Liturgische Hilfen 2007 herunterladen - Adveniat
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Impulse: Jahresaktion <strong>2007</strong><br />
Wie wird man eigentlich Prophet?<br />
ADVENIAT: Sie drücken sich manchmal sehr harsch aus.<br />
Erregen Sie damit nicht viel Unmut?<br />
Jesaja: Aber ich meine es so! Man muss die Dinge<br />
manchmal ein bisschen provokant formulieren, damit<br />
man gehört wird. Unmut? Das können Sie laut sagen.<br />
Was glauben Sie, wie viele Leute mich lieber tot als lebendig<br />
sehen würden! Aber der Prophetenberuf ist keiner,<br />
mit dem man sich nur Freunde macht. Wenn man<br />
nur das sagt, was die Mächtigen gerne hören wollen,<br />
dann ist das nicht sehr prophetisch. 27<br />
ADVENIAT: Wie wird man denn eigentlich Prophet? Wie<br />
war das bei Ihnen? Wollten Sie schon als Kind Prophet<br />
werden?<br />
Jesaja: Nein, wirklich nicht! Ich habe mich für völlig<br />
ungeeignet gehalten und ich habe da auch noch immer<br />
meine Zweifel. 28 Wieso bin ich Prophet geworden?<br />
Eine sehr persönliche Frage. Ich wurde im 8. Jh.<br />
v. Chr. in Jerusalem, im Königreich Juda, geboren. 29<br />
Meine Familie gehörte zur gebildeten Oberschicht mit<br />
guten Kontakten zu Hof und Tempel. Wirtschaftlich<br />
ging es dem Land ziemlich gut, es war eine Zeit großen<br />
Wohlstandes. 30 Das Königshaus mit seinem Heer verbreitete<br />
ein Gefühl der politischen und militärischen<br />
Sicherheit. Das ganze religiöse Leben war im Tempelkult<br />
gut organisiert. Wir waren stolz auf unser Land,<br />
unsere Monarchie, unsere Religion, vielleicht ein bisschen<br />
zu stolz. Aber schon während meiner Jugend zogen<br />
politische Krisen herauf, die uns im Laufe der Zeit<br />
unsere Souveränität kosten sollten. Außerdem wurde<br />
mir mehr und mehr klar, dass vieles von der Sicherheit<br />
und dem Wohlstand nur Fassade war oder nur für<br />
einen privilegierten Kreis galt. Ich wurde darauf aufmerksam,<br />
dass in unserer Gesellschaft einiges im Argen<br />
lag und viele meiner Mitbürger/innen darunter litten.<br />
31<br />
Und mir wurde klar, dass das nicht der Wille Gottes<br />
sein kann. Ob ich es wollte oder nicht, ich fühlte mich<br />
dazu berufen, in Gottes Namen etwas zu sagen, die<br />
Ungerechtigkeiten anzuklagen und die, die unter der<br />
Ungerechtigkeit litten, zu trösten, aber auch Hoffnung<br />
zu machen auf eine bessere Zukunft und dadurch vielleicht<br />
mein Scherflein zu dieser Zukunft beizutragen.<br />
Und so begann ich als junger Mann meinen Mund in<br />
der Öffentlichkeit aufzumachen. Gibt es denn auch in<br />
der Andenregion Propheten?<br />
ADVENIAT: Sie wissen ja wahrscheinlich, wie das ist: Zu<br />
Lebzeiten hat man vermutlich auch nicht „Prophet“ zu<br />
Ihnen gesagt, sondern eher „Sozialkritiker“ oder „-ro-<br />
12<br />
mantiker“, „Weltverbesserer“, „Demagoge“, „Störenfried“<br />
oder so ähnlich. Erst Jahrzehnte später hielt<br />
man Sie für einen Propheten, vielleicht sogar für den<br />
größten des Alten Testaments, und glaubte, dass Gott<br />
durch Sie gesprochen hat. Die Propheten werden oft<br />
erst als solche anerkannt, wenn sie schon tot sind und<br />
niemandem mehr weh tun können. Aber es gibt auch<br />
in unserer Zeit in der Andenregion Menschen, die<br />
manchmal Propheten genannt werden, zum Beispiel<br />
Bischof Leonidas Proaño. Er war von 1954 bis 1985<br />
Bischof von Riobamba in Ecuador und hat sich sehr<br />
für das Recht der Indígenas auf Land, Würde, Freiheit,<br />
Bildung, Kultur und Religion eingesetzt. Als Zeichen<br />
für seine Solidarität mit den Indígenas ist er im einfachen<br />
Poncho aufgetreten. Die Werke, die er gegründet<br />
hat, dienen der Organisierung und Alphabetisierung<br />
der Indígenas und widmen sich auch noch heute<br />
der Frauenförderung und der Rechtsberatung, obwohl<br />
der „Bischof der Indios“, wie Monseñor Proaño von<br />
Papst Johannes Paul II. genannt wurde, 1988 gestorben<br />
ist. ADVENIAT unterstützt die Pastoral Indígena<br />
in Ecuador und anderen Andenländern.<br />
Ein weiteres Beispiel ist Jaime de Nevares, Bischof<br />
von Neuquén in Patagonien (gest. 1995), der<br />
sich in Argentinien zur Zeit der Militärdiktatur für die<br />
Menschenrechte starkmachte. Auch um sein Andenken<br />
bemüht man sich weiterhin, auch mit der Hilfe<br />
ADVENIATs. Oder Bischof Alejandro Labaca, der seinen<br />
Kampf gegen die Ölfirmen, die den Indígenas im<br />
Norden Ecuadors das Land nehmen wollen, 1987 mit<br />
dem Leben bezahlte.