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Materialien > Demografi scher Wandel<br />
Betriebe im<br />
demografi schen Wandel<br />
Beispiele guter Praxis im Land Bremen<br />
Arbeitnehmerkammer<br />
Bremen
Betriebe im<br />
demografischen Wandel<br />
Beispiele guter Praxis im Land Bremen<br />
Reihe „Arbeiten und Altern im Land Bremen“
Inhaltsverzeichnis<br />
Vorwort ......................................................................................... 5<br />
Barbar Reuhl:<br />
Altern im Betrieb – den demografischen Wandel gestalten ................... 7<br />
Heiner Stück:<br />
Später in die Rente? Zum Wandel der Ausstiegspläne von älteren<br />
Beschäftigten ............................................................................... 13<br />
Axel Schröder:<br />
Vorbildliche betriebliche Regelungen einer alter(n)sgerechten<br />
Personalpolitik ............................................................................. 35<br />
Bremer Heimstiftung:<br />
Auf dem Weg zu einem strukturierteren Umgang<br />
mit der Altersthematik................................................................... 39<br />
Bremer Straßenbahn AG (BSAG):<br />
Alternde Belegschaft als Herausforderung für die<br />
Restrukturierung........................................................................... 45<br />
DaimlerChrysler:<br />
Aging Workforce – wettbewerbsfähig im demografischen Wandel ........ 51<br />
Flughafen Bremen GmbH:<br />
Gesundheitsförderungsprojekt - alternde Belegschaft im Fokus ........... 59<br />
Hellmann Worldwide Logistics GmbH & Co. KG:<br />
Arbeitskreis Gesundheit leistet Pionierarbeit..................................... 65<br />
Kraft Foods Deutschland GmbH:<br />
Alter(n)sgerechte Erwerbsbiografien als eine betriebliche<br />
Herausforderung der Zukunft.......................................................... 73
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Lebenshilfe Bremen e. V.:<br />
Ältere und jüngere MitarbeiterInnen gestalten aktiv mit im Projekt<br />
<strong>zum</strong> Wissenstransfer......................................................................79<br />
Das Instrument Job Rotation:<br />
Intelligente Lösungen für betrieblichen Qualifikationserhalt und<br />
Wissenstransfer.............................................................................87<br />
Anhang.............................................................................................. 93
Vorwort<br />
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Bremen liegt im Trend: Die steigende Lebenserwartung, eine wachsende Zahl<br />
alter und hochbetagter Menschen sowie die anhaltend niedrige Geburtenrate<br />
begründen die Entwicklung des Landes hin zu einer alternden Gesellschaft:<br />
bereits jetzt ist mehr als ein Viertel der Einwohnerinnen und Einwohner im<br />
Land Bremen älter als 60 Jahre. Ein wesentlicher Bereich, an dem die<br />
Auswirkungen sich wandelnder Altersstrukturen bereits deutlich werden, ist<br />
die Arbeitswelt.<br />
Die Kernbelegschaften vieler Betriebe gehören heute zu den mittleren<br />
Altersgruppen. Altersteilzeit und Vorruhestandsregelungen haben nicht zur<br />
Verjüngung der Altersstrukturen in den Unternehmen geführt sondern dazu,<br />
dass Wissen und Fachkompetenz erfahrener älterer Beschäftigter mit ihnen<br />
zusammen aus den Unternehmen verschwunden sind. Beschäftigte jeden<br />
Alters können neuen Anforderungen nur dann gerecht werden, wenn sie<br />
fachliche und berufliche Weiterbildungsangebote wahrnehmen können. Die<br />
angespannte Arbeitsmarktlage mag noch manchen täuschen – der Mangel an<br />
Nachwuchs, an qualifizierten Fachkräften jedes Alters hat in den Unternehmen<br />
bereits eingesetzt, auch wenn sich viele Unternehmen, wie eine<br />
aktuelle Studie zeigt, noch nicht angesprochen fühlen. Der demografische<br />
Wandel stellt Politik, Wirtschaft und Gesellschaft auch im Land Bremen<br />
aktuell und in Zukunft vor große Herausforderungen. Vor allem Verantwortliche<br />
und Multiplikatoren in den Betrieben sind gefordert, Erwerbsarbeit alternsgerecht<br />
zu gestalten, um die Unternehmen in unserem Bundesland zukunftsfähig<br />
machen. Es wird einer der wesentlichen Faktoren der Standortsicherung<br />
sein, in diesem Feld Kreativität und Tatkraft zu entwickeln.<br />
Einige Betriebe in Bremen und Bremerhaven haben sich bereits auf den Weg<br />
gemacht. Mit der vorliegenden Broschüre stellt die Arbeitnehmerkammer<br />
Bremen acht Beispiele guter Praxis von Betrieben im Land Bremen vor. Wir<br />
erheben damit nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Wir wollen damit<br />
vielmehr dazu anregen und ermutigen, dass sich andere Betriebe ebenfalls auf<br />
den Weg begeben. Den demografischen Wandel in der Arbeitswelt <strong>zum</strong> Thema<br />
in unserem Bundesland zu machen, die Informationslage zu verbessern sowie<br />
Austausch und Diskussion zu fördern, ist Zielsetzung der vorliegenden<br />
Veröffentlichung.<br />
Dr. Hans-L. Endl<br />
Geschäftsführer Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
5
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
6
Altern im Betrieb – den demografischen Wandel gestalten<br />
Barbara Reuhl<br />
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Die steigende Lebenserwartung, eine wachsende Zahl alter und hochbetagter<br />
Menschen sowie die anhaltend niedrige Geburtenrate begründen die Entwicklung<br />
des Landes hin zu einer alternden Gesellschaft. Auch Bremen liegt<br />
im Trend: Ein Blick auf die Altersstruktur der Bevölkerung (Abb. 1) 1 zeigt, dass<br />
Abb. 1: Altersaufbau der Bevölkerung im Land Bremen,<br />
differenziert nach Geschlecht und Staatsangehörigkeit;<br />
Stand: 31.12.2003<br />
schon jetzt mehr als ein<br />
Viertel der Menschen in<br />
Bremen und Bremerhaven<br />
älter als 60 Jahre,<br />
fast 50 % zwischen 30<br />
und 60 Jahren, nur etwa<br />
20% unter 20 Jahre alt<br />
sind. „Handlungsbedarf<br />
aufgrund des demografischen<br />
Wandels“ stellten<br />
denn auch die Fraktionen<br />
der SPD und der CDU in<br />
einer großen Anfrage in<br />
der bremischen Bürgerschaft<br />
Anfang September<br />
dieses Jahres fest.<br />
Eine alternde Gesellschaft<br />
– das trifft in besonderem<br />
Maß auch auf die Belegschaften<br />
der Betriebe in<br />
Bremen und Bremerhaven<br />
zu, und es stellt eine<br />
große Herausforderung für<br />
Verantwortliche und Multiplikatoren<br />
dar, sie anzunehmen<br />
und zu bewältigen.<br />
Der Altersdurchschnitt<br />
in vielen Unter-<br />
1 Statistisches Landsamt Bremen (Hrsg.): Statistische Monatsberichte 56. Jahrgang/2004/<br />
Heft 3 / 4, S. 3<br />
7
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
nehmen liegt gegenwärtig schon bei deutlich über 40 Jahren. Aber auch<br />
Betriebe, die jetzt noch „jung“ sind, werden eine Entwicklung nehmen, wie sie<br />
anderswo schon begonnen hat: Ganze Gruppen von Beschäftigten werden<br />
gemeinsam 30, 40 und älter. Innerhalb der nächsten 15 Jahre wird infolge<br />
der demografischen Entwicklung jede dritte Arbeitskraft im Land Bremen älter<br />
als 50 Jahre sein. Diejenigen, die innerhalb dieses Zeitraums nachrücken<br />
könnten, sind schon geboren und liegen zahlenmäßig weit unter den älteren<br />
Jahrgängen.<br />
Das zeigt, dass es bei der Auseinandersetzung mit dem demografischen Wandel<br />
nicht ausreicht, sich auf ältere ArbeitnehmerInnen oder allein auf die<br />
Nachwuchsfrage zu konzentrieren. Männer und Frauen aller Altersgruppen<br />
sind einzubeziehen. Betriebe, Beschäftigte und die Politik müssen neue<br />
Konzepte und Strategien entwickeln, denn die in den vergangenen Jahrzehnten<br />
praktizierten Ansätze haben nicht zu einem Altersmix in den Belegschaften<br />
beigetragen. Es hat letztendlich nicht zu einer Verjüngung der Belegschaften<br />
geführt, wenn mittels Altersteilzeit, Vorruhestandsregelungen und anderen<br />
Möglichkeiten das tatsächliche Renteneintrittsalter gesenkt wurde 2 . Wenn<br />
ältere Beschäftigte aus den Betrieben herausgehen und zugleich infolge von<br />
Arbeitsplatzabbau, Einstellungsstopp und teilweise bereits jetzt schon vorhandenem<br />
Fachkräftemangel der Nachwuchs ausbleibt, altern die Belegschaften<br />
trotzdem. In zahlreichen Betrieben konzentrieren sie sich inzwischen schon auf<br />
die mittleren Altersstufen von 40 plus. Diese Kerngruppe von Beschäftigten<br />
bildet die älteren ArbeitnehmerInnen von morgen.<br />
Eine unausgewogene Altersstruktur kann dazu beitragen, dass ein Betrieb<br />
nicht zukunftsfähig ist, beispielsweise wenn...<br />
• Möglichkeiten für Ältere versperrt sind, sich neuen fachlichen und beruflichen<br />
Herausforderungen zu stellen, weil die betriebliche Weiterbildungskultur<br />
jugendzentriert ist: Die Älteren verlernen das Lernen und die Motivation<br />
sich mit Neuem auseinanderzusetzen;<br />
• größere Gruppen von ArbeitnehmerInnen gleichzeitig in den Ruhestand<br />
eintreten: Fachkompetenzen und Erfahrungen gehen verloren, wenn nicht<br />
vorausschauend rechtzeitig der Wissenstransfer organisiert wurde;<br />
2 Heiner Stück: Altersaufbau der Belegschaften wird zunehmend <strong>zum</strong> Problem, in:<br />
Arbeitnehmerkammer Bremen (Hrsg.), Bremer Arbeitnehmer Magazin 1/04, vom<br />
Januar 2004.<br />
8
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
• es verpasst wurde, rechtzeitig die Unternehmensnachfolge vorzubereiten:<br />
Insbesondere in kleinen und mittleren Betrieben kann eine bedrohliche<br />
Situation entstehen 3 ;<br />
• geeignete Kinderbetreuungsmöglichkeiten fehlen: Jungen Vätern und<br />
insbesondere Müttern wird es erschwert oder unmöglich gemacht, Beruf<br />
und Familie zu vereinbaren, und qualifizierte Kräfte gehen den Betrieben<br />
verloren;<br />
• belastende Arbeitsbedingungen vorliegen: Mit zunehmendem Alter steigt<br />
das Risiko von ArbeitnehmerInnen, infolge von gesundheitlichem Verschleiß<br />
den Anforderungen im Beruf nicht mehr standhalten zu können,<br />
und es entstehen krankheitsbedingte Reibungsverluste im Betrieb;<br />
• die steigenden Belastungen infolge von Rationalisierungsdruck und Arbeitsplatzabbau<br />
mehr und mehr den jüngeren ArbeitnehmerInnen aufgebürdet<br />
werden: Deren Motivation sinkt, und auch ihre Gesundheit ist<br />
gefährdet;<br />
• es im Unternehmen keine Personal- und Organisationsentwicklungsstrategien<br />
gibt, um die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Belegschaften<br />
angesichts der Heraufsetzung des gesetzlichen Renteneintrittsalters zu<br />
schützen und alternsgerechte Arbeitskarrieren zu entwickeln.<br />
Kein Betrieb gleicht hinsichtlich des demografischen Wandels dem anderen.<br />
Doch nur wenige Unternehmen haben bisher ihre Altersstruktur analysiert und<br />
sie im Hinblick auf die verschiedenen Gruppen und Abteilungen des Betriebes<br />
genauer untersucht. Denn die Aufgabe geeignete Maßnahmen zu entwickeln<br />
und zu verwirklichen, stellt sich in jedem Unternehmen anders dar.<br />
Als Beispiel der typischen Altersstruktur eines großen Unternehmens in den<br />
Jahren 2000 und 2010 soll hier veranschaulicht werden (Abb. 2 und 3) 4 ,<br />
dass bei unveränderter Personalpolitik bereits innerhalb weniger Jahre aus<br />
einer „mittelalten“ eine „alte“ Belegschaft und ein massiver Arbeitskräftemangel<br />
entstehen kann.<br />
3 Lars Zerhusen, Empirische Untersuchung zur Unternehmensnachfolge innerhalb des KMU-<br />
Sektors im Lande Bremen; in: Statistisches Landesamt Bremen (Hrsg.), Statistische<br />
Monatsberichte Bremen Heft 5/6 / 2003, S. 98 ff.<br />
4 Quelle: Annegret Köchling: Projekt Zukunft, Leitfaden zur Selbstanalyse altersstruktureller<br />
Probleme in Unternehmen, Hrsg. Gesellschaft für Arbeitsschutz und Humanisierung mbH<br />
Volkholz und Partner (GfAH), Dortmund, April 2002.<br />
9
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Abb. 2: Mittelalterzentrierter Industriebetrieb im Jahr 2000<br />
Der Beispielsbetrieb rekrutiert Personal durch Ausbildung und mittels Traineeprogrammen,<br />
die für Beschäftigte bis Anfang 30 durchgeführt werden.<br />
Ältere wurden mit Altersteilzeit vorzeitig in den Ruhestand entlassen. Wenn<br />
die Personalstrategie innerhalb der zehn Jahre unverändert beibehalten wird,<br />
sinkt der Personalbestand und es ist fraglich, ob angesichts des in den kommenden<br />
Jahren nachlassenden Arbeitskräfteangebots dem Unternehmen ausreichend<br />
