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Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg - Orah.ch

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Prof. Dr. Cilliers Breytenba<strong>ch</strong><br />

in Verbindung mit Sönke v. Stemm<br />

NT Proseminar: SS 1993<br />

Neutestamentli<strong>ch</strong>e Proseminararbeit<br />

<strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> <strong>von</strong> <strong>den</strong> <strong>Arbeitern</strong> <strong>im</strong> <strong>Weinberg</strong><br />

Mt 20,1-16<br />

Thomas Noack (Stud. theol. <strong>im</strong> 4. Semester)<br />

Spandauer Straße 76, 13591 Berlin<br />

abgegeben am 2. September 1993


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 2<br />

Übersetzung<br />

I<strong>ch</strong> stelle die Übersetzung an <strong>den</strong> Anfang, um anzuzeigen, daß der Text die<br />

Grundlage der Exegese ist. Selbstverständli<strong>ch</strong> setzt die Übersetzung aber<br />

Ergebnisse voraus, die erst später gewonnen wer<strong>den</strong>.<br />

1. Das Rei<strong>ch</strong> der H<strong>im</strong>mel ist nämli<strong>ch</strong> einem Hausherrn glei<strong>ch</strong>, der in aller Frühe<br />

ausging, um Arbeiter für seinen <strong>Weinberg</strong> zu dingen. 2. Na<strong>ch</strong>dem er aber mit <strong>den</strong> Arbei-<br />

tern um einen Denar <strong>den</strong> Tag übereingekommen war, entsandte er sie in seinen <strong>Weinberg</strong>.<br />

3. Und als er um die dritte Stunde ausging, sah er andere arbeitslos auf dem Marktplatz<br />

stehen 4. und sagte jenen: "Geht au<strong>ch</strong> ihr in <strong>den</strong> <strong>Weinberg</strong>, und was gere<strong>ch</strong>t ist, will i<strong>ch</strong><br />

eu<strong>ch</strong> geben!" 5. Sie aber gingen hin. No<strong>ch</strong>mals aber ging er aus um die se<strong>ch</strong>ste und neunte<br />

Stunde und tat ebenso. 6. Als er aber um die elfte ausging, fand er andere dastehen und<br />

sagt ihnen: "Warum steht ihr hier <strong>den</strong> ganzen Tag (über) arbeitslos (da)?" 7. Sie sagen<br />

ihm: "Weil uns niemand gedungen hat." Er sagt ihnen: "Geht au<strong>ch</strong> ihr in <strong>den</strong><br />

<strong>Weinberg</strong>!" 8. Als es aber Abend wird, sagt der Herr des <strong>Weinberg</strong>s seinem Verwalter:<br />

"Rufe die Arbeiter und zahle <strong>den</strong> Lohn aus, indem du bei <strong>den</strong> Letzten beginnst bis zu <strong>den</strong><br />

Ersten!" 9. Und als die <strong>von</strong> der elften Stunde kamen, empfingen sie je einen Denar. 10.<br />

Und als die Ersten kamen, meinten sie, sie wür<strong>den</strong> mehr bekommen; und au<strong>ch</strong> sie<br />

bekamen <strong>den</strong> einen Denar. 11. Als sie ihn aber genommen hatten, murrten sie gegen <strong>den</strong><br />

Hausherrn 12. und sagten: "Diese Letzten haben (nur) eine Stunde gearbeitet, und du<br />

hast sie uns glei<strong>ch</strong> gema<strong>ch</strong>t, die wir die Last und Hitze des Tages ertragen haben." 13.<br />

Er aber antwortete und spra<strong>ch</strong> zu einem <strong>von</strong> ihnen: "Freund, i<strong>ch</strong> behandle di<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

ungere<strong>ch</strong>t. Bist du ni<strong>ch</strong>t mit mir um einen Denar übereingekommen? 14. N<strong>im</strong>m das Deine<br />

und geh hin! I<strong>ch</strong> aber will diesem Letzten (so viel) geben wie au<strong>ch</strong> dir. 15. Oder steht es<br />

mir ni<strong>ch</strong>t frei, mit dem Meinigen zu tun, was i<strong>ch</strong> will? Oder ist dein Auge böse, weil i<strong>ch</strong><br />

gütig bin?" 16. Ebenso wer<strong>den</strong> die Letzten Erste und die Ersten Letzte sein.<br />

Textkritik<br />

Mt 20,1-16 bietet mehr Varianten, als i<strong>ch</strong> bespre<strong>ch</strong>en kann. Deswegen<br />

bes<strong>ch</strong>ränke i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> hauptsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> auf jene, die in <strong>den</strong> großen Ausgaben der<br />

Vergangenheit ni<strong>ch</strong>t einheitli<strong>ch</strong> gelöst wur<strong>den</strong>. Sie sind <strong>im</strong> Anhang II (Textuum<br />

differentiae) des Nestle-Aland 26 zu fin<strong>den</strong>. Bei ihnen gehen die Hauptzeugen<br />

des alexandrinis<strong>ch</strong>en Textes, der Codex Vaticanus (B) und Sinaiticus ()),<br />

auseinander.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 3<br />

Meiner Arbeit ist eine Liste beigefügt, die alle "ständigen Zeugen" für Mt 20,1-16<br />

namentli<strong>ch</strong> nennt, so daß i<strong>ch</strong> <strong>im</strong> folgen<strong>den</strong> die Namen der Codices ni<strong>ch</strong>t<br />

ständig erwähnen muß.<br />

Vers 4 a) ei¹ª to\n a¹mpelw½naø mou<br />

) C Q f 13 33 565 700 al it vg cl sa mae<br />

b) ei¹ª to\n a¹mpelw½na<br />

B D L W 085 f 1 K G D 28 892 1010 1241 1424 lat sy bo<br />

Die Bezeugung in der Kategorie I 1 ist ni<strong>ch</strong>t einhellig. Der Codex Vaticanus (B)<br />

und der Codex Sinaiticus ()) gehen auseinander. Au<strong>ch</strong> die Bezeugung in der<br />

Kategorie II ist ausgegli<strong>ch</strong>en. Der Codex Ephraemi Syri rescriptus (C), der<br />

Codex Coridethianus (Q) und die Minuskel 33, die "Königin der Minuskeln" 2 ,<br />

bezeugen Lesart a). Dagegen bezeugen der Codex Regius (L) mit ägyptis<strong>ch</strong>en<br />

Text 3 , die Majuskel 085 und die Minuskel 892 Lesart b). Die Verteilung der<br />

wi<strong>ch</strong>tigsten Hands<strong>ch</strong>riften auf die einzelnen Lesarten ermögli<strong>ch</strong> daher no<strong>ch</strong><br />

keine si<strong>ch</strong>ere Ents<strong>ch</strong>eidung. Na<strong>ch</strong> der Regel brevior lectio potior halte i<strong>ch</strong> Lesart<br />

b) für ursprüngli<strong>ch</strong>. Das Possesivpronomen mou läßt si<strong>ch</strong> als verdeutli<strong>ch</strong>ender<br />

Zusatz oder als Anpassung an die Possesivpronomina na<strong>ch</strong> ei¹ª to\n a¹mpelw½na<br />

in <strong>den</strong> Versen 1 und 2 erklären.<br />

Vers 5 a) paølin e¹celqw\n<br />

B W Q 085 f 1.13 K G D 565 700 1241 1424 it mae bo<br />

b) paølin de\ e¹celqw\n<br />

) C D L 28 c 33 892 1010 pc lat sy h** sa<br />

Die äußere Bezeugung für Lesart b) ist etwas besser, obwohl die bei<strong>den</strong><br />

Hauptzeugen des alexandrinis<strong>ch</strong>en Textes (B und )) auseinander gehen. Lesart<br />

b) wird <strong>von</strong> vier Hands<strong>ch</strong>riften der Kategorie II bezeugt, dem Codex Ephraemi<br />

1 Zur Definition und Einteilung der Hands<strong>ch</strong>riften in die Kategorien: Aland - Aland, Der<br />

Text des Neuen Testaments, 167ff.<br />

2 Aland - Aland, a.a.O., 143.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 4<br />

Syri rescriptus (C), der allerdings "besonders in <strong>den</strong> Evangelien viele<br />

Eigenheiten" 4 aufweist, dem Codex Regius (L) und <strong>den</strong> Minuskeln 33 und 892.<br />

Außerdem bezeugt der D-Text Lesart b), was <strong>im</strong>mer dann <strong>von</strong> besonderem<br />

Gewi<strong>ch</strong>t ist, wenn die Aussage <strong>von</strong> D "mit der der anderen großen Zeugen<br />

übereinst<strong>im</strong>mt" 5 . Lesart a) hat nur zwei Hands<strong>ch</strong>riften der Kategorie II hinter<br />

si<strong>ch</strong>, <strong>den</strong> Codex Coridethianus (Q), der jedo<strong>ch</strong> "oft einen eigenwilligen Text" 6<br />

bietet, und die Majuskel 085. Lesart a) ist jedo<strong>ch</strong> die lectio brevior. Beide<br />

Lesarten ließen si<strong>ch</strong> gut erklären: Die Auslassung <strong>von</strong> de\ als stilistis<strong>ch</strong>e<br />

Glättung, <strong>den</strong>n unmittelbar zuvor und kurz dana<strong>ch</strong> begegnet die Partikel de\<br />

erneut. Die Einfügung <strong>von</strong> de\ als inhaltli<strong>ch</strong>e Verdeutli<strong>ch</strong>ung. Aufgrund der<br />

etwas besseren äußeren Bezeugung ents<strong>ch</strong>eide i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> für Lesart b).<br />

Vers 8 a) kai\ a¹poødoª to\n misqo\n<br />

) C L Z 085; Or<br />

b) kai\ a¹poødoª au¹toi½ª to\n misqo\n<br />

B D W Q f 1.13 K N G D 28 33 565 700 892 1010 1241 1424<br />

Beide Lesarten wer<strong>den</strong> <strong>von</strong> je einer Hands<strong>ch</strong>rift der Kategorie I () gegen B)<br />

und je drei der Kategorie II (C, L und 085 gegen Q, 33 und 892) bezeugt. Für<br />

Lesart b) spri<strong>ch</strong>t, daß der Codex Vaticanus (B) und der D-Text<br />

zusammengehen. Für Lesart a) hingegen spri<strong>ch</strong>t, daß es die lectio brevior ist.<br />

Die Ents<strong>ch</strong>edung fällt mir ni<strong>ch</strong>t lei<strong>ch</strong>t. Da i<strong>ch</strong> jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t sehen kann, wieso<br />

au¹toi½ª ausgefallen sein sollte, ents<strong>ch</strong>eide i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> für die lectio brevior.<br />

Vers 9 a) e¹lqoønteª de\<br />

B sy c sa mss bo ms<br />

b) e¹lqoønteª ou¹n<br />

D Q f 13 33 lat sa ms mae<br />

3 na<strong>ch</strong> Aland - Aland, a.a.O., 119.<br />

4 Aland - Aland, a.a.O., 118.<br />

5 Aland - Aland, a.a.O., 248.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 5<br />

c) kai\ e¹lqoønteª<br />

) C L W Z 085 f 1 K N G D 28 565 700 892 1010 1241 1424 bo<br />

Lesart b) wird vom D-Text (D und lat) und <strong>von</strong> Zeugen des sog. Cäsarea-Textes<br />

(Q und f 13 ) bezeugt; beide Texttypen bieten jedo<strong>ch</strong> einen eigenwilligen Text.<br />

Der alexandrinis<strong>ch</strong>e Text liest a) oder c). Aufgrund der besseren äußeren<br />

Bezeugung (neben ) no<strong>ch</strong> 4 Hands<strong>ch</strong>riften der Kategorie II: C, L, 085 und 892)<br />

halte ist Lesart c) für ursprüngli<strong>ch</strong>. Dann hätte der Codex Vaticanus (B) das<br />

hebraisierende und volksspra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e 7 kai\ zu einem de\ geglättet.<br />

Vers 10 a) e¹lqoønteª de\<br />

) L W Z f 1 K G D 28 565 700 892 1010 1241 1424 q sy h bo<br />

b) e¹lqoønteª de\ kai\<br />

N pc lat<br />

c) kai\ e¹lqoønteª<br />

B C D Q 085 f 13 33 pc mae bo mss<br />

Lesart b) ist ni<strong>ch</strong>t ursprüngli<strong>ch</strong>, <strong>den</strong>n die äußere Bezeugung ist zu s<strong>ch</strong>wa<strong>ch</strong> und<br />

außerdem ist b) aus <strong>den</strong> Lesarten a) und c) zusammengesetzt. Die äußere<br />

Bezeugung für Lesart c) ist etwas besser als die für Lesart a), <strong>den</strong>n mit dem<br />

Codex Vaticanus (B) geht der D-Text zusammen und Lesart c) hat mehr<br />

Hands<strong>ch</strong>riften der Kategorie II hinter si<strong>ch</strong> (C, Q, 085 und 33). Ferner ist es<br />

lei<strong>ch</strong>ter erklärbar, daß kai\ in de\ gewandelt wird als umgekehrt.<br />

Vers 10 a) o¿ti pleiøona lhømyontai<br />

) C 2 K G D 28 33 565 700 892 1010 1241 1424<br />

b) o¿ti pleiøw lhømyontai<br />

D<br />

6 Aland - Aland, a.a.O., 248.<br />

7 Hoffmann - <strong>von</strong> Siebenthal, Grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Grammatik zum Neuen Testament, 617.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 6<br />

c) o¿ti plei½on lhømyontai<br />

B C* L N W Q 085 f 1.13 pc<br />

Die Variante des Codex Bezae Cantabrigiensis (D) wird dur<strong>ch</strong> keine weiteren<br />

Zeugen gestützt und kann daher ni<strong>ch</strong>t ursprüngli<strong>ch</strong> sein. Lesart c) ist besser<br />

bezeugt (B und vier Hands<strong>ch</strong>riften der Kategorie II: C*, L, Q und 085) als Lesart<br />

a) () und zwei Hands<strong>ch</strong>riften der Kategorie II: 33 und 892). Außerdem ist die<br />

Veränderung <strong>von</strong> plei½on zu pleiøona verständli<strong>ch</strong>er, <strong>den</strong>n der S<strong>ch</strong>reiber wollte<br />

<strong>den</strong> Bezug verdeutli<strong>ch</strong>en (pleiøona dhnaøria).<br />

Vers 10 a) a¹na\ dhnaørion kai\ au¹toiø<br />

B<br />

b) to\ a¹na\ dhnaørion<br />

085 d<br />

c) kai\ au¹toi\ a¹na\ dhnaørion<br />

D W f 1.13 K N G D 28 565 700 892 1010 1241 1424<br />

d) kai\ au¹toi\ to\ a¹na\ dhnaørion<br />

C<br />

e) to\ a¹na\ dhnaørion kai\ au¹toiø<br />

) L Z Q 33<br />

Das Gewi<strong>ch</strong>t des alexandrinis<strong>ch</strong>en Textes liegt bei (to\) a¹na\ dhnaørion kai\ au¹toiø.<br />

Fragli<strong>ch</strong> ist nur, ob diese Wortgruppe mit oder ohne to\ ursprüngli<strong>ch</strong> ist. Auf<br />

je<strong>den</strong> Fall ist sie aber das gemeinsame Element der bei<strong>den</strong> großen Codices (B<br />

und )) und ist au<strong>ch</strong> sonst gut bezeugt (L, 33 und Q). Aufgrund der besseren<br />

äußeren Bezeugung ents<strong>ch</strong>eide i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> für Lesart e), obwohl Lesart a) die<br />

lectio brevior ist. Die Lesarten c) und d) ziehen, um stärker zu betonen, kai\<br />

au¹toi vor. Lesart b) legt das Gewi<strong>ch</strong>t ganz auf <strong>den</strong> je einen Denar.<br />

Vers 12 a) kai\ i„souª au¹tou\ª h¸mi½n e¹poiøhsaª<br />

) D L Z 085 f 13 892 pc


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 7<br />

b) kai\ i„souª h¸mi½n au¹tou\ª e¹poiøhsaª<br />

B C W Q f 1 K N G D 28 33 565 700 1010 1241 1424<br />

Beide Lesarten haben wi<strong>ch</strong>tige Zeugen vorzuweisen. Lesart a) besitzt <strong>den</strong><br />

Codex Sinaiticus ()) in Verbund mit dem Hauptzeugen des D-Textes, dem<br />

Codex Bezae Cantabrigiensis (D), außerdem wi<strong>ch</strong>tige Zeugen der Kategorie II<br />

(L, 085 und 892). Lesart b) hat <strong>den</strong> Codex Vaticanus (B) hinter si<strong>ch</strong> und ebenfalls<br />

wi<strong>ch</strong>tige Zeugen der Kategorie II (C, Q, 33). Die äußere Bezeugung führt also<br />

zu keinem eindeutigen Urteil. Da es mir wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong>er ist, daß au¹tou\ª <strong>im</strong><br />

Na<strong>ch</strong>hinein zu i„souª gezogen wurde, halte i<strong>ch</strong> Lesart b) für ursprüngli<strong>ch</strong>.<br />

Vers 13 a) eiÅpen eņi\ au¹tw½n<br />

C L W Z f 1.13 K N G D 28 33 565 892 1010 1241 1424 e q sy<br />

b) au¹tw½n eņi\ eiÅpen<br />

B<br />

c) eņi\ au¹tw½n eiÅpen<br />

) D Q 085 700 pc lat<br />

Lesart a) hat <strong>im</strong>merhin vier Zeugen der Kategorie II für si<strong>ch</strong>, <strong>den</strong> Codex<br />

Ephraemi Syri rescriptus (C), <strong>den</strong> Codex Regius (L) mit ägyptis<strong>ch</strong>en Text, und<br />

die Minuskeln 33 und 892 ("<strong>von</strong> hohem Textwert für die Evangelien" 8 ). Die<br />

bei<strong>den</strong> wi<strong>ch</strong>tigsten Zeugen B und ) lesen jedo<strong>ch</strong> Variante b) oder c). Aufgrund<br />

der besseren äußeren Bezeugung ents<strong>ch</strong>eide i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> für Lesart c), die neben )<br />

au<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> <strong>den</strong> D-Text gestützt wird. Ausgehend <strong>von</strong> dieser Ents<strong>ch</strong>eidung muß<br />

man annehmen, daß der S<strong>ch</strong>reiber <strong>von</strong> Variante a) eiÅpen zu a¹pokriqei\ª ziehen<br />

wollte, während B ledigli<strong>ch</strong> eine stärkere Betonung des au¹tw½n beabsi<strong>ch</strong>tigte.<br />

