerkmal<br />

ist der G<strong>an</strong>ztagsbetrieb. Auch hier<br />

sind Dauer und Verpflichtung in jeder<br />

Schule <strong>an</strong>ders. Die G<strong>an</strong>ztagsschule<br />

geht <strong>auf</strong> die veränderten Lebensbedingungen<br />

der SchülerInnen<br />

ein und ermöglicht warmes, geregeltes<br />

Mittagessen in der Mensa,<br />

Haus<strong>auf</strong>gabenhilfe und sinnvolle<br />

Freizeitbeschäftigung in den Arbeitsgruppen<br />

für alle SchülerInnen.<br />

Konservative Einwände<br />

Dem Einw<strong>an</strong>d, dass die Gesamtschule<br />

Gleichmacherei betreibe, die<br />

Schwächeren mitgezogen und die<br />

Stärkeren gel<strong>an</strong>gweilt würden, liegt<br />

eine recht konservative Auffassung<br />

des Begriffs „Leistung“ <strong>zu</strong>grunde.<br />

Natürlich gibt es Menschen, die den<br />

Anforderungen, die die Schule <strong>an</strong> die<br />

Menschen stellt, besser gerecht werden<br />

als <strong>an</strong>dere. Doch Menschen haben<br />

Stärken und Schwächen - während<br />

die eine ihr Mofa reparieren<br />

k<strong>an</strong>n, k<strong>an</strong>n der <strong>an</strong>dere besser t<strong>an</strong>zen.<br />

Warum sollen diese Menschen<br />

sich nicht gegenseitig bei ihren<br />

Schwierigkeiten helfen? Das<br />

dreigliedrige Schulsystem setzt Menschen<br />

voraus, die im stetigen Konkurrenzkampf<br />

ihren Ellenbogen einsetzen<br />

müssen. Dies widerspricht<br />

einem Bild von solidarischem Lernen<br />

und Leben.<br />

Deshalb ist Gesamtschule gerade<br />

keine Gleichmacherei. Nur die Gesamtschule<br />

k<strong>an</strong>n den/die EinzelneN<br />

mit ihren/seinen individuellen Fähigkeiten<br />

und Bedürfnissen fördern.<br />

Dabei setzt sie einen Lernbegriff voraus,<br />

bei dem sich Menschen gegenseitig<br />

helfen und unterstützen, statt<br />

gegenein<strong>an</strong>der um Punkte und Noten<br />

<strong>zu</strong> ringen.<br />

M<strong>an</strong>che Leute behaupten, dass mit<br />

der Gesamtschule ein Niveauverlust<br />

drohe, weil alle das Abi bekämen<br />

und es d<strong>an</strong>n mit dem St<strong>an</strong>dort bergab<br />

ginge. Dieses Argument ordnet Bildung<br />

einzig und allein der wirtschaftlichen Verwertbarkeit<br />

unter. Unser Verständnis von<br />

Bildung jedoch ist es, dass der Staat Bildung<br />

für die BürgerInnen <strong>zu</strong> gewährleisten<br />

hat - g<strong>an</strong>z egal, was sie später damit<br />

<strong>an</strong>f<strong>an</strong>gen können und wollen. Bildung<br />

und Wirtschaft müssen grundsätzlich<br />

den Bedürfnissen, Interessen, Neigungen<br />

und Anforderungen der Menschen<br />

genügen, nicht umgekehrt! Deshalb<br />

ist es auch egal, wenn g<strong>an</strong>z viele<br />

Leute studieren und Abi machen.<br />

Probleme<br />

Viele der <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gs gen<strong>an</strong>nten Probleme<br />