jüngere, qualifizierte Beschäftigte zur Verfügung stehen werden. Für<br />
ein an sich wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen wäre der Personalbestand<br />
dann aller Wahrscheinlichkeit nach zu gering, um die anstehende<br />
Arbeit oder gar Expansionsanforderungen zu bewältigen.<br />
Der demografische Wandel fordert uns alle zugleich auch heraus, unser Bild<br />
vom Altwerden, unsere Vorstellungen vom Leistungsvermögen älterer Beschäftigter<br />
zu reflektieren und Abschied zu nehmen von der Vorstellung, älter<br />
zu sein bedeute gleichzeitig automatisch eine nachlassende Leistungsfähigkeit<br />
und nicht mehr „mithalten“ zu können. In vielen Betrieben zeigt sich eine eher<br />
widersprüchliche Praxis der Wahrnehmung älterer Beschäftigter, wie der von<br />
der Hans-Böckler-Stiftung und dem Institut Arbeit und Technik herausgegebene<br />
Altersübergangs-Report 2004 belegt 5 . Wo Ältere beschäftigt werden,<br />
5 Martin Brussig: Die „Nachfrageseite des Arbeitsmarktes“: Betriebe und die Beschäftigung<br />
Älterer im Lichte des IAB-Betriebspanels 2002, Gelsenkirchen 2005.<br />
10
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Abb. 3: Mittelalterzentrierter Industriebetrieb in 2010 – Fortschreibung über Beibehaltung<br />
der Personalstrategie von 2000<br />
wird deren Leistungsvermögen von Personalverantwortlichen durchaus geschätzt.<br />
Die Bereitschaft, Ältere einzustellen, ist jedoch gering ausgeprägt.<br />
Altersspezifische Personalstrategien gibt es bisher erst in den wenigsten<br />
Unternehmen. Dabei ist es höchste Zeit für Verantwortliche und MultiplikatorInnen<br />
in den Betrieben, in dieser Hinsicht aktiv zu werden.<br />
Die Entwicklungschancen nicht zu verpassen und Betriebe zukunftsfähig zu<br />
machen, indem Arbeitsbedingungen alternsgerecht gestaltet werden, das ist<br />
die Herausforderung schon heute, aber auch für die kommenden Jahrzehnte.<br />
Welche Schwerpunkte der Gestaltung im einzelnen Betrieb gesetzt werden,<br />
hängt von der jeweiligen Situation und einer sorgfältigen Analyse ab. Viele<br />
Maßnahmen wurden bereits in Modellvorhaben entwickelt und erprobt, doch<br />
der Phantasie und Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt. Gestaltungsmaßnahmen<br />
können an ganz verschiedenen Stellen ansetzen und unterschiedlich<br />
ausgerichtet sein:<br />
• es können einzelne Aktivitäten sein, wie Gesundheitsförderung oder<br />
Wissensweitergabe zwischen ausscheidenden und nachfolgenden<br />
Beschäftigten;<br />
11
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
• der demografische Wandel kann <strong>zum</strong> Thema und Gegenstand der<br />
Personalentwicklung gemacht werden;<br />
• alternsgerechte Arbeitsbedingungen können aber auch als wichtiges<br />
Kriterium der Unternehmensstrategie begriffen und in alle betrieblichen<br />
Entscheidungen einbezogen werden;<br />
• es können alternsbezogene Ansätze verknüpft werden mit anderen<br />
<strong>Management</strong>strategien wie z. B. Diversity <strong>Management</strong> oder Familienfreundlichkeit.<br />
Es ist zu kurz gedacht, wenn nur die Älteren in den Blick genommen werden!<br />
Der sich bereits abzeichnende Fachkräftemangel verweist darauf, dass auch<br />
die Situation und die Belange der Jüngeren und derjenigen, die im mittleren<br />
Alter sind, berücksichtigt werden müssen. Es ist dabei erforderlich,<br />
verschieden weit reichende Ansätze zu entwickeln: einerseits Maßnahmen, die<br />
jetzt greifen und beispielsweise Qualifikationslücken schließen oder für<br />
gesundheitlich eingeschränkte ArbeitnehmerInnen durch altersgerechte<br />
Arbeitsbedingungen die Weiterbeschäftigung ermöglichen. Andererseits geht es<br />
um Nachhaltigkeit. Es müssen prospektive Gestaltungsprozesse in Gang gesetzt<br />
werden, die mittelfristig wirken und zukünftige betriebliche Erfordernisse<br />
im Hinblick auf die Altersstrukturen und die damit verbundenen Gestaltungsoptionen<br />
im Blick haben. Gesundheitsgerechte, motivierende, lernförderliche<br />
und familienfreundliche, also alternsgerechte Arbeitsbedingungen in den<br />
verschiedenen Lebensphasen während des gesamten Erwerbslebens erhalten<br />
ArbeitnehmerInnen leistungsfähig und sind ein zentraler Standortfaktor.<br />
12
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Später in die Rente? Zum Wandel der Ausstiegspläne von älteren<br />
Beschäftigten<br />
Heiner Stück<br />
Seit Jahren hat der Gesetzgeber Maßnahmen entwickelt, um den frühzeitigen<br />
Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand zu erschweren und einen längeren<br />
Verbleib der Erwerbstätigen im Erwerbsleben herbeizuführen. Vor allem<br />
die Anhebung der Altersgrenzen sowie die Einführung von Abschlägen beim<br />
frühzeitigen Renteneintritt sollen die Erwerbstätigen veranlassen, länger<br />
berufstätig zu bleiben. Damit soll der seit drei Jahrzehnten anhaltende Trend<br />
zur Frühverrentung beendet und möglichst sogar umgekehrt werden. Findet<br />
der „Paradigmenwechsel“ – weg von der Frühverrentung und hin <strong>zum</strong> längeren<br />
Verbleib im Erwerbsleben – in den Erwartungen und Plänen der Erwerbstätigen<br />
bereits seinen Niederschlag? Das von älteren Arbeitnehmern geplante<br />
Renteneintrittsalter bietet einen guten Vorhersagewert für das tatsächlich realisierte<br />
Übergangsalter. Daher können Änderungen in den Plänen <strong>zum</strong> Renteneintrittsalter<br />
Hinweise für tatsächlich zu erwartende Änderungen beim Ausstieg<br />
aus dem Erwerbsleben geben.<br />
Ergebnisse des deutschen Alterssurveys<br />
Auf der Grundlage der beiden Wellen des deutschen Alterssurveys von 1996<br />
und 2002 hat H. Engstler (Deutsches Zentrum für Altersfragen, Berlin) die<br />
„Erwerbsbeendigungspläne“ der über 40-jährigen Erwerbstätigen vergleichend<br />
untersucht 1 . Die folgende Darstellung stützt sich auf seine Ausarbeitung.<br />
Die Praxis der sozialverträglichen „Frühausgliederung“ hat bei den Beschäftigten<br />
die Orientierung auf einen frühen Ruhestand verfestigt. Von Wünschen<br />
auf einen frühen Ruhestand kann methodisch jedoch nicht auf Erwerbsbeendigungspläne<br />
geschlossen werden, realistischer sind geäußerte Erwartungen<br />
und konkrete Pläne <strong>zum</strong> Übergang in den Ruhestand. Untersuchungen haben<br />
gezeigt, dass das subjektiv geplante oder erwartete Renteneintrittsalter einen<br />
hohen Indikator für das tatsächliche Renteneintrittsalter abgibt.<br />
1 Heribert Engstler: Geplantes und realisiertes Austrittsalter aus dem Erwerbsleben, DZA-<br />
Diskussionspapier, Nr. 41, März 2004.<br />
13
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Die Ausstiegspläne der Erwerbstätigen im Alter von 40 und mehr Jahren wurden<br />
für die beiden Wellen des Alterssurveys (1996/2002) verglichen, um<br />
festzustellen, ob die gesetzlichen Maßnahmen zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit<br />
bereits ihren Niederschlag in den individuellen Erwartungen und Plänen<br />
der Erwerbstätigen <strong>zum</strong> Beginn des Ruhestandes gefunden haben.<br />
Im Jahre 1996 plante die Hälfte aller Erwerbstätigen ab 40 Jahren, spätestens<br />
mit 60 Jahren das Erwerbsleben zu beenden. Von den Erwerbstätigen<br />
im Alter von 40 bis unter 60 Jahren wollten 52 Prozent spätestens mit 60<br />
Jahren mit der Erwerbsarbeit aufhören (vgl. Abb. 1). 11 Prozent der 40- bis<br />
unter 60-jährigen Erwerbstätigen wollten mit 61 – 64 Jahren und 18 Prozent<br />
mit 65 oder mehr Jahren in den Ruhestand gehen. Rund 19 Prozent konnten<br />
kein geplantes Ausstiegsalter angeben.<br />
Abb. 1: Geplantes Ausstiegsalter aus der Erwerbstätigkeit der 40- bis 59-Jährigen,<br />
1996 und 2002 (Anteile gruppierter Antworten in Prozent)<br />
Quelle: Alterssurvey 1996 und 2002, gewichtet.<br />
Nach H. Engstler, a.a.O., S. 10<br />
14
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Im Jahre 2002 sehen demgegenüber die Renteneintrittspläne der Erwerbstätigen<br />
ab 40 Jahren schon ganz anders aus: Nur noch 35 Prozent aller<br />
Erwerbstätigen – bzw. 37 Prozent der 40- bis unter 60-jährigen Erwerbstätigen<br />
– planen, spätestens mit 60 Jahren das Erwerbsleben zu beenden.<br />
Gleichwohl hat sich der Anteil der Erwerbstätigen, der über das 60. Lebensjahr<br />
hinaus zu arbeiten beabsichtigt, im Abstand der beiden Wellen nur<br />
geringfügig erhöht (von 31,4 % auf 33,5 %). Gestiegen ist vielmehr der Anteil<br />
der Erwerbstätigen, die keine Angaben <strong>zum</strong> geplanten Ausstiegsalter machen<br />
konnten (von 18 % im Jahre 1996 auf 32 % im Jahre 2002).<br />
Die in diesem Zeitraum eingeführten Rentenreformen sowie die öffentliche<br />
Diskussion über die Verlängerung der Lebensarbeitszeit haben offenbar bei den<br />
älteren Erwerbstätigen Wirkung gezeigt. Die bisher dominante Altersgrenze von<br />
60 Jahren für den Übergang in den Ruhestand verliert offenbar an Bedeutung<br />
für die Orientierung der älteren Beschäftigten. Die Abkehr von der Perspektive,<br />
nicht länger als bis <strong>zum</strong> 60. Lebensjahr zu arbeiten, konkretisiert sich jedoch<br />
nicht in Erwartungen, bis zu welchem Alter man selbst weiter erwerbstätig<br />
sein wird (die Anteilswerte für das Austrittsalter 61 – 64 Jahre sowie für 65<br />
oder mehr Jahre haben sich nur unwesentlich verändert). Vielmehr hat die<br />
Ungewissheit über den voraussichtlichen Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem<br />
Erwerbsleben stark zugenommen (von 18 % im Jahre 1996 auf 32 % im Jahr<br />
2002).<br />
Wie die folgende Abbildung zeigt, hat die Ungewissheit über das voraussichtliche<br />
Renteneintrittsalter nicht nur bei den Erwerbstätigen im mittleren Alter<br />
zugenommen, sondern auch bei den Erwerbstätigen im höheren Alter. Selbst<br />
bei den „rentennahen“ Altersgruppen (55 bis unter 60 Jahre) hat sich der<br />
Anteil der Erwerbstätigen, die kein geplantes Ausstiegsalter angeben konnten,<br />
im Laufe der sechs Jahre verdoppelt.<br />
15
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Abb. 2: Anteil der Erwerbstätigen, die noch kein geplantes Ausstiegsalter angeben können,<br />
1996 und 2002 (in Prozent)<br />
Quelle: Alterssurvey 1996 und 2002, gewichtet.<br />
Erwerbstätige im Alter von 40 bis 64 Jahren, Antwortkategorie „Weiß noch nicht“.<br />
Nach H. Engstler, a.a.O., S. 11<br />
Die Abkehr von einem frühen Ausstieg aus dem Erwerbsleben ist bei Frauen<br />
stärker als bei Männern ausgeprägt. So hat sich der Anteil der weiblichen<br />
Erwerbstätigen im Alter von 40 bis unter 60 Jahren, die spätestens mit 60<br />
Jahren in den Ruhestand gehen wollen, in Westdeutschland im Zeitraum<br />
1996 – 2002 um 21 Prozent auf 36 Prozent verringert. Anzunehmen ist, dass<br />
die Anhebung der Altersgrenze für die vorgezogene Frauenaltersrente (von 60<br />
auf 65 Jahre) diesen starken Rückgang des beabsichtigten vorzeitigen<br />
„Abschieds vom Arbeitsleben“ ausgelöst hat. Während die Anhebung der<br />
Altersgrenzen bei den Männern den Anteil der Verunsicherten vergrößert hat,<br />
hat demgegenüber die Anhebung der Altersgrenzen bei den Frauen zu einer<br />
realistischen Abkehr von frühzeitigen Ausstiegsplänen geführt.<br />
16
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Ergebnisse der Mitgliederbefragung der Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
In einer Mitgliederbefragung der Arbeitnehmerkammer Bremen sind bewusst<br />
Fragen aus dem deutschen Alterssurvey <strong>zum</strong> geplanten Renteneintrittsalter<br />
gestellt worden (August – September 2004: Telefonische Befragung von 325<br />
Personen in Bremen und Bremerhaven) .<br />
Die Arbeitnehmerkammer Bremen wollte ermitteln, wie die Arbeitnehmer und<br />
Arbeitnehmerinnen in Bremen und Bremerhaven Fragen des Alterns im Betrieb<br />
und in der Erwerbslosigkeit beurteilen, daher wurden nur Arbeiternehmer/innen<br />
im Alter von 40 und mehr Jahren befragt: 227 Erwerbstätige sowie 98 Erwerbslose.<br />
Die folgende Darstellung thematisiert vorwiegend das Problem des<br />
Renteneintritts aus der Sicht der älteren Beschäftigten.<br />
Bei der Frage „Mit welchem Alter werden Sie voraussichtlich in Rente<br />
gehen?“ ergibt sich für die 227 erwerbstätigen Befragten die folgende Verteilung<br />
(Auswahl der häufigsten Nennungen): 4,4 % mit 58 Jahren (Frauen =<br />
7,1 %, Männer = 2,3 %), 13,7 % mit 60 Jahren (Frauen = 15,2 %, Männer<br />
