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Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg - Orah.ch

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NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 18<br />

Dieser wi<strong>ch</strong>tige Satz gilt au<strong>ch</strong> für das Verhältnis Text und Geist. Der <strong>den</strong>kende<br />

Geist ist am Verstehen ganz wesentli<strong>ch</strong> beteiligt. Was wäre der Text ohne einen<br />

Geist, der ihn liest? Ein Stück Papier mit s<strong>ch</strong>warzen Stri<strong>ch</strong>en! So gesehen ist der<br />

Geist der mä<strong>ch</strong>tigere, <strong>den</strong>n er ermögli<strong>ch</strong>t dem Text ein Verständnis. Aber der<br />

Geist darf dem Text kein Verständnis diktieren. Der Stärkere hat auf <strong>den</strong><br />

S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>eren Rücksi<strong>ch</strong>t zu nehmen! In angemessener Zurückhaltung soll der<br />

Geist dem Text einen Resonanzbo<strong>den</strong> bieten, so daß der Text <strong>im</strong> Geist ertönen<br />

kann. Der Geist darf <strong>den</strong> Text aber ni<strong>ch</strong>t vergewaltigen. Im Geist sollte die<br />

Bereits<strong>ch</strong>aft walten, si<strong>ch</strong> vom Text korrigieren zu lassen. So tönt der Text <strong>im</strong><br />

Geist und ni<strong>ch</strong>t der Geist <strong>im</strong> Text.<br />

Die Deutung ist eine Reflexion des Textes <strong>im</strong> Spiegel des Geistes. Je reiner der<br />

Spiegel, desto klarer das Bild. In diesem Sinne ist die se<strong>ch</strong>ste Seligpreisung der<br />

Bergpredigt eine hermeneutis<strong>ch</strong>e Aussage: "Selig sind, die reinen Herzens sind,<br />

<strong>den</strong>n sie wer<strong>den</strong> Gott s<strong>ch</strong>auen." Die Klarheit des Ges<strong>ch</strong>auten hängt <strong>von</strong> der<br />

Klarheit des S<strong>ch</strong>auen<strong>den</strong> ab. So gesehen gibt es qualitative Unters<strong>ch</strong>iede in <strong>den</strong><br />

Deutungen. Aber es gibt no<strong>ch</strong> etwas! Die individuelle Note. Au<strong>ch</strong> der reinste<br />

Geist ist ein individueller Geist, der ganz unwillkürli<strong>ch</strong> seine Weise des<br />

Verstehens einfließen läßt. Vor diesem Hintergrund ers<strong>ch</strong>eint die Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong><br />

der historis<strong>ch</strong>en Wahrheit, insofern sie eine genormte Wahrheit ist, als Fiktion.<br />

S<strong>ch</strong>on die Zeitgenossen Jesu verstan<strong>den</strong> ihn auf je eigene Weise. Es gibt vier<br />

kanonis<strong>ch</strong>e Evangelien und jedes bietet uns ein anderes Jesusbild. Damit soll die<br />

Historizität der Ereignisse ni<strong>ch</strong>t geleugnet wer<strong>den</strong>. Es soll nur gesagt wer<strong>den</strong>,<br />

daß die Wahrnehmung kein passiver, sondern ein aktiver Vorgang ist. Der<br />

Geist sieht mit. Da nun die individuelle Note des Verstehens ni<strong>ch</strong>t zu<br />

unterdrücken ist, gilt es zu be<strong>den</strong>ken, was sie methodis<strong>ch</strong> bedeutet.<br />

Der Geist ist am Verstehen aktiv beteiligt, und zwar dur<strong>ch</strong> sein Vorverständnis.<br />

Da es si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t auss<strong>ch</strong>alten läßt, sollte es einges<strong>ch</strong>altet wer<strong>den</strong>. Dann ist es die<br />

erste Stufe des Verstehens, die so lange dur<strong>ch</strong>gehalten wer<strong>den</strong> sollte, bis sie mit<br />

dem Text in einen Konflikt gerät. Ges<strong>ch</strong>ieht das, dann muß das Verständnis<br />

korrigiert wer<strong>den</strong>, ni<strong>ch</strong>t der Text. Die Kunst des Verstehens besteht in der<br />

Wahrnehmung der Konflikte. Je größer die Annäherung des Geistes an das un-<br />

geborene Verständnis des Textes ist, desto subtiler wer<strong>den</strong> die Konflikte.

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