des dreigliedrigen Schulsystems können<br />

durch die IGS gelöst werden. Trotzdem<br />

ist die Integrierte Gesamtschule natürlich<br />

nicht der Weisheit letzter Schluss,<br />

denn auch in ihr existieren noch Frontalunterricht,<br />

Noten, die Autorität der<br />

LehrerInnen usw.<br />

Die größte Macke des IGS ist ihre Koexistenz<br />

neben dem dreigliedrigen System.<br />

Der Sinn der Gesamtschule, eine<br />

Schule für alle und damit eine grundlegende<br />

Ch<strong>an</strong>cengleichheit <strong>zu</strong> schaffen,<br />

wird so völlig ausgehöhlt: Eltern, die für<br />

ihr Kind eine bessere Bildung wollen,<br />

schicken ihr Kind natürlich <strong>auf</strong> eine Privatschule<br />

oder <strong>auf</strong> das Gymnasium. So<br />

wird die Idee des solidarischen Lernens,<br />

bei dem schwächere von stärkeren<br />

SchülerInnen profitieren, unmöglich gemacht.<br />

Deswegen fordern wir die Integrierte<br />

Gesamtschule als einzige Regelschule.<br />

Viele GegnerInnen der Integrierten Gesamtschule<br />

wenden ein, dass es „da so<br />

viel Gewalt gibt“. Statistisch gesehen<br />

mag das sogar stimmen. Doch die Gewalt<br />

<strong>an</strong> Gesamtschulen wird <strong>zu</strong>m groben<br />

Teil erst durch das mehrgliedrige<br />

Schulsystem erzeugt: Durch das Nebenein<strong>an</strong>der<br />

von Gymnasium und Gesamtschule<br />

werden Kinder aus „sozialen<br />

Brennpunkten“ <strong>auf</strong> die Gesamtschule abgeschoben.<br />

Diese k<strong>an</strong>n deshalb ihre<br />

Integrationsfunktion nicht in <strong>an</strong>gemes-


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 53<br />

sener Weise erfüllen.<br />

Klar: Wo<br />

es keine<br />

Migr<strong>an</strong>tIn-nen<br />

gibt, gibt es<br />

kaum ein Problem<br />

mit Rassismus,<br />

<strong>auf</strong> reinen<strong>Junge</strong>nschulen<br />

gibt es<br />

kein Problem<br />

mit blöder sexistischerAnmache<br />

und <strong>an</strong><br />

Schulen, die nur<br />

von Millionärskindern<br />

besucht<br />

werden, gibt es<br />

sicherlich kein<br />

Problem mit<br />

Diebstahl. Die<br />

Trennung führt<br />

aber nicht da<strong>zu</strong>,<br />

dass m<strong>an</strong> lernt,<br />

mitein<strong>an</strong>der<br />

um<strong>zu</strong>gehen und<br />

Vorurteile ab<strong>zu</strong>bauen,<br />

eher im<br />

Gegenteil. (Abgesehen<br />

davon<br />

ist Gewalt immer<br />

<strong>an</strong> Schulen<br />

präsent - nur,<br />

von der <strong>an</strong>deren<br />

Seite. SchülerInnenwerden<br />

in Schule<br />

systematisch<br />

getriezt, kaputt<br />

gemacht, geärgert,diszipliniert<br />

und <strong>zu</strong>rechtgestutzt,<br />

durch Noten,<br />

Prüfungen,<br />

LehrerInnen.<br />

Für uns ist auch das m<strong>an</strong>ifeste Gewalt<br />

- nur eben offiziell und g<strong>an</strong>z legal).<br />

Sparmaßnahmen<br />

Seit der Eröffnung der ersten Gesamt-<br />

schulen hat sich die Situation verschlechtert.<br />

Insbesondere in den<br />

1990er Jahren wurden derart massive<br />

Einsparungen im Bildungsbereich<br />

vorgenommen, so dass die grundsätzliche<br />

Idee der IGS mit der Realität<br />

kaum noch ähnlich ist: Durch den<br />

LehrerInnenm<strong>an</strong>gel ist der Nachmittagsunterricht<br />

nicht gedeckt, Wahlunterricht<br />

und Arbeitsgemeinschaften<br />

werden <strong>zu</strong>erst gekürzt, die Stunden,<br />

in denen betreut Haus<strong>auf</strong>gaben gemacht<br />

werden können, fallen weg, das<br />

Mittagessen ist von schlechter Qualität,<br />

personalintensive Konzepte wie die<br />

der Gruppenarbeit oder auch der<br />

Binnendifferenzierung werden <strong>zu</strong>rückgefahren.<br />

In Zeiten des massiven<br />

Sozialabbaus sind halt Schlagworte<br />

wie „Ch<strong>an</strong>cengleichheit“ und „solidarisches<br />

Lernen“ nicht mehr hip.<br />

Nichts desto trotz lohnt es sich für die<br />

Gesamtschule ein<strong>zu</strong>treten: Ist sie doch<br />

die einzige Schulform, die den Anspruch<br />

<strong>auf</strong> Ch<strong>an</strong>cengleichheit und solidarisches<br />

Lernen nicht <strong>auf</strong>gegeben<br />

hat.<br />

Pro Gesamtschule<br />

Die Gesamtschule ist sicherlich nicht<br />

das Nonplusultra. Auch in der Gesamtschule<br />