= 12,5 %), 4,4 % mit 62 Jahren (Frauen = 3,0 %, Männer = 5,5 %), 16,3<br />
% mit 63 Jahren (Frauen = 23,2 %, Männer = 10,9 %), 50,7 % mit 65<br />
Jahren (Frauen = 40,4 %, Männer = 58,6 %), 4,8 % der Befragten wissen<br />
es noch nicht (Frauen = 6,1 %, Männer = 3,9 %). Die Hälfte der erwerbstätigen<br />
Befragten rechnet also damit, bis zur Regelaltersgrenze von 65 Jahren<br />
„voraussichtlich“ erwerbstätig zu sein. Die Anhebung der Altersgrenzen bei den<br />
Altersrenten durch die Rentenreform hat offenbar dazu geführt, dass die<br />
Befragten – wenn möglich – eine Altersrente ohne Rentenabschläge anstreben.<br />
Bemerkenswert ist, dass mehr Frauen „voraussichtlich“ früher als Männer in<br />
Rente gehen werden.<br />
Um die Renteneintrittspläne der älteren Beschäftigten im Lande Bremen<br />
(2004) mit denen der älteren Erwerbstätigen in Deutschland (2002) vergleichen<br />
zu können, haben wir die jeweils geplanten einzelnen Lebensalter gemäß<br />
den Kategorien des deutschen Alterssurveys zusammengefasst.<br />
17
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Abb. 3: Geplantes Ausstiegsalter aus der Erwerbstätigkeit (Erwerbstätige ab 40 Jahren)<br />
(Anteile gruppierter Antworten in Prozent)<br />
18<br />
100%<br />
90%<br />
80%<br />
70%<br />
60%<br />
50%<br />
40%<br />
30%<br />
20%<br />
10%<br />
0%<br />
4,9<br />
53,3<br />
22<br />
19,8<br />
31,5<br />
19,9<br />
13,6<br />
Land Bremen 2004 Deutschland 2002<br />
mit 60 J. oder früher mit 61 - 64 Jahren mit 65 J. oder später weiß noch n<br />
Obwohl die beiden Befragungen von Größe und Struktur her nicht vergleichbar<br />
sind, überrascht doch der Vergleich zwischen den Angaben der befragten Erwerbstätigen<br />
(ab 40 J.) <strong>zum</strong> geplanten Ausstiegsalter: Die hohe Verunsicherung<br />
der deutschen Erwerbstätigen (ab 40 J.) über den Zeitpunkt des eigenen<br />
Übergangs in den Ruhestand (31,5 % im Jahre 2002) hat sich bei den zwei<br />
Jahre später befragten bremischen Erwerbstätigen (ab 40 J.) nahezu aufgelöst<br />
(nur 5 % konnten kein geplantes Ausstiegsalter angeben). Offenbar ist den<br />
bremischen Erwerbstätigen zunehmend bewusst geworden, dass die Zeit der<br />
Frühverrentung ihrem Ende entgegen geht, offenbar haben diese älteren<br />
Erwerbstätigen inzwischen neue Orientierungen für ihren Übergang in den<br />
Ruhestand entwickelt. Nur noch 20 Prozent der bremischen Erwerbstätigen<br />
beabsichtigen, spätestens mit 60 Jahren das Erwerbsleben zu beenden,<br />
22 Prozent haben als Ausstiegsalter 61 bis 64 Jahre angegeben, 53 Prozent<br />
der bremischen Erwerbstätigen beabsichtigen, erst mit Erreichen der<br />
Regelaltersgrenze (65 J.) in den Ruhestand zu gehen (gegenüber 20 % der<br />
deutschen Erwerbstätigen im Jahre 2002).<br />
35
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Die angehobenen Altersgrenzen für einen vorgezogenen Ruhestand mit möglichst<br />
minimalen Rentenabschlägen sowie die steigende Bedeutung der Regelaltersgrenze<br />
für den Rentenzugang sind offenbar von den bremischen<br />
Erwerbstätigen (ab 40 J.) bereits als neue Orientierungspunkte für ihren Übergang<br />
in den Ruhestand aufgenommen worden.<br />
Die Erwartung des DZA-Autors, „dass die derzeitige Verunsicherung einer<br />
Neuorientierung auf einen längeren Verbleib im Erwerbsleben mit konkreteren<br />
Vorstellungen <strong>zum</strong> Zeitpunkt des Übergangs in den Ruhestand weicht“ 2 , hat<br />
sich <strong>zum</strong>indest für die befragten Erwerbstätigen im Lande Bremen inzwischen<br />
erfüllt. Zu berücksichtigen ist dabei, dass inzwischen weitere Renten- und<br />
Arbeitsmarktreformen beschlossen worden sind, die weitere Anreize für einen<br />
späteren Austritt aus dem Erwerbsleben enthalten. Der vom Gesetzgeber angestrebte<br />
„Paradigmenwechsel“ vom frühen <strong>zum</strong> späten Ausstieg aus dem<br />
Erwerbsleben scheint inzwischen einen subjektiven Niederschlag in den individuellen<br />
Planungen des Übergangs in den Ruhestand gefunden zu haben.<br />
Hierzu dürfte auch die im letzten Jahre verstärkt geführte öffentliche Diskussion<br />
über die Verlängerung der Lebensarbeitszeit beigetragen haben.<br />
Abb. 4: Geplantes Ausstiegsalter der bremischen Erwerbstätigen (ab 40 J.)<br />
(Anteile gruppierter Antworten in Prozent)<br />
geplantes<br />
Ausstiegs-<br />
alter<br />
männliche weibliche<br />
Altersgruppen<br />
Erwerbstätige Erwerbstätige 40 – 45 J. 46 – 55 J. 56 u.m. J.<br />
(128) (99) (79) (78) (70)<br />
% % % % %<br />
weiß nicht 3,9 6,1 5,0 7,6 1,4<br />
65 J.od.später 61,7 42,4 50,7 53,9 55,7<br />
61 – 64 Jahre 17,2 28,2 15,2 20,5 31,4<br />
60 J.od.früher 17,2 23,3 29,1 18,0 11,5<br />
100,0 100,0 100,0 100,0 100,0<br />
Die Aufgliederung des geplanten Ausstiegsalters nach dem Geschlecht der<br />
bremischen Erwerbstätigen bestätigt den bekannten Befund, dass die Männer<br />
im Durchschnitt später in den Ruhestand gehen als die Frauen. So beabsichtigen<br />
62 Prozent der erwerbstätigen Männer – gegenüber 42 Prozent der<br />
erwerbstätigen Frauen – mit 65 Jahren oder später die Berufstätigkeit zu<br />
beenden, also sogar die Regelaltersgrenze ohne Rentenabschläge erreichen zu<br />
wollen. Bei den bremischen Befragten, die früher aus dem Erwerbsleben aus-<br />
2 H. Engstler, a.a.O., S. 20<br />
19
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
steigen wollen, dominiert innerhalb der Kategorie „61 bis 64 Jahre“ das Ausstiegsalter<br />
von 63 Jahren, innerhalb der Kategorie „60 Jahre oder früher“ das<br />
Ausstiegsalter von 60 Jahren. Diese Angaben reflektieren offenbar die für<br />
bestimmte Jahrgänge noch bestehenden Möglichkeiten, mit 60 oder mit 63<br />
Jahren eine Altersrente mit Abschlägen vorzeitig in Anspruch nehmen zu können<br />
(Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder Altersteilzeit, Altersrente für<br />
Frauen) 3 .<br />
Die Aufgliederung des geplanten Ausstiegsalters nach 3 Altersgruppen<br />
(40–45 J. / 46–55 J. / 56 u. m. J.) vermittelt folgendes Bild: je jünger die<br />
Befragten sind, umso früher erwarten sie, das Arbeitsleben zu beenden, je<br />
älter die Befragten sind, umso später beabsichtigen sie, in Rente zu gehen.<br />
Die noch erwerbstätigen älteren Beschäftigten, die die Altersgrenze von 55<br />
Jahren bereits überschritten haben, weder erwerbslos noch erwerbsunfähig<br />
sind, kalkulieren realistisch mit einem späten Renteneintritt (8,6 % mit 60<br />
Jahren, 5,7 % mit 62 Jahren, 22,9 % mit 63 Jahren, 54,3 % mit 65<br />
Jahren).<br />
Abb 5: Geplantes Ausstiegsalter der bremischen Erwerbstätigen (ab 40 J.)<br />
nach Bildungsabschluss<br />
geplantes<br />
Ausstiegsalter<br />
20<br />
Betriebliche Fachhochschul- Hochschul-<br />
Ausbildung<br />
abschluss<br />
abschluss<br />
(131) (34) (50)<br />
% % %<br />
weiß nicht 4,6 5,9 6,0<br />
65 J. oder später 48,0 50,0 70,0<br />
61 – 64 Jahre 26,0 14,7 14,0<br />
60 J. oder früher 21,4 29,4 10,0<br />
100,0 100,0 100,0<br />
3 Vergleiche im Anhang die von H. Engstler erstellte Übersicht 1: Anhebung der Altersgrenzen<br />
für die vorgezogenen Altersrenten in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Die bremischen Erwerbstätigen mit Hochschulabschluss beabsichtigen in viel<br />
höherem Maße als die Erwerbstätigen mit betrieblicher Ausbildung oder mit<br />
Fachhochschulabschluss, die Regelaltersgrenze von 65 Jahren im Erwerbsleben<br />
zu erreichen. Dieser Unterschied dürfte aus dem höheren Berufseintrittsalter<br />
der Hochschulabsolventen sowie der geringeren körperlichen Belastung<br />
(z. B. durch Schichtarbeit) im Vergleich zu den Beschäftigten mit betrieblicher<br />
Ausbildung, welche häufig im gewerblichen Bereich arbeiten, resultieren. Die<br />
Gesundheits- und Einkommenssituation gelten allgemein als Determinanten<br />
der Entscheidung über den Zeitpunkt des Übergangs in den Ruhestand.<br />
Auf die Frage, mit welchem Alter die Befragten „voraussichtlich in Rente<br />
gehen (werden)“, folgte unmittelbar die Frage: „Entspricht es Ihrem Wunsch,<br />
zu diesem Zeitpunkt aufzuhören oder würden Sie lieber schon früher aufhören<br />
oder noch länger arbeiten?“ Von den 227 erwerbstätigen Befragten haben<br />
mehr Personen den Wunsch geäußert, „lieber schon früher auf(zu)hören“<br />
(50 %), als „zu diesem Zeitpunkt aufzuhören“ (44 %). 6 % der Befragten<br />
möchten „noch länger“ als zu dem zuvor angegebenen Zeitpunkt des<br />
Renteneintritts arbeiten. Es zeigt sich also eine Diskrepanz zwischen dem<br />
erwarteten und dem gewünschten Zeitpunkt des Renteneintritts. Während<br />
auf der einen Seite die Hälfte der erwerbstätigen Befragten damit rechnet,<br />
voraussichtlich mit 65 Jahren in Rente zu gehen, äußert auf der anderen Seite<br />
die Hälfte der erwerbstätigen Befragten den Wunsch, zu einem früheren – als<br />
dem zuvor angegebenen – Zeitpunkt „aufzuhören“.<br />
Abb. 6: Verhältnis von Wunsch und Absicht bzgl. Zeitpunkt des Renteneintritts<br />
gewünschter<br />
Zeitpunkt<br />
Altersgruppen<br />
40 – 45 Jahre 46 – 55 Jahre 56 u. m. Jahre<br />
(79) (78) (70)<br />
% % %<br />
möchte zu diesem Zeitpunkt aufhören 49,4 35,9 47,1<br />
möchte früher aufhören 44,3 57,7 47,1<br />
möchte länger arbeiten 6,3 6,4 5,8<br />
100,0 100,0 100,0<br />
Bei den „rentennahen“ Jahrgängen (56 u. m. J.) halten sich die Wünsche,<br />
<strong>zum</strong> angegebenen Zeitpunkt mit der Arbeit „aufzuhören“ (47 %) oder aber<br />
„schon früher auf(zu)hören“ (47 %) die Waage (vgl. Abb. 6). Diese Altersgruppe<br />
kann bereits konkrete Vorstellungen über den Zeitpunkt des Übergangs<br />
in den Ruhestand entwickeln. Die nachfolgende Altersgruppe (46 – 55 J.) von<br />
21
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Erwerbstätigen möchte von den drei Altersgruppen am häufigsten – zu 58<br />
Prozent – „lieber schon früher aufhören“ (als zu dem zuvor angegebenen Zeitpunkt).<br />
Diese „älteren Arbeitnehmer“ (offizielle Definition: ab 45 J.) befinden<br />
sich angesichts der Arbeitsmarktsituation sowie der Auswirkungen der Rentenreformen<br />
– wie auch der absehbaren Geltungsdauer des Altersteilzeitgesetzes<br />
– in einer besonders kritischen Situation: Sie wissen bereits, dass das<br />
Ende der Frühverrentung naht, würden am liebsten aber noch – gemäß der<br />
bisherigen Praxis der Frühverrentung – früher in den vorzeitigen Ruhestand<br />
gehen, obwohl ihnen bewusst ist, dass sie diesen Wunsch nicht werden realisieren<br />
können.<br />
Während bei der Frage, ob der zuvor angegebene Zeitpunkt des Ruhestandes<br />
dem Wunsch entspricht, sich keine Unterschiede nach dem Geschlecht der<br />
Befragten ergeben, lassen sich Unterschiede nach der Funktion und dem Bildungsabschluss<br />
der Befragten feststellen: Die Befragten mit leitender Funktion<br />
möchten weniger häufig (44 %) früher aufhören als die Befragten ohne leitende<br />
Funktion (52 %), die Befragten mit Hochschulabschluss möchten entsprechend<br />
weniger häufig (44 %) früher aufhören als die Befragten mit<br />
betrieblicher Ausbildung (50 %) oder mit Fachhochschulabschluss (59 %).<br />
Lediglich bei den Erwerbstätigen mit Hochschulabschluss halten sich die<br />
Wünsche, <strong>zum</strong> erwarteten Zeitpunkt (44 %) oder schon früher (44 %) aufzuhören,<br />
die Waage. Bei den Erwerbstätigen mit betrieblicher Ausbildung oder<br />
mit Fachhochschulabschluss überwiegen demgegenüber die Wünsche, früher<br />
als <strong>zum</strong> erwarteten Zeitpunkt aufzuhören (vgl. Abb. 7). Es ist anzunehmen,<br />
dass diese Beschäftigten wissen, dass sie diese Wünsche nicht mehr werden<br />
realisieren können.<br />
Abb. 7: Verhältnis von Wunsch und Absicht bzgl. Zeitpunkt des Renteneintritts<br />
22<br />
gewünschter<br />
Zeitpunkt<br />
möchte zu diesem Zeitpunkt<br />
aufhören<br />
Bildungsabschluss<br />
Betriebliche Fachhochschul- Hochschul-<br />
Ausbildung abschluss abschluss<br />
(131) (34) (50)<br />
% % %<br />
45,0 35,3 44,0<br />
Möchte früher aufhören 50,4 58,8 44,0<br />
Möchte länger arbeiten 4,6 5,9 12,0<br />
100,0 100,0 100,0
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Die 113 Befragten, die früher in Rente gehen wollen, sind gefragt worden, in<br />
welchem Alter sie denn mit der Arbeit aufhören möchten. Die Ergebnisse zu<br />
dieser Frage bestätigen die aus anderen Untersuchungen bekannte „Wunschaltersgrenze“<br />
von 60 Jahren. Etwas mehr als die Hälfte dieser Befragten (52<br />