Vers 14 a) qeølw e¹gw\ de\<br />

B<br />

8 Aland - Aland, Der Text des Neuen Testaments, 150.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 8<br />

b) qeølw de\<br />

) C D L W Z Q 085 K N G D 28 33 565 700 892 1010 1241 1424<br />

Aufgrund der besseren äußeren Bezeugung ents<strong>ch</strong>eide i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> für Lesart b).<br />

Der Codex Vaticanus (B) fügt e¹gw ein, um <strong>den</strong> Gegensatz zu sou<br />

hervorzuheben.<br />

Vers 15 a) ou¹k e„cestiøn moi …; hƒ …<br />

B D L Z Q 700 sy s.c<br />

b) hƒ ou¹k e„cestiøn moi …; hƒ …<br />

) C W 085 f 1.13 K N G D 28 33 565 892 1010 1241 1424 lat sy p.h co<br />

Die Bezeugung der Lesarten in <strong>den</strong> Kategorien ist ausgegli<strong>ch</strong>en. B und ) gehen<br />

auseinander. Lesart b) hat zwar mehr Hands<strong>ch</strong>riften der Kategorie II hinter<br />

si<strong>ch</strong> (C, 085, 33, 892) als Lesarta) (L, Q), aber der Hauptzeuge des D-Textes, der<br />

Codex Bezae Cantabrigiensis, geht mit dem Codex Vaticanus (B) zusammen.<br />

Lesart a) ist die lectio brevior, Lesart b) hingegen die lectio difficilior. Ein<br />

bea<strong>ch</strong>tenswertes Argument für die Ursprüngli<strong>ch</strong>keit <strong>von</strong> b) fand i<strong>ch</strong> in "A<br />

Textual Commentary": "From a transcriptional point of view it is more likely<br />

that scribes would have dropped the word after soi (in later Greek both h and<br />

oi were pronounced 'ee') than inserted it." 9 I<strong>ch</strong> ents<strong>ch</strong>eide mi<strong>ch</strong> deswegen für<br />

Lesart b).<br />

Vers 16 a) polloi\ gaør ei¹sin klhtoiø, o¹liøgoi de\ e¹klektoiø<br />

C D W Q f 1.13 K N G D 28 33 565 700 1010 1241 latt sy mae bo pt<br />

b) keine Einfügung<br />

) B L Z 085 892* 1424 pc sa bo pt<br />

Die alexandrinis<strong>ch</strong>en Zeugen unterstützen nahezu einhellig die Annahme, daß<br />

Lesart b) ursprüngli<strong>ch</strong> ist. Darunter sind au<strong>ch</strong> die bei<strong>den</strong> wi<strong>ch</strong>tigsten Vertreter<br />

dieses Texttyps, der Codex Sinaiticus ()) und Vaticanus (B). Lesart a) erklärt si<strong>ch</strong><br />

9 B.M.Metzger, A Textual Commentary on the Greek New Testament, 51.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 9<br />

als Übernahme <strong>von</strong> Mt 22,14 "und reflektiert das Verständnis gewisser<br />

kir<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Kreise <strong>im</strong> zweiten Jahrhundert" 10 .<br />

Kontext, Literarkritik und Textabgrenzung<br />

Die Reihenfolge der Perikopen in der Umgebung <strong>von</strong> Mt 20,1-16 lautet: der rei<strong>ch</strong>e<br />

Jüngling (Mt 19,16-22; Mk 10,17-22), <strong>von</strong> der Gefahr des Rei<strong>ch</strong>tums und vom<br />

Lohn der Na<strong>ch</strong>folge (Petrusfrage) (Mt 19,23-30; Mk 10,23-31) und na<strong>ch</strong> dem<br />

<strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> die dritte Lei<strong>den</strong>sankündigung (Mt 20,17-19; Mk 10,32-34) und die<br />

Zebedai<strong>den</strong> (<strong>von</strong> der Rangordnung unter <strong>den</strong> Jüngern) (Mt 20,20-28; Mk 10,35-<br />

45). Den rei<strong>ch</strong>en Jüngling fordert Jesus auf: u¿page pwølhsoøn sou ta\ u¸paørxonta<br />

… kai\ deu½ro a¹kolouøqei moi (Mt 19,21) 11 . Dieser Aufforderung entspri<strong>ch</strong>t in der<br />

ans<strong>ch</strong>ließen<strong>den</strong> Perikope das Selbstbekenntnis des Petrus: ¹Idou\ h¸mei½ª<br />

a¹fhøkamen paønta kai\ h¹kolouqhøsameøn soi (Mt 19,27) 12 . Das betonte h¸mei½ª<br />

stellt <strong>den</strong> Gegensatz zum rei<strong>ch</strong>en Jüngling her, der die außeror<strong>den</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />

Leistung, alles zu verkaufen, ni<strong>ch</strong>t vollbringen konnte. Der Feststellung der<br />

Leistung folgt die Frage na<strong>ch</strong> dem Lohn: tiø a„ra e„stai h¸mi½n; (Mt 19,27) 13 . Jesus<br />

nennt <strong>den</strong> Lohn (Mt 19,28f), s<strong>ch</strong>ließt dann aber eine Warnung an die Adresse<br />

der Jünger an: Polloi\ de\ e„sontai prw½toi e„sxatoi kai\ e„sxatoi prw½toi (Mt<br />

19,30) 14 . Damit ist klar, wer die prw½toi und die e„sxatoi der ans<strong>ch</strong>ließen<strong>den</strong><br />

Parabel sind. Die prw½toi sind die Jünger, <strong>den</strong>n sie sind zuerst in die Na<strong>ch</strong>folge<br />

gerufen wor<strong>den</strong>. Die e„sxatoi sind jene, die - wie der rei<strong>ch</strong>e Jüngling - <strong>den</strong> Ruf<br />

der Na<strong>ch</strong>folge jetzt no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t annehmen können. Später wer<strong>den</strong> sie aber<br />

dazukommen, <strong>den</strong>n para\ de\ qew|½ paønta dunataø (Mt 19,26) 15 . Au<strong>ch</strong> die<br />

Zebedai<strong>den</strong>perikope thematisiert die Lohnfrage (Mt 20,20f) und korrigiert das<br />

Selbstverständnis der Ersten: kai\ o¿ª a„n qeølv e¹n u¸mi½n eiÅnai prw½toª e„stai u¸mw½n<br />

10 H.Weder, Die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se Jesu als Metaphern, 219.<br />

11 "Wohlan, verkaufe deine Habe … und komm und folge mir!"<br />

12 "Siehe, wir verließen alles und folgten dir."<br />

13 "Was also wird uns sein?"<br />

14 "Viele Erste aber wer<strong>den</strong> Letzte und Letzte Erste sein."<br />

15 "bei Gott aber sind alle Dinge mögli<strong>ch</strong>"


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 10<br />

dou½loª (Mt 20,27) 16 . Das <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> Mt 20,1-16 ist kritis<strong>ch</strong> an die Adresse der<br />

Jünger geri<strong>ch</strong>tet. 17 Versteht man <strong>den</strong> Zwölferkreis als Eizelle der Kir<strong>ch</strong>e, dann<br />

ist es au<strong>ch</strong> Kritis<strong>ch</strong> an die Kir<strong>ch</strong>e (Gemeinde des Matthäus) geri<strong>ch</strong>tet.<br />

Der Verglei<strong>ch</strong> mit Markus zeigt, daß Matthäus das <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> in <strong>den</strong><br />

Markuszusammenhang eingefügt hat. Matthäus verstand das <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> als eine<br />

Interpretation des unmittelbar davor stehen<strong>den</strong> Satzes Mt 19,30 (= Mk 10,31):<br />

Polloi\ de\ e„sontai prw½toi e„sxatoi kai\ e„sxatoi prw½toi. Denn in der<br />

Einleitungsformel ist ein erklärendes gaør (nämli<strong>ch</strong>) eingefügt. Normalerweise<br />

begegnet uns diese Formel ohne gaør und lautet dann o¸moiøa e¹sti\n h¸ basileiøa<br />

tw½n ou¹ranw½n (Mt 13,31.33.44.45.47) oder no<strong>ch</strong> kürzer o¸moiøa e¹sti\n (Mt 11,16).<br />

Gaør ist also ein Eins<strong>ch</strong>ub, der deutli<strong>ch</strong> auf Mt 19,30 zurückweist und das<br />

<strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> als Erklärung dieses s<strong>ch</strong>einbar sinnwidrigen Satzes deklariert.<br />

Außerdem endet das <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> mit <strong>den</strong> Worten Ou¿twª e„sontai oi¸ e„sxatoi<br />

prw½toi kai\ oi¸ prw½toi e„sxatoi (Vers 16), die mit <strong>den</strong>en <strong>von</strong> Mt 19,30 fast<br />

i<strong>den</strong>tis<strong>ch</strong> sind. Das Adverb Ou¿twª (ebenso) bezieht si<strong>ch</strong> auf das vorhergehende<br />

<strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> und will sagen: So (und ni<strong>ch</strong>t anders) wie in diesem <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong><br />

dargestellt, ist es zu verstehen, daß die Letzten Erste und die Ersten Letzte sein<br />

wer<strong>den</strong>. Das Paradoxon rahmt das <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>. Das ist übrigens, abgesehen <strong>von</strong><br />

<strong>den</strong> textkritis<strong>ch</strong>en Grün<strong>den</strong>, ein weiterer Grund dafür, daß die in zahlrei<strong>ch</strong>en<br />

Hands<strong>ch</strong>riften überlieferten Worte polloi\ gaør ei¹sin klhtoiø, o¹liøgoi de\<br />

e¹klektoiø ein späterer Zusatz sind, <strong>den</strong>n sie verwis<strong>ch</strong>en die klare Komposition.<br />

Lukas trennt das Logion Mk 10,31 <strong>von</strong> der Markusperikope (Mk 10,23-31) und<br />

stellt es in einen anderen Zusammenhang (Lk 13,22-30), wo es si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr<br />

auf die Jünger bezieht. Matthäus und Lukas waren mit Mk 10,31 an dieser Stelle<br />

bei Markus, <strong>im</strong> Jüngerkontext, ni<strong>ch</strong>t zufrie<strong>den</strong>. Matthäus löste das Problem,<br />

indem er ein erklärendes <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> eins<strong>ch</strong>ob; Lukas, indem er Mk 10,31 einfa<strong>ch</strong> in<br />

einen anderen, jüngerfrem<strong>den</strong> Zusammenhang versetzte. Beide Evangelisten<br />

wollten Mk 10,31 vor dem Mißverständnis s<strong>ch</strong>ützen, als könnten selbst die<br />

16 "Wer unter eu<strong>ch</strong> Erster sein will, soll euer Kne<strong>ch</strong>t sein."<br />

17 "Immer deutli<strong>ch</strong>er zei<strong>ch</strong>net si<strong>ch</strong> der jüngerkritis<strong>ch</strong>e Akzent ab, der für das Verständnis<br />

des <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>ses bei Matthäus gilt." (G.Ei<strong>ch</strong>holz, <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se der Evangelien, 105).


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 11<br />

Apostel des verheißenen Lohnes (Mk 10,29f) verlustig gehen. Der synoptis<strong>ch</strong>e<br />

Verglei<strong>ch</strong> verdeutli<strong>ch</strong>t somit die Aussageabsi<strong>ch</strong>t des Matthäus. Die Apostel<br />

(und die frühen Christen), die ersten Arbeiter <strong>im</strong> <strong>Weinberg</strong> des Herrn, wer<strong>den</strong><br />

ihren Lohn gewiß erhalten, aber sie sollen si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t für besser als andere<br />

halten. Alle wer<strong>den</strong> <strong>den</strong>selben Lohn erhalten. Mißgunst würde die Ersten<br />

ethis<strong>ch</strong> disqualifizieren.<br />

Der Verglei<strong>ch</strong> mit Markus zeigte, daß die Verbindung des <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>ses Mt 20,1-<br />

16 mit der vorangehen<strong>den</strong> Perikope Mt 19,23-30 und insbesondere mit deren<br />

S<strong>ch</strong>lußsatz Mt 19,30 ni<strong>ch</strong>t ursprüngli<strong>ch</strong> ist. Damit ist freili<strong>ch</strong> no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t gesagt, daß<br />

au<strong>ch</strong> der Zusammenhang <strong>von</strong> Mt 20,1-15 mit Mt 20,16 ein Produkt des Evangelisten<br />

sein muß. Es kann dur<strong>ch</strong>aus sein, daß das <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> bereits mit dem<br />

S<strong>ch</strong>lußlogion vorlag. Die literarkritis<strong>ch</strong>e Analyse kann ledigli<strong>ch</strong> wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong><br />

ma<strong>ch</strong>en, daß der Zusammenhang <strong>von</strong> Mt 19,30 mit Mt 20,1-16 sekundär ist. Ob<br />

die Verbindung <strong>von</strong> Mt 20,1-15 mit Mt 20,16 ursprüngli<strong>ch</strong> ist oder ni<strong>ch</strong>t, muß<br />

getrennt untersu<strong>ch</strong>t wer<strong>den</strong>. Si<strong>ch</strong>ere Argumente für die eine oder andere<br />

Mögli<strong>ch</strong>keit könnte i<strong>ch</strong> jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t fin<strong>den</strong>. Viellei<strong>ch</strong>t ist die Beoba<strong>ch</strong>tung, daß<br />

zwis<strong>ch</strong>en Mt 19,30 und Mt 20,16 eine gewisse Spannung besteht, ein<br />

Anhaltspunkt für die ursprüngli<strong>ch</strong>e Zusammengehörigkeit <strong>von</strong> Mt 20,1-16. Mt<br />

19,30 lautet: Polloi\ de\ e„sontai prw½toi e„sxatoi kai\ e„sxatoi prw½toi. 18 Mt 20,16<br />

lautet dagegen: Ou¿twª e„sontai oi¸ e„sxatoi prw½toi kai\ oi¸ prw½toi e„sxatoi. 19 Die<br />

Reihenfolge der prw½toi und der e„sxatoi st<strong>im</strong>mt ni<strong>ch</strong>t überein. Weitrei<strong>ch</strong>ende<br />

S<strong>ch</strong>lüsse lassen si<strong>ch</strong> aus dieser Festellung jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ziehen.<br />

No<strong>ch</strong> ein Wort zu dem Logion Mt 19,30 bzw. 20,16 selbst. Es ist sehr<br />

einprägsam. Daher ist die Vermutung J.SCHNIEWINDS, es könne ein<br />

Spri<strong>ch</strong>wort sein, ni<strong>ch</strong>t abwegig. 20<br />

Der ursprüngli<strong>ch</strong>e Kontext des <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>ses Mt 20,1-16 läßt si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr<br />

ermitteln. Immerhin wer<strong>den</strong> aber als ursprüngli<strong>ch</strong>er Adressat vielfa<strong>ch</strong> die<br />

Pharisäer angenommen. 21<br />

18 "Viele Erste aber wer<strong>den</strong> Letzte sein und Letzte Erste."<br />

19 "Ebenso wer<strong>den</strong> die Letzten Erste und die Ersten Letze sein."<br />

20 na<strong>ch</strong> G.Ei<strong>ch</strong>holz, <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se der Evangelien, 103.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 12<br />

Die bisherigen Überlegungen (Eins<strong>ch</strong>ub etc.) begrün<strong>den</strong> zuglei<strong>ch</strong> die<br />

Textabgrenzung. Die Formbest<strong>im</strong>mung "<strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>" ist ein weiteres Argument,<br />

das allerdings nur für Mt 20,1-15 gilt. Da das S<strong>ch</strong>lußlogion Mt 20,16 jedo<strong>ch</strong><br />

dur<strong>ch</strong> ou¿twª an das <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> angebun<strong>den</strong> ist, muß es einbezogen wer<strong>den</strong>.<br />

Die Form und ihre Auslegung<br />

Mt 20,1-15 ist eine parabolhø. Die Synoptiker selbst erwähnen diese Form<br />

mehrfa<strong>ch</strong>, so daß wir bei der Best<strong>im</strong>mung der Form gar ni<strong>ch</strong>t fehlgehen<br />

können. Ähnli<strong>ch</strong> günstig sieht es be<strong>im</strong> Inhalt aus, <strong>den</strong> J.JEREMIAS so beurteilte:<br />

"Wer si<strong>ch</strong> mit <strong>den</strong> <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>sen Jesu … bes<strong>ch</strong>äftigt, steht auf besonders festem<br />

historis<strong>ch</strong>en Grund; sie sind ein Stück Urgestein der Überlieferung." 22 Besser<br />

könnten die Verhältnisse also gar ni<strong>ch</strong>t sein. Die Form läßt si<strong>ch</strong> si<strong>ch</strong>er<br />

best<strong>im</strong>men und ihr Inhalt ist historis<strong>ch</strong> zuverlässig. Do<strong>ch</strong> der S<strong>ch</strong>ein trügt. Die<br />

glückli<strong>ch</strong>e Konstellation will ihren Segen ni<strong>ch</strong>t preisgeben. Das "Urgestein der<br />

Überlieferung" läßt si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t abbauen! Unsere Vorfahren glaubten, die<br />

allegoris<strong>ch</strong>e Deutung sei das geeignete Auslegungsverfahren. Diesen Glauben<br />

hat A.JÜLICHER gründli<strong>ch</strong> zerstört. Seitdem diskutiert man ständig neue<br />

Metho<strong>den</strong>. Da diese Diskussion no<strong>ch</strong> kein allgemein anerkanntes Verfahren<br />

hervorgebra<strong>ch</strong>t hat, muß i<strong>ch</strong> mi<strong>ch</strong> entweder für eine der zahlrei<strong>ch</strong>en Theorien<br />

ents<strong>ch</strong>ei<strong>den</strong> oder meiner eigenen Auslegung eine kurze methodis<strong>ch</strong>e<br />

Reflektion voranstellen, was <strong>im</strong> folgen<strong>den</strong> ges<strong>ch</strong>ehen soll.<br />

Na<strong>ch</strong> A.JÜLICHER sind Allegorie und <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> s<strong>ch</strong>on <strong>im</strong> Ursprung völlig<br />

vers<strong>ch</strong>ie<strong>den</strong>. Die Allegorie ist <strong>von</strong> der Metapher abzuleiten, das <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> <strong>von</strong><br />

der Verglei<strong>ch</strong>ung. Das begründet einen unüberbrückbaren Gegensatz, <strong>den</strong>n<br />

während "die Metapher das Grundelement uneigentli<strong>ch</strong>er Rede bildet",<br />

verbleibt "die Verglei<strong>ch</strong>ung dur<strong>ch</strong>aus auf dem Bo<strong>den</strong> der eigentli<strong>ch</strong>en Rede". 23<br />