gibt es noch Noten, gibt es noch<br />

Autorität, Konkurrenz und Leistungsdruck.<br />

Lernen, wie wires uns vorstellen,<br />

ist auch in der Gesamtschule nicht<br />

möglich. Unter den bestehenden<br />

Schulformen jedoch erscheint uns die<br />

Gesamtschule als die<br />

unterstützenswerteste Schulform. Sie<br />

ist zwingende Vorausset<strong>zu</strong>ng für jede<br />

em<strong>an</strong>zipatorische weitergehende Reform.<br />

Deshalb treten wir entschieden<br />

für die Gesamtschule als einzige Regelschule<br />

in NRW und überall ein!<br />

Julia Lünig, Sarah Dellm<strong>an</strong>n


54 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

Die Zukunft besetzen<br />

Tipps und Tricks für SVen<br />

Wenn ihr den Reader bis hierhin gelesen<br />

habt, d<strong>an</strong>n habt ihr vielleicht<br />

selber schon g<strong>an</strong>z viele Ideen gesammelt<br />

und wollt nun endlich etwas<br />

tun um Aufmerksamkeit <strong>zu</strong> erregen<br />

(oder um Spaß dabei <strong>zu</strong> haben<br />

natürlich). In diesem Kapitel<br />

sind deswegen Aktionstipps (und<br />

<strong>an</strong>dere nützliche Hinweise) <strong>auf</strong>gelistet,<br />

ihr könnt so nachlesen<br />

was alles <strong>zu</strong> beachten ist oder ihr<br />

findet vielleicht sogar noch ein<br />

paar neue Ideen. Auch wenn die<br />

g<strong>an</strong>ze Zeit von SVen die Rede ist,<br />

das meiste könnt ihr natürlich<br />

auch außerhalb der SV machen.<br />

Erkundigt euch vor den Aktionen<br />

(vor allem wenn sie außerhalb<br />

der Schule stattfinden) bitte noch<br />

einmal bei eurer Stadt oder Polizei<br />

nach neuen rechtlichen Vorschriften,<br />

die können sich nämlich<br />

immer ändern oder variieren,<br />

wir können daher keinerlei Haftung<br />

für fehlerhafte Aussagen<br />

und daraus folgende Konsequenzen<br />

übernehmen (das <strong>hört</strong> sich<br />

jetzt ziemlich dramatisch <strong>an</strong>, ist<br />

es aber gar nicht).<br />

Jetzt geht`s aber los:<br />

Ausstellung/W<strong>an</strong>dzeitungen:<br />

Wenn ihr ein bestimmtes Thema<br />

ausführlich/ öffentlich darstellen<br />

wollt, könnt ihr das in Form von einer<br />

Ausstellung oder einer themenorientierten<br />

W<strong>an</strong>dzeitung tun.<br />

Rechtlich gesehen ist das nicht besonders<br />

schwierig, ihr legt einfach<br />

ca. 4 Wochen vorher eurer<br />

Schulleitung ein grobes Konzept vor<br />

(in dem ihr Thema, Ort, Dauer, Anzahl<br />

der Stellwände nennt) und ihr<br />

könnt <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gen. Wenn eure<br />

Schulleitung nett ist, geht das meist<br />

auch mit kürzerer Vorl<strong>auf</strong>zeit.<br />

Plakate:<br />

Plakatieren könnt ihr in der Stadt und in<br />

der Schule, in der Schule dürft ihr das<br />

grundsätzlich, soweit <strong>auf</strong> den Plakaten<br />

keine kommerzielle Werbung <strong>zu</strong> finden<br />

ist (wenn ihr nicht wollt, das eure Plakate<br />

von bösartigen LehrerInnen sofort wiederabgerissen<br />

werden,<br />

d a n n<br />

zeigt ihr<br />

sie am<br />

besten<br />

vorher<br />

d e r<br />

Schulleitung).<br />

Wollt ihr<br />

in der<br />

Stadt plakatieren,<br />

müsst ihr<br />

das 4<br />

Tage vorher<br />

beim<br />

O r d -<br />

nungsamt<br />

<strong>an</strong>melden oder nur mit Tesafilm kleben,<br />

weil das leicht wieder <strong>zu</strong> entfernen<br />

ist. Wenn ihr illegal plakatiert (was wir<br />

niemals unterstützen würden) solltet ihr<br />

Stromkästen schonen und über <strong>an</strong>dere<br />

Plakate drüber kleistern, sonst wird es<br />

wegen Sachbeschädigung ziemlich teuer.<br />

SV-Brett:<br />

Als SV habt ihr (nach SV-Erlass §1,9) das<br />

Recht <strong>auf</strong> ein SV-Brett, <strong>an</strong> dem ihr Notizen,<br />

Plakate und Neuigkeiten aller Art<br />

<strong>auf</strong>hängen könnt.<br />

Flugblätter:<br />

Verteilt ihr Zettel in der Schule, müsst<br />

ihr das gleiche beachten wie beim Plakatieren,<br />

in der Stadt könnt ihr sie einfach


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 55<br />

so verteilen. Tipps <strong>zu</strong>m Erstellen von<br />

Flugblättern findet ihr im „Tipps und<br />

Tricks-Reader“ der <strong>JungdemokratInnen</strong>/<strong>Junge</strong><br />