%) möchten mit 60 Jahren in Rente gehen (Frauen = 45 %, Männer = 58<br />
%). Bereits mit 55 Jahren möchten immerhin 15 % dieser Befragten mit der<br />
Arbeit aufhören (Frauen = 18,4 %, Männer = 12,5 %), mit 58 Jahren<br />
möchten 12 % dieser Befragten (Frauen = 14,3 %, Männer = 10,9 %) in<br />
Rente gehen. Es zeigt sich also auch bei dieser Frage, dass die weiblichen<br />
früher als die männlichen Beschäftigten die Erwerbsarbeit beenden möchten.<br />
Die eine Hälfte der bremischen Erwerbstätigen möchte also lieber früher als<br />
<strong>zum</strong> beabsichtigten Zeitpunkt aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Die gesellschaftlich<br />
etablierte Frühverrentung mit 60 Jahren bildet seit Jahrzehnten also<br />
nach wie vor die „Wunschaltersgrenze“ für die Hälfte der im Lande Bremen<br />
befragten Erwerbstätigen, obwohl diese Beschäftigten inzwischen die Gewissheit<br />
haben, dass die Perspektive des frühen Ausstiegs mit spätestens 60 Jahren<br />
realistischerweise (allenfalls mit schmerzlichen finanziellen Einbußen)<br />
nicht mehr besteht. Die andere Hälfte der bremischen Erwerbstätigen hat<br />
demgegenüber offenbar die Relevanz der Rechtsänderungen für ihre zukünftigen<br />
Möglichkeiten des Ausstiegs aus dem Erwerbsleben bereits erkannt: Die<br />
angehobenen Altersgrenzen für den Beginn der vorgezogenen Altersrenten<br />
sowie die zunehmende Bedeutung der Regelaltersgrenze für den Rentenzugang<br />
werden von diesen Befragten bereits als Orientierungspunkte für ihren Übergang<br />
in den Ruhestand aufgenommen (63/65 Jahre).<br />
Erhaltung der Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten bis <strong>zum</strong> Renteneintritt<br />
Ein erheblicher Anteil der erwerbstätigen Befragten kann offenbar wegen der<br />
Belastungen am Arbeitsplatz sowie der daraus folgenden gesundheitlichen<br />
Probleme die aktuelle Tätigkeit voraussichtlich nicht bis zur Rente ausführen.<br />
Die Frage „Was meinen Sie, können Sie Ihre jetzige Tätigkeit gesundheitlich<br />
voraussichtlich bis zur Rente ausführen?“ haben zwar 176 der 227 erwerbstätigen<br />
Befragten bejaht (77,5 %), aber doch insgesamt 22,5 % verneint<br />
(nicht bis zur Rente, aber noch sehr viele Jahre = 12 %, nicht bis zur Rente<br />
und nur noch wenige Jahre = 5,7 %, im Grunde schon jetzt nicht mehr = 4,8<br />
%). Die männlichen Befragten, die ja auch später als die weiblichen Befragten<br />
in Rente gehen wollen, äußern entsprechend häufiger (81,3 %) die Ansicht,<br />
kein Problem damit zu haben, bis zur Rente zu arbeiten, als die weiblichen<br />
23
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Befragten (72,7 %). Von der „rentennahen“ Altersgruppe (56 u. m. J.) ist ein<br />
Viertel der Auffassung, aus gesundheitlichen Gründen die jetzige Tätigkeit<br />
nicht bis zur Rente ausführen zu können. Die Befragten mit leitender Funktion<br />
(88 %) sowie die Befragten mit Hochschulabschluss (86 %) haben überdurchschnittlich<br />
häufig „kein Problem, bis zur Rente zu arbeiten“, ein deutlicher<br />
Hinweis darauf, dass Beschäftigte in ausführender Stellung sowie mit<br />
betrieblicher Ausbildung besonderen Belastungen am Arbeitsplatz ausgesetzt<br />
sind, die zu gesundheitlichen Problemen führen (vgl. Abb. 8).<br />
Abb. 8: Jetzige Tätigkeit gesundheitlich bis zur Rente ausführen können<br />
24<br />
gesundheitliches<br />
Problem<br />
kein Problem, bis zur<br />
Rente zu arbeiten<br />
Problem, bis zur<br />
Rente zu arbeiten<br />
leitende Funktion B i l d u n g s a b s c h l u s s<br />
ja nein<br />
Betriebliche<br />
Ausbildung<br />
FachhochschulabschlussHochschulabschluss<br />
(66) (159) (131) (34) (50)<br />
% % % % %<br />
87,9 73,6 76,3 70,6 86,0<br />
12,1 26,4 23,7 29,4 14,0<br />
100,0 100,0 100,0 100,0 100,0<br />
Anschließend wurden die 227 Erwerbstätigen gefragt: „Was meinen Sie, was<br />
könnte Ihr Betrieb tun, damit Sie Ihre Arbeitsfähigkeit bis zur Rente erhalten?“<br />
Nahezu 4 von 10 Befragten (38 %) meinen, der Betrieb bräuchte „gar<br />
nichts“ zu tun („brauche ich nicht“). Umgekehrt formuliert: Die Mehrheit der<br />
Befragten meint, der Betrieb müsse etwas zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit<br />
der Beschäftigten tun, an 1. Stelle steht dabei die Ansicht, der Betrieb sollte<br />
die „Belastungen am Arbeitsplatz verringern“ (32 %), an 2. Stelle der<br />
Nennungen steht die Aufforderung an den Betrieb, Gesundheitskurse anzubieten<br />
(15 %), an 3. Stelle „Arbeitszeit verkürzen“ (12 %), an 4. Stelle<br />
„Schichtarbeit abbauen“ (9 %), sonstige Maßnahmen werden insgesamt von<br />
14 % der Befragten genannt (Mehrfachnennungen = 120 %).
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Abb. 9: Erwartete Maßnahmen des Betriebes zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit der<br />
Beschäftigten bis <strong>zum</strong> Renteneintritt<br />
männliche weibliche Altersgruppen<br />
Erwartete Erwerbstätige Erwerbstätige 40 – 46 – 56<br />
Maßnahmen<br />
45 J. 55 J. u.m.J.<br />
(128) (99) (79) (78) (70)<br />
% % % % %<br />
Arbeitszeit verkürzen 15,6 7,1 11,4 14,1 10,0<br />
Schichtarbeit abbauen 12,5 4,0 11,4 9,0 5,7<br />
Belastungen am<br />
Arbeitsplatz verringern<br />
31,3 32,3 36,7 33,3 24,3<br />
Wechsel auf einen<br />
anderen Arbeitsplatz<br />
Gesundheitskurse<br />
anbieten<br />
5,5 3,0 6,3 3,8 2,9<br />
13,3 18,2 20,3 10,3 15,7<br />
Sonstiges 9,4 10,1 15,2 9,0 4,3<br />
gar nichts,<br />
brauche ich nicht<br />
36,7 39,4 29,1 38,5 47,1<br />
Mehrfachnennungen 124,3 114,1 130,4 118,0 110,0<br />
Die männlichen Befragten äußern – gemäß ihrer Arbeitssituation – häufiger als<br />
die weiblichen Befragten die Auffassung, der Betrieb solle die Arbeitszeit verkürzen<br />
sowie die Schichtarbeit abbauen, die weiblichen Befragten erwarten –<br />
gemäß ihrem höheren Gesundheitsbewusstsein – häufiger als die männlichen<br />
Befragten, dass der Betrieb Gesundheitskurse anbieten solle, damit sie ihre<br />
Arbeitsfähigkeit bis zur Rente erhalten können. Mit Blick auf die Notwendigkeit,<br />
Gesundheit und Arbeitsfähigkeit bis <strong>zum</strong> Rentenalter erhalten zu müssen,<br />
sind demnach die befragten Erwerbstätigen „weiter“ (im Sinne des Problembewusstseins)<br />
als die Betriebe in ihren tatsächlichen Maßnahmen. Sowohl die<br />
männlichen als auch die weiblichen Befragten nennen als wichtigste Maßnahme<br />
zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit die Verringerung der Belastungen<br />
am Arbeitsplatz.<br />
Die Aufgliederung der vom Betrieb erwarteten Maßnahmen nach den drei<br />
Altersgruppen zeigt ein interessantes Ergebnis: je älter die befragten Erwerbstätigen<br />
sind, umso häufiger meinen sie, sie bräuchten seitens des Betriebes<br />
keine Maßnahmen, um ihre Arbeitsfähigkeit bis zur Rente zu erhalten (vgl.<br />
25
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Abb. 9). Diese „rentennahe“ Altersgruppe, die noch erwerbstätig ist, meint fast<br />
zur Hälfte (47 %), sie benötige keine betrieblichen Maßnahmen. Anzunehmen<br />
ist, dass es sich bei diesen älteren Beschäftigten um eine „positive Auswahl“<br />
handelt. Umgekehrt ergibt sich im Zusammenhang mit dem Lebensalter der<br />
Beschäftigten folgende Tendenz: Je jünger die Erwerbstätigen (ab 40 J.) sind,<br />
umso häufiger erwarten sie vom Betrieb, die Belastungen am Arbeitsplatz zu<br />
verringern, damit sie bis <strong>zum</strong> Renteneintritt ihre Arbeitsfähigkeit erhalten können<br />
(40 – 45 J. = 37 %, 46 – 55 J. = 33 %, 56 u. m. J. = 24 %). Die<br />
Erwerbstätigen, die die Mitte ihres Erwerbslebens (40 Jahre) bereits überschritten<br />
haben, haben vor ihren Augen das Szenario, dass sie gezwungen sein<br />
werden, erheblich länger erwerbstätig sein zu müssen als die Generationen,<br />
die in den letzten drei Jahrzehnten vorzeitig in den Ruhestand gegangen sind.<br />
Umso notwendiger werden betriebliche Maßnahmen zur Verringerung der<br />
Belastungen und zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit.<br />
Die Erwartung der befragten Erwerbstätigen, dass der Betrieb Maßnahmen zur<br />
Erhaltung ihrer Arbeitsfähigkeit bis <strong>zum</strong> Renteneintritt ergreifen sollte, ist<br />
jedenfalls weitaus höher ausgeprägt als das tatsächliche Angebot des Betriebes<br />
für ältere Beschäftigte (aus Sicht der befragten Erwerbstätigen).<br />
So haben die Frage „Gibt es in Ihrem Betrieb spezielle Maßnahmen oder<br />
Angebote für ältere Beschäftigte?“ lediglich ein Fünftel (19,4 %) bejaht,<br />
nicht ganz drei Viertel (72,7 %) haben diese Frage verneint (weiß nicht =<br />
7,9 %). Auffällig ist, dass die Männer weit häufiger (25,8 %) als die Frauen<br />
(11,1 %) angegeben haben, dass es in ihrem Betrieb Maßnahmen oder Angebote<br />
für ältere Beschäftigte gäbe. Dabei ist jedoch hervorzuheben, dass die<br />
Hälfte der 44 Befragten, die spezielle Angebote für ältere Beschäftigte in ihrem<br />
Betrieb angegeben haben, Altersteilzeit als Angebot benannt haben, und weitere<br />
Befragte Vorruhestandsregelungen, also Formen des vorzeitigen Ausscheidens<br />
aus dem Erwerbsleben; demgegenüber haben lediglich 11 von 44<br />
Befragten (25 %) die Maßnahme „weniger belastende Tätigkeit“ genannt<br />
(sowie 14 % Gesundheitskurse). Die Mehrfachnennungen ergeben insgesamt<br />
125 % (55 Nennungen von 44 Befragten).<br />
Es ist offenkundig, dass eine Diskrepanz zwischen den Erwartungen der<br />
Beschäftigten – mit Blick auf notwendige Maßnahmen zur Erhaltung ihrer<br />
Arbeitsfähigkeit bis <strong>zum</strong> Rentenalter – und den Maßnahmen/Angeboten der<br />
Betriebe für ältere Beschäftigte besteht. Dabei ist ausdrücklich darauf<br />
hinzuweisen, dass die älteren Erwerbstätigen, die bezeichnenderweise ihre<br />
„beruflichen Perspektiven in den nächsten Jahren“ häufiger als die jüngeren<br />
26
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Erwerbstätigen als „gut“ einschätzen (40 – 45 J. = 29 %, 46 – 55 J. =42 %,<br />
56 u. m. J. = 50 %), bereits eine „positive Auswahl“ darstellen (vorzeitig aus<br />
dem Erwerbsleben Ausgeschiedene sind in der Stichprobe nicht enthalten). An<br />
die Arbeitslosen in der Stichprobe wurde die Frage nach den beruflichen<br />
Perspektiven erst gar nicht gestellt.<br />
Abb. 10: Einschätzung der eigenen beruflichen Perspektiven in den nächsten Jahren<br />
Altersgruppen Bildungsabschluss<br />
40 –<br />
45 J.<br />
46 –<br />
55 J.<br />
56<br />
u.m.J.<br />
Betriebliche<br />
Ausbildung<br />
Fachhochschulabschluss<br />
Hochschul-<br />
abschluss<br />
berufliche<br />
Perspektiven<br />
(79) (78) (70) (131) (34) (50)<br />
% % % % % %<br />
gut 29,1 42,3 50,0 34,4 50,0 48,0<br />
teils/teils 45,6 37,2 37,1 43,5 32,4 38,0<br />
schlecht 25,3 20,5 12,9 22,1 17,6 14,0<br />
100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0<br />
Rückgang der Frührenten – späteres Renteneintrittsalter der Versicherten<br />
Wie die Untersuchung von H. Engstler (Alterssurvey 1996 – 2002) gezeigt<br />
hat, besteht eine weitgehende Übereinstimmung zwischen dem geplanten und<br />
dem später realisierten Beendigungsalter. Demnach stellt sich die Frage, ob<br />
die Anhebung der Altersgrenzen und die Abschlagsregelungen bereits eine<br />
Verhaltensänderung der Versicherten bewirkt haben. Eine IAT-Untersuchung<br />
ist dieser Frage mit einer Auswertung der VDR-Rentenzugangsstatistik für den<br />
Zeitraum 1996 – 2003 nachgegangen 4 . Die wichtigsten Ergebnisse dieser<br />
Untersuchung werden im folgenden zusammengefasst. Gehen die Jahrgänge,<br />
die gegenwärtig in das (Vor-)Ruhestandsalter kommen, später als die vorausgegangen<br />
Jahrgänge in Rente? Welche Rentenarten werden dabei von den<br />
Versicherten in Anspruch genommen? Wie haben sich die Zugänge der 50- bis<br />
69-Jährigen in Versichertenrenten nach Rentenarten von 1996 bis 2003 entwickelt?<br />
Die Gesamtzahl der jährlichen Zugänge in Versichertenrenten ist seit<br />
dem Jahre 2000 rückläufig.<br />
4 Renate Büttner, Matthias Knuth: Spätere Zugänge in Frührenten – Regelaltersgrenze auf dem<br />
Vormarsch, Altersübergangs-Report, 2004-01. Institut Arbeit und Technik (IAT).<br />
27
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Die Zugänge in die Regelaltersrente haben in den letzten Jahren deutlich<br />
zugenommen. Mit Ausnahme der Altersrente nach Altersteilzeitarbeit sowie der<br />
Altersrente für Schwerbehinderte, die beide zugenommen haben, gehen die<br />