Die Unvereinbarkeit der Grundformen pflanzt si<strong>ch</strong> auf die "höheren Formen",<br />

d.h. auf das <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> und die Allegorie fort. Sie sind "höhere Formen", weil "das<br />

<strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> die auf ein Satzganzes erweiterte Verglei<strong>ch</strong>ung" und "die Allegorie die<br />

21 Belege bei G.Ei<strong>ch</strong>holz, a.a.O., 98.<br />

22 J.Jeremias, Die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se Jesu, 7.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 13<br />

auf ein Satzganzes erweiterte Metapher" ist. 24 Mit diesen Überlegungen errei<strong>ch</strong>t<br />

JÜLICHER, daß das <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> ni<strong>ch</strong>t in die Nähe der Allegorie gerückt wer<strong>den</strong><br />

kann. Na<strong>ch</strong>dem die Gefahr des allegoris<strong>ch</strong>en Mißverständnisses gebannt ist,<br />

kann das <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> aus der Verglei<strong>ch</strong>ung näher best<strong>im</strong>mt wer<strong>den</strong>. Das<br />

<strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> will "wie die Verglei<strong>ch</strong>ung ein Wort, so einen Gedanken dur<strong>ch</strong> ein<br />

o¿moion beleu<strong>ch</strong>ten, daher man au<strong>ch</strong> bei ihm nur <strong>von</strong> einem tertium<br />

comparationis redet, ni<strong>ch</strong>t <strong>von</strong> mehreren tertia." 25 Die Entspre<strong>ch</strong>ung zwis<strong>ch</strong>en<br />

der Bild- und der Sa<strong>ch</strong>hälfte 26 besteht <strong>im</strong>mer nur <strong>im</strong> Gedankengefüge, nie <strong>im</strong><br />

Bildgehalt einzelner Wörter. JÜLICHER betont, daß "in dem bildli<strong>ch</strong>en Teil" eines<br />

<strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>ses "jedes Wort eigentli<strong>ch</strong> zu verstehen" 27 sei. Wer einzelnen Wörtern<br />

eine metaphoris<strong>ch</strong>e Bedeutung zus<strong>ch</strong>reibt, begibt si<strong>ch</strong> auf das Glatteis der<br />

Allegorese.<br />

Die "synoptis<strong>ch</strong>en Parabeln" teilt JÜLICHER in "drei Klassen" ein, die kurz<br />

vorgestellt wer<strong>den</strong> sollen. Er unters<strong>ch</strong>eidet das "<strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>", die "Parabel <strong>im</strong><br />

engeren Sinn" und die "Beispielerzählung". 28 Alle drei Klassen gehen auf die<br />

"Verglei<strong>ch</strong>ung" 29 zurück. Das <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> hat einen häufig zu beoba<strong>ch</strong>ten<strong>den</strong><br />

Sa<strong>ch</strong>verhalt zum Gegenstand. "Das Bild <strong>im</strong> <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> ist der jedermann<br />

zugängli<strong>ch</strong>en Wirkli<strong>ch</strong>keit entnommen, weist hin auf Dinge, die je<strong>den</strong> Tag<br />

ges<strong>ch</strong>ehen, auf Verhältnisse, deren Dasein der s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>teste Wille anerkennen<br />

muss". 30 Die Parabel 31 beruft si<strong>ch</strong> <strong>im</strong> Unters<strong>ch</strong>ied zum <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> "auf einmal<br />

Vorgekommenes" 32 . Wie "be<strong>im</strong> <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>, giebt es in der Fabel nur ein tertium<br />

comparationis" 33 . In der Beispielerzählung ist die Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te "ein Beispiel des zu<br />

23 A.Jüli<strong>ch</strong>er, Die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>re<strong>den</strong> Jesu, I.52.<br />

24 A.Jüli<strong>ch</strong>er, a.a.O., I.58.<br />

25 A.Jüli<strong>ch</strong>er, a.a.O., I.70.<br />

26 Diese bei<strong>den</strong> Begriffe sind für die moderne <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>fors<strong>ch</strong>ung wi<strong>ch</strong>tig. Sie gehen auf<br />

A.Jüli<strong>ch</strong>er zurück: "I<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>lage vor, diese bei<strong>den</strong> unentbehrli<strong>ch</strong>en Bestandteile des<br />

<strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>ses als 'Sa<strong>ch</strong>e' und 'Bild' zu bezei<strong>ch</strong>nen" (a.a.O., I.70).<br />

27 A.Jüli<strong>ch</strong>er, a.a.O., I.117.<br />

28 A.Jüli<strong>ch</strong>er, a.a.O., I.117<br />

29 A.Jüli<strong>ch</strong>er, a.a.O., I.117<br />

30 A.Jüli<strong>ch</strong>er, a.a.O., I.93.<br />

31 A.Jüli<strong>ch</strong>er spri<strong>ch</strong>t zunä<strong>ch</strong>st <strong>von</strong> "Fabel", ma<strong>ch</strong>t dann aber <strong>den</strong> Vors<strong>ch</strong>lag, "diese<br />

<strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>erzählungen Jesu 'Parabeln' <strong>im</strong> engeren Sinne zu nennen". (a.a.O., I.101).<br />

32 A.Jüli<strong>ch</strong>er, a.a.O., I.97.<br />

33 A.Jüli<strong>ch</strong>er, a.a.O., I.95.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 14<br />

behaupten<strong>den</strong> Satzes" 34 . Mt 20,1-15 ist in diesem Sinne eine Parabel. Wir<br />

wer<strong>den</strong> also auf <strong>den</strong> einmaligen, außeror<strong>den</strong>tli<strong>ch</strong>en Vorfall zu a<strong>ch</strong>ten haben.<br />

JÜLICHER ist aus dem Bemühen zu verstehen, die allegoris<strong>ch</strong>e Deutung zu<br />

überwin<strong>den</strong>. Der Überma<strong>ch</strong>t der Allegorese in der Ges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>te der Auslegung<br />

entspra<strong>ch</strong> die eiserne Härte JÜLICHERS. Sie zeigte si<strong>ch</strong> in der unüberwindli<strong>ch</strong>en<br />

Mauer, die er zwis<strong>ch</strong>en der Allegorie und dem <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> bzw. der Metapher<br />

und der Verglei<strong>ch</strong>ung erri<strong>ch</strong>tete. Er sah si<strong>ch</strong> als Kämpfer gegen die Allegorese.<br />

Dieser Kampf polarisierte sein Denken und zwang die Fors<strong>ch</strong>ung na<strong>ch</strong> ihm in<br />

Bahnen, die sie nur mühsam verlassen konnte.<br />

Anregend wirkte auf mi<strong>ch</strong> die Lektüre <strong>von</strong> H.WEDER, "Die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se Jesu als<br />

Metaphern". Der Titel des Bu<strong>ch</strong>es verrät es s<strong>ch</strong>on. WEDER und mit ihm eine<br />

Reihe anderer Fors<strong>ch</strong>er führen wieder <strong>den</strong> Begriff in die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>fors<strong>ch</strong>ung<br />

ein, <strong>den</strong> JÜLICHER dort nie wieder erblicken wollte: die Metapher. WEDER<br />

s<strong>ch</strong>reibt: "Ausgangspunkt unserer Überlegungen ist der in der gegenwärtigen<br />

Literatur <strong>im</strong>mer stärker zum Zuge kommende Grundsatz, daß die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se<br />

als Metaphern zu verstehen sind … Wer si<strong>ch</strong> auf diesen Grundsatz einläßt, stellt<br />

si<strong>ch</strong> gegen die <strong>von</strong> Jüli<strong>ch</strong>er begründete und für die neuere <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>auslegung<br />

fundamentale These, das <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> sei <strong>von</strong> der Verglei<strong>ch</strong>ung, die Allegorie<br />

dagegen <strong>von</strong> der Metapher her zu verstehen, wobei Verglei<strong>ch</strong>ung und<br />

Metapher als zwei prinzipiell unters<strong>ch</strong>ie<strong>den</strong>e Phänomene gelten." 35<br />

WEDER entfaltet seinen Ansatzpunkt, "die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se als Metaphern zu<br />

verstehen", so: "Die spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Grundform der Metapher ist … die eines Satzes,<br />

der mindestens die Teile Subjekt (S), Prädikat (P) und Kopula (K) hat; S - K - P<br />

… An der Stelle <strong>von</strong> S in der Metapher steht … <strong>im</strong> <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> Jesu die<br />

Gottesherrs<strong>ch</strong>aft, an der Stelle <strong>von</strong> P in der Metapher steht <strong>im</strong> <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> Jesu die<br />

Erzählung selbst (also das, was bisher Bildhälfte genannt wurde). Die Stelle der<br />

Kopula in der Metapher wird <strong>im</strong> <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> Jesu <strong>von</strong> vers<strong>ch</strong>ie<strong>den</strong>en Ausdrücken<br />

eingenommen: in vielen Fällen ist K eine Form vom Stamm o¸moi-; in einigen<br />

andern steht ein einfa<strong>ch</strong>es w¸ª (w¿sper), bei dem ein 'ist' ergänzt wer<strong>den</strong> muß; in<br />

34 A.Jüli<strong>ch</strong>er, a.a.O., I.112.<br />

35 H.Weder, Die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se Jesu als Metaphern, 58.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 15<br />

einigen Fällen kann die Kopula überhaupt fehlen. Demna<strong>ch</strong> ist die der<br />

Metapher analoge Grundform der <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se Jesu: Basileia - K -<br />

<strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>erzählung." 36 Obwohl na<strong>ch</strong> diesem Modell "das Ganze der Erzählung<br />

(dh das Erzählgerüst oder die Struktur) metaphoris<strong>ch</strong> zu verstehen ist", kann<br />

WEDER zugeben, daß au<strong>ch</strong> "Einzelzüge metaphoris<strong>ch</strong>e Bedeutungen mit si<strong>ch</strong><br />

tragen." Sie sind zwar "nur <strong>im</strong> Ganzen der Erzählung <strong>von</strong> Bedeutung; dort aber<br />

sind sie bedeutsam. Die metaphoris<strong>ch</strong>en Bedeutungen der Einzelzüge sind<br />

motivges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong> zu erheben." 37 "S<strong>ch</strong>on lange ist erkannt wor<strong>den</strong>, daß Wörter<br />

wie 'Vater', 'König', 'Hausherr' udgl au<strong>ch</strong> in einem <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> metaphoris<strong>ch</strong> auf<br />

Gott verweisen, ohne daß das <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> dadur<strong>ch</strong> zur Allegorie würde. Dasselbe<br />

gilt au<strong>ch</strong> für andere Erzählelemente, wie zB das Anstellen <strong>von</strong> <strong>Arbeitern</strong> in dem<br />

<strong>Weinberg</strong> (Metapher für die Inanspru<strong>ch</strong>nahme des Mens<strong>ch</strong>en dur<strong>ch</strong> Gott) oder<br />

die Auszahlung eines Taglohnes (Metapher für die Belohnung des Mens<strong>ch</strong>en<br />

dur<strong>ch</strong> Gott). Die metaphoris<strong>ch</strong>en Implikate sol<strong>ch</strong>er Einzelzüge sind für das<br />

Verständnis des <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>ses wi<strong>ch</strong>tig." 38 Der Kampf gegen die Allegorese ließ<br />

JÜLICHER darauf bestehen, daß "jedes Wort eigentli<strong>ch</strong> zu verstehen" 39 sei. Diese<br />

Einseitigkeit darf inzwis<strong>ch</strong>en als überwun<strong>den</strong> gelten.<br />

Aus der Überzeugung, daß das <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> aus der Metapher zu verstehen sei,<br />

leitet WEDER hermeneutis<strong>ch</strong>e Erkenntnisse ab, <strong>von</strong> <strong>den</strong>en i<strong>ch</strong> nur wenige<br />

herausgreifen mö<strong>ch</strong>te. Die neuere Spra<strong>ch</strong>theorie vertritt die Auffassung, daß die<br />

Metapher grundsätzli<strong>ch</strong> unübersetzbar ist. "Im Blick auf die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se Jesu folgt<br />

daraus, daß die <strong>von</strong> Jüli<strong>ch</strong>er eingeführte … Unters<strong>ch</strong>eidung <strong>von</strong> Bild- und<br />

Sa<strong>ch</strong>hälfte aufzugeben ist … Das <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> sagt eben ni<strong>ch</strong>t nur Altes neu bzw<br />

Wahres bildli<strong>ch</strong>, sondern die in ihm zur Spra<strong>ch</strong>e kommende Wahrheit kann<br />

ni<strong>ch</strong>t anders als bildli<strong>ch</strong> gesagt wer<strong>den</strong>." 40 Damit ist die prinzipielle<br />

"Unübersetzbarkeit der <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se" 41 erkannt. "Wahre Metaphern können<br />

36 H.Weder, a.a.O., 60f.<br />

37 H.Weder, a.a.O., 97.<br />

38 H.Weder, a.a.O., 70.<br />

39 A.Jüli<strong>ch</strong>er, Die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>re<strong>den</strong> Jesu, I.117.<br />

40 H.Weder, Die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se Jesu als Metaphern, 64.<br />

41 H.Weder, a.a.O., 65.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 16<br />

ni<strong>ch</strong>t übersetzt, wohl aber ums<strong>ch</strong>rieben wer<strong>den</strong>." 42 Die Deutung eines<br />

<strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>ses ist <strong>im</strong>mer nur eine asymtotis<strong>ch</strong>e Annäherung an das Unaussag-<br />

bare. Wir kennen zwar das Thema der <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se Jesu, die Gottesherrs<strong>ch</strong>aft.<br />

Wir kennen somit <strong>den</strong> Grundton, der die Metapher zum S<strong>ch</strong>wingen bringt, so<br />

daß die wörtli<strong>ch</strong>e Bedeutung gelockert und neue Sinnhorizonte si<strong>ch</strong>tbar<br />

wer<strong>den</strong>. Aber deswegen können wir no<strong>ch</strong> lange ni<strong>ch</strong>t in das Herz der<br />

Metapher eindringen. Denn uns fehlt die Vertrautheit mit der Gottesherrs<strong>ch</strong>aft,<br />

jenem lebendigen, sinnstiften<strong>den</strong> Zentrum der Metapher. WEDER drückt diesen<br />

Gedanken so aus: "Damit die eine Entspre<strong>ch</strong>ung zwis<strong>ch</strong>en Gott und Welt<br />

herstellende theologis<strong>ch</strong>e Metapher na<strong>ch</strong>vollzogen und also wahr-genommen<br />

wer<strong>den</strong> kann, muß die Vertrautheit mit Gott erst hergestellt wer<strong>den</strong>." 43 Die<br />

Vertrautheit mit Gott und seiner Herrs<strong>ch</strong>aft ist der hermeneutis<strong>ch</strong>e S<strong>ch</strong>lüssel zum<br />

Verständnis der <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se Jesu. Die basileiøa tou½ qeou½ ist uns dur<strong>ch</strong> Jesus<br />

Christus nahegebra<strong>ch</strong>t wor<strong>den</strong>, <strong>den</strong>n er ist die Gestalt gewor<strong>den</strong>e Form der<br />

Gottesherrs<strong>ch</strong>aft. Das bedeutet, daß wir <strong>den</strong> <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>sen Jesu näher kommen,<br />

wenn wir das Leben und Wirken Jesu in unseren Verstehensprozeß<br />

einbeziehen. Das Verhalten Jesu stellt "jene Bekannts<strong>ch</strong>aft mit der Basileia" her,<br />

"die für <strong>den</strong> Hörer seiner <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se zum Na<strong>ch</strong>vollzug der in ihnen<br />

vollzogenen metaphoris<strong>ch</strong>en Prädikation notwendig ist." 44 Somit ist das<br />

<strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> "<strong>im</strong> Kontext des Lebens Jesu zu interpretieren. Das <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> ist ni<strong>ch</strong>t<br />

<strong>von</strong> seinem Erzähler ablösbar, sofern Jesu Verhalten Kommentar der<br />

<strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se, und die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se (theologis<strong>ch</strong>e) Explikation seines Verhaltens<br />

sind." 45<br />

Da uns Jesus nur <strong>im</strong> Spiegel der Evangelien zugängli<strong>ch</strong> ist und die Evangelisten<br />

<strong>den</strong>kende Mens<strong>ch</strong>en waren, müssen wir na<strong>ch</strong> der Bedeutung der <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se<br />

<strong>im</strong> jetzigen Kontext und in der Theologie der Evangeliens<strong>ch</strong>reiber fragen. Die<br />

Formung des Stoffes verlieh dem Urwort Jesu eine individuelle Hands<strong>ch</strong>rift, die<br />

jedo<strong>ch</strong> die Ma<strong>ch</strong>t des Urwortes ni<strong>ch</strong>t zum S<strong>ch</strong>weigen bra<strong>ch</strong>te.<br />

42 H.Weder, a.a.O., 65.<br />

43 H.Weder, a.a.O., 82.<br />

44 H.Weder, a.a.O., 84.<br />

45 H.Weder, a.a.O., 98.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 17<br />

Immer wieder ist die Forderung erhoben wor<strong>den</strong>, man müsse die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se<br />

aus der historis<strong>ch</strong>en Situation heraus verstehen. Do<strong>ch</strong> die Situation, in der Jesus<br />

das <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> einst formte und ausspra<strong>ch</strong>, ist uns unbekannt. Wir kennen weder<br />

<strong>den</strong> genauen Ort, no<strong>ch</strong> die genaue Zeit, no<strong>ch</strong> die Zuhörer, ihre Gedanken,<br />

Erwartungen, Absi<strong>ch</strong>ten, Fragen und Einwände, no<strong>ch</strong> <strong>den</strong> tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Gesprä<strong>ch</strong>sverlauf mit seiner Abfolge der Themen. Das Wissen um diese Dinge<br />

wäre eine uns<strong>ch</strong>ätzbare Verstehenshilfe, aber wir verfügen über dieses Wissen<br />

ni<strong>ch</strong>t. Wohl haben wir ein detailliertes historis<strong>ch</strong>es Wissen, wir kennen<br />

Personengruppen und Denkmuster der Zeit Jesu, aber die konkrete,<br />

individuelle Entstehungssituation jedes einzelnen <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>ses läßt si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

mehr rekonstruieren. Wenn daher die Kenntnis dieser Situation die conditio<br />

sine qua non der <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>auslegung wäre, dann wäre jedes Verstehen dieser<br />

Perlen der Überlieferung unmögli<strong>ch</strong> bzw. <strong>im</strong>mer so bru<strong>ch</strong>stückhaft wie die<br />