Linke.<br />

Unterschriften sammeln:<br />

Wenn ihr für die Unterschriften durch<br />

die Klassen gehen wollt, meldet es vorher<br />

bei der Schulleitung <strong>an</strong>, damit ihr<br />

erfahrt, in welchen Klassen Arbeiten<br />

geschrieben werden (wenn ihr aus <strong>an</strong>deren<br />

Gründen durch die Klassen geht<br />

ist es auch sinnvoll vorher nach<strong>zu</strong>fragen,<br />

schon allein um eine Antwort für<br />

genervte LehrerInnen <strong>zu</strong> haben, die<br />

nicht wollen, dass ihr heiliger Unterricht<br />

gestört wird).<br />

Konzert:<br />

Wenn ihr <strong>an</strong> eurer Schule ein Konzert<br />

ver<strong>an</strong>stalten wollt, müsst ihr das erst<br />

mal natürlich mit der Schulleitung und<br />

dem/der HausmeisterIn abklären. Meistens<br />

muss das Konzert d<strong>an</strong>n schon<br />

relativ früh enden, weil ihr sonst die<br />

Nachtruhe der NachbarInnen stört (die<br />

sollten sowieso vorher benachrichtigt<br />

werden). Es ist daher meistens nicht<br />

schlecht, in eine öffentliche Einrichtung<br />

aus<strong>zu</strong>weichen (ihr müsst euch da d<strong>an</strong>n<br />

nach den Vorschriften erkundigen).<br />

Grundsätzlich ist es sinnvoll die Kar-<br />

ten nicht teurer als 4,99 DM <strong>zu</strong> machen,<br />

weil ihr sonst theoretisch Abgaben<br />

<strong>an</strong> die Stadt zahlen müsst.<br />

Projekttage/-wochen:<br />

Dafür müsst ihr relativ viel Vorbereitung<br />

einpl<strong>an</strong>en, es ist also sinnvoll<br />

schon ca. 1 Jahr vorher einen Antrag<br />

<strong>an</strong> die Schulkonferenz <strong>zu</strong> stellen ( in<br />

dem Zeitrahmen, Motto, usw. <strong>an</strong>gegeben<br />

sind). Aufgrund des großen<br />

Org<strong>an</strong>isations<strong>auf</strong>w<strong>an</strong>des ist es meistens<br />

g<strong>an</strong>z gut nette LehrerInnen in<br />

die Vorbereitung ein<strong>zu</strong>beziehen (müsst<br />

ihr natürlich nicht tun).<br />

Podiumsdiskussion:<br />

Soll die Podiumsdiskussion in der Schule<br />

stattfinden, müsst ihr vorher einen<br />

Antrag über die Schulleitung <strong>an</strong> die<br />

Stadt <strong>zu</strong>r Raumnut<strong>zu</strong>ng stellen. In öffentlichen<br />

Gebäuden klärt ihr den<br />

rechtlichen Kram am besten mit dem/<br />

der LeiterIn. Es ist wichtig für eine Podiumsdiskussion<br />

eineN gut<br />

vorbereiteteN ModeratorIn <strong>zu</strong> haben<br />

und sich ein Konzept für den Abl<strong>auf</strong><br />

aus<strong>zu</strong><strong>denken</strong>. Die zentralen Fragen<br />

lasst ihr den Podiumsgästen am besten<br />

vorher <strong>zu</strong>kommen.<br />

Infostände:<br />

Wollt ihr <strong>an</strong> eurer<br />

Schule einen Infotisch<br />

<strong>auf</strong>stellen, klärt<br />

ihr das Rechtliche am<br />

besten vorher mit<br />

eurer Schulleitung.<br />

Soll der Infost<strong>an</strong>d in<br />

die Innenstadt,<br />

müsst ihr einen Antrag<br />

<strong>zu</strong>r Sondernut<strong>zu</strong>ng<br />

eines bestimmten<br />

Platzes <strong>an</strong><br />

das Ordnungsamt<br />

stellen. In diesem<br />

Antrag muss der Ort,<br />

die benötigte Fläche, die Zeit und der/<br />

die Ver<strong>an</strong>twortliche bezeichnet sein.


56 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

Sportfest crashen:<br />

Ihr habt euch sicherlich auch schon mal<br />

über dieses ewig nervende Sportfest<br />

geärgert und über die widerliche Präsentation<br />

der Besten, Tollsten, Schnellsten,....<br />

Wenn ihr das diesmal ändern<br />

wollt und in der SV-Kasse etwas Geld<br />

übrig habt, d<strong>an</strong>n könntet ihr ja einfach<br />

mal die „schlechtesten“ 3 Plätze<br />

prämieren. Und wenn die Preise gut<br />

genug sind, könnt ihr ziemlich sicher<br />

sein, dass eure MitschülerInnen feststellen<br />

werden, dass es gar nicht so<br />

einfach ist am l<strong>an</strong>gsamsten die 100m<br />

<strong>zu</strong> bewältigen oder nur 1mm weit <strong>zu</strong><br />

springen.<br />

Noten-Abschaffen-Aktion:<br />

Da bei einer Noten-abschaffen-Aktion<br />

mit Zeugnisverbrennung eine g<strong>an</strong>ze<br />

Reihe von Org<strong>an</strong>isations<strong>auf</strong>gaben <strong>an</strong>fallen,<br />

ist es gut, möglichst l<strong>an</strong>gfristig<br />

<strong>zu</strong> pl<strong>an</strong>en. Als Termin bietet sich logischerweise<br />