anderen Rentenarten in den letzten Jahren deutlich zurück. Bei einigen Frührenten<br />
sind die Rückgänge auffällig: Die Zugänge in die Altersrente für Frauen<br />
(ab 60 J.) sind zwischen 1999 und 2003 um 29 Prozent zurückgegangen, die<br />
Zugänge in die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (ab 60 J.) sind zwischen<br />
2000 und 2003 um 39 Prozent zurückgegangen, die Zugänge in die<br />
Erwerbsminderungsrente haben sich von 1996 bis 2003 sogar um 48 Prozent<br />
verringert.<br />
Die Feststellung, dass der Anteil der Frührenten an den Rentenzugängen<br />
zurückgegangen ist, sagt allerdings noch nichts darüber aus, in welchem<br />
Lebensalter eine vorzeitige Rente in Anspruch genommen worden ist. Die<br />
Zunahme der Regelaltersgrenzen bedeutet nicht unbedingt, dass mehr Personen<br />
bis <strong>zum</strong> Erreichen des 65. Lebensjahres erwerbstätig sind. Viele Frauen in<br />
Westdeutschland erfüllen wegen Erwerbsunterbrechungen nicht die Voraussetzung<br />
für die Altersrente für Frauen (ab 60 J.), so dass viele Frauen in der<br />
zweiten Hälfte des Erwerbslebens sich gezwungen sehen, die Regelaltersgrenze<br />
zu erreichen 5 . Aufgrund der höheren Erwerbsbeteiligung der Frauen in<br />
Ostdeutschland besitzt die Regelaltersrente in den neuen Bundesländern eine<br />
geringe Bedeutung, demgegenüber dominieren diejenigen Rentenarten, die<br />
einen Rentenzugang bereits mit 60 Jahren zulassen, insbesondere die Altersrente<br />
für Frauen (ab 60 J.) sowie die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (ab 60<br />
J.), wenngleich auch diese beiden Rentenarten seit 2000 in den neuen Bundesländern<br />
rückläufig sind. Diese Entwicklung ist <strong>zum</strong> großen Teil auf die<br />
Schließung des Altersübergangsgeldes zurückzuführen.<br />
Die IAT-Autoren gehen im weiteren der Frage nach, ob es sich bei der Zunahme<br />
der Regelaltersrente womöglich nur um einen „demografischen Nachhall“<br />
stark besetzter Jahrgänge handelt – und damit nicht um eine Abnahme<br />
der Frührenten bzw. um eine Zunahme der Regelaltersrente. Bekanntlich<br />
mischen sich in den Rentenzugängen eines Kalenderjahres verschiedene<br />
Lebensalter und damit unterschiedlich stark besetzte Geburtsjahrgänge. Um<br />
eine mögliche demografische Verzerrung zu neutralisieren, haben die IAT-Autoren<br />
einen altersspezifischen Rentenzugangsquotienten berechnet, der den<br />
Anteil der Rentenzugänge eines Altersjahrgangs an dem entsprechenden<br />
Bevölkerungsjahrgang annähernd wiedergibt. Gemäß der Analyse der IAT-<br />
5 Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Altersrente für Frauen (ab 60 J.) sind<br />
Beitragszeiten von mindestens 10 Jahren nach dem vollendeten 40. Lebensjahr.<br />
28
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Autoren sind die Veränderungen in der Aufteilung der Rentenzugänge nach<br />
Rentenarten nicht auf eine demografische Verzerrung zurückzuführen. Demnach<br />
gibt es tatsächlich eine Änderung des Rentenzugangsverhaltens, insbesondere<br />
einen erheblichen Rückgang der Rentenzugänge ab 60 Jahren.<br />
Bei den Rentenzugängen mit 60 Jahren sinkt der Rentenzugangsquotient von<br />
40 Prozent im Jahre 1996 kontinuierlich bis <strong>zum</strong> Jahre 2003 auf ca. 23 Prozent<br />
– die stärkste Veränderung im demografisch gewichteten Zugangsverhalten.<br />
Ab 1999 steigt der Rentenzugangsquotient für das Zugangsalter 61<br />
Jahre, ab 2000 für das Zugangsalter 62 Jahre, ab 2003 steigt der Quotient<br />
für das Zugangsalter 63 Jahre. Es ist offensichtlich, dass die Inanspruchnahme<br />
der ab 60 Lebensjahren verfügbaren vorzeitigen Renten zunehmend<br />
auf spätere Lebensjahre verlagert wird, um die Rentenabschläge bei früherer<br />
Inanspruchnahme entweder ganz zu vermeiden oder aber <strong>zum</strong>indest zu verringern.<br />
Obwohl eine eindeutige zeitliche Zuordnung von rentenrechtlicher Änderung<br />
und der Verhaltensreaktion der Versicherten nicht möglich ist, kann<br />
aus der Analyse der IAT-Autoren doch gefolgert werden, dass die Rentenreformen<br />
in den letzten Jahren in der vom Gesetzgeber beabsichtigten Richtung<br />
bereits gewirkt haben.<br />
Fazit und Ausblick der IAT-Analyse zur Verhaltensänderung der Versicherten<br />
„Die schrittweise Heraufsetzung des Zugangsalters, ab dem vorgezogene<br />
Altersrenten ohne Abschläge bezogen werden können, wirkt in der vom Gesetzgeber<br />
angestrebten Richtung: Versicherte verschieben den Eintritt in eine<br />
Rente, auf die sie wegen Arbeitslosigkeit oder wegen ihres Geschlechts in<br />
Verbindung mit der Anzahl der Mindestbeitragsjahre ab 60 Anspruch hätten,<br />
nach hinten, um die Abschläge ganz oder teilweise zu vermeiden. Eine ähnliche<br />
Veränderung des Renteneintrittsverhaltens zeichnet sich bei den langjährig<br />
Versicherten ab, die ihren Renteneintritt von 63 auf 64 verschieben. Diese<br />
Befunde werden durch das im Zeitverlauf zunehmende durchschnittliche<br />
Rentenzugangsalter bestätigt. Wenn dieser noch junge Trend anhalten würde,<br />
könnte das die Belastung der Gesetzlichen Rentenversicherung durch die stark<br />
besetzten „Babyboomer“-Jahrgänge der 50er und 60er Jahre entschärfen.“ 6<br />
Wenn sich also abzeichnet, dass die Beschäftigten bereit sind, länger erwerbstätig<br />
zu bleiben, stellt sich die Frage, ob auch die Betriebe bereit sind,<br />
die älteren Beschäftigten länger arbeiten zu lassen. Wenn die Praxis der Früh-<br />
6 R. Büttner, M. Knuth, a. a. O., S. 12<br />
29
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
verrentung umgekehrt werden soll, muss auch die Praxis der Frühausgliederung<br />
zurückgenommen werden. Der Paradigmenwechsel – weg von der Frühverrentung,<br />
hin <strong>zum</strong> längeren Verbleib im Erwerbsleben – erfordert einen<br />
Paradigmenwechsel in der Praxis der Frühausgliederung: längere Beschäftigung<br />
der älteren Arbeitnehmer/innen in den Betrieben.<br />
„Denn derzeit ist noch ungeklärt, ob es auch einen Paradigmenwechsel bezüglich<br />
der Altersbeschäftigung in den Betrieben gibt. Die Beschäftigten wissen<br />
nicht, ob sie die Möglichkeit haben werden, bis in ein höheres Alter erwerbstätig<br />
zu sein, und ob sie den Belastungen gewachsen sein werden. Wenn aber<br />
nicht auch die Erwerbstätigkeit bis in ein höheres Alter fortgesetzt werden<br />
kann, dann könnte die hier festgestellte Trendwende bei den Rentenzugängen<br />
nur von kurzer Dauer sein. Denn die bereits beschlossenen Reformen der<br />
Arbeitsmarktpolitik werden ein Warten auf eine abschlagsfreie Rente im Status<br />
der Arbeitslosigkeit bzw. des erleichterten Leistungsbezugs zunehmend unattraktiver<br />
machen. Insbesondere für mittlere und höhere Einkommensgruppen<br />
wird eine mit Abschlägen bis zu 18 % belegte, aber doch wenigstens am früheren<br />
Entgeltniveau orientierte Frauen- oder Arbeitslosenrente in vielen Fällen<br />
günstiger sein als das am Existenzminimum orientierte Arbeitslosengeld II. Das<br />
gilt erst recht, wenn dieses wegen der Anrechnung von Vermögen oder Partnereinkommen<br />
(insbesondere bei Frauen) überhaupt nicht gezahlt wird. Insofern<br />
ist nicht auszuschließen, dass sich die festgestellte positive Entwicklung<br />
beim Rentenzugangsalter in Folge von „Hartz IV“ noch einmal umkehrt, bevor<br />
mit Ablauf des Jahres 2011 die derzeit noch mit 60 beziehbaren Frührenten<br />
ganz auslaufen. Für diejenigen Versicherten, die die Wartezeit von 35 rentenrechtlichen<br />
Jahren erfüllt haben, und damit vornehmlich für Männer, könnte<br />
die Altersrente für langjährig Versicherte mit dann 62 Jahren trotz erheblicher<br />
Abschläge zur Orientierungsmarke werden.“ 7<br />
Kritischer Ausblick<br />
Auf der normativen Ebene hat ein Paradigmenwechsel – weg von der Frühverrentung,<br />
hin <strong>zum</strong> längeren Verbleib im Erwerbsleben – stattgefunden. Der<br />
jahrzehntelang bestehende Konsens zwischen Staat, Arbeitgeberverbänden<br />
und Gewerkschaften, die Arbeitsmarktprobleme durch die Frühausgliederung<br />
der älteren Beschäftigten aus dem Erwerbsleben zu mildern, hat sich zu einem<br />
neuen Konsens – Verlängerung der Lebensarbeitszeit vor allem aus Gründen<br />
der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung - gewandelt. Mit der<br />
7 R. Büttner, M. Knuth, a. a. O., S. 12 f.<br />
30
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Anhebung der Altersgrenzen, der Einführung von Rentenabschlägen bei vorzeitigem<br />
Rentenbeginn, der Verschärfung der Anspruchsvoraussetzungen und mit<br />
weiteren Maßnahmen soll der Trend zur Frühausgliederung aus dem Erwerbsleben<br />
gestoppt und möglichst sogar umgekehrt werden.<br />
Diese Maßnahmen haben in den letzten Jahren ihre Wirkung bereits gezeigt:<br />
Die Zugänge in Frührenten erfolgen später, das durchschnittliche Rentenzugangsalter<br />
für Zugänge zwischen 50 und 69 Jahren ist von 1996 bis 2003<br />
um 12 Monate angestiegen, die Frauenaltersrente ist zwar nach wie vor die<br />
häufigste, gleichwohl aber insgesamt rückläufige Rentenart für die Frauen.<br />
Auch auf der europäischen Ebene wird ein längerer Verbleib der älteren Beschäftigten<br />
im Erwerbsleben gefordert. So hat der Europäische Rat im Jahre<br />
2001 als Ziel gesetzt, dass möglichst in jedem EU-Mitgliedsstaat die Hälfte<br />
der 55- bis 64-Jährigen erwerbstätig sein soll. Um dieses Ziel zu erreichen,<br />
müsste die Erwerbstätigenquote dieser Altersgruppe sich in Deutschland um<br />
ein Drittel steigern. Wie die folgende Abbildung zeigt, liegt diese Quote bei den<br />
Männern wesentlich höher als bei den Frauen – insgesamt beträgt sie zur Zeit<br />
weniger als 40 Prozent.<br />
Abb. 11: Erwerbstätigenquote der Männer und Frauen im Alter von 55 bis unter 65 Jahren,<br />
1991 – 2002<br />
Quelle: Deutsches Zentrum für Altersfragen – Gerostat; Daten: Statistisches Bundesamt,<br />
Mikrozensus.<br />
Nach H. Engstler, a.a.O., S. 7<br />
31
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Die älteren Beschäftigten befinden sich gegenwärtig im Spannungsfeld zwischen<br />
den Auswirkungen der Rentenreformen, die sie zu einem längeren<br />
Verbleiben im Betrieb auffordern, und der betrieblichen Beschäftigungspolitik,<br />
die im Zuge des Personalabbaus immer noch auf die sozialverträgliche Frühausgliederung<br />
der älteren Beschäftigten setzt.<br />
Auf der einen Seite werden die älteren Erwerbspersonen zur Verlängerung ihrer<br />
Lebensarbeitszeit verpflichtet – und inzwischen mit Rentenabschlägen<br />
„bestraft“, wenn sie dieser Pflicht nicht nachkommen –, auf der anderen Seite<br />
sind sehr viele ältere Erwerbspersonen aus objektiven Gründen – Zunahme der<br />
Arbeitsbelastungen, Absenkung der betrieblichen Altersgrenzen – nicht mehr in<br />
der Lage, dieser gesetzlichen Pflicht nachzukommen.<br />
Bisher konnten die Unternehmen sich der alternden Belegschaften durch die<br />
Praxis der Frühverrentung „entledigen“. Der mit dem „Kostendruck“ allseits<br />
legitimierte Personalabbau wurde vor allem über die Ausgliederung älterer<br />
Beschäftigter im Rahmen von Vorruhestandsregelung und Altersteilzeitarbeit<br />
bewältigt. Diese betriebliche Praxis der Frühausgliederung wird in Zukunft<br />
jedoch aufgrund des „demografischen Umbruchs“, der zur Alterung der Belegschaften<br />
führt, nicht mehr möglich sein 8 .<br />
Der Ausweg aus dem Dilemma des vorzeitigen Übergangs in den Ruhestand –<br />
mit negativen finanziellen Sanktionen für die Beschäftigten – und der betrieblichen<br />
Praxis der Frühausgliederung der älteren Beschäftigten, die nunmehr im<br />
Widerspruch <strong>zum</strong> neuen Konsens von Gesetzgeber und Verbänden – Verlängerung<br />
der Lebensarbeitszeit – steht, kann nur darin bestehen, die Chancen<br />
für die Erwerbstätigkeit der älteren Beschäftigten in den Betrieben nachhaltig<br />
zu verbessern.<br />
8 Vgl. dazu ausführlich: H. Stück, Weitere Frühverrentung oder längeres Verbleiben im Betrieb?,<br />
in: Bremer Arbeitnehmer Magazin, Januar 2004.<br />
32
Anhang:<br />
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Übersicht 1:<br />
Anhebung der Altergrenzen für die vorgezogenen Altersrenten in der GRV<br />
Rentenart<br />
Alterrente<br />
wegen Arbeitslosigkeit<br />
oder<br />
Altersteilzeit 1<br />
Altersgrenze<br />
für Frauen 1<br />
Altersgrenze<br />
für Schwerbehinderte<br />