Rekonstruktion der Situation. Die Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong> <strong>den</strong> Entstehungsverhältnissen<br />

der <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se darf daher ni<strong>ch</strong>t zum absoluten Prinzip der Exegese erhoben<br />

wer<strong>den</strong>. Ferner muß man si<strong>ch</strong> hüten, best<strong>im</strong>mte Modelle, die zwar ri<strong>ch</strong>tige<br />

Annahmen enthalten aber natürli<strong>ch</strong> nie die einmalige, unverwe<strong>ch</strong>selbare<br />

Ursprungssituation sind, verallgemeindernd anzuwen<strong>den</strong>. Dann s<strong>ch</strong>afft<br />

nämli<strong>ch</strong> irgendwann das Modell die Wirkli<strong>ch</strong>keit, d.h. das Modell dient ni<strong>ch</strong>t<br />

mehr dem Verständnis, sondern es s<strong>ch</strong>afft das Verständnis, und zwar das<br />

modellkonforme. Die tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Entstehungssituation könnte überras<strong>ch</strong>end<br />

anders ausgesehen haben, damit ist <strong>im</strong>mer zu re<strong>ch</strong>nen. Deswegen darf unser<br />

historis<strong>ch</strong>es Wissen ni<strong>ch</strong>t zu einem ges<strong>ch</strong>lossenen Modell der<br />

Entstehungssituation der <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se zusammenges<strong>ch</strong>nürt wer<strong>den</strong>. Die<br />

Wirkli<strong>ch</strong>keit könnte darin ersticken. Was an historis<strong>ch</strong>em Wissen verfügbar ist,<br />

sollte eingesetzt wer<strong>den</strong>. Die Verwendung einzelner historis<strong>ch</strong>er Fakten darf<br />

jedo<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong> ein Modell gesteuert wer<strong>den</strong>, sondern muß <strong>im</strong>mer <strong>von</strong> <strong>den</strong><br />

wenigen Anhaltspunkten des Textes ausgehen. Die historis<strong>ch</strong>e Situation ist<br />

vers<strong>ch</strong>ollen. Erhalten geblieben ist nur der Text. Er kann <strong>im</strong> Einzelfall Hinweise<br />

zur Situation enthalten. So kann der Text zur Situation führen, aber die<br />

Situation ni<strong>ch</strong>t zum Text. Der Text ist die Grundlage des Verstehens.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 18<br />

Dieser wi<strong>ch</strong>tige Satz gilt au<strong>ch</strong> für das Verhältnis Text und Geist. Der <strong>den</strong>kende<br />

Geist ist am Verstehen ganz wesentli<strong>ch</strong> beteiligt. Was wäre der Text ohne einen<br />

Geist, der ihn liest? Ein Stück Papier mit s<strong>ch</strong>warzen Stri<strong>ch</strong>en! So gesehen ist der<br />

Geist der mä<strong>ch</strong>tigere, <strong>den</strong>n er ermögli<strong>ch</strong>t dem Text ein Verständnis. Aber der<br />

Geist darf dem Text kein Verständnis diktieren. Der Stärkere hat auf <strong>den</strong><br />

S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>eren Rücksi<strong>ch</strong>t zu nehmen! In angemessener Zurückhaltung soll der<br />

Geist dem Text einen Resonanzbo<strong>den</strong> bieten, so daß der Text <strong>im</strong> Geist ertönen<br />

kann. Der Geist darf <strong>den</strong> Text aber ni<strong>ch</strong>t vergewaltigen. Im Geist sollte die<br />

Bereits<strong>ch</strong>aft walten, si<strong>ch</strong> vom Text korrigieren zu lassen. So tönt der Text <strong>im</strong><br />

Geist und ni<strong>ch</strong>t der Geist <strong>im</strong> Text.<br />

Die Deutung ist eine Reflexion des Textes <strong>im</strong> Spiegel des Geistes. Je reiner der<br />

Spiegel, desto klarer das Bild. In diesem Sinne ist die se<strong>ch</strong>ste Seligpreisung der<br />

Bergpredigt eine hermeneutis<strong>ch</strong>e Aussage: "Selig sind, die reinen Herzens sind,<br />

<strong>den</strong>n sie wer<strong>den</strong> Gott s<strong>ch</strong>auen." Die Klarheit des Ges<strong>ch</strong>auten hängt <strong>von</strong> der<br />

Klarheit des S<strong>ch</strong>auen<strong>den</strong> ab. So gesehen gibt es qualitative Unters<strong>ch</strong>iede in <strong>den</strong><br />

Deutungen. Aber es gibt no<strong>ch</strong> etwas! Die individuelle Note. Au<strong>ch</strong> der reinste<br />

Geist ist ein individueller Geist, der ganz unwillkürli<strong>ch</strong> seine Weise des<br />

Verstehens einfließen läßt. Vor diesem Hintergrund ers<strong>ch</strong>eint die Su<strong>ch</strong>e na<strong>ch</strong><br />

der historis<strong>ch</strong>en Wahrheit, insofern sie eine genormte Wahrheit ist, als Fiktion.<br />

S<strong>ch</strong>on die Zeitgenossen Jesu verstan<strong>den</strong> ihn auf je eigene Weise. Es gibt vier<br />

kanonis<strong>ch</strong>e Evangelien und jedes bietet uns ein anderes Jesusbild. Damit soll die<br />

Historizität der Ereignisse ni<strong>ch</strong>t geleugnet wer<strong>den</strong>. Es soll nur gesagt wer<strong>den</strong>,<br />

daß die Wahrnehmung kein passiver, sondern ein aktiver Vorgang ist. Der<br />

Geist sieht mit. Da nun die individuelle Note des Verstehens ni<strong>ch</strong>t zu<br />

unterdrücken ist, gilt es zu be<strong>den</strong>ken, was sie methodis<strong>ch</strong> bedeutet.<br />

Der Geist ist am Verstehen aktiv beteiligt, und zwar dur<strong>ch</strong> sein Vorverständnis.<br />

Da es si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t auss<strong>ch</strong>alten läßt, sollte es einges<strong>ch</strong>altet wer<strong>den</strong>. Dann ist es die<br />

erste Stufe des Verstehens, die so lange dur<strong>ch</strong>gehalten wer<strong>den</strong> sollte, bis sie mit<br />

dem Text in einen Konflikt gerät. Ges<strong>ch</strong>ieht das, dann muß das Verständnis<br />

korrigiert wer<strong>den</strong>, ni<strong>ch</strong>t der Text. Die Kunst des Verstehens besteht in der<br />

Wahrnehmung der Konflikte. Je größer die Annäherung des Geistes an das un-<br />

geborene Verständnis des Textes ist, desto subtiler wer<strong>den</strong> die Konflikte.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 19<br />

Deswegen muß der Geist <strong>im</strong>mer feinfühliger wer<strong>den</strong>, was wiederum nur<br />

mögli<strong>ch</strong> ist, wenn er sein grobes Wesen aufgibt, das heißt <strong>den</strong> Text zur Geltung<br />

kommen läßt. Das ist nur in der Liebe mögli<strong>ch</strong>, <strong>den</strong>n sie ist die Kraft, die alle<br />

Konflikte besiegt, ohne <strong>den</strong> Geliebten zu besiegen. Verstehen hat sehr viel mit<br />

Verstehenwollen zu tun. Erst wenn der Geist <strong>den</strong> Text ganz bejahen kann, wird<br />

si<strong>ch</strong> der Text <strong>im</strong> Geist frei entfalten können und alle seine Gehe<strong>im</strong>nisse<br />

preisgeben.<br />

Die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se sind Worte Jesu, der seinerseits das Wort Gottes ist. Gott als der<br />

Transzen<strong>den</strong>te ist kein Teil dieser Welt, ist aber in Jesus Christus ers<strong>ch</strong>ienen.<br />

Ähnli<strong>ch</strong>es läßt si<strong>ch</strong> <strong>von</strong> <strong>den</strong> <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>sen sagen, gerade wenn man sie als<br />

Metaphern versteht. In <strong>den</strong> <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>sen ist die göttli<strong>ch</strong>e Wahrheit greifbar,<br />

ohne faßbar zu sein. In ihnen leu<strong>ch</strong>tet sie auf, do<strong>ch</strong> das Li<strong>ch</strong>t ist nur ein<br />

Wegweiser in <strong>im</strong>mer li<strong>ch</strong>tere Tiefen (vgl. die asymtotis<strong>ch</strong>e Annäherung). Die<br />

<strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se Jesu verhüllen die Wahrheit ni<strong>ch</strong>t. Im Gegenteil! Sie offenbaren die<br />

Wahrheit <strong>von</strong> der basileiøa tou½ qeou½, die nun angebro<strong>ch</strong>en ist wie das Li<strong>ch</strong>t<br />

eines neuen, ewigen Tages. Aber wo Worte <strong>den</strong> Blick begrenzen, öffnen die<br />

<strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se Jesu Tore in <strong>den</strong> weiten Raum der Wahrheit. Sie bieten das<br />

Unendli<strong>ch</strong>e in endli<strong>ch</strong>er Gestalt. In ihnen kommt uns Jesus Christus am<br />

unmittelbarsten entgegen, weil er selbst des Uns<strong>ch</strong>aubaren s<strong>ch</strong>aubare Gestalt<br />

ist. Die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se sind tatsä<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong> "ein Stück Urgestein der Überlieferung".<br />

Mt 20,16 ist ein Paradoxon. Jesu Rede zei<strong>ch</strong>net si<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>einbar sinnwidrige<br />

Aussagen aus. Beispiele sind: "Wer sein Leben retten will, der wird es verlieren"<br />

(Mk 8,35). "Wenn jemand der Erste sein will, dann soll er <strong>von</strong> allen der Letzte<br />

und der Diener aller sein." (Mk 10,35). "Es ist lei<strong>ch</strong>ter, daß ein Kamel dur<strong>ch</strong> ein<br />

Nadelöhr gehe, als daß ein Rei<strong>ch</strong>er ins Rei<strong>ch</strong> Gottes komme." (Mk 10,25).<br />

"Unter allen, die <strong>von</strong> einer Frau geboren sind, ist keiner aufgetreten, der größer<br />

ist als Johannes der Täufer; der aber der Kleinste ist <strong>im</strong> H<strong>im</strong>melrei<strong>ch</strong>, ist größer<br />

als er." (Mt 11,11). Die Wahrheit Christi ers<strong>ch</strong>eint sinnwidrig. Die Ursa<strong>ch</strong>e dieser<br />

Ers<strong>ch</strong>einung liegt ni<strong>ch</strong>t in der Wahrheit Christi, sondern in der Verkehrtheit des<br />

mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Strebens und Denkens.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 20<br />

Semantis<strong>ch</strong>e Analyse<br />

Mt 20,1-16 enthält Begriffe, deren Sinnhorizonte uns ni<strong>ch</strong>t ohne weiteres klar<br />

sind und somit erläutert wer<strong>den</strong> müssen. Die folgende Begriffsanalyse will die<br />

Bedeutungen und Assoziationen nur insoweit erfassen, als sie für die<br />

Interpretation <strong>von</strong> Mt 20,1-16 relevant sind. Sie ist der eigentli<strong>ch</strong>en<br />

Interpretation vorangestellt, um diese zu entlasten, also aus Grün<strong>den</strong> der<br />

Übersi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>keit.<br />

h¸ balsileiøa tw½n ou¹ranw½n<br />

Das ist der nur bei Matthäus begegnende Ausdruck für h¸ basileiøa tou½ qeou½.<br />

¹Ouranoøª wird in der Verbindung h¸ basileiøa tw½n ou¹ranw½n synonym mit qeoøª<br />

verwendet. 46 Matthäus kann allerdings au<strong>ch</strong> das sonst übli<strong>ch</strong>e h¸ basileiøa tou½<br />

qeou½ verwen<strong>den</strong> (Mt 12,28; 19,24; 21,31.43). ¸H basileiøa bezei<strong>ch</strong>net mit Blick<br />

auf Mt 20,1b-15, wo eine Handlung erzählt wird, die Art und Weise der Ausübung<br />

einer Herrs<strong>ch</strong>aft. 47 ¸H basileiøa tw½n ou¹ranw½n bezei<strong>ch</strong>net somit die<br />

Herrs<strong>ch</strong>aftsweise Gottes.<br />

Da Mt 20,1b-15 als Metapher nur dann verständli<strong>ch</strong> ist, wenn eine gewisse<br />

Vertrautheit mit der Herrs<strong>ch</strong>aftsausübung Gottes gegeben ist, muß über<br />

letztere kurz na<strong>ch</strong>geda<strong>ch</strong>t wer<strong>den</strong>. Die Gottesherrs<strong>ch</strong>aft ist der "beherrs<strong>ch</strong>ende<br />

Begriff der Verkündigung Jesu" 48 . Jesus hat ihn allerdings ni<strong>ch</strong>t erfun<strong>den</strong>; er<br />

war <strong>im</strong> Ju<strong>den</strong>tum bereits vorhan<strong>den</strong>. Jesus hat ihn aber auf si<strong>ch</strong> und sein<br />

Wirken bezogen und ihm damit eine besondere Note verliehen. Die<br />

Gottesherrs<strong>ch</strong>aft ist mit dem Wirken Jesu bereits angebro<strong>ch</strong>en. ei¹ de\ e¹n<br />

pneuømati qeou½ e¹gw\ e¹kbaøllw ta\ da<strong>im</strong>oønia, a„ra e„fqasen e¹f' u¸ma½ª h¸ basileiøa<br />

tou½ qeou½ (Mt 12,28) 49 . Jesu Ma<strong>ch</strong>t über das Böse in der Welt ist das untrügli<strong>ch</strong>e<br />

46 W.Bauer,Wörterbu<strong>ch</strong> zu <strong>den</strong> S<strong>ch</strong>riften des Neuen Testaments, Sp.1180. Vgl. au<strong>ch</strong> <strong>den</strong><br />

Artikel über basileiøa: "b. tou½ qeou½ u. tw½n oujranw½n sind wesentl. glei<strong>ch</strong>wertig, da d. Ju<strong>den</strong><br />

für qeoøª neb. andern Ums<strong>ch</strong>reibungen au<strong>ch</strong> ou¹ranoøª (-oiø) brau<strong>ch</strong>ten" (Sp.268).<br />

47 h¸ basileiøa könnte au<strong>ch</strong> das "Königtum" oder "Königrei<strong>ch</strong>" bezei<strong>ch</strong>nen (W.Bauer, a.a.O.,<br />

Sp.267f). Da Mt 20,1b-15 jedo<strong>ch</strong> keinen Zustand, sondern einen Vorgang erzählt, ist die<br />

Bedeutung "Königsherrs<strong>ch</strong>aft" am angemessensten.<br />

48 R.Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, 3.<br />

49 "Wenn aber i<strong>ch</strong> mit dem Geist Gottes die Dämonen austreibe, dann gelangte die<br />

Herrs<strong>ch</strong>aft Gottes do<strong>ch</strong> (s<strong>ch</strong>on) bis zu eu<strong>ch</strong>."


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 21<br />

Zei<strong>ch</strong>en der angebro<strong>ch</strong>enen Gottesherrs<strong>ch</strong>aft. Diese Einsi<strong>ch</strong>t ist au<strong>ch</strong> für das<br />

Verständnis <strong>von</strong> Mt 20,1b-15 wi<strong>ch</strong>tig, <strong>den</strong>n das Böse tau<strong>ch</strong>t hier als die<br />

mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Haltung des gogguøzein (V.11) und als o¸ o¹fqalmo\ª poneroøª (V.15)<br />

auf. Dem gegenüber steht das e¹gw\ a¹gaqoøª ei¹mi (V.15), dur<strong>ch</strong> das die<br />

mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Bosheit offenbar wird. Die Gottesherrs<strong>ch</strong>aft ist die Herrs<strong>ch</strong>aft des<br />

Guten; sie wirkt demaskierend.<br />

Das Wesen der Gottesherrs<strong>ch</strong>aft ers<strong>ch</strong>ließt si<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong>, wenn man be<strong>den</strong>kt, wer<br />

sie ausübt. Der oi¹kodespoøthª begründet sein ungewöhnli<strong>ch</strong>es Tun in Mt 20,1b-<br />

15 damit, daß er gütig ist (V.15). Das Gutsein ist <strong>im</strong> eigentli<strong>ch</strong>en Sinne nur <strong>von</strong><br />

Gott aussagbar. Dem rei<strong>ch</strong>en Jüngling, der Jesus mit Didaøskale a¹gaqeø<br />

angeredet hatte, antwortete Jesus: ou¹dei\ª a¹gaqo\ª ei¹ mh\ ei“ª o¸ qeoøª (Mk<br />

10,18) 50 . Das s<strong>ch</strong>ließt freili<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t aus, daß au<strong>ch</strong> Mens<strong>ch</strong>en das Attribut "gut"<br />

erhalten können (Mt 12,35). Aber <strong>im</strong> Li<strong>ch</strong>te <strong>von</strong> Mk 10,18 kann der Mens<strong>ch</strong> nur<br />

<strong>im</strong> uneigentli<strong>ch</strong>en Sinne als "gut" bezei<strong>ch</strong>net wer<strong>den</strong>. Die Gemeins<strong>ch</strong>aft mit<br />

Gott läßt <strong>den</strong> Mens<strong>ch</strong>en am Guten Anteil haben; an si<strong>ch</strong> ist er böse (u¸mei½ª<br />

ponhroi\ o„nteª Mt 7,11 51 ). Die basileiøa tou½ qeou½ ist daher die Herrs<strong>ch</strong>aft des<br />

Guten über die Mä<strong>ch</strong>te des Bösen. Sie ist in der Person Jesu bereits<br />

angebro<strong>ch</strong>en, <strong>den</strong>n er ist die Gestalt gewor<strong>den</strong>e Güte Gottes.<br />

oi¹kodespoøthª - kuørioª tou½ a¹mpelw½noª<br />

Die zentrale Figur der Parabel wird in ihrer Funktion als oi¹kodespoøthª und<br />

kuørioª tou½ a¹mpelw½noª angespro<strong>ch</strong>en. Beide Begriffe heben das Eigentümersein<br />

hervor. LOUW-NIDA definieren oi¹kodespoøthª: "one who owns and manages a<br />

household, including family, servants, and slaves" 52 Und kuørioª: "one who owns<br />

and controls property, including especially servants and slaves, with <strong>im</strong>portant<br />

supplementary semantic components of high status and respect" 53 Das<br />

Eigentum ist der<strong>Weinberg</strong> (possessives au¹tou½ V.1.2; o¸ kuørioª tou½ a¹mpelw½noª<br />

50 "Niemand ist gut, außer Einer, (nämli<strong>ch</strong>) Gott." Die Parallele in Mt 19,17 lautet: ei“ª e¹stin<br />

o¸ a¹gaqoøª.<br />

51 "Ihr, die ihr do<strong>ch</strong> böse seid …"<br />

52 Louw - Nida, Greek-English lexicon of the New Testament: based on semantic domains,<br />

I.559. (kursiv <strong>von</strong> mir).