der Zeugnistag <strong>an</strong>. Im Vorfeld<br />

ist es sinnvoll, ein Flugblatt <strong>zu</strong><br />

schreiben, das vor möglichst vielen<br />

Schulen in der Umgebung verteilt wird.<br />

Außerdem sollte der Termin samt Ort<br />

und Zeit in vielen Zeitschriften <strong>an</strong>gekündigt<br />

werden. Dies muss frühzeitig<br />

geschehen, da viele Zeitschriften nicht<br />

so häufig erscheinen und daher oft<br />

frühzeitig Redaktionsschluss haben.<br />

Die Zeugnisverbrennung muss d<strong>an</strong>n<br />

mindestens drei Tage vor dem Zeugnistag<br />

als politische Kundgebung (z.B.<br />

gegen Notendruck und<br />

Leistungswahn) <strong>an</strong>gemeldet<br />

werden.<br />

Da es in der Bundesrepublik<br />

verboten ist, offizielle Dokumente<br />

<strong>zu</strong> verbrennen und einige<br />

Leute ihr Zeugnis sicherlich<br />

behalten wollen (Urlaubsgeld<br />

von Oma, <strong>zu</strong>r Bewerbung<br />

für einen Ausbildungsplatz),<br />

ist es sinnvoll, Kopien<br />

(alter) Zeugnisse mit<strong>zu</strong>bringen.<br />

Der Effekt und die symbolische<br />

Wirkung leiden auch<br />

nicht ernsthaft darunter.<br />

Außerdem ist es wichtig vorher den<br />

org<strong>an</strong>isatorischen Kram gründlich <strong>zu</strong><br />

pl<strong>an</strong>en: Wo/Wie werden die Zeugnisse<br />

verbr<strong>an</strong>nt? Wer sagt was da<strong>zu</strong>? Gibt<br />

es einen Infotisch? Werden Plakate gedruckt?<br />

Wer kümmert sich darum, dass<br />

alle notwendigen Materialien da<br />

sind?....<br />

Anti-Noten-Frühstück:<br />

Um in eurer SV oder mit ein paar mehr<br />

Leuten gemütlich inhaltlich <strong>zu</strong> einem<br />

Thema <strong>zu</strong> diskutieren, könnt ihr auch<br />

mal <strong>zu</strong> einem Frühstück einladen. Ihr<br />

könnt d<strong>an</strong>n währenddessen z.B. über<br />

die Unsinnigkeit von Noten diskutieren<br />

und wenn ihr Lust habt, könnt ihr<br />

hinterher noch direkter <strong>an</strong> einem Text<br />

arbeiten. Damit beim Frühstück auch<br />

was inhaltliches rumkommt, ist es<br />

wichtig das gut vor<strong>zu</strong>bereiten und nicht<br />

zwischendurch <strong>zu</strong> vergessen, worum<br />

es eigentlich ging. Das gute <strong>an</strong> dieser<br />

Aktion ist, dass gar nicht wirklich viel<br />

schief gehen k<strong>an</strong>n, denn selbst wenn<br />

ihr vom Thema abschweift, die Ch<strong>an</strong>ce,<br />

dass es einfach ein netter Vormittag<br />

wird, ist ziemlich groß.<br />

Demonstrationen:<br />

Zu Demonstrationen <strong>auf</strong>rufen ist als SV<br />

etwas kritisch, weil jede SV nur ein<br />

bildungspolitisches M<strong>an</strong>dat hat (das<br />

bedeutet, dass ihr theoretisch nur <strong>zu</strong><br />

bildungspolitischen Themen etwas sagen<br />

dürft). Auf Demonstrationen hin-


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 57<br />

weisen dürft ihr aber. Wenn ihr <strong>zu</strong> einer<br />

Demo geht, die während der<br />

Schulzeit stattfindet, könnt ihr dafür<br />

bestraft werden.<br />

Wenn ihr selbst eine Demo org<strong>an</strong>isieren<br />

wollt, müsst<br />

ihr eine g<strong>an</strong>ze<br />

Menge beachten.AusführlicheInformationen<br />

gibt es<br />

im „Tipps<br />

und Tricks-<br />

Reader“,<br />

hier nur ein<br />

paar kurze<br />

Hinweise:<br />

Grundsätzlich<br />

müssen<br />

Demonstrationen<br />

48<br />

Stunden vor der<br />

öffentlichen Bek<strong>an</strong>ntgabe<br />

bei der<br />

<strong>zu</strong>ständigen Behörde<br />

( in der Regel Polizei<br />

oder Ordnungsamt) unter<br />

Angabe des Gegenst<strong>an</strong>des und einer<br />

ver<strong>an</strong>twortlichen Person <strong>an</strong>gemeldet<br />

werden. Außerdem braucht ihr pro 50<br />

TeilnehmerInnen eineN OrdnerIn (über<br />

18 Jahre). Dass es sinnvoll ist, vor der<br />

Demo <strong>auf</strong> alle möglichen Arten wie<br />

bekloppt <strong>zu</strong> werben ist so selbstverständlich<br />

wie offensichtlich.<br />

Öffentlichkeit:<br />

Bei einigen dieser Aktionen ist es sinnvoll<br />

die Presse ein<strong>zu</strong>laden, damit sie<br />

möglichst viel Gehör finden. Ihr müsst<br />

dabei beachten, dass bei Aktionen in<br />

der Schule grundsätzlich die<br />

Schulleitung gefragt werden muss.<br />

Da JournalistInnen häufig keine Zeit<br />

haben, großartig <strong>zu</strong> recherchieren und<br />

eigene Formulierungen <strong>zu</strong> finden,<br />

macht es Sinn, eine Pressemappe <strong>zu</strong><br />

erstellen, die d<strong>an</strong>n bei der Aktion/Ver<strong>an</strong>staltung<br />