Altersgrenze<br />
für langjährig<br />
Versicherte<br />
Schrittweise<br />
Anhebung<br />
der Altersgrenze<br />
von<br />
... auf ...<br />
Jahre<br />
Anhebungsphase<br />
Von<br />
schrittweiser<br />
Anhebung<br />
betroffene<br />
Jahrgänge<br />
Erster<br />
von<br />
voller<br />
Anhebungbetroffener<br />
Jahrgang<br />
60 auf 65 1997–2001 1937–1941 1942<br />
Jahrgänge, die die Rente<br />
mit Abschlägen vorzeitig<br />
in Anspruch nehmen<br />
können<br />
1937-1945 (ab 60)<br />
1946-1948 (60 auf 63) 2<br />
1949-1951 (ab 63) 2<br />
60 auf 63 2000–2005 1940-1944 1945 1940-1951 (ab 60)<br />
60 auf 63 2001-2003 1941-1943 1944 1944 und später (ab 60)<br />
63 auf 65 2000-2001 1937-1938 1939 1937 und später (ab 62)<br />
Quelle: Eigene Zusammenstellung: Stand: 1.1.2004<br />
1) Die 1952 und später Geborenen können die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder Altersteilzeit<br />
und Altersrente für Frauen nicht mehr in Anspruch nehmen.<br />
2) Lt. Kabinettentwurf des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes vom 3.12.2003: nach bisher geltender<br />
Regelung können die 1937 bis 1951 Geborenen diese Altersrente mit Abschlägen bereits ab<br />
Vollendung des 60. Lebensjahrs erhalten.<br />
H. Engstler, DZA-Diskussionspapiere, Nr. 41, Geplantes und realisiertes<br />
Austrittsalter aus dem Erwerbsleben, Ergebnisse des Alterssurveys 1996 und<br />
2002, Berlin, März 2004<br />
33
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
34
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Vorbildliche betriebliche Regelungen einer alter(n)sgerechten<br />
Personalpolitik<br />
Axel Schröder<br />
Vorbemerkung<br />
Eine alternsgerechte betriebliche Personalpolitik hat viele Facetten. Einige<br />
Unternehmen im Land Bremen setzen bereits verschiedene Maßnahmen und<br />
Konzepte um, die das Thema Demografischer Wandel personalpolitisch<br />
berücksichtigen. Die vorliegende Untersuchung stellt betriebliche Beispiele<br />
guter Praxis vor. Sie hat das Ziel, einen Beitrag <strong>zum</strong> Bewusstseinswandel in<br />
der Öffentlichkeit bezüglich der Herausforderungen, die mit dem fortschreitenden<br />
Altern in den Betrieben und in der Gesellschaft einhergehen, zu leisten.<br />
Hierfür wurde im Raum Bremen und Bremerhaven eine Erhebung anhand von<br />
Interviews mit den Personalleitungen und Interessenvertretungen der in Frage<br />
kommenden Betriebe durchgeführt. Im Vorfeld wurde dafür ein Kriterienkatalog<br />
erstellt, in dem folgende altersspezifische Handlungsfelder aufgeführt werden:<br />
• Altersstrukturanalysen und Konsequenzen:<br />
Ist die Zusammensetzung der Altersgruppen bekannt – und fließen diese<br />
Erkenntnisse in die Personalpolitik ein?<br />
• Weiterbildung:<br />
Erhalten auch ältere MitarbeiterInnen die Chance, sich zu qualifizieren<br />
und ihre Kompetenz zu erweitern?<br />
• Gesundheit (Prävention und Förderung):<br />
Wird eine gesundheitliche Vorsorge bzw. Förderung in den Betrieben<br />
umgesetzt?<br />
• Arbeitsorganisation:<br />
Sind die Tätigkeitsbereiche so gestaltet, dass die Beschäftigten ihre Arbeit<br />
auch bis <strong>zum</strong> 65. Lebensjahr tatsächlich ausführen können?<br />
35
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
• Wissenstransfer:<br />
Gibt es eine gezielte Förderung des Wissenstransfers zwischen Älteren und<br />
Nachwuchskräften?<br />
Die Interviews für die Untersuchung wurden mündlich durchgeführt und durch<br />
jeweils einen qualitativen Interviewbogen (siehe Anhang) ergänzt. Weitere<br />
Informationen zu den verschiedenen Maßnahmen und Konzepten bezüglich<br />
der diversen Handlungsfelder lieferten bereitgestellte Unterlagen, Studien und<br />
Broschüren.<br />
Wie im Folgenden anhand der dargestellten Betriebsbeispiele erkennbar wird,<br />
lagen die Voraussetzungen für ein Beispiel guter Praxis nicht ausschließlich in<br />
der Erfüllung aller hier aufgelisteten Merkmale. In mindestens einem der<br />
Handlungsfelder mussten die Betriebe schon konkrete Aktivitäten begonnen<br />
haben, um als best practice zu gelten.<br />
Viele der befragten Betriebe konnten über alternsspezifische Aktivitäten (oder<br />
welche, die <strong>zum</strong>indest einen altersthematischen Bezug hatten) in entweder<br />
allen oder mehreren Handlungsfeldern berichten. In einigen Fällen gab es<br />
praktische Umsetzungen in nur einem oder zwei Feldern, was daran liegt, dass<br />
aufgrund eines konkreten Handlungsbedarfes die quantitative Breite zugunsten<br />
einer Vertiefung der Maßnahmen in dem speziellen Bereich ersetzt wurde.<br />
(Beispiel Flughafen Bremen oder Lebenshilfe Bremen).<br />
Zudem ist auffällig, dass bei einem Betrieb (Kraft Foods) mit der Kategorie<br />
„Angebote flexibler Arbeitszeitmodelle“ ein weiteres Handlungsfeld hinzugenommen<br />
wurde, da dieses nach Angaben des Unternehmens bereits ein<br />
wichtiges Element zur (zukünftigen) Förderung alternsgerechter Erwerbsbiografien<br />
darstellt.<br />
Des Weiteren wurden Aktivitäten, die sich noch in der Konzeptphase befanden,<br />
unter dem Aspekt „Perspektiven“ zusammengefasst. Diese sind entweder<br />
als Unterpunkt im entsprechenden Handlungsfeld oder – im Falle von umfassenderen<br />
Aktivitäten, <strong>zum</strong> Beispiel wenn mehrere Kategorien in einem Projekt<br />
vereint werden – als separater Aspekt beschrieben.<br />
Die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen der hier vorgestellten<br />
Betriebe variieren stark nach Branchenzugehörigkeit, Betriebsgröße, Wettbewerbs-<br />
und Arbeitsmarkssituation sowie weiteren spezifischen Faktoren.<br />
Diese Unterschiede sind bei der Bewertung der Beispiele zu berücksichtigen.<br />
36
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Ihren Anspruch auf best practice erhalten die hier präsentierten Beispiele also<br />
erst im Kontext und bei Berücksichtigung der jeweiligen Rahmenbedingungen.<br />
Die vorliegende Untersuchung ist das Ergebnis der vertrauensvollen Zusammenarbeit<br />
mit engagierten Personalleitungen, Interessenvertretungen und Geschäftsleitungen.<br />
Ihnen möchte ich an dieser Stelle für die gute Zusammenarbeit<br />
danken.<br />
37
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
38
Bremer Heimstiftung<br />
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Auf dem Weg zu einem strukturierteren Umgang mit der Altersthematik<br />
Der Betrieb<br />
Die Bremer Heimstiftung, 1953 von der Stadtgemeinde Bremen als Stiftung<br />
des privaten Rechts gegründet, ist seitdem zu einem Begriff für gutes Leben im<br />
Ruhestand geworden. Mit der Stiftungsresidenz St. Ilsabeen blickt die Bremer<br />
Heimstiftung auf eine über 500-jährige Geschichte zurück.<br />
Anfänglich mit fünf bestehenden Bremer Altenheimen als "Startkapital" ausgestattet,<br />
entwickelte sich die Bremer Heimstiftung zu einem der größten Träger<br />
der Altenhilfe mit verschiedenen Lebens- und Wohnformen im Raum Bremen,<br />
deren Einrichtungen fast in jedem Stadtteil vertreten sind. Sie kooperiert<br />
dabei mit Institutionen wie Kindertagesstätten oder der Bremer Volkshochschule<br />
genauso wie mit Begegnungsstätten oder Wohnangeboten für behinderte<br />
Menschen. Sie alle sorgen dafür, dass die Häuser der Bremer Heimstiftung<br />
lebendige Treffpunkte in den jeweiligen Stadtteilen sind.<br />
Die Haupttätigkeitsfelder der Heimstiftung liegen in der stationären Vollzeitpflege,<br />
der Kurzzeitpflege und der ambulanten Pflege (bzw. häuslichen Krankenpflege)<br />
sowie im Wohnen mit Service (hauswirtschaftlicher Bereich).<br />
Derzeitig beschäftigt die Heimstiftung 1550 MitarbeiterInnen (90% davon sind<br />
Frauen). Davon sind ca. 1163 MitarbeiterInnen im Pflegebereich tätig.<br />
Folgende Altersstruktur zeigt sich im Personal der Bremer Heimstiftung:<br />
Unter 30 Jahre 2.9 %<br />
30 – 34 Jahre 4.6 %<br />
35 – 39 Jahre 13.7 %<br />
40 – 44 Jahre 19.4 %<br />
45 – 49 Jahre 19.7 %<br />
50 – 54 Jahre 18.6 %<br />
55 – 59 Jahre 13.8 %<br />
60 Jahre und älter 7.3 %<br />
39
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Ausgangslage<br />
Aufgrund langer Betriebszugehörigkeiten, einer geringen Personalfluktuation<br />
sowie eines hohen Durchschnittsalters bei BerufseinsteigerInnen im Pflegebereich<br />
(in der Regel über 30. Lebensjahr), ist der Anteil der älteren Beschäftigten<br />
sehr groß. Ca. 40% der MitarbeiterInnen bei der Bremer Heimstiftung sind<br />
älter als 50 Jahre.<br />
Die gesetzliche Heraufsetzung des Rentenalters wird bei der Heimstiftung<br />
voraussichtlich zwei Auswirkungen nach sich ziehen. Zum einen wird es weniger<br />
Neueinstellungen geben. Zum anderen wird sich eine neue Altersgruppe<br />
von Beschäftigen im Lebensalter von 60 – 65 Jahren bilden.<br />
Die physische und psychische Belastung im Berufsalltag der AltenpflegerInnen,<br />
u.a. durch Schicht- und Wochenendarbeit, ist sehr hoch. So leiden in<br />
diesem Bereich viele Beschäftigte an einem Burn-out-Syndrom. Außerdem<br />
lassen sich in der Altenpflege die Arbeitsaufgaben nur geringfügig entlastend<br />
gestalten, da es kaum möglich ist, sogenannte Schonarbeitsplätze zu schaffen.<br />
Deshalb sind gerade in diesem Bereich gesundheitliche Vorsorge- und Fördermaßnahmen<br />
notwendig.<br />
In der Altenpflege vollzieht sich derzeit ein starker struktureller Wandel. So<br />
sind im stationären Bereich ein steigender Anteil von PatientInnen mit Altersdemenz<br />
sowie höhere Sterberaten zu verzeichnen. Hinzu kommt, dass im<br />
ambulanten Bereich (häusliche Krankenpflege) die zu Pflegenden immer älter<br />
werden und somit auch die physische Belastung (Rückenprobleme treten vermehrt<br />
durch Hebeaktivitäten auf) für das ebenfalls älter werdende Pflegepersonal<br />
steigt.<br />
Maßnahmen im Bereich Gesundheit (Prävention und Förderung)<br />
Die Häuser der Bremer Heimstiftung bieten ihren Bewohnern sogenannte<br />
“Vitaltreffs“ an. Hier finden Yoga, Gymnastik (Pilates) und Schwimmen bis hin<br />
zu weiteren Entspannungsformen statt. Auch den Beschäftigten der Häuser<br />
werden diese Kurse nach Feierabend kostenlos angeboten. Laut Personalabteilung<br />
und Sozialberatung wird das Angebot von den MitarbeiterInnen bislang<br />
jedoch sehr wenig wahrgenommen. Es wird vermutet, dass hierbei eventuell<br />
die Nähe <strong>zum</strong> alltäglichen Arbeitsplatz eine Rolle spielen könnte.<br />
40
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Um bei den Beschäftigten ein größeres Bewusstsein bezüglich der Gesundheitsförderung<br />
und Vorsorge im Sinne der Eigenverantwortung zu schaffen,<br />
plant die Bremer Heimstiftung diesen wichtigen Aspekt mehr über die Führungskräfte<br />
zu kommunizieren. Die Führungskräfte sollen in den im Jahre<br />
2004 neu eingeführten MitarbeiterInnen-Jahresgesprächen gezielt auf mögliche<br />
krankheitsbedingte Arbeitsausfälle der Beschäftigten eingehen und zusammen<br />
mit ihnen die Ursachen für die Ausfälle ergründen und mögliche<br />
Lösungen erarbeiten.<br />
Da, wie die Erfahrungen zeigen, sehr häufig auch stressbedingte Gründe Ursachen<br />
für krankheitsbedingte Arbeitsausfälle sind, werden – als eine weitere<br />
präventiv wirksame Maßnahme – die Führungskräfte im Rahmen einer berufsbegleitenden<br />
Weiterbildung <strong>zum</strong> Antistresstrainer/ zur Antistresstrainerin ausgebildet.<br />
Das Training wird von der Volkshochschule Bremen durchgeführt und<br />
dauert 9 Monate. Ziel dieser Maßnahme ist es, dass Führungskräfte zukünftig<br />
stärker eine beratende Funktion bei der Stressreduktion für die MitarbeiterInnen<br />
einnehmen.<br />
Weitere Maßnahmen <strong>zum</strong> Thema Prävention wurden von dem Arbeitskreis<br />
Gesundheit 1 und separat von der Sozialberatung initiiert. Hier ist u.a. das von<br />
der Heimstiftung finanziell unterstützte Angebot für die Beschäftigten im<br />
Stiftungsdorf Hemelingen zu nennen, mit dem Titel “Nicht Rauchen in zehn<br />
Schritten“.<br />
Perspektiven im Bereich Gesundheit (Prävention und Förderung)<br />
Im November dieses Jahres wird die Bremer Heimstiftung ein Projekt <strong>zum</strong><br />
Thema struktureller Umgang mit älteren MitarbeiterInnen starten. Hierzu wird<br />
von dem vor vier Jahren gegründeten Arbeitskreis Gesundheit ein “Starterworkshop“<br />
veranstaltet, an dem Geschäftsleitung, Personalleitung und Entwicklung,<br />
die Abteilung Qualität sowie die LeiterInnen einzelner Arbeitsbereiche<br />