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 22<br />

V.8) und das Vermögen (e¹n toi½ª e¹moi½ª V.15). Als wesentli<strong>ch</strong>es Moment des<br />

Eigentümerseins tau<strong>ch</strong>t in Mt 20,1b-15 der souveräne Umgang mit dem<br />

Eigentum auf (qeølw V.14.15). Er spielt in der Apologie des oi¹kodespoøtou (Verse<br />

13-15) eine ents<strong>ch</strong>ei<strong>den</strong>de Rolle. Der Anspru<strong>ch</strong> der e¹rgatw½n auf einen Teil des<br />

Eigentums des oi¹kodespoøtou ist vertragli<strong>ch</strong> begründet (daher aÅron to\ so\n<br />

V.14), darf aber ni<strong>ch</strong>t auf das sonstige Eigentum ausgeweitet wer<strong>den</strong>.<br />

Der oi¹kodespoøthª verweist metaphoris<strong>ch</strong> auf Gott als <strong>den</strong> wahren Eigentümer<br />

aller Güter. Na<strong>ch</strong> W.BAUER wird oi¹kodespoøthª in "<strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>sen und Bildern v.<br />

Gott" ausgesagt. 54 In diesem Sinne ist der Begriff au<strong>ch</strong> <strong>im</strong> <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> <strong>von</strong> <strong>den</strong><br />

bösen Weingärtnern (Mt 21,33ff) verwendet. Dort ist die metaphoris<strong>ch</strong>e<br />

Bedeutung viellei<strong>ch</strong>t no<strong>ch</strong> offensi<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>er. Da die Einleitungsformel Mt 20,1a<br />

<strong>den</strong> ans<strong>ch</strong>ließen<strong>den</strong> Text Mt 20,1b-15 als Metapher der Gottesherrs<strong>ch</strong>aft<br />

ausweist, müssen Gott und seine Herrs<strong>ch</strong>aft in Mt 20,1b-15 irgendwie zugegen<br />

sein. Der oi¹kodespoøthª repräsentiert daher Gott als <strong>den</strong> Eigentümer und die<br />

Art und Weise der Lohnauszahlung seinen Herrs<strong>ch</strong>aftsstil.<br />

Der kuørioª tou½ a¹mpelw½noª verweist auf JHWH als <strong>den</strong> Herrn über Israel. Jesu<br />

Zeitgenossen haben si<strong>ch</strong> unter o¸ kuørioª tou½ a¹mpelw'noª si<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t nur einen<br />

gemütli<strong>ch</strong>en <strong>Weinberg</strong>sbesitzer vorstellen können. Der Begriff ist einfa<strong>ch</strong> viel<br />

zu beziehungsrei<strong>ch</strong>. Dazu K.ERLEMANN: "Die Metapher 'Herr des <strong>Weinberg</strong>s'<br />

bezei<strong>ch</strong>net <strong>im</strong> allgemeinen Gott als <strong>den</strong> Herrn des Volkes Israel. Israel gilt ihm<br />

gegenüber als sein Eigentum, <strong>von</strong> dem er si<strong>ch</strong> 'gute Fru<strong>ch</strong>t' erwartet (vgl. Jes<br />

5,1-7; Ps 80). Gott selbst ist es, der <strong>den</strong> '<strong>Weinberg</strong>' anlegt bzw. <strong>den</strong> 'Weinstock'<br />

einpflanzt, womit er als Begründer der Erwählung Israels gekennzei<strong>ch</strong>net ist.<br />

Seiner 'Mühe' entspri<strong>ch</strong>t die Erwartung, die er an Israel stellt. 'Gute Fru<strong>ch</strong>t'<br />

steht für re<strong>ch</strong>tes Tun und Ausübung der Gere<strong>ch</strong>tigkeit (Jes 5,7; vgl. Mk 12 parr).<br />

Wo diese Erwartung enttäus<strong>ch</strong>t wird, antwortet Gott mit Strafhandeln … Der,<br />

der <strong>den</strong> '<strong>Weinberg</strong>' gegründet hat, hat au<strong>ch</strong> Ma<strong>ch</strong>t, ihn wieder zu verni<strong>ch</strong>ten<br />

(Jes 5,5f) bzw. ihn wieder wegzunehmen und anderen zu geben (Mk 12 parr)."<br />

Die Metapher <strong>im</strong>pliziert u.a. "Gottes 'Funktion' als 'Arbeitsherr' (pBerakh<br />

53 Louw - Nida, a.a.O., I.559. (kursiv <strong>von</strong> mir).<br />

54 W.Bauer, Wörterbu<strong>ch</strong> zu <strong>den</strong> S<strong>ch</strong>riften des Neuen Testaments, Sp.1104.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 23<br />

2,5c,15; Mt 20,1-16; 21,28-32), der <strong>den</strong> Mens<strong>ch</strong>en seinen '<strong>Weinberg</strong>' als<br />

'Arbeitsfeld' zuweist … Die Metapher <strong>im</strong>pliziert in allen Fällen die Abhängigkeit<br />

des Volkes oder des einzelnen <strong>von</strong> Gott. Das Verhältnis zwis<strong>ch</strong>en Gott und<br />

Mens<strong>ch</strong>en ist als 'Re<strong>ch</strong>ts- und Ges<strong>ch</strong>äftsverhältnis' geda<strong>ch</strong>t da, wo der 'Herr des<br />

<strong>Weinberg</strong>s' als 'Arbeitsherr' gezei<strong>ch</strong>net wird. Gott hat als 'Herr des <strong>Weinberg</strong>s'<br />

Anspru<strong>ch</strong> auf die Leistung des Mens<strong>ch</strong>en und die Ma<strong>ch</strong>t zu erhalten bzw. zu<br />

zerstören." 55 JHWH als der Eigentümer des Volkes Israels war eine vertraute<br />

Vorstellung. Ein so zentraler Text wie Ex 19,5 bezei<strong>ch</strong>nete Israel als Eigentum<br />

JHWH's (hÊLıgºs vgl. au<strong>ch</strong> Dtn 7,6; 14,2; 26,18).<br />

o¸ a¹mpelwøn<br />

Der <strong>Weinberg</strong> war eine geläufige Metapher für die Kinder Israels, das erwählte<br />

Volk. Dazu einige Belege aus dem Alten Testament: "Du hast einen Weinstock<br />

(}ÂpÂg) aus Ägypten geholt, hast vertrieben die Völker und ihn eingepflanzt." (Ps<br />

80,9; vgl. Vers 15). "Mein Freund hatte einen <strong>Weinberg</strong> auf einer fetten Höhe …<br />

Des HERRN Zebaoth <strong>Weinberg</strong> aber ist das Haus Israel (l")Êr&iy ty"B tO)Êbºc hwhy {ÂrÂk yiK)<br />

und die Männer Judas seine Pflanzung, an der sein Herz hing." (Jes 5,1+7). "I<strong>ch</strong><br />

aber hatte di<strong>ch</strong> gepflanzt als einen edlen Weinstock (q"r&), ein ganz e<strong>ch</strong>tes<br />

Gewä<strong>ch</strong>s. Wie bist du mir <strong>den</strong>n gewor<strong>den</strong> zu einem s<strong>ch</strong>le<strong>ch</strong>ten, wil<strong>den</strong><br />

Weinstock (hÊYirºkÊn }epeGah)?" (Jer 2,21). 56<br />

Na<strong>ch</strong> W.BAUER ist a¹mpelwøn in <strong>den</strong> Parabeln Mt 20,1ff und 21,28ff (<strong>von</strong> <strong>den</strong><br />

unglei<strong>ch</strong>en Söhnen und <strong>von</strong> <strong>den</strong> bösen Weingärtnern) ein "Bild d.<br />

Christenvolkes" 57 . In Mt 21,28 kommt die Wendung e¹rgaøzou e¹n tw½| a¹mpelw½ni<br />

vor. Sie bedeutet, wie der Fortgang des <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>ses <strong>von</strong> <strong>den</strong> unglei<strong>ch</strong>en<br />

Söhnen deutli<strong>ch</strong> zeigt, soviel wie na<strong>ch</strong> dem göttli<strong>ch</strong>en Wort leben bzw. dem<br />

Wort glauben oder Vertrauen s<strong>ch</strong>enken. In dem <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> <strong>von</strong> <strong>den</strong> bösen<br />

Weingärtner ist der <strong>Weinberg</strong> eine Metapher für das Ju<strong>den</strong>tum.<br />

55 Vgl. K.Erlemann, Das Bild Gottes in <strong>den</strong> synoptis<strong>ch</strong>en <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>sen, 105f.<br />

56 Die LXX-Fassung: a„mpelon e¹c Ai¹guøptou (Ps 79,9). o¸ ga\r a¹mpelw\n kuriøou sabawq oi¹koª tou½<br />

Israhl e¹stiøn (Jes 5,7). e¹gw\ de e¹fuøteusaø se a„mpelon karpofoøron pa½san a¹lhqinhøn: pw½ª<br />

e¹straøfhª ei¹ª pikriøan, h¸ a„mpeloª h¸ a¹llotriøa; (Jer 2,21).<br />

57 W.Bauer, Wörterbu<strong>ch</strong> zu <strong>den</strong> S<strong>ch</strong>riften des Neuen Testaments, Sp.93.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 24<br />

Angemerkt sei no<strong>ch</strong>, daß es dur<strong>ch</strong>aus übli<strong>ch</strong> war Mens<strong>ch</strong>en und<br />

Mens<strong>ch</strong>engruppen mit Gewä<strong>ch</strong>sen zu verglei<strong>ch</strong>en. Besonders eindrucksvoll<br />

s<strong>ch</strong>eint mir Ps.1 zu sein: "Wohl dem, der ni<strong>ch</strong>t wandelt <strong>im</strong> Rat der Gottlosen<br />

no<strong>ch</strong> sitzt, wo die Spötter sitzen, sondern hat Lust am Gesetz des HERRN und<br />

sinnt über seinem Gesetz Tag und Na<strong>ch</strong>t! Der ist wie ein Baum, gepflanzt an <strong>den</strong><br />

Wasserbä<strong>ch</strong>en, der seine Fru<strong>ch</strong>t bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter ver-<br />

welken ni<strong>ch</strong>t. Und was er ma<strong>ch</strong>t, das gerät wohl." Man <strong>den</strong>ke au<strong>ch</strong> an das Bild<br />

vom guten Baum, der gute Frü<strong>ch</strong>te bringt (Mt 7,17).<br />

oi¸ e¹rgaøtai<br />

Die e¹rgaøtai sind für Mt 20,1b-15 ni<strong>ch</strong>t als produzierende oder gar s<strong>ch</strong>öpferis<strong>ch</strong>e<br />

Mens<strong>ch</strong>en interessant. Die Arbeit wird ni<strong>ch</strong>t über das Produkt definiert, au<strong>ch</strong><br />

ni<strong>ch</strong>t als sinnvolles, innerli<strong>ch</strong> befriedigendes Tun verstan<strong>den</strong>, sondern s<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>t als<br />

vertragli<strong>ch</strong> geregelte "S<strong>ch</strong>ufterei", deren Sinn auss<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> der Lohn ist.<br />

¹Ergaøtai sein bedeutet, si<strong>ch</strong> auf einen Lohn geeinigt haben (misqwøsasqai V.1;<br />

sunfwneøw V.2.13), si<strong>ch</strong> abmühen, s<strong>ch</strong>wer arbeiten (Ou“toi oi¸ e„sxatoi miøan w¿ran<br />

e¹poiøhsan, kai\ i„souª h¸mi½n au¹tou\ª e¹poiøhsaª toi½ª bastaøsasi to\ baøroª th½ª<br />

h¸meøraª kai\ to\n kauøswna V.11) und s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> <strong>den</strong> vereinbarten Lohn<br />

entgegennehmen (misqwøsasqai V.1.7; misqoøª V.8; ou¹xi\ dhnariøou sunefwønhsaøª<br />

moi V.13). Das gesamte Interesse der Lohnarbeiter ruht auf <strong>den</strong> Lohn.<br />

Deswegen murren sie (V.11) und bes<strong>ch</strong><strong>im</strong>pfen ihren Arbeitgeber (V.12), als der<br />

das Grundgesetz der Lohnpolitik verletzt: Mehr Lohn für mehr Arbeit.<br />

o¸ misqoøª<br />

Dieser Begriff spielt in Mt 20,1b-15 eine wesentli<strong>ch</strong>e Rolle, obwohl er nur in<br />

Vers 8 ausdrückli<strong>ch</strong> genannt wird und nur in <strong>den</strong> Versen 1 und 7 das Verb<br />

misqwøsasqai ers<strong>ch</strong>eint. Do<strong>ch</strong> der Gedankenkomplex der Entlohung für<br />

geleistete Arbeit spri<strong>ch</strong>t si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t nur in diesen zwei Wörtern, sondern au<strong>ch</strong> in<br />

<strong>den</strong> folgen<strong>den</strong> Wendungen aus: sumfwnhøsaª e¹k dhnariøou th\n h¸meøran (V.2); o¡<br />

e¹a\n vÅ diøkaion dwøsw (V.4); dhønarion (V.2.9.10.13); lambaønein (V.9. 10.11);<br />

(a¹po)diødwmi (V.4.8.14); aÅron to\ so\n (V.14); e¹rgaøthª und a¹rgoøª (V.1.2.3.6.8). In<br />

Mt 20,1b-15 bezei<strong>ch</strong>net o¸ misqoøª <strong>den</strong> <strong>von</strong> Gott gewährten Ausglei<strong>ch</strong> für eine


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 25<br />

sittli<strong>ch</strong>e Leistung. 58 Denn die Parabel muß <strong>im</strong> Kontext der Gottesherrs<strong>ch</strong>aft<br />

verstan<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>. Der Lohn ist dann, mit Mt 5,12 gespro<strong>ch</strong>en: o¸ misqo\ª … e¹n<br />

toi½ª ou¹ranoi½ª.<br />

Einige weitere Wendungen sollen nur kurz behandelt wer<strong>den</strong>. Ganz auslassen<br />

kann i<strong>ch</strong> sie aber ni<strong>ch</strong>t, weil sie für das Verständnis ni<strong>ch</strong>t ganz unwi<strong>ch</strong>tig sind.<br />

a¿ma prwi+\ (V.1) bedeutet glei<strong>ch</strong> bei Sonnenaufgang. "Die Arbeitszeit gemieteter<br />

Arbeiter begann mit dem Aufstrahlen der Sonne u. endete mit dem Ers<strong>ch</strong>einen<br />

der Sterne." 59 - sumfwnhøsaª de\ meta\ tw½n e¹rgatw½n (V.2): "Die mündli<strong>ch</strong>e<br />

Verabredung war für beide Teile bin<strong>den</strong>d." 60 - e¹k dhnariøou th\n h¸meøran (V.2):<br />

Ein Denar war der übli<strong>ch</strong>e Tageslohn für einen Arbeiter. 61 - a¹rgoøª (V.3.7): Es ist<br />

unklar, ob das Wort neutral (arbeitslos) oder lei<strong>ch</strong>t abwertend (müßig) zu<br />

verstehen ist. "Das Adjektiv a¹rgoøª muß hier <strong>im</strong> Sinne <strong>von</strong> 'arbeitslos' … ver-<br />

stan<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> und darf ni<strong>ch</strong>t <strong>den</strong> disqualifizieren<strong>den</strong> Sinn <strong>von</strong> 'faul' oder<br />

'unbrau<strong>ch</strong>bar' bekommen." 62 Dagegen liest man bei Strack-Billerbeck:<br />

"Spri<strong>ch</strong>wörtli<strong>ch</strong>en Charakter s<strong>ch</strong>eint das Wort zu haben: Geh hinaus u. sieh, wie<br />

viele Ni<strong>ch</strong>tstuer gibt es auf dem Markt" 63 - o¹yiøaª de\ genomeønhª (V.8): "Dieser<br />

häufig wiederkehrende Zug … hängt wohl mit <strong>den</strong> Best<strong>im</strong>mungen Lv 19,13 u.<br />

Dt 24,15 zus., na<strong>ch</strong> <strong>den</strong>en der Lohn dem Arbeiter am Tage der Arbeit selbst<br />

auszuzahlen war" 64 Daß si<strong>ch</strong> der oi¹kodespoøthª an die Best<strong>im</strong>mungen der Thora<br />

hält, unterstrei<strong>ch</strong>t sein gere<strong>ch</strong>tes Verhalten, das dem Evangelisten wi<strong>ch</strong>tig ist.<br />

Die Deutung wird es zeigen. - e¹goøgguzon (V.11): Das Wort erinnert an das<br />

Murren der Israeliten während der Wüstenwanderung (Ex 16,7; Num 14,2.36).<br />

Die LXX verwendet gogguøzw 15 mal. 65 Die Haltung des Murrens war <strong>den</strong><br />

Zeitgenossen also bekannt und Ausdruck der Unzufrie<strong>den</strong>heit mit der<br />

58 W.Bauer, a.a.O., Sp.1035.<br />

59 Strack - Billerbeck, Das Evangelium na<strong>ch</strong> Matthäus erläutert aus Talmud und Midras<strong>ch</strong>,<br />

I.830.<br />

60 Strack - Billerbeck, a.a.O., I.830.<br />

61 Vgl. die Belege bei Strack - Billerbeck, a.a.O., I.831.<br />

62 H.Weder, Die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se Jesu als Metaphern, 221.<br />

63 Strack - Billerbeck, Das Evangelium na<strong>ch</strong> Matthäus erläutert aus Talmud und Midras<strong>ch</strong>,<br />

I.831.<br />

64 Strack - Billerbeck, a.a.O., I.832.<br />

65 F.Rehkopf, Septuaginta-Vokabular, 62.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 26<br />

göttli<strong>ch</strong>en Führung. - ¸Etai½re (V.13): "Die Anrede e¸tai½re (vgl Mt 22,12; 26,50)<br />

<strong>im</strong>pliziert wahrs<strong>ch</strong>einli<strong>ch</strong> eine zuglei<strong>ch</strong> gütige und vorwurfsvolle Haltung des<br />

Hausherrn." 66 - o¸ o¹fqalmo\ª ponhroøª (V.15): "e. böses, d.h. s<strong>ch</strong>eel auf <strong>den</strong><br />

Nä<strong>ch</strong>sten blickendes Auge" 67 . Ein - wie die Belege bei Strack-Billerbeck zeigen -<br />

weit verbreiteter Ausdruck für "Mißgunst, Neid, dem andern Böses Gönnen" 68<br />