<strong>an</strong> die JournalistInnen verteilt<br />

wird. In dieser sollten alle Pres-<br />

semitteilungen, das Flugblatt, Forderungen<br />

und sonstige Publikationen <strong>zu</strong>m<br />

Thema enthalten sein.<br />

Außerdem ist es g<strong>an</strong>z wichtig, das alle<br />

Ver<strong>an</strong>twortlichen sich mit<br />

dem Thema der Ver<strong>an</strong>staltung<br />

gut auskennen,<br />

damit<br />

niem<strong>an</strong>d vor den<br />

JournalistInnen<br />

rumstottert.<br />

Das wars<br />

erstmal. Es<br />

gibt sicherlich<br />

noch<br />

viel mehr<br />

Dinge, die<br />

ihr tun<br />

könnt und<br />

wenn ihr noch<br />

tolle Ideen<br />

habt, die beim<br />

nächsten Mal<br />

auch hier im Reader<br />

stehen sollen, d<strong>an</strong>n meldet<br />

euch einfach bei uns und<br />

erzählt davon. Viel Spaß bei allem was<br />

ihr tut,<br />

Carola Pohlen


58 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

Fight for your Right!<br />

Kaum <strong>zu</strong> glauben - auch SchülerInnen haben Rechte<br />

Die Schule ist ein sehr hierarchisch und<br />

undemokratisch org<strong>an</strong>isierter Raum, allerdings<br />

kein rechtsfreier. Auch wenn es<br />

oft so scheint, müssen sich<br />

SchülerInnen nicht alles bieten lassen<br />

und haben <strong>zu</strong>m Teil mehr Rechte, als<br />

sie und die LehrerInnen <strong>denken</strong>. Auf der<br />

<strong>an</strong>deren Seite ist es auch oft so, dass<br />

in den Gesetzestexten genau steht, <strong>auf</strong><br />

welche undemokratische Weise der<br />

Schulalltag <strong>zu</strong> org<strong>an</strong>isieren ist und welche<br />