wie <strong>zum</strong> Beispiel Hausleitung und Pflegedienstleitung teilnehmen.<br />
Der Workshop soll die Führungskräfte der verschiedenen Arbeitsbereiche für<br />
das Thema Alter und Gesundheit sensibilisieren und die Möglichkeit bieten,<br />
1 Mitglieder des Arbeitskreises Gesundheit sind der Betriebsarzt, die betriebliche<br />
Suchtkrankenhelferin, VertreterInnen von Geschäftsleitung, Betriebsrat, Sozialberatung,<br />
Hausleitungen, Pflegedienstleitungen, Stabsstelle Qualität und Controlling sowie die<br />
Schwerbehindertenvertretung<br />
41
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
erste Schritte und Maßnahmen bezüglich dieser Thematik zu diskutieren und<br />
zu erarbeiten. Die Führungskräfte tragen dabei wiederum eine Multiplikatorenrolle,<br />
da sie die Ergebnisse in ihren Abteilungen weitergeben und umsetzen<br />
sollen.<br />
Darüber hinaus sollen bei diesem Workshop Maßnahmen wie z. B. der Aufbau<br />
eines Gesundheitszirkels erarbeitet werden. Es ist geplant, diesen anschließend<br />
in einem speziell dafür ausgewählten (Pilot-) Projekthaus einzurichten, in<br />
dem überproportional viele ältere Beschäftigte arbeiten.<br />
Nach Umsetzung der Maßnahmen im ausgewählten Projekthaus sollen diese<br />
auf ihre Wirksamkeit überprüft und gegebenenfalls auf andere Einrichtungen<br />
der Bremer Heimstiftung übertragen werden. Im Gespräch ist dabei die Erstellung<br />
von Modulen, die sich später je nach Bedarf der Häuser anwenden<br />
lassen. Die spezifischen Anforderungen der einzelnen Häuser werden im Vorfeld<br />
durch MitarbeiterInnen-Befragungen am jeweiligen Standort ermittelt.<br />
Stellungnahmen<br />
Geschäftsleitung:<br />
„Beim Thema Demografischer Wandel kann sich die Bremer Heimstiftung<br />
sozusagen „an die eigene Nase fassen“. In der Tradition unserer Stiftung<br />
kommt der langjährigen Beschäftigung von MitarbeiterInnen eine besondere<br />
Bedeutung zu – und das heißt, über 10, 20, teilweise 30 Jahre sind wir für<br />
viele hundert Menschen der dauerhafte Arbeitgeber.<br />
Deswegen entwickeln wir zurzeit mit unserer betrieblichen Sozial- und Gesundheitsberatung<br />
eine Vielzahl von Maßnahmen, um unsere MitarbeiterInnen<br />
auch im fortgeschrittenen Berufsalter fit und veränderungsbereit zu halten –<br />
gemäß dem Motto: Leben heißt sich ohne Ende wandeln.“<br />
Betriebsrat:<br />
„Da ca. 40 % der Beschäftigten der Bremer Heimstiftung über 50 Jahre alt ist,<br />
unterstützt der Betriebsrat die Geschäftsleitung bei den Maßnahmen „Älter<br />
42
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
werdende Mitarbeiter in der BHS (Bremer Heimstiftung)“, insbesondere bei:<br />
− gezielter Personalplanung,<br />
− langfristig Gesundheit und Leistungsfähigkeit sichern,<br />
− aktiv die Arbeit und den Arbeitsplatz mitgestalten,<br />
− Weiterbildung für ältere MitarbeiterInnen,<br />
− Chancengleichheit der beruflichen Perspektiven für Jung und Alt.<br />
Wir hoffen, dass die geplanten Maßnahmen den Beschäftigten auch zukünftig<br />
helfen, den hohen Arbeitsanforderungen gewachsen zu sein.“<br />
Weitere Informationen<br />
Bremer Heimstiftung<br />
Marcusallee39<br />
28359 Bremen<br />
Tel: 0421 - 2434 – 0<br />
www.bremer-heimstiftung.de<br />
Stabsstelle Qualität/ Controlling<br />
Gabriele Becker-Rieß<br />
Tel: 0421 – 2434 – 150<br />
gabriele.becker-riess@bremer-heimstiftung.de<br />
Betriebsrat<br />
Dietmar Brinker<br />
Tel: 0421 – 2434 – 301<br />
betriebsrat@bremer-heimstiftung.de<br />
43
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
44
Bremer Straßenbahn AG (BSAG)<br />
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Alternde Belegschaft als Herausforderung für die Restrukturierung<br />
Der Betrieb<br />
Die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) besteht seit nunmehr 125 Jahren.<br />
Damals wie heute bilden die Beschäftigten das Rückgrat des Betriebes.<br />
Werden die Beschäftigungsbereiche und Berufsfelder bei der BSAG genauer<br />
betrachtet, so wird erkennbar, dass diese breiter gefächert sind als womöglich<br />
angenommen. Die Mehrheit, der rund 2285 MitarbeiterInnen (Stand<br />
31.12.2004) sind im Fahrbetrieb (1392 MA) tätig, aber darüber hinaus sind<br />
455 MitarbeiterInnen in den Werkstätten und in der Infrastruktur beschäftigt,<br />
die wiederum nach verschiedenen Aufgabenbereichen wie Fahrleitungs- und<br />
Gleisbau, Fertigung, Wartung und Reparatur unterteilt sind. Die übrigen ca.<br />
304 MitarbeiterInnen sind im Verwaltungsbereich oder als Auszubildende und<br />
Praktikanten (135 MA) beschäftigt.<br />
Die Altersstruktur der BSAG-Beschäftigten zeigt sich wie folgt<br />
• 16 bis 25 Jahre 7%<br />
• 26 bis 35 Jahre 19%<br />
• 36 bis 45 Jahre 34%<br />
• 46 bis 55 Jahre 28%<br />
• 56 und älter 12%<br />
Ausgangslage<br />
• Aufgrund des Einstellungsstopps hat sich die Altersstruktur in der Werkstatt<br />
stark nach oben entwickelt (Durchschnittsalter 46 Jahre).<br />
• Insbesondere durch die Inanspruchnahme von Altersteilzeit gehen viele<br />
ältere Arbeitnehmer vorzeitig in Rente.<br />
• Das durch lange Betriebszughörigkeiten erworbene, spezifische Fachwissen<br />
hinsichtlich der besonderen Anforderungen der Fahrzeuge muss im<br />
45
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
46<br />
Betrieb erhalten bleiben. Ein effektiver Wissenstransfer ist deshalb unabdingbar.<br />
• Die Restrukturierungsmaßnahmen innerhalb der BSAG bringen weitreichende<br />
Veränderungen für jüngere und ältere MitarbeiterInnen bzgl. ihrer<br />
Arbeitssituation bzw. Arbeitsbedingungen mit sich.<br />
Maßnahmen im Bereich Wissenstransfer<br />
Das sogenannte „Pool-Modell“ in der Betriebswerkstatt, welches gemeinsam<br />
mit dem Betriebsrat erarbeitet wurde, behandelt die Frage, wie eine Wissensweitergabe<br />
beim derzeitigen Personalabbau und hohem Durchschnittsalter<br />
rechtzeitig vorgenommen werden kann. Das Pool-Modell sieht dabei vor, dass<br />
die HandwerkerInnen nach ihrer dreieinhalbjährigen Ausbildung die Möglichkeit<br />
erhalten, durch einen Teilzeitvertrag über monatlich 80 Stunden (zu Beginn<br />
gefördert von der Arbeitsagentur) weiter sowohl in der Werkstatt als auch<br />
im Fahrdienst beschäftigt zu werden.<br />
Das Pool-Modell beinhaltet eine gezielte Vermittlung der Fachkenntnisse von<br />
älteren zu jüngeren MitarbeiterInnen. Begonnen wurde im Jahr 2002 mit zehn<br />
gerade aus der Ausbildung gekommenen MitarbeiterInnen. Den älteren Beschäftigten<br />
aus der Werkstatt wurde dabei in einem Patenmodell die Chance<br />
gegeben, den jüngeren Kollegen und Kolleginnen ganz im Sinne der Idee des<br />
Wissensmanagements, ihr reiches Erfahrungswissen weiterzugeben. Gezielt<br />
wurden frühzeitig die jüngeren MitarbeiterInnen an den Arbeitsplätzen eingesetzt,<br />
wo sich altersbedingte Betriebsaustritte ankündigten. Somit konnte das<br />
Erfahrungswissen noch vor dem Ausscheiden weitergegeben werden.<br />
Seit dem Jahr 2005 werden die jüngeren MitarbeiterInnen nicht mehr speziell<br />
einem Werkstattbereich zugeordnet, sondern es werden in einem Instandhaltungsteam<br />
gezielt Projekte (z. B. zur Werterhaltung der Fahrzeuge) abgearbeitet.<br />
Der Wissenstransfer bleibt dabei aber weiterhin ein Teil der Aktivitäten. Da<br />
jedoch aufgrund des Personalabbaus gegenwärtig keine Auszubildenden mehr<br />
unbefristet übernommen werden, wird nun das Pool-Modell auch mit befristeten<br />
Verträgen weitergeführt.<br />
Insgesamt hat das Pool-Modell neben dem wichtigen Effekt des Wissenstransfers<br />
weitere positive Resultate gebracht. Zum einen wurde durch dieses<br />
Modell ein flexibler Pool <strong>zum</strong> Ausgleich von Personalengpässen geschaffen,<br />
<strong>zum</strong> anderen ist nach Meinung der Fachbereichsleitung den Werkstattberei-
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
chen durch die altersgemischten Teams wieder „mehr Elan und Schwung“<br />
verliehen worden, was auch die Produktivität positiv beeinflusst hat.<br />
Des Weiteren wird im Zuge der gegenwärtigen Restrukturierungsmaßnahmen<br />
Mitte 2005 ein Projekt zur internen Qualifikation anlaufen, in dem herausgefunden<br />
werden soll, wo die betrieblichen Schlüsselqualifikationen liegen und<br />
wie Wissen gesichert und übertragen werden kann. Genauere Erläuterungen<br />
dazu sind aber <strong>zum</strong> jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich.<br />
Maßnahmen im Bereich Arbeitsorganisation<br />
Durch die Restrukturierungsmaßnahmen haben sich die Rahmenbedingungen<br />
bezüglich der Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung für die MitarbeiterInnen<br />
verändert und werden sich weiter verändern. Dies wirkt gerade auf MitarbeiterInnen<br />
mit langen Betriebszugehörigkeiten als Herausforderung – einmal<br />
im Sinne von Chancen aber in verstärktem Maße auch im Sinne von Zumutungen<br />
durch eventuelle Belastungen und Einschränkungen.<br />
Um bei diesen MitarbeiterInnen das Vertrauen in das Positive von Veränderungsprozessen<br />
und die Bereitschaft zur aktiven Beteiligung und Wahrnehmung<br />
von Selbstverantwortung nachhaltig zu erhöhen, initiierte die BSAG in<br />
Zusammenarbeit mit dem Bremer Forschungszentrum „Arbeit – Umwelt –<br />
Technik (artec) das Projekt “Betriebliche Veränderungen im Dialog“ im Fachbereich<br />
2 (Werkstatt F 24, etwa 50 MitarbeiterInnen). Ziele des Projektes<br />
waren:<br />
• Die unterschiedlichen Perspektiven von Werkstattbeschäftigten auf ihre<br />
Arbeitssituation und die gemachten Erfahrungen kenntlich zu machen und<br />
• partizipativ entwickelte Veränderungsvorschläge zu erzeugen und daraus<br />
resultierende Veränderungsmaßnahmen im Dialog mit Führungskräften zu<br />
vereinbaren.<br />
Das Projekt begann mit einer Bestandsaufnahme durch Expertengespräche<br />
und teilnehmende Beobachtung (Ortserkundung durch Externe). In einer Entwicklungsphase<br />
wurden separate Workshops mit Handwerkern und Führungskräften<br />
durchgeführt. In einer dritten Phase fand eine Dialogkonferenz statt.<br />
VetreterInnen der HandwerkerInnen stellten ihren Führungskräften (Gruppenleiter,<br />
Werkstattleiter, Fachbereichsleiter bis hin <strong>zum</strong> Centerleiter und dem<br />
47
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Arbeitsdirektor) ihre in den Workshops entwickelten Anforderungen und Ideen<br />
vor und trafen mit den Führungskräften Vereinbarungen zur Umsetzung.<br />
Das Projekt kann nach Meinung des Forschungszentrums artec als Erfolg gewertet<br />
werden. Gerade die Dialogkonferenz habe viele Ideen gebracht, ein<br />
beachtlicher Teil der Vereinbarungen sei bereits umgesetzt worden<br />
Perspektiven im Bereich Arbeitsorganisation<br />
Hier kann auf ein Projekt zur Erstellung, Vereinbarung und Umsetzung eines<br />
Konzeptes für den Umgang mit leistungsgewandelten MitarbeiterInnen hingewiesen<br />
werden. Aufgrund der betriebsinternen Restrukturierung werden die<br />
Arbeitsmöglichkeiten für leistungsgewandelte MitarbeiterInnen immer geringer.<br />
Die BSAG sieht sich nun in der Pflicht neue Einsatzmöglichkeiten zu schaffen,<br />
wenn eine Person z. B. aus gesundheitlichen Gründen im Schichtbetrieb 1 nicht<br />
mehr antreten kann. Diesbezüglich befindet sich die BSAG gegenwärtig mitten<br />
in der Diskussion. Ende das Jahres sollen, nach Einschätzung der Leitung des<br />
Centers Personal, die Ergebnisse vorliegen.<br />
Stellungnahme<br />
Betriebsrat:<br />
„Für uns war die Frage, wie lange wir die altersbedingten Personalabgänge<br />
insbesondere in den Werkstätten ohne Wiederbesetzungen noch aushalten<br />
können. Es war absehbar, dass gerade in den Schichtbereichen der Werkstatt<br />
die Arbeitsverdichtung nicht mehr lange gut gehen würde.<br />
Die Idee der Übernahme von Ausgebildeten in flexiblere Strukturen ist<br />
sicherlich nicht neu. Unser Modell sieht aber nicht nur vor in der Arbeitszeit<br />
hochflexibel zu werden, sondern auch in den Arbeitsinhalten. Dazu mussten<br />
die „Neuen“ ein hohes Maß an Wissensvermittlung erhalten und die<br />
Zusatzqualifikation „Fahrdienst“ erwerben. Dazu ist dann in Verhandlungen<br />
mit dem Arbeitgeber die Teilzeitvariante im ersten Jahr entwickelt worden, um<br />
die Übernahme aller Auszubildenden unter dem verschärften Kostendruck zu<br />
ermöglichen. Jetzt werden die Kollegen Arbeitsverträge mit Mischtätigkeit auf<br />
