Vor 25 Jahren... - Berliner Liedertafel

Sinn und Unsinn
Betrachtungen über die
Mitgliedschaft in
einem Gesangverein
Dieter K. Friedrich, SMGV
Wenn ihr Geselligkeit sucht, Kameradschaft,
ja, vielleicht sogar Freundschaft,
gemütliches Miteinander, fröhliches Zusammensein,
wohltuendes und entspannendes
Beisammensein, Gemeinsames
erleben wollt, mit einem Wort, wenn euch
euer bisheriges Leben stinkt, dann geht in
einen Gesangverein.
Aber auf keinen Fall, Jungs, in einen gemischten
Chor! Ihr kennt doch die Mädchen,
die sind zickig, und je älter sie werden,
desto mehr Erfahrung sammeln sie
in Bezug auf Intrigen, Klatschen, Rumsticheln.
Nee, überlasst das mal den
Frauen, sollen die unter sich ausmachen.
Geht in einen richtigen Männergesangverein,
tretet den Jungs bei. Ihr werdet
eure helle Freude haben.
Zumindest einmal in der Woche könnt ihr
dann den Häuslichkeiten entfliehen. Ihr
habt eben etwas Wichtiges vor, vor allem
ist das ja auch kulturell gesehen erhebend.
Und eure Frauen können sagen:
„Mein Mann singt im Gesangverein, ohne
ihn geht das da nicht!“ Ist das nichts?
Wenn das auch überhaupt nicht stimmt,
weil ihr vielleicht gar nicht singen könnt,
von Notenlesen ganz und gar zu schweigen,
ihr könnt so tun als ob und seid fein
raus. Zumindest für einen Abend in der
Woche. Und es wird was geboten. Bei der
Anzahl unserer Mitglieder haben alle naselang
welche Geburtstag. Da gibt´s ´ne
Runde. Da kommt einer von einer Reise
zurück, es gibt ´ne Runde. Da kommt einer
aus Deutschland zurück, hat einen
hier seltenen Schnaps oder einen, den
man hier überhaupt nicht bekommt, mitgebracht.
Na klar, dass die Flasche leer
wird. Und so geht das in einer Tour.
Es gibt natürlich auch welche, die gleich
nach der Probe abschwirren. Das sind
die, die froh sind, dass sie überhaupt herkommen
durften. Da wird bei denen zu
Hause die Uhr gestoppt, so und so lange
Chor, dazu die Hinfahrt, die Rückfahrt,
das macht im höchsten Fall dann zwei
Stunden und 12 Minuten. Und wehe, er
ist nicht pünktlich. Andere hauen einfach
nur so ab. Entweder haben die Angst,
dass sie mal einen ausgeben müssen,
oder sie sind tatsächlich nur zum Singen
gekommen! Das soll es auch geben.
Manche gehen auch mal schnell vor die
Tür und rufen dann per Handy an, erzählen
was von „Fahrtbesprechung“, oder
lügen drauflos, dass man für das Konzert
länger probt oder etwas Wichtiges bespricht.
Na ja, die armen Schweine! Aber
sie haben zumindest den Mut, wenigstens
gelegentlich etwas länger wegzubleiben.
Das zeigt doch einen kleinen Rest von
männlichem Charakter. Oder?
Am Ende der Probe wird ein langer Tisch
mit der einen Kante auf die Durchgabe