Rechte SchülerInnen auch alle nicht<br />

haben. Ein genaues Wissen darüber und<br />

ein ständiges Einfordern der eigenen -<br />

<strong>zu</strong>m Teil durch die SchülerInnenbewegung<br />

erkämpften - Rechte k<strong>an</strong>n jedoch<br />

nicht schaden.<br />

Es gibt zwei wichtige Gesetzestexte für<br />

den Schulalltag, die Allgemeine<br />

Schulordnung (ASchO) und das<br />

Schulmitwirkungsgesetz (SchMG).<br />

In der ASchO werden die meisten Dinge<br />

des Schulalltags geregelt: Noten,<br />

Haus<strong>auf</strong>gaben, Strafen, Abschreiben,<br />

Klausuren, (unentschuldigtes) Fehlen<br />

und vieles mehr. Eine genaue Kenntnis<br />

lohnt sich, gegen die ASchO wird regelmäßig<br />

<strong>an</strong> allen Schulen verstoßen.<br />

Oft kennen die LehrerInnen selbst die<br />

Regelungen nicht so g<strong>an</strong>z genau und<br />

sind recht leicht durch das Zeigen des<br />

Gesetzestextes beeindruckt. Wobei der<br />

Text des Gesetzes sehr ungenau und<br />

unverständlich ist, mensch sollte daher<br />

eine ASchO mit Kommentar verwenden<br />

(am meisten - auch vor Gericht - wird<br />

die ASchO mit Kommentar von Pöttgen/<br />

Jehkul/Zaun aus dem Wingen Verlag<br />

Essen verwendet, der Kommentar hat<br />

für den Schulalltag praktisch Rechtswirkung).<br />

Hier ein paar beliebte Beispiele, wie täglich<br />

in der Schule gegen geltendes<br />

Schulrecht verstoßen wird. Es dürfen<br />

nur zwei Klassenarbeiten in einer Woche<br />

geschrieben werden (in der Sek. II<br />

allerdings drei Klausuren), drei Klassenarbeiten<br />

in einer Woche sind nur als<br />

g<strong>an</strong>z seltene Ausnahme <strong>zu</strong>lässig, die<br />

KlassenlehrerInnen haben <strong>zu</strong> koordinieren,<br />

dass es erst gar nicht <strong>zu</strong> solchen<br />

Ausnahmen kommt. An einem Tag dürfen<br />

gar nicht erst zwei Klassenarbeiten<br />

oder eine Klassenarbeit und ein Test geschrieben<br />

werden. (§22 ASchO)<br />

Tests dürfen nicht länger als 20 Minuten<br />

sein, sie dürfen nicht den Charakter<br />

einer Klassenarbeit haben. Dementsprechend<br />

darf sich der Test maximal<br />

nur <strong>auf</strong> den Stoff der letzten zwei Wochen<br />

beziehen und darf nicht mehr als<br />

eine mündliche Note zählen. (§22<br />

ASchO)<br />

Haus<strong>auf</strong>gaben werden in der Regel nicht<br />

zensiert, auch mündliche Haus<strong>auf</strong>gaben<br />

durch einen Test ab<strong>zu</strong>fragen und dadurch<br />

doch <strong>zu</strong> zensieren ist verboten.<br />

Auch hier müssen Abweichungen selten<br />

und begründet sein, wenn mensch<br />

<strong>zu</strong> Hause ein Referat vorbereitet k<strong>an</strong>n<br />

dieses natürlich schon benotet werden.<br />

Daraus ergibt sich auch, dass einmal<br />

Haus<strong>auf</strong>gaben nicht erledigen, nicht<br />

sofort mit einer fünf oder sechs bewertet<br />

werden darf. Erst wenn dieses regelmäßig<br />

geschieht, k<strong>an</strong>n sich dies negativ<br />

in der Zensur niederschlagen. (§23<br />

ASchO)<br />

Strafarbeiten, die nur <strong>zu</strong>r Disziplinierung<br />

dienen, dürfen nicht <strong>auf</strong>geben werden<br />

(insbesondere sinnloses Abschreiben<br />

von Buchseiten, Hausordnungen oder<br />

das Philosophieren darüber, warum<br />

mensch im Pausenhof nicht Rauchen<br />

darf). Haus<strong>auf</strong>gaben müssen immer aus<br />

dem Unterricht entstehen und didaktisch<br />

(also aus dem Unterrichtsstoff) begründbar<br />

sein, nur in begründeten Fällen<br />

dürfen bei unterschiedlichem Lernfortschritt<br />

einzelnen SchülerInnen unterschiedliche<br />

Haus<strong>auf</strong>gaben erteilt<br />

werden. (§23 ASchO)<br />

Insbesondere bei Bestrafungen wird oft<br />

gegen die Bestimmungen verstoßen. Ein<br />

Aufzählen der einzelnen Regelungen<br />

würde hier <strong>zu</strong> weit führen, ein Blick in


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 59<br />

den §13 der ASchO lohnt sich <strong>auf</strong> jeden<br />

Fall.<br />

Was also machen, wenn einE LehrerIn<br />

gegen die ASchO verstößt? Erstmal im<br />

Gespräch dar<strong>auf</strong> hinweisen, vielleicht<br />

weiß sie es ja nicht besser. Falls er/sie<br />

sich d<strong>an</strong>n weigert ein<strong>zu</strong>sehen, dass er/<br />

sie im Unrecht ist, ist das weitere Vorgehen<br />

recht gut <strong>zu</strong> überlegen. Zum einen,<br />

weil mensch sich durch ein ständiges<br />

Pochen <strong>auf</strong> unbeliebt machen und<br />

d<strong>an</strong>n entsprechend schlechtere Zensuren<br />

kassieren k<strong>an</strong>n. Das ist natürlich un<strong>zu</strong>lässig,<br />

aber einem Lehrer/einer Lehrerin<br />

auch sehr schwer nachweisbar.<br />

Zum zweiten, weil mensch sich durchaus<br />

überlegen sollte, ob es sich lohnt,<br />

wegen eines Tests, der 30 statt 20 Minuten<br />

gedauert hat, das Schulklima<br />

dauerhaft <strong>zu</strong> verpesten. Im Zweifelsfall<br />

gilt aber: “you’ve gotta fight for your<br />

right!”. Ansprechbar wären erstmal<br />

SchülerInnensprecherIn,<br />

KlassenlehrerIn oder SV-LehrerIn, mit<br />

diesen k<strong>an</strong>n gemeinsam überlegt werden,<br />

wie vor<strong>zu</strong>gehen ist. Vielleicht k<strong>an</strong>n<br />

ja in einem gemeinsamen Gespräch mit<br />

diesen und dem/der entsprechenden<br />

LehrerIn das Problem gelöst werden.<br />

Hilft das auch nichts, k<strong>an</strong>n mensch sich<br />

beim Direktor beschweren, will/k<strong>an</strong>n<br />

der einem auch nicht helfen, gibt es die<br />

Dienst<strong>auf</strong>sichtsbeschwerde. Wie solche<br />

Beschwerden ab<strong>zu</strong>l<strong>auf</strong>en haben, ist in<br />

§50 ASchO geregelt.<br />

Natürlich k<strong>an</strong>n mensch nicht dafür bestraft<br />

werden oder eine schlechte Note<br />

bekommen, wenn mensch sich weigert,<br />

etwas <strong>zu</strong> tun, was nicht durch die ASchO<br />

gedeckt ist. (Z.B. die Hausordnung nicht<br />

abschreiben.)<br />

Kurz <strong>zu</strong>m zweiten Gesetzestext, dem<br />

SchMG. Hier wird geregelt, wie die Mitsprache<br />

von SchülerInnen im<br />

Schulalltag aus<strong>zu</strong>sehen habe, was eine<br />

SchülerInnenvertretung (SV) darf und<br />

nicht darf (was leider eine g<strong>an</strong>ze Menge<br />

ist). Da<strong>zu</strong> gibt es den §12 im SchMG<br />

und einen eigenen SV-Erlaß, welcher<br />

sich im Anh<strong>an</strong>g <strong>zu</strong>m SchMG findet. Für<br />

alle, die SV-Arbeit machen, sind diese<br />

Paragraphen Pflichtlektüre! Interess<strong>an</strong>t<br />

für alle ist, dass die LehrerInnen nicht<br />

einfach <strong>zu</strong> bestimmen haben, was die<br />

SchülerInnen <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> haben. Zu Beginn<br />