Vollzeitbasis erhalten – das zeigt, das Modell war ein Erfolg.“<br />
1 Es arbeiten ca. 1500 Beschäftigte im Schichtbetrieb<br />
48
Weitere Informationen<br />
Bremer Straßenbahn AG<br />
Flughafendamm 12<br />
28199 Bremen<br />
Tel:0421 – 5596 - 0<br />
www.bsag.de<br />
Betriebsrat<br />
Michael Hünig<br />
MichaelHuenig@bsag.de<br />
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
49
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
50
DaimlerChrysler AG<br />
Aging Workforce – wettbewerbsfähig im demografischen Wandel<br />
Das Unternehmen<br />
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Die DaimlerChrysler AG entstand 1998 aus der Fusion zwischen Daimler Benz<br />
und dem US-amerikanischen Unternehmen Chrysler und gilt als eines der<br />
weltweit führenden Unternehmen in der Automobilbranche. Der Konzern produziert<br />
sowohl PKWs - vom Kleinwagen über Sportwagen bis hin zur Luxuslimousine<br />
– als auch Nutzfahrzeuge für verschiedenste Einsatzgebiete. DaimlerChrysler<br />
beschäftigt zur Zeit weltweit ca. 385.000 MitarbeiterInnen, davon<br />
rund 185.000 in Deutschland.<br />
In Bremen produziert die DaimlerChrysler AG die Mercedes-Typen C-Klasse (C-<br />
Limousine und C-Kombi), CLK-Cabrio und CLK-Coupé, SL und SLK. Insgesamt<br />
beschäftigt der Konzern an diesem Produktionsstandort ca. 14.500 MitarbeiterInnen.<br />
Davon zählen ca. 10.000 zu den sogenannten "direkten“ MitarbeiterInnen,<br />
die in der Produktion eingesetzt sind. Weitere ca. 1.800 Beschäftigte<br />
zählen zu den „indirekten“ MitarbeiterInnen, die unter anderem mit der Instandhaltung,<br />
dem Betriebsmittelbau und der Qualitätssicherung befasst sind.<br />
Zudem gibt es ca. 2.700 Angestellte sowie rund 600 Auszubildende und<br />
PraktikantInnen.<br />
Ausgangslage Konzern<br />
• Die demografische Entwicklung hin zu einer stetig alternden Bevölkerung<br />
und somit auch zu einer älter werdenden Belegschaft ist von Daimler-<br />
Chrysler frühzeitig erkannt worden. Durch die Verankerung des Themas<br />
Aging Workforce in der Konzern-Personalstrategie und die Entwicklung<br />
von Maßnahmen – im Verbund mit den Standorten – stellt<br />
DaimlerChrysler schon heute die Weichen für morgen. Ein Beispiel hierfür<br />
ist die Sensibilisierung von Mitarbeitern und Führungskräften unter<br />
anderem durch einen Intranetauftritt zu diesem Thema oder das<br />
internationale Forum Aging Workforce, das 2004 durch die Zentrale<br />
veranstaltet wurde.<br />
51
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
• Die Aktualität der Herausforderung wird verstärkt durch das am<br />
31.12.2009 auslaufende Gesetz zur Altersteilzeit. Der tatsächliche Renteneintritt<br />
wird sich erhöhen, die MitarbeiterInnen werden länger arbeiten.<br />
• Ende 2003 hat sich bei DaimlerChrysler das deutschlandweite Netzwerk<br />
Aging Workforce konstituiert, welches von der Zentrale in Stuttgart gesteuert<br />
wird. Das Netzwerk ist durch Koordinatoren vor Ort in jedem Werk<br />
vertreten. Ziele des Netzwerkes sind <strong>zum</strong> einen, Best Practice Beispiele<br />
durch einen Praxisabgleich an den jeweiligen Standorten zu erfassen, und<br />
<strong>zum</strong> anderen, die Initiierung von neuen Konzepten und Pilotprojekten<br />
voranzutreiben.<br />
Ausgangslage Werk Bremen<br />
• Der Altersdurchschnitt der MitarbeiterInnen in der Produktion am Standort<br />
Bremen beträgt gegenwärtig 41 Jahre und wird sich im Jahre 2010 aufgrund<br />
eines geringeren Personalbedarfs – verursacht durch Produktivitätsfortschritte<br />
im Produktionsprozess – auf 45 Jahre erhöhen.<br />
• Der Anteil der über 50-jährigen MitarbeiterInnen steigt – trotz Altersaustritten<br />
und Jungfacharbeitern – stark an, da das Werk Bremen, aufgrund<br />
hoher Einstellungsquoten zur Werksgründung in den 80er Jahren, einen<br />
ausgeprägten Altersberg mit einer Doppelspitze hat. Veranschaulicht wird<br />
dies anhand folgender Grafik:<br />
52<br />
Verteilung Stammbelegschaft nach Lebensalter 2004<br />
2010<br />
900<br />
800<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
15<br />
17<br />
19<br />
21<br />
23<br />
25<br />
27<br />
29<br />
31<br />
33<br />
35<br />
37<br />
39<br />
41<br />
43<br />
45<br />
47<br />
49<br />
51<br />
53<br />
55<br />
57<br />
59<br />
61<br />
63<br />
65
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
• Durch das An- und Auslaufen von Modellreihen verändern sich in den<br />
einzelnen Fertigungsbereichen die Personalbedarfe, was wiederum größere<br />
Versetzungsmaßnahmen notwendig macht, bei denen z. B. MitarbeiterInnen<br />
aus dem Nordwerk ins Südwerk versetzt werden. Wird das Alter der<br />
Beschäftigten bei den Versetzungen nicht berücksichtigt, kann dies zu einer<br />
einseitigen Altersstruktur in bestimmten Werkshallen führen.<br />
• Empirische Untersuchungen legen dar, dass mit steigendem Altersdurchschnitt<br />
in der Fertigung die Ausfalltage pro Krankheitsfall als auch die<br />
Anzahl der MitarbeiterInnen mit ärztlich festgestellten Einsatzeinschränkungen<br />
steigen.<br />
Maßnahmen im Bereich Gesundheit (Förderung und Prävention)<br />
Das Gesundheitsmanagement des Bremer Standortes von DaimlerChrysler<br />
kann auf ein langjähriges Erfahrungswissen zurückgreifen. Dies trifft insbesondere<br />
auf den Einsatz von MitarbeiterInnen mit Einsatzeinschränkungen in<br />
den Montagehallen zu. So erfassen die Werksärzte direkt am Arbeitsplatz in<br />
Absprache mit den Vorgesetzten und den Betroffenen die jeweiligen<br />
Arbeitsplatzanforderungen und versuchen, bei einsatzeingeschränkten<br />
MitarbeiterInnen Lösungen zu finden, um die Anforderungen mit den vorhandenen<br />
Fähigkeiten der Beschäftigten zu vereinbaren. In diesem Zusammenhang<br />
werden jetzt Untersuchungsansätze diskutiert, um eventuellen<br />
körperlichen Defiziten, welche speziell muskoskelettaler Herkunft sind,<br />
entgegenzuwirken und auch diesbezüglich die Eigenverantwortung der<br />
Beschäftigten zu fördern.<br />
Hierzu wird gegenwärtig das sogenannte “Kraftwerk Mobil“ in den einzelnen<br />
Montagehallen getestet. Das „Kraftwerk Mobil“ ist eine transportable Trainingsstation,<br />
die direkt zu den einzelnen Bandabschnitten gefahren werden<br />
kann. Die Beschäftigten erhalten einen Trainingsplan über 16 Wochen, der auf<br />
einer Analyse ihrer Leistungsfähigkeit basiert. Unter der Anleitung von entsprechend<br />
geschulten BetreuerInnen werden dann verschiedene Muskelpartien<br />
trainiert, um vorhandene Beschwerden, vor allem bezüglich des Rückens,<br />
abzubauen und künftigen vorzubeugen. Jede Trainingseinheit wird von den<br />
BetreuerInnen dokumentiert, um den Fortschritt des Trainings verfolgen zu<br />
können. Die Trainingseinheiten von 10 Minuten pro Woche finden am Arbeitsplatz<br />
statt.<br />
53
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Die Erfahrungen mit dem “Kraftwerk Mobil“ sind ausgesprochen positiv. Fast<br />
alle Teilnehmer sprechen laut Betreuern von enormen Verbesserungen hinsichtlich<br />
ihrer Beschwerden und eine große Zahl von ihnen nimmt nun, ausgehend<br />
von diesen Erfahrungen, selbstständig auch externe Trainingsangebote<br />
wahr.<br />
Maßnahmen im Bereich Arbeitsorganisation<br />
Zur Vermeidung bzw. Reduzierung einer einseitigen Arbeitsbelastung und Förderung<br />
der Einsatzflexibilität sind in den Betriebsvereinbarungen und im Produktionssystem<br />
des Bremer Werkes entsprechende Instrumente, wie Job<br />
Rotation vorgeschrieben und geregelt. Aus den Regelanweisungen geht klar<br />
hervor, wie Job Rotation in den Arbeitsgruppen in den Montagehallen zu<br />
handhaben ist. Anhand des folgenden Beispiels kann die Vorgehensweise<br />
beim „Bremer Rotationsmodell“ verdeutlicht werden:<br />
In einer Meisterei der Montage befinden sich in der Regel 36 MitarbeiterInnen,<br />
die sich wiederum in drei 12er Gruppen mit je einer/einem GruppensprecherIn<br />
einteilen. 70% der MitarbeiterInnen wechseln täglich innerhalb ihrer Gruppe<br />
die Tätigkeitsbereiche. Die übrigen 30% jeder Gruppe rotieren aus ihrer<br />
Gruppe heraus in die Tätigkeitsbereiche der anderen zwei Arbeitsgruppen.<br />
Zudem stehen bei eventueller Unterbesetzung 10% einer weiteren Meisterei<br />
den drei Gruppen als sogenannte Eckkräfte zur Verfügung. Damit bei der Job<br />
Rotation die Möglichkeit der Kontrolle und Transparenz für die MitarbeiterInnen<br />
und Führungskräfte (Meister) gewährleistet ist, wird ein Rotationsplan<br />
ausgehängt, dem die einzelnen Beteiligten entnehmen können, in welchen<br />
Bereichen sie eingesetzt werden.<br />
Eine deutliche Relevanz erhält das Thema Alter beim Versetzungsverfahren. So<br />
wird z. B. für das Anlaufen einer neuen Modellreihe in einer bestimmten<br />
Werkshalle vermehrt Personal nachgefragt, welches aus anderen Hallen bezogen<br />
werden muss. Früher wurde bei DaimlerChrysler nach dem Last-In-First-<br />
Out Verfahren vorgegangen, d.h. dass diejenigen Beschäftigten, welche als<br />
letzte in die Arbeitsgruppen kamen, auch als erste wieder ausgewählt wurden.<br />
Dies hatte zur Folge, dass das Versetzungskontingent hauptsächlich aus jüngeren<br />
MitarbeiterInnen bestand, und die bestehenden Arbeitsgruppen, die die<br />
MitarbeiterInnen abgaben, immer „älter“ wurden.<br />
54
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Dieser Problematik hat sich DaimlerChrysler Bremen erstmalig beim Produkt-<br />
Neuanlauf der SLK-Reihe angenommen. So wurde hier konkret die Altersstruktur<br />
der versetzbaren Beschäftigten mit der Altersstruktur des Versetzungskontingents<br />
abgeglichen. Das heißt, dass die Altersstruktur der versetzten<br />
MitarbeiterInnen exakt der Altersstruktur der abgebenden Werkshalle (oder<br />
einzelnen Arbeitsgruppe) entsprechen musste. Dieses Vorgehen hatte einen<br />
ausgewogenen Altersmix innerhalb der jeweiligen Werkshalle zur Folge, was<br />
gerade in der Montage von großer Bedeutung ist. Dieses Konzept wird nun<br />
situativ auf andere Auswahl- und Versetzungsaktionen übertragen.<br />
Maßnahmen im Bereich Wissenstransfer<br />
Seit März 2005 gibt es im Werk Bremen ein Dissertationsprojekt <strong>zum</strong> Thema<br />
Wissensmanagement in der Produktion. In Bremen wird Wissensmanagement<br />
verstanden als optimale Organisation und Umgang mit der Ressource Wissen,<br />
um die Ziele des Werkes zu erreichen und den Werkserfolg langfristig zu<br />
sichern.<br />
Eine Kernfrage dieses Projektes lautet, wie spezifisches Know-how im Unternehmen<br />
bewahrt werden kann, wenn MitarbeiterInnen den Betrieb altersbedingt<br />
verlassen. Hierzu werden im Rahmen des Projektes Konzepte erarbeitet<br />
und umgesetzt. Es wurden bisher noch keine Ergebnisse veröffentlicht. Darüber<br />
hinaus ist ein Schwerpunkt des Projektes der bereichsübergreifende<br />
Wissensaustausch. Weitere Pilotprojekte wurden bisher in der Instandhaltung,<br />
in der Logistik und im Anlaufmanagement initiiert.<br />
Perspektiven<br />
Aufgrund der Ergebnisse betriebsinterner Untersuchungen im Jahre 2004, in<br />
denen MitarbeiterInnen über 45 Jahre befragt wurden, hat das deutschlandweite<br />
Netzwerk Aging Workforce z. B. folgende Themen für die weitere Bearbeitung<br />
identifiziert:<br />
• Demografieorientierter Personaleinsatz:<br />
Dabei geht es um die Gestaltung des Personaleinsatzes im gewerblichen<br />
Bereich unter Berücksichtigung einer älter werdenden Belegschaft.<br />
55
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
• Verknüpfung der Neuprodukt-Projekte mit der Belegschaftsstruktur:<br />
Die Produktionsplanung soll zukünftig den Aspekt alternder Belegschaften<br />
stärker in die produktionstechnischen Konzeptionen einfließen lassen.<br />
• Integrale Wissenstransfermodelle:<br />
Hier wird der Frage nachgegangen, wie Wissen (Fachwissen, Netzwerkwissen,<br />
emotionale Kompetenz etc.) dem Unternehmen erhalten bleiben kann,<br />
wenn MitarbeiterInnen altersbedingt den Betrieb verlassen.<br />
Erste Ergebnisse aus den jeweiligen Arbeitsgruppen liegen bereits vor. Das<br />
DaimlerChrysler Werk in Bremen nimmt dabei – wie bereits aufgezeigt (siehe<br />
Versetzungsverfahren, Bremer Rotationsmodell) – eine Vorreiterrolle ein. Für<br />
das Werk Bremen wurden folgende Handlungsfelder bezüglich der Aging<br />
Workforce Thematik als signifikant definiert:<br />
• Arbeitsgestaltung<br />
• Personaleinsatz auf Ebene „