"Das 'böse Auge' steht hier als Ausdruck des 'bösen Herzens', sofern si<strong>ch</strong> die<br />

St<strong>im</strong>mungen des Herzens in <strong>den</strong> Augen zeigen" 69 . Na<strong>ch</strong> Mt 6,23 gilt: e¹a\n de\ o¸<br />

o¹fqalmoøª sou ponero\ª vÅ, o¿lon to\ sw½maø sou skoteino\n e„stai. 70 Die Bosheit,<br />

die <strong>im</strong> Herzens wohnt und aus <strong>den</strong> Augen hervorblitzt, ist die Quelle der<br />

totalen Verfinsterung. Die Frage hƒ o¸ o¹fqalmoøª sou ponhroøª o¿ti e¹gw\ a¹gaqoøª<br />

ei¹mi mit kausalem o¿ti bedeutet, daß die Güte des <strong>Weinberg</strong>sbesitzers die<br />

Ursa<strong>ch</strong>e für die Mißgunst der Arbeiter ist. Natürli<strong>ch</strong> kann die Liebe ni<strong>ch</strong>t böse<br />

ma<strong>ch</strong>en, aber ihr Wirken provoziert <strong>den</strong> Ausbru<strong>ch</strong> der latenten Bosheit <strong>im</strong><br />

Mens<strong>ch</strong>en.<br />

Gliederung<br />

Die Bildhälfte des <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>ses umfaßt die Verse 1b-15. Vers 1a ist die<br />

Einleitungsformel. Vers 16 ist der S<strong>ch</strong>lußsatz, der dur<strong>ch</strong> das einleiten<strong>den</strong> ou¿twª<br />

festlegt, worin die wesentli<strong>ch</strong>e Aussage der Parabel in ihrer jetzigen Form<br />

liegen soll.<br />

Die eigentli<strong>ch</strong>e Bildhälfte (1b-15) zerfällt deutli<strong>ch</strong> in zwei Abs<strong>ch</strong>nitte. Die Verse<br />

1b-7 erzählen die Anwerbung der Arbeiter dur<strong>ch</strong> <strong>den</strong> Hausherrn. Die Verse 8-15<br />

erzählen die Bezahlung der Arbeiter und <strong>den</strong> Konflikt zwis<strong>ch</strong>en dem<br />

Gere<strong>ch</strong>tigkeitsempfin<strong>den</strong> der Arbeiter und der Gere<strong>ch</strong>tigkeit des <strong>Weinberg</strong>sbesitzers.<br />

Der erste Abs<strong>ch</strong>nitt (1b-7) gliedert si<strong>ch</strong> wie folgt: Die Verse 1b-2 erzählen die<br />

erste Anwerbung und die für das weitere Ges<strong>ch</strong>ehen wi<strong>ch</strong>tige Übereinkunft<br />

66 H.Weder, Die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se Jesu als Metaphern, 222.<br />

67 W.Bauer, Wörterbu<strong>ch</strong> zu <strong>den</strong> S<strong>ch</strong>riften des Neuen Testaments, Sp.1188.<br />

68 Strack - Billerbeck, Das Evangelium na<strong>ch</strong> Matthäus erläutert aus Talmud und Midras<strong>ch</strong>,<br />

I.833.<br />

69 H.Weder, Die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se Jesu als Metaphern, 223.<br />

70 "Wenn aber dein Auge böse ist, wird dein ganzer Leib finster sein."


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 27<br />

(sumfwnei½n). Die Verse 3-5a erzählen die zweite Anwerbung <strong>von</strong> <strong>Arbeitern</strong>,<br />

<strong>den</strong>en kein konkreter Lohn verspro<strong>ch</strong>en wird. Aber das wi<strong>ch</strong>tige Sti<strong>ch</strong>wort<br />

diøkaioª fällt. Der Vers 5b erzählt die dritte und vierte Anwerbung. Die Verse 6-7<br />

erzählen s<strong>ch</strong>ließli<strong>ch</strong> die fünfte Anwerbung. Das kurze Gesprä<strong>ch</strong> zwis<strong>ch</strong>en dem<br />

Hausherrn und diesen letzten <strong>Arbeitern</strong> läßt erkennen, daß sie s<strong>ch</strong>uldlos ohne<br />

Arbeit geblieben sind.<br />

Der zweite Abs<strong>ch</strong>nitt (8-15) gliedert sie folgendermaßen: Vers 8 s<strong>ch</strong>ildert die<br />

Beauftragung des Verwalters und die Festlegung der Reihenfolge der<br />

Lohnauszahlung. Vers 9 erzählt die Bezahlung der zuletzt angemieteten Arbeiter.<br />

Die Verse 10-12 erzählen die Entlohnung der zuerst angemieteten Arbeiter und die<br />

Entladung ihres Unmuts über die Lohnpraxis ihres Arbeitgebers. Die Verse 13-15<br />

enthalten die Apologie des Hausherrn.<br />

Personengruppen<br />

Die Parabel besteht aus Interaktionen zwis<strong>ch</strong>en drei Personengruppen. Person<br />

eins ist der oi¹kodespoøthª (V.1.11) 71 , au<strong>ch</strong> kuørioª tou½ a¹mpelw½noª (V.8) genannt.<br />

Die zweite Gruppe sind die e¹rgaøtai (V.1.2.8), die allerdings in zwei<br />

Untergruppen zerfallen: die prw½toi (V.8.10. 16) und die e„sxatoi<br />

(V.8.12.14.16). 72<br />

Betra<strong>ch</strong>tet man das Interaktionss<strong>ch</strong>ema der drei Gruppen, dann fällt auf, daß es<br />

zwis<strong>ch</strong>en <strong>den</strong> prw½toi und <strong>den</strong> e„sxatoi keine Interaktion gibt. 73 Der Groll der<br />

prw½toi ri<strong>ch</strong>tet si<strong>ch</strong> gegen <strong>den</strong> oi¹kodespoøthª (e¹goøgguzon kata\ tou½ oi¹kodespoøtou<br />

V.11; hƒ o¸ o¹fqalmoøª sou ponhroøª o¿ti e¹gw\ a¹gaqoøª ei¹mi V.15), ni<strong>ch</strong>t gegen die<br />

e„sxatoi, obwohl deren "unvers<strong>ch</strong>ämtes" Glück <strong>den</strong> Groll erregt. Alle<br />

71 Vers 1 hat a„nqrwpoª oi¹kodespoøthª. In dieser Wendung hat a„nqrwpoª die Bedeutung <strong>von</strong> tiª<br />

(irgend)ein. Vgl. Hoffmann - <strong>von</strong> Siebenthal, Grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Grammatik zum Neuen<br />

Testament, § 260j.<br />

72 Die Arbeiter der dritten, se<strong>ch</strong>sten und neunten Stunde und der Verwalter erfüllen in der<br />

Parabel keine wesentli<strong>ch</strong>e Funktion. I<strong>ch</strong> verna<strong>ch</strong>lässige sie daher in diesem Grobraster.<br />

73 Als Interaktion ließe sie hö<strong>ch</strong>stens werten, daß die prw½toi mit ansehen müssen, wie die<br />

e„sxatoi <strong>den</strong> mit <strong>den</strong> prw½toi vereinbarten Lohn erhalten. Bezei<strong>ch</strong>nenderweise läßt si<strong>ch</strong><br />

diese Interaktion aber nur indirekt ers<strong>ch</strong>ließen; ein entspre<strong>ch</strong>endes Verb ist ni<strong>ch</strong>t<br />

vorhan<strong>den</strong>.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 28<br />

Interaktionen bestehen zwis<strong>ch</strong>en dem oi¹kodespoøthª und <strong>den</strong> prw½toi bzw.<br />

e„sxatoi. Das bedeutet, daß Mt 20,1b-15 in erster Linie das Verhältnis Gott -<br />

Mens<strong>ch</strong> behandelt (der oi¹kodespoøthª verweist auf Gott). Es ist ein Arbeits- und<br />

Vorwurfsverhältnis. Und da Mt 20,1b-15 mit der Apologie der<br />

<strong>Weinberg</strong>sbesitzers und diese wiederum mit e¹gw\ a¹gaqoøª ei¹mi endet geht es<br />

um die Theodizee Gottes. Angeklagt ist die göttli<strong>ch</strong>e Liebe, genauer ihr<br />

Verhalten. Erst Mt 20,16 betrifft prw½toi und e„sxatoi, d.h. deren Rollentaus<strong>ch</strong>.<br />

Deutung<br />

Die Einleitungsformel Mt 20,1a<br />

¸Omoiøa e¹stin h¸ basileiøa tw½n ou¹ranw½n ist die Einleitungsformel, die uns in dieser<br />

Form au<strong>ch</strong> sonst häufiger begegnet (Mt 13,31.33.44. 45.47). Mit H.WEDER<br />

verstehe i<strong>ch</strong> sie als Hinweis darauf, daß die ans<strong>ch</strong>ließende Parabel Mt 20,1b-15<br />

als Metapher des H<strong>im</strong>melrei<strong>ch</strong>s zu interpretieren ist. J.JEREMIAS hat für o¿moioøª<br />

e¹stin die Übersetzung vorges<strong>ch</strong>lagen "es verhält si<strong>ch</strong> mit … wie mit …" 74 . Das<br />

bedeutet, daß h¸ basileiøa tw½n ou¹ranw½n mit der Handlungsweise des Hausherrn<br />

verglei<strong>ch</strong>bar ist, das heißt konkret mit seiner Handhabung der Lohnauszahlung,<br />

bei der das e¹gw\ a¹gaqoøª ei¹mi wi<strong>ch</strong>tiger ist als der sonst übli<strong>ch</strong>e Grundsatz<br />

"(Un)glei<strong>ch</strong>er Lohn für (un)glei<strong>ch</strong>e Arbeit".<br />

Die Parabel Mt 20,1b-15 (Liebe und Gere<strong>ch</strong>tigkeit)<br />

Die Apologie des <strong>Weinberg</strong>sbesitzers (V.13-15) antwortet auf <strong>den</strong> Vorwurf der<br />

Ungere<strong>ch</strong>tigkeit (a¹dikw½ V.13). Die zuerst angemieteten Arbeiter nennen sein<br />

Verhalten freili<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t bei diesem Namen; sie murren nur und entrüsten si<strong>ch</strong>.<br />

Erst der <strong>Weinberg</strong>sbesitzer bringt die Unmutsäußerungen (V.12) auf <strong>den</strong><br />

Punkt: Ungere<strong>ch</strong>t sei sein Verhalten angebli<strong>ch</strong>. S<strong>ch</strong>on in Vers 4 ers<strong>ch</strong>ien das<br />

Adjektiv diøkaioª. Die Parabel reflektiert somit die Frage, ob der Herr des<br />

<strong>Weinberg</strong>s gere<strong>ch</strong>t sei oder ni<strong>ch</strong>t. Bezieht man die S<strong>ch</strong>lußworte der Parabel Mt<br />

20,1b-15 mit ein (e¹gw\ a¹gaqoøª ei¹mi V.15), dann geht es genau genommen um<br />

die Frage, wie si<strong>ch</strong> die Liebe zur Gere<strong>ch</strong>tigkeit verhalte.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 29<br />

Die Ankläger meinten, sie müßten mehr bekommen (e¹noømisan o¿ti plei½on<br />

lhømyontai V.10). Denn sie hätten <strong>im</strong>merhin die Last und Hitze des ganzen<br />

Tages ertragen (toi½ª bastaøsasi to\ baøroª th½ª h¸meøraª kai\ to\n kauøswna V.12),<br />

während die letzten Arbeiter nur eine magere Stunde tätig gewesen seien (miøan<br />

w¿ran V.12). Sie, die Ersten, hätten also do<strong>ch</strong> wohl mehr gearbeitet und somit<br />

mehr verdient. Und nun das! Der Herr des <strong>Weinberg</strong>s ma<strong>ch</strong>e sie ihnen glei<strong>ch</strong><br />

(i„souª h¸mi½n au¹tou\ª e¹poiøhsaª V.12). Das sei ungere<strong>ch</strong>t. Deswegen murren sie,<br />

obwohl es do<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t ihr Geld ist, das der freundli<strong>ch</strong>e <strong>Weinberg</strong>sbesitzer<br />

vers<strong>ch</strong>enkt.<br />

Hier genau setzt seine Apologie ein. Von Ungere<strong>ch</strong>tigkeit könne keine Rede<br />

sein, <strong>den</strong>n die mit ihnen getroffene Vereinbarung (sumfwnei½n V.2.13) habe er<br />

eingehalten. Ein Vertragsbru<strong>ch</strong> liege also ni<strong>ch</strong>t vor. So einfa<strong>ch</strong> ist das. Ni<strong>ch</strong>t der<br />

Besitzer des <strong>Weinberg</strong>s sei ungere<strong>ch</strong>t, sondern mit <strong>den</strong> <strong>Arbeitern</strong> st<strong>im</strong>me etwas<br />

ni<strong>ch</strong>t. Der Herr verweist die Gere<strong>ch</strong>tigkeitsapostel auf das Gesetz. Damit ist<br />

ihnen der Wind aus <strong>den</strong> Segeln genommen und die Verteidigungsrede könnte<br />

hier bereits en<strong>den</strong>. Tut sie aber ni<strong>ch</strong>t. Jenseits des Gesetzes tau<strong>ch</strong>t die Liebe auf.<br />

Sie setzt das Gesetz ni<strong>ch</strong>t außer Kraft, aber ist natürli<strong>ch</strong> au<strong>ch</strong> kein Sklave<br />

desselben. Die Liebe ist frei (ou¹k e„cestiøn moi V.15). Sie ist der Herr des<br />

Gesetzes. Bedeutet das aber, daß sie ungesetzli<strong>ch</strong> ist? Dieses Problem hat <strong>den</strong><br />

Evangelisten sehr bes<strong>ch</strong>äftigt. Wie verhalten si<strong>ch</strong> Liebe und Gere<strong>ch</strong>tigkeit<br />

zueinander?<br />

Die Güte des Hausherrn (e¹gw\ a¹gaqoøª ei¹mi V.15) ers<strong>ch</strong>eint als Ungere<strong>ch</strong>tigkeit<br />

(ou¹k a¹dikw½ se V.13), d.h. als eklatanter Bru<strong>ch</strong> des gelten<strong>den</strong> Re<strong>ch</strong>tes. Dieser<br />

Eindruck entsteht, weil die Güte des Hausherrn freigebiger ist als es das Gesetz<br />

verlangt. Die Güte des Hausherrn überbietet das Gesetz und setzt es außer<br />

Kraft. So je<strong>den</strong>falls sehen es "die Ersten" und stoßen si<strong>ch</strong> daran. Der Hausherr<br />

kann jedo<strong>ch</strong> darauf verweisen, daß er die getroffene Vereinbarung ni<strong>ch</strong>t<br />

verletzt (ou¹xi\ dhnariøou sunefwønhsaøª moi V.13) und somit das Gesetz ni<strong>ch</strong>t<br />

übertreten hat. Einesteils ist die Liebe der Inbegriff des Gesetzes (Mt 22,40;<br />

74 J.Jeremias, Die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se Jesu, 101.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 30<br />

23,23), andernteils ers<strong>ch</strong>eint ihr Verhalten als gesetzeswidrig und sie selbst als<br />

Verbre<strong>ch</strong>er. Der Höhepunkt dieser Entwicklung ist die gekreuzigte Liebe.<br />

Klar ist zunä<strong>ch</strong>st, daß der Jesus des Matthäusevangeliums das Gesetz als für<br />

si<strong>ch</strong> verbindli<strong>ch</strong> erklärt. Gegenüber dem Täufer Johannes erklärt er: „Afeª<br />

a„rti, o¿utwª ga\r preøpon e¹sti\n h¸mi½n plhrw½sai pa½san dikaiosuønhn (Mt 3,15) 75 .<br />

Und in der Bergpredigt: Mh\ nomiøshte o¿ti hÅlqon katalu½sai to\n noømon hƒ tou\ª<br />

profhøtaª: ou¹k hÅlqon katalu½sai a¹lla\ plhrw½sai (Mt 5,17) 76 . Ebenso klar ist<br />

aber au<strong>ch</strong>, daß die Erfüllung des Gesetzes die Überbietung des Gesetzes aus<br />

Liebe bedeutet, <strong>den</strong>n die Liebe ist der Sinn des Gesetzes (Mt 22,40; 23,23). Dies<br />

zeigen die Antithesen der Bergpredigt besonders deutli<strong>ch</strong>. Jesus leitet sie mit<br />

<strong>den</strong> Worten ein: leøgw ga\r u¸mi½n o¿ti e¹a\n mh\ perisseuøsh/ u¸mw½n h¸ dikaiosuønh<br />

plei½on tw½n grammateøwn kai\ Farisaiøwn, ou¹ mh\ ei¹seølqhte ei¹ª th\n basileiøan<br />

tw½n ou¹ranw½n (Mt 5,20) 77 . Das Mehr der Gere<strong>ch</strong>tigkeit besteht ni<strong>ch</strong>t in der<br />

<strong>im</strong>mer perfekteren Bu<strong>ch</strong>stabenerfüllung des Gesetzes, sondern <strong>im</strong> Erfassen<br />

und Verwirkli<strong>ch</strong>en des Geistes der Liebe. Deswegen kann Jesus mit Jesaja 29,13<br />

sagen: ¸O lao\ª ou“toª toi½ª xeiølesiøn me t<strong>im</strong>a½|, h¸ de\ kardiøa au¹tw½n poørrw<br />

a¹peøxei a¹p' e¹mou½ (Mt 15,8) 78 . Und mit Hosea 6,6: „Eleoª qeølw kai\ ou¹ qusiøan<br />

(Mt 12,7) 79 . Von der Überbietung des Gesetzes war es nur ein kleiner S<strong>ch</strong>ritt zur<br />

Übertretung desselben. Jesus erfüllte das Gesetz innerli<strong>ch</strong> und übertrat es<br />

äußerli<strong>ch</strong>. Das ist natürli<strong>ch</strong> überspitzt formuliert, aber Jesu Gemeins<strong>ch</strong>aft mit<br />

Sündern und Zöllner und seine Einstellung zum Sabbat (Mt 12,8) belegen, daß<br />

er si<strong>ch</strong> provokative Gesetzesverstöße leistete. Seine Kritiker und Gegner<br />

verhielten sie genau andersherum. Sie erfüllten das Gesetz äußerli<strong>ch</strong> und<br />

75 "Laß es jetzt ges<strong>ch</strong>ehen, <strong>den</strong>n so geziemt es si<strong>ch</strong> für uns, die ganze Gere<strong>ch</strong>tigkeit zu<br />

erfüllen."<br />

76 "Glaubt ni<strong>ch</strong>t, daß i<strong>ch</strong> kam, um das Gesetz oder die Propheten aufzulösen. I<strong>ch</strong> kam ni<strong>ch</strong>t,<br />

um aufzulösen sondern um zu erfüllen."<br />

77 "Denn i<strong>ch</strong> sage eu<strong>ch</strong>, daß ihr si<strong>ch</strong>er ni<strong>ch</strong>t in das H<strong>im</strong>melrei<strong>ch</strong> kommt, wenn eure<br />

Gere<strong>ch</strong>tigkeit ni<strong>ch</strong>t in größerem Überfluß vorhan<strong>den</strong> ist als die der S<strong>ch</strong>riftgelehrten und<br />

Pharisäer."<br />

78 "Dieses Volk ehrt mi<strong>ch</strong> mit <strong>den</strong> Lippen, aber ihr Herz ist weit <strong>von</strong> mir entfernt."<br />

79 "Erbarmen will i<strong>ch</strong> und ni<strong>ch</strong>t Opfer."