des Halbjahres müssen die<br />

LehrerInnen der Klasse/dem Kurs vorstellen,<br />

welche verschiedenen Inhalte<br />

die Richtlinien vorschlagen und d<strong>an</strong>n<br />

wird gemeinsam überlegt, was davon<br />

gemacht wird und was nicht. (§12.4<br />

SchMG)<br />

Das SchMG regelt außerdem, was die<br />

Schulkonferenz (SchuKo) ist, wie sie<br />

sich <strong>zu</strong>sammensetzt und was sie darf.<br />

Die SchuKo ist das wichtigste Gremium<br />

in der Schule und setzt sich aus<br />

LehrerInnen, Eltern und SchülerInnen<br />

<strong>zu</strong>sammen. Die LehrerInnen haben immer<br />

genau die Hälfte der Stimmen und<br />

können damit alles blockieren - es h<strong>an</strong>delt<br />

sich also um ein total undemokratisches<br />

Gremium und es ist für<br />

SchülerInnen schwer, etwas durch<strong>zu</strong>setzen!<br />

Mit geschickter Politik lassen sich<br />

aber oft einzelne Eltern oder<br />

LehrerInnen für die Anträge der<br />

SchülerInnen gewinnen. Dafür sollten<br />

SchuKos aber gut vorbereitet werden.<br />

Eine Möglichkeit, regelmäßige Verstöße<br />

in der Schule gegen die ASchO <strong>an</strong><strong>zu</strong>pr<strong>an</strong>gern,<br />

wäre <strong>zu</strong>m Beispiel, diese<br />

<strong>zu</strong> sammeln und mal in einer<br />

Schulkonferenz <strong>an</strong><strong>zu</strong>sprechen, verbunden<br />

mit dem Antrag, die Schulleitung<br />

möge endlich geltendes Schulrecht <strong>an</strong><br />

ihrer Schule durchsetzen. Die Situation<br />

ist d<strong>an</strong>n bestimmt wahnsinnig peinlich<br />

für den Direx, da auch Eltern mit am<br />

Tisch sitzen und die sicherlich gar nicht<br />

gerne hören, wenn <strong>an</strong> der Schule ihrer<br />

Kinder gegen die ASchO verstoßen wird<br />

und der Direx wird hoffentlich versuchen,<br />

nicht noch einmal bei einer<br />

Schulkonferenz in eine solche Situation<br />

gebracht <strong>zu</strong> werden.<br />

Joh<strong>an</strong>nes Bock


60 Hört <strong>auf</strong> <strong>zu</strong> <strong>lernen</strong> -<br />

und wer sind nun die<br />

jungdemokratInnenjunge<br />

linke?<br />

<strong>JungdemokratInnen</strong>/<strong>Junge</strong> Linke sind<br />

Kontakt:<br />

<strong>JungdemokratInnen</strong>/<strong>Junge</strong> Linke NRW,<br />

Herner Str. 79, 44791 Bochum, eMail:<br />

info@jungdemokratinnen.de<br />

www.jungdemokratinnen.de<br />

<strong>JungdemokratInnen</strong>/<strong>Junge</strong> Linke - Bundes-<br />

verb<strong>an</strong>d, Greifswalder Str. 4, 10409 Berlin,<br />

eMail: bgs@jdjl.org<br />

www.jdjl.org<br />

ein parteiunabhängiger Jugendver-<br />

b<strong>an</strong>d, in dem Jugendliche selbst-<br />

bestimmt Politik machen. Ob in der<br />

Bildungs- oder Drogenpolitik, in der<br />

Asyl- oder Sozialpolitik, wir treten für<br />

die Selbstbestimmung aller Men-<br />

schen ein. Das bedeutet für uns die<br />

radikale Demokratisierung aller Le-<br />

bensbereiche, denn Familie, Schule,<br />

Wirtschaft... sind demokratiefreie<br />

Zonen.<br />

Aber auch Themen wie Antifa oder<br />

Feminismus spielen bei uns eine<br />

wichtige Rolle. Dabei wird keine Linie<br />

vorgegeben, sondern die politische<br />

Arbeit wird vor Ort in Gruppen oder<br />

Arbeitskreisen gestaltet.<br />

Wir streiten uns leidenschaftlich gern<br />

mit <strong>an</strong>deren und uns selbst um das<br />

bessere Argument und geben <strong>zu</strong><br />

diesem Zweck nicht nur Materialien<br />

wie diesen Reader heraus, sondern<br />

bieten auch Seminare und Tages-<br />

ver<strong>an</strong>staltungen <strong>an</strong> und machen<br />

viele Aktionen und Ver<strong>an</strong>staltungen<br />

direkt vor Ort.


<strong>f<strong>an</strong>gt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> <strong>denken</strong> ! 61

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