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 31<br />

bra<strong>ch</strong>en es innerli<strong>ch</strong>: ou¿twª kai\ u¸mei½ª e„cwqen me\n faiønesqe toi½ª a¹nqrwøpoiª<br />

diøkaioi, e„swqen deø e¹ste mestoi\ u¸pokriøsewª kai\ a¹nomiøaª (Mt 23,28) 80 .<br />

Diese Situation reflektiert die Parabel Mt 20,1b-15. Der gütige Hausherr<br />

überbietet das Re<strong>ch</strong>t und setzt si<strong>ch</strong> damit der Anklage aus. Do<strong>ch</strong> der<br />

matthäis<strong>ch</strong>e Jesus läßt es ni<strong>ch</strong>t bei der Anklage bewen<strong>den</strong>. Er entlarvt <strong>den</strong><br />

verborgenen Grund des Murrens (gogguøzein V.11): mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Mißgunst,<br />

mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Neid (o¸ o¹fqalmo\ª ponhroøª V.15). Der Verweis auf das Re<strong>ch</strong>t<br />

(Ou“toi oi¸ e„sxatoi miøan w¿ran e¹poiøhsan, kai\ i„souª h¸mi½n au¹tou\ª e¹poiøhsaª toi½ª<br />

bastaøsasi to\ baøroª th½ª h¸meøraª kai\ to\n kauøswna V.12) ist nur ein Vorwand.<br />

Es geht ni<strong>ch</strong>t um die Verwirkli<strong>ch</strong>ung des Re<strong>ch</strong>tes, sondern um die<br />

Dur<strong>ch</strong>setzung der eigenen Interessen, die man freili<strong>ch</strong> gerne in <strong>den</strong> Mantel des<br />

Re<strong>ch</strong>ts hüllt. Die Liebe Gottes wurde zum Verbre<strong>ch</strong>er, weil das göttli<strong>ch</strong>e Re<strong>ch</strong>t<br />

(h¸ e¹ntolh\ tou½ qeou½ Mt 15,3) in der Sphäre des mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Re<strong>ch</strong>tsvorstellungen (h¸ paraødosiª u¸mw½n Mt 15,3) ni<strong>ch</strong>t anders ers<strong>ch</strong>einen<br />

konnte.<br />

Die Parabel Mt 20,1b-15 (Lohn und Leistung)<br />

Der Herr des <strong>Weinberg</strong>s tat nur eins: er zahlte allen <strong>den</strong>selben Lohn. Keine<br />

böse Absi<strong>ch</strong>t best<strong>im</strong>mte sein Tun; einzig und allein Güte bewegte sein Herz.<br />

Do<strong>ch</strong> das Ergebnis ist s<strong>ch</strong>ockierend. Wer meint, daß die Güte Gottes <strong>den</strong><br />

Frie<strong>den</strong> bringt, der irrt si<strong>ch</strong> gewaltig. ou¹k hÅlqon balei½n ei¹rhønhn a¹lla\<br />

maøxairan (Mt 10,34) 81 . Sie provoziert das Böse, ma<strong>ch</strong>t es si<strong>ch</strong>tbar. Ohne das<br />

e¹gw\ a¹gaqoøª ei¹mi gäbe si<strong>ch</strong> der o¹fqalmo\ª ponhroøª nie zu erkennen. Die Güte<br />

Gottes lockt das Böse aus dem Mens<strong>ch</strong>enherzen hervor. Die Parabel zeigt uns<br />

<strong>den</strong> finsteren Abgrund vermeintli<strong>ch</strong>er Größe. Diese nur in der eigenen<br />

Einbildung vorhan<strong>den</strong>e Größe hat einen Namen: das Verdienst<strong>den</strong>ken.<br />

Die Ersten hätten si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t entrüstet (V.11f), wären ni<strong>ch</strong>t Grundsätze ihres<br />

Sinnens und Tra<strong>ch</strong>tens verletzt wor<strong>den</strong>. Diese Prinzipien gilt es vorab zu<br />

erkennen. Sie erst bewirken, daß das Verhalten des oi¹kodespoøthª als<br />

80 "So au<strong>ch</strong> ihr: <strong>von</strong> außen ers<strong>ch</strong>eint ihr <strong>den</strong> Mens<strong>ch</strong>en gere<strong>ch</strong>t, <strong>von</strong> innen seid ihr aber voll<br />

Heu<strong>ch</strong>elei und Gesetzlosigkeit."


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 32<br />

Unvers<strong>ch</strong>ämtheit erlebt wird. Die Gemütsverfassung der Ersten spiegelt si<strong>ch</strong> in<br />

ihrer Unmutsäußerung: Ou“toi oi¸ e„sxatoi miøan w¿ran e¹poiøhsan, kai\ i„souª<br />

h¸mi½n au¹tou\ª e¹poiøhsaª toi½ª bastaøsasi to\ baøroª th½ª h¸meøraª kai\ to\n<br />

kauøswna (V.12). Einander gegenüber stehen miøa w¿ra (bei <strong>den</strong> Letzten) und to\<br />

baøroª th½ª h¸meøraª kai\ o¸ kauøswn (bei <strong>den</strong> Ersten), to\ baøroª kai\ o¸ kauøswn<br />

unterstrei<strong>ch</strong>t no<strong>ch</strong> <strong>den</strong> h<strong>im</strong>melweiten Unters<strong>ch</strong>ied. Somit stehen si<strong>ch</strong> eigentli<strong>ch</strong><br />

nur zwei Zeitangaben gegenüber, die genau genommen no<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>ts über die in<br />

der Zeit erbra<strong>ch</strong>ten Leistung aussagen. Trotzdem dürfte klar sein, daß die Zeit<br />

hier ein Maß der Leistung ist. Die Ersten haben demna<strong>ch</strong> deutli<strong>ch</strong> mehr<br />

geleistet als die Letzten. Das skaøndalon der Liebe ist das i„souª h¸mi½n au¹tou\ª<br />

poiei½n. Der verletzte Grundsatz lautet also: Der Lohn muß <strong>im</strong>mer der Leistung<br />

entspre<strong>ch</strong>en. Er ist das Kernstück des Leistungs<strong>den</strong>kens, das <strong>im</strong> folgen<strong>den</strong><br />

anhand der Parabel beleu<strong>ch</strong>tet wer<strong>den</strong> soll.<br />

Die Arbeit des religiös motivierten Mens<strong>ch</strong>en besteht <strong>im</strong> Erfüllen des göttli<strong>ch</strong>en<br />

Willens, <strong>den</strong>n die Parabel Mt 20,1b-15 muß <strong>im</strong> Li<strong>ch</strong>te <strong>von</strong> Mt 20,1a verstan<strong>den</strong><br />

wer<strong>den</strong>. Es geht ni<strong>ch</strong>t um irgendeine Arbeit, sondern um die Arbeit <strong>im</strong> Li<strong>ch</strong>te<br />

der basileiøa tw½n ou¹ranw½n. Es geht um die Arbeit <strong>im</strong> <strong>Weinberg</strong>, ein Bild, das<br />

mit Israel beziehungsrei<strong>ch</strong> verbun<strong>den</strong> ist (Jes 5,7). Es geht um die Erfüllung der<br />

Thora. Das Leben na<strong>ch</strong> der Thora konnte mit dem Verb "arbeiten" in<br />

Verbindung gebra<strong>ch</strong>t wer<strong>den</strong>, wie Mt 7,23 zeigt: a¹poxwrei½te a¹p' e¹mou½ oi¸<br />

e¹rgazoømeoi th\n a¹nomiøan. 82 Man bea<strong>ch</strong>te au<strong>ch</strong> die Verbindung e„rga noømou, die<br />

namentli<strong>ch</strong> bei Paulus oft vorkommt.<br />

Problematis<strong>ch</strong> ist ni<strong>ch</strong>t die "<strong>Weinberg</strong>sarbeit", sondern die s<strong>ch</strong>einbar<br />

untrennbar mit ihr verbun<strong>den</strong>e Überzeugung, der Mens<strong>ch</strong> könne - wenn er<br />

si<strong>ch</strong> nur anstrengt - das Gesetz aus eigener Kraft erfüllen. Die eigene Kraft<br />

führt zur eigenen Leistung; die eigene Leistung zum "wohlverdienten" Lohn.<br />

Leider ist "die altsynagogale Lohnlehre" (na<strong>ch</strong> Strack-Billerbeck) völlig in dieses<br />

Fahrwasser geraten. "Die Tora ist Israel nur gegeben wor<strong>den</strong>, damit sie dur<strong>ch</strong><br />

sie Verdienst erwerben … Verdienst u. Lohn gehören na<strong>ch</strong> dieser Ans<strong>ch</strong>auung<br />

81 "I<strong>ch</strong> kam ni<strong>ch</strong>t, um Frie<strong>den</strong> sondern um das S<strong>ch</strong>wert zu bringen."<br />

82 "Wei<strong>ch</strong>et <strong>von</strong> mir, ihr Übeltäter." wörtl.: "Ihr, die ihr Ungesetzli<strong>ch</strong>keit wirkt".


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 33<br />

unauflösli<strong>ch</strong> zusammen" 83 Die Parabel Mt 20,1b-15 deckt die S<strong>ch</strong>attenseiten<br />

dieses <strong>im</strong> Wesen des Mens<strong>ch</strong>en tiefverwurzelten Denkens auf. Der Mitmens<strong>ch</strong><br />

wird zum Konkurrenten und erbarmungslos na<strong>ch</strong> seiner Leistung beurteilt.<br />

Gott wird auf die Funktion eines Lohngebers reduziert, der si<strong>ch</strong> keinerlei<br />

Freiheiten erlauben darf. Das Verdienst<strong>den</strong>ken ist die Überzeugung, daß der<br />

Lohn die selbstverständli<strong>ch</strong>e Folge der eigenen Leistung ist. Gott hat in diesem<br />

S<strong>ch</strong>ema keinen Ort. Er wird zur U-topie.<br />

S<strong>ch</strong>on <strong>im</strong> Alten Testament fin<strong>den</strong> wir die Warnung, si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t selbst<br />

zuzus<strong>ch</strong>reiben, was do<strong>ch</strong> Gottes Tat ist: "… hüte di<strong>ch</strong>, daß dein Herz si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

überhebt und du <strong>den</strong> Herrn, deinen Gott vergißt … Du könntest sonst sagen in<br />

deinem Herzen: Meine Kräfte und meiner Hände Stärke haben mir diesen Rei<strong>ch</strong>tum<br />

gewonnen. Sondern ge<strong>den</strong>ke an <strong>den</strong> Herrn, deinen Gott; <strong>den</strong>n er ist's der dir<br />

Kräfte gibt, Rei<strong>ch</strong>tum zu gewinnen …" (Dtn 8,14+17f). "Wenn nun der Herr,<br />

dein Gott, sie ausgestoßen hat vor dir her, so spri<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t in deinem Herzen:<br />

Der Herr hat mi<strong>ch</strong> hineingeführt, dies Land einzunehmen, um meiner<br />

Gere<strong>ch</strong>tigkeit willen -, da do<strong>ch</strong> der Herr diese Völker vertreibt vor dir her um<br />

ihres gottosen Treibens willen. Denn du kommst ni<strong>ch</strong>t herein, ihr Land<br />

einzunehmen, um deiner Gere<strong>ch</strong>tigkeit und deines aufri<strong>ch</strong>tigen Herzens willen,<br />

sondern der Herr, dein Gott, vertreibt diese Völker um ihres gottlosen<br />

Treibens willen …" (Dtn 9,4f). Und <strong>im</strong> Neuen Testament lesen wir: "Wenn ihr<br />

alles getan habt, was eu<strong>ch</strong> befohlen ist, so spre<strong>ch</strong>t: Wir sind unnütze Kne<strong>ch</strong>te;<br />

wir haben getan, was wir zu tun s<strong>ch</strong>uldig waren." (Lk 17,10).<br />

Die finstere Seite des Verdienst<strong>den</strong>kens ist die Lieblosigkeit. Im Selbstverständnis<br />

der H<strong>im</strong>melsstürmer ist der Lohn die Folge der Leistung. Daß auf dieser<br />

Grundlage nur die Heiligen <strong>den</strong> H<strong>im</strong>mel erobern können, kümmert die<br />

Heiligen wenig. Das Verdienst<strong>den</strong>ken ist eben erbarmungslos.<br />

Verdienst<strong>den</strong>ken ist Vorteils<strong>den</strong>ken. Auf der Jagd na<strong>ch</strong> <strong>den</strong> h<strong>im</strong>mlis<strong>ch</strong>en<br />

Ehrenplätzen vergißt man Bruder und S<strong>ch</strong>wester (vgl. Mt 20,20-28: die<br />

83 Strack - Billerbeck, Exkurse zu einzelnen Stellen des Neuen Testaments: Abhandlungen zur<br />

neutestamentli<strong>ch</strong>en Theologie und Ar<strong>ch</strong>äologie, IV(I).490. Strack - Billerbeck bringen<br />

au<strong>ch</strong> Belege für die Idee des Gna<strong>den</strong>lohnes, die <strong>von</strong> der alten Synagoge freili<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t<br />

festgehalten wurde.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 34<br />

Zebedai<strong>den</strong>). Do<strong>ch</strong> die h<strong>im</strong>mlis<strong>ch</strong>e Größe besteht gerade <strong>im</strong> Dienst am<br />

Nä<strong>ch</strong>sten kai\ o¿ª a„n qeølv e¹n u¸mi½n eiÅnai prw½toª e„stai u¸mw½n dou½loª (Mt<br />

20,27) 84 . Wer si<strong>ch</strong> über das unverdiente Glück des S<strong>ch</strong>wä<strong>ch</strong>eren ni<strong>ch</strong>t mehr<br />

freuen kann, der hat s<strong>ch</strong>on verloren. Und während die Ersten ihr Re<strong>ch</strong>t no<strong>ch</strong><br />

lautstark einfordern (V.12), erkennen die Zuhörer bereits, daß sie si<strong>ch</strong> gerade<br />

damit ins Unre<strong>ch</strong>t setzen. Die Ersten wollen das Re<strong>ch</strong>t und zeigen, daß ihr Herz<br />

eine Mördergrube ist. Sie "murren" (V.11), sie bes<strong>ch</strong><strong>im</strong>pfen ihren Arbeitsgeber<br />

(V.12), Neid und Mißgunst regiert ihre Gedanken (V.15). Damit verunreinigen<br />

sie si<strong>ch</strong>: ta\ de\ e¹kporeuoømena e¹k tou½ stoømatoª e¹k th½ª kardiøaª e¹ceørxetai,<br />

ka¹kei½na koinoi½ to\n a„nqrwpon. e¹k ga\r th½ª kardiøaª e¹ceørxontai dialogismoi\<br />

ponhroiø, foønoi, moixei½ai, pornei½ai, klopaiø, yseudomarturiøai, blasfhmiøai.<br />

tau½taø e¹stin ta\ koinou½nta to\n a„nqrwpon (Mt 15,18-20) 85 . Aus <strong>den</strong> (zeitli<strong>ch</strong>)<br />

Ersten sind (moralis<strong>ch</strong>) Letzte gewor<strong>den</strong>. Wie weit können Selbsteins<strong>ch</strong>ätzung<br />

und Fremdbeurteilung do<strong>ch</strong> auseinander klaffen! Ähnli<strong>ch</strong> peinli<strong>ch</strong> wirkt das<br />

Mißverhältnis <strong>im</strong> <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> vom Pharisäer und Zöllner Lk 18,9-14. Indem der<br />

Pharisäer seine Gere<strong>ch</strong>tigkeit ausposaunt, zeigt er, daß es blanke<br />

Selbstgere<strong>ch</strong>tigkeit ist. Das Urteil ist ähnli<strong>ch</strong> verni<strong>ch</strong>tend wie in Mt 20,16: pa½ª o¸<br />

u¸yw½n e¸auto\n tapeinwqhøsetai, o¸ de\ tapeinw½n e¸auto\n u¸ywqhøsetai (Lk 18,14;<br />

ebenso 14,11) 86 . Mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Gere<strong>ch</strong>tigkeit entlarvt si<strong>ch</strong> als Gere<strong>ch</strong>tigkeits-<br />

dünkel. Au<strong>ch</strong> <strong>im</strong> <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> vom verlorenen Sohn Lk 15,11-32 stößt die Güte des<br />

Vaters gegenüber dem jüngeren Sohn auf wenig Gegenliebe be<strong>im</strong> älteren<br />

Sohn. Er kann si<strong>ch</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr über das unverdiente Glück seines jüngeren<br />

Bruders freuen. Der Gere<strong>ch</strong>tigkeitsdünkel hat das Herz verhärtet.<br />

Das Verdienst<strong>den</strong>ken verdrängt Gott. Die Arbeiter wollen si<strong>ch</strong> ihren Lohn<br />

erarbeiten. Dabei übersehen sie, daß der Herr des <strong>Weinberg</strong>s in ihren Augen<br />

auf die Rolle des Lohngebers reduziert wird. Gott wird zu einer Funktion des<br />

84 "Wer unter eu<strong>ch</strong> Erster sein will, soll euer Kne<strong>ch</strong>t sein."<br />

85 "Was aber aus dem Mund hervorgeht, kommt aus dem Herzen, und das verunreinigt <strong>den</strong><br />

Mens<strong>ch</strong>en. Denn aus dem Herzen kommen böse Gedanken, Mord, Ehebru<strong>ch</strong>, Unzu<strong>ch</strong>t,<br />

Diebstahl, fals<strong>ch</strong>es Zeugnis, Lästerung. Diese Dinge sind es, die <strong>den</strong> Mens<strong>ch</strong>en<br />

verunreinigen."<br />

86 "Jeder, der si<strong>ch</strong> erhöht, wird erniedrigt wer<strong>den</strong>; wer si<strong>ch</strong> aber erniedrigt, wird erhöht<br />

wer<strong>den</strong>."


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 35<br />

eigenen Denkens. Oder no<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>ärfer formuliert: Das Verdienst<strong>den</strong>ken tötet<br />

Gott, insofern er der souverän Wirkende ist. Do<strong>ch</strong> dieser eingeplante Gott<br />

n<strong>im</strong>mt si<strong>ch</strong> eine Freiheit heraus, die ihm ni<strong>ch</strong>t mehr zusteht. Er überspringt die<br />

Grenze des mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en Denkens und ist plötzli<strong>ch</strong> wieder der freie und<br />

lebendige Gott. Das Verdienst<strong>den</strong>ken re<strong>ch</strong>net ni<strong>ch</strong>t mit dem spontanen, frei<br />

wirken<strong>den</strong> Gott. So wird Gott zur unliebsamen Überras<strong>ch</strong>ung. Befreit aus der<br />

Kne<strong>ch</strong>ts<strong>ch</strong>aft mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Meinung wird er zum Stein des Anstoßes. Do<strong>ch</strong><br />

anstatt nun das Verdienst<strong>den</strong>ken loszulassen, läßt der verblendete Mens<strong>ch</strong> lie-<br />

ber Gottes Güte fallen. Der Eifer der Ersten entpuppt si<strong>ch</strong> als Hindernis. Was als<br />

Güte geda<strong>ch</strong>t war, wird als Frevel erlebt. Das Wesen des H<strong>im</strong>melrei<strong>ch</strong>s, die<br />

s<strong>ch</strong>enkende Güte Gottes, wird zum skaøndalon. So s<strong>ch</strong>ießt der blinde Eifer<br />

gerade an dem vorbei, was er angebli<strong>ch</strong> su<strong>ch</strong>t.<br />

Worin besteht der Sinn der Arbeit? Was bleibt <strong>von</strong> ihr übrig, wenn das<br />

Leistungs<strong>den</strong>ken ni<strong>ch</strong>t mehr motiviert? Ist dann die Arbeit sinnlos gewor<strong>den</strong><br />

oder gilt es, neue Sinnd<strong>im</strong>ensionen der Arbeit zu entdecken? Die Arbeit an si<strong>ch</strong><br />

wird ni<strong>ch</strong>t verurteilt, <strong>den</strong>n nur die Arbeiter wer<strong>den</strong> zur Lohnauszahlung<br />

gerufen (Kaøleson tou\ª e¹rgaøtaª V.8). Die Letzten mögen weniger gearbeitet<br />

haben, gearbeitet aber haben sie allemal. Der Lohn ist zwar ni<strong>ch</strong>t mehr <strong>von</strong> der<br />

Leistung, wohl aber da<strong>von</strong> abhängig, daß man si<strong>ch</strong> in die Arbeit hat rufen<br />

lassen. In der basileiøa tw½n ou¹ranw½n dient die Arbeit ni<strong>ch</strong>t mehr mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>en<br />

Vorteilsinteressen, <strong>den</strong>n der Lohn ist für alle glei<strong>ch</strong>. Außerdem s<strong>ch</strong>milzt dur<strong>ch</strong><br />

die Güte des Arbeitgebers der Abstand zwis<strong>ch</strong>en ihm und seinen <strong>Arbeitern</strong><br />

dahin. Die Arbeit ist ni<strong>ch</strong>t mehr Ausdruck der Kne<strong>ch</strong>ts<strong>ch</strong>aft. Sie erhält eine<br />

völlig neue Qualität. Der Sinn der Arbeit liegt ni<strong>ch</strong>t mehr außerhalb der Arbeit<br />

<strong>im</strong> Lohn. Der Sinn der Arbeit ist die Arbeit selbst, ist das Gefühl, etwas<br />

sinnvolles getan zu haben, <strong>im</strong> <strong>Weinberg</strong> des Herrn mitgewirkt zu haben.<br />

Der S<strong>ch</strong>lußsatz Mt 20,16<br />

Der S<strong>ch</strong>lußsatz Ou¿twª e„sontai oi¸ e„sxatoi prw½toi kai\ oi¸ prw½toi e„sxatoi läßt<br />

si<strong>ch</strong> dreifa<strong>ch</strong> verstehen. Erstens bezogen auf <strong>den</strong> Modus der Auszahlung: Die<br />

zuletzt angeworbenen Arbeiter erhalten zuerst ihren Lohn (a¹rcaømenoª a¹po\<br />

tw½n e¹sxaøtwn e¿wª tw½n prwøtwn V.8). Darauf liegt aber wohl ni<strong>ch</strong>t das<br />

Hauptgewi<strong>ch</strong>t dieses Satzes, <strong>den</strong>n diese Reihenfolge ist ein Stilmittel, hat also


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 36<br />

dienende Funktion. Spannung entsteht. Man fühlt mit <strong>den</strong> späteren Anklägern<br />

mit, die mit ansehen müssen, wie die letzten Arbeiter <strong>den</strong> Lohn einstrei<strong>ch</strong>en,<br />

der eigentli<strong>ch</strong> ihnen verspro<strong>ch</strong>en war. No<strong>ch</strong> hält si<strong>ch</strong> diese Spannung zwis<strong>ch</strong>en<br />

der Erwartung eines höheren Lohnes (e¹noømisan o¿ti plei½on lhømyontai V.10)<br />

und dem unguten Gefühl, es könne do<strong>ch</strong> bei dem vereinbarten Denar bleiben<br />

(V.2). Aber s<strong>ch</strong>on bald wird sie si<strong>ch</strong> in offenen Unmutsäußerungen entla<strong>den</strong>.<br />

Zweitens bezogen auf das Verhältnis Lohn und Leistung: Würde man einen<br />

Quotienten bil<strong>den</strong>, Lohn geteilt dur<strong>ch</strong> Leistung, dann wür<strong>den</strong> die zuletzt<br />

angeworbenen Arbeiter an der ersten Stelle der Skala stehen. So wären die<br />

zeitli<strong>ch</strong> Letzten <strong>im</strong> Lohn-Leistungs-Verhältnis die Ersten.<br />

Die Parabel will allerdings ni<strong>ch</strong>t sagen: Dehnt <strong>den</strong> Müßiggang (a¹rgoøª) so lange<br />

wie mögli<strong>ch</strong> aus, <strong>den</strong>n es wer<strong>den</strong> sowieso alle <strong>den</strong>selben Lohn erhalten.<br />

Warum dann s<strong>ch</strong>wer arbeiten?! Die lukanis<strong>ch</strong>e Parabel vom unehrli<strong>ch</strong>en<br />

Verwalter (Lk 16,1-9) ließe si<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>on eher als ein Lob auf sittenwidriges<br />

Verhalten verstehen. In der Parabel <strong>von</strong> <strong>den</strong> <strong>Arbeitern</strong> <strong>im</strong> <strong>Weinberg</strong> liegt der<br />

Ton dagegen gerade auf der Enttarnung und somit Verurteilung sol<strong>ch</strong>en<br />

Verhaltens. Die versteckte Mißgunst offenbart si<strong>ch</strong> <strong>im</strong> Angesi<strong>ch</strong>t der Güte<br />

(a¹gaqoøª) Gottes selbst. Außerdem hatten es die letzten Arbeiter ni<strong>ch</strong>t darauf<br />

abgesehen, so spät wie mögli<strong>ch</strong> angestellt zu wer<strong>den</strong>. Auf die Frage des<br />

Hausherrn na<strong>ch</strong> dem Grund ihres müßigen Herumstehens (kausales tiø V.6)<br />

antworteten sie: ¿Oti (kausal) ou¹dei\ª h¸ma½ª e¹misqwøsato (V.7).<br />

Beurteilt man die basileiøa tw½n ou¹ranw½n mit <strong>den</strong> Maßstäben des jetzigen<br />

Äons, dann wird es dort Bevorzugte geben. Aber wen kümmert's? ÃAron to\<br />

so\n kai\ u¿page (V.14). In der basileiøa tw½n ou¹ranw½n gelten die Gesetze Gottes,<br />

und der kann mit dem Seinigen ma<strong>ch</strong>en, was er will (V.15). Mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e<br />

Mißgunst kann seinen Regierungsstil ni<strong>ch</strong>t dur<strong>ch</strong>kreuzen.<br />

Drittens bezogen das sittli<strong>ch</strong>e Versagen: Die (zeitli<strong>ch</strong>) Ersten wer<strong>den</strong> (sittli<strong>ch</strong>)<br />

Letzte sein, wenn sie die innere Größe ni<strong>ch</strong>t aufbringen können, an der Größe<br />

Gottes ungeteilten Herzens teilzunehmen und si<strong>ch</strong> mit <strong>den</strong> Letzten über <strong>den</strong><br />

unverdienten Lohn zu freuen. Mens<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>er Kleingeist ma<strong>ch</strong>t vermeintli<strong>ch</strong>e<br />

Verdienste zuni<strong>ch</strong>te, wenn ihm das e¹gw\ a¹gaqoøª ei¹mi ein Dorn <strong>im</strong> Auge ist. Die


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 37<br />

Ersten sind die zuerst Erwählten (Jüngerkontext!). Do<strong>ch</strong> was nützt die frühe<br />

Bekannts<strong>ch</strong>aft mit <strong>den</strong> Heilstaten Gottes, wenn Eigendünkel die Folge ist, wenn<br />

man si<strong>ch</strong> am unverdienten Glück der anderen ni<strong>ch</strong>t mehr freuen kann. Das<br />

<strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong> ist eine Kritik des Erwählungsglaubens.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 38<br />

Literaturverzei<strong>ch</strong>nis<br />

Quellen<br />

Novum Testamentum Graece, post Eberhard Nestle et Erwin Nestle communiter<br />

ediderunt Kurt Aland u.a., Stuttgart 26 1979, 4. Druck 1981<br />

Kurt Aland (Hg.), Synopsis Quattuor Evangeliorum, Stuttgart 13 1985, 4. Druck 1990<br />

Alfred Rahlfs (Hg.), Septuaginta, 2 Bände, Editio sept<strong>im</strong>a, Stuttgart 1962<br />

Karl Elliger, Wilhelm Rudolph (Hg.), Biblia Hebraica Stuttgartensia, Editio funditus<br />

renovata, Stuttgart 1984<br />

Die Bibel na<strong>ch</strong> der Übersetzung Martin Luthers (Textfassung 1984), Stuttgart 1985<br />

Spra<strong>ch</strong>li<strong>ch</strong>e Hilfsmittel<br />

Alfred S<strong>ch</strong>moller, Handkonkordanz zum grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>en Neuen Testament, Stuttgart<br />

8 1989<br />

Ernst G. Hoffmann, Heinri<strong>ch</strong> <strong>von</strong> Siebenthal, Grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>e Grammatik zum Neuen<br />

Testament, Riehen 2 1990<br />

Erwin Preus<strong>ch</strong>en, Grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>-deuts<strong>ch</strong>es Tas<strong>ch</strong>enwörterbu<strong>ch</strong> zum Neuen Testament,<br />

Berlin, New York 6 1976<br />

Friedri<strong>ch</strong> Blass, Albre<strong>ch</strong>t Debrunner, Grammatik des neutestamentli<strong>ch</strong>en Grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>,<br />

bearbeitet <strong>von</strong> Friedri<strong>ch</strong> Rehkopf, Göttingen 16 1984<br />

Friedri<strong>ch</strong> Rehkopf, Septuaginta-Vokabular, Göttingen 1989<br />

Johannes Petrus Louw, Eugene Albert Nida, Greek-English lexicon of the New<br />

Testament: based on semantic domains, 2Bände, New York 1988<br />

Konkordanz zum Novum Testamentum Graece <strong>von</strong> Nestle-Aland, 26. Auflage und zum<br />

Greek New Testament, 3rd edition. Herausgegeben vom Institut für neutestamentli<strong>ch</strong>e<br />

Textfors<strong>ch</strong>ung und vom Re<strong>ch</strong>enzentrum der Universität Münster unter besonderer<br />

Mitwirkung <strong>von</strong> H.Ba<strong>ch</strong>mann und W.A.Slaby. Berlin, New York 3 1987<br />

Walter Bauer, Grie<strong>ch</strong>is<strong>ch</strong>-deuts<strong>ch</strong>es Wörterbu<strong>ch</strong> zu <strong>den</strong> S<strong>ch</strong>riften des Neuen<br />

Testaments und der übrigen ur<strong>ch</strong>ristli<strong>ch</strong>en Literatur, Berlin, New York 5 1971<br />

Kommentare<br />

Bernhard Weiss, Das Matthäus-Evangelium, Kritis<strong>ch</strong>-exegetis<strong>ch</strong>er Kommentar über<br />

das Neue Testament, Göttingen 1898<br />

Eri<strong>ch</strong> Klostermann, Das Matthäusevangelium, Handbu<strong>ch</strong> zum Neuen Testament,<br />

Tübingen 2 1927


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 39<br />

Georg Strecker, Die Bergpredigt: Ein exegetis<strong>ch</strong>er Kommentar, Göttingen 1984<br />

Hermann L. Strack, Paul Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud<br />

und Midras<strong>ch</strong>, Bd.I: Das Evangelium na<strong>ch</strong> Matthäus, Mün<strong>ch</strong>en 1965<br />

ders. Bd.IV: Exkurse zu einzelnen Stellen des Neuen Testaments: Abhandlungen zur<br />

neutestamentli<strong>ch</strong>en Theologie und Ar<strong>ch</strong>äologie, Mün<strong>ch</strong>en 1969<br />

Joa<strong>ch</strong><strong>im</strong> Gnilka, Das Matthäusevangelium (Mt 14,1-28,20), Herders theologis<strong>ch</strong>er<br />

Kommentar zum Neuen Testament I,2, Freiburg i.Br. 1988<br />

Monographien<br />

Adolf Jüli<strong>ch</strong>er, Die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>re<strong>den</strong> Jesu, Darmstadt 1969, Unveränderter reprografis<strong>ch</strong>er<br />

Na<strong>ch</strong>druck der Ausgabe Tübingen 1910<br />

Bruce M. Metzger, A Textual Commentary on the Greek New Testament, London,<br />

New York 1971<br />

Charles Harold Dodd, The Parables of the Kingdom, London 1953<br />

Dan Otto Via, Die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se Jesu: Ihre literaris<strong>ch</strong>e und existentiale D<strong>im</strong>ension<br />

D<strong>im</strong>ension, Mün<strong>ch</strong>en 1970<br />

Eta Linnemann, <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se Jesu: Einführung und Auslegung, Göttingen 6 1975<br />

Georg Ei<strong>ch</strong>holz, <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se der Evangelien: Form, Überlieferung, Auslegung,<br />

Neukir<strong>ch</strong>en-Vluyn 1971<br />

Hans Conzelmann, Andreas Lindemann, Arbeitsbu<strong>ch</strong> zum Neuen Testament, Tübingen<br />

8 1985<br />

Hans Weder, Die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se Jesu als Metaphern: traditions- und redaktionsges<strong>ch</strong>i<strong>ch</strong>tli<strong>ch</strong>e<br />

Analysen und Interpretationen, Göttingen 4 1990<br />

Heinri<strong>ch</strong> Z<strong>im</strong>mermann, Neutestamentli<strong>ch</strong>e Metho<strong>den</strong>lehre: Darstellung der historis<strong>ch</strong>kritis<strong>ch</strong>en<br />

Methode, Stuttgart 7 1982.<br />

Helmut Merklein, Die Gottesherrs<strong>ch</strong>aft als Handlungsprinzip: Untersu<strong>ch</strong>ung zur Ethik<br />

Jesu, [Würzburg] 1978<br />

Joa<strong>ch</strong><strong>im</strong> Jeremias, Die <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>se Jesu, Göttingen 7 1965<br />

Jürgen Roloff, Neues Testament, Neukir<strong>ch</strong>en-Vluyn 4 1985<br />

Kurt Aland, Barbara Aland, Der Text des Neuen Testaments: Einführung in die<br />

wissens<strong>ch</strong>aftli<strong>ch</strong>en Ausgaben sowie in Theorie und Praxis der modernen Textkritik,<br />

Stuttgart 1 1982.<br />

Kurt Erlemann, Das Bild Gottes in <strong>den</strong> synoptis<strong>ch</strong>en <strong>Glei<strong>ch</strong>nis</strong>sen, Stuttgart 1988<br />

Rudolf Bultmann, Theologie des Neuen Testaments, Tübingen 5 1965


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 40<br />

"Ständige Zeugen", die jedes Mal genannt wer<strong>den</strong><br />

Ms.nummer Alter Name Kategorie<br />

B 03 IV Codex Vaticanus I<br />

) 01 IV Codex Sinaiticus I<br />

C 04 V Codex Ephraemi Syri rescriptus II<br />

L 019 VIII Codex Regius II<br />

Q<br />

038 IX Codex Coridethianus II<br />

085 87 VI II<br />

W 032 V Codex Freerianus III<br />

Z 035 VI Codex Dublinensis 88 III<br />

D 05 V Codex Bezae Cantabrigiensis IV / I 89<br />

"Ständige Zeugen", die nur bei Abwei<strong>ch</strong>ung <strong>von</strong> M genannt wer<strong>den</strong><br />

Ms.nummer Alter Name Kategorie<br />

D 037 IX Codex Sangallensis III<br />

K 017 IX Codex Cyprius V<br />

N 022 VI Codex Petropolitanus Purpureus 90 V<br />

G 036 X Codex Tis<strong>ch</strong>endorfianus V<br />

33 IX II<br />

892 IX II<br />

700 XI III<br />

1241 XII III<br />

1424 IX / X III<br />

565 IX (III) 91<br />

28 XI V<br />

1010 XII V<br />

87 085 enthält <strong>von</strong> unserer Parabel nur die Verse 3-16.<br />

88 035 enthält <strong>von</strong> unserer Parabel nur die Verse 7-16.<br />

89 "Die Aussage <strong>von</strong> D hat besonderes Gewi<strong>ch</strong>t, wenn sie mit der der anderen großen Zeugen<br />

übereinst<strong>im</strong>mt." (Aland - Aland, Der Text des Neuen Testaments, 248).<br />

90 022 enthält <strong>von</strong> unserer Parabel nur die Verse 7-16.


NT ProseminararbeitüberMt20,1-16 41<br />

91 "Matth und Luk liegen weit darunter" (Aland - Aland, a.a.O., 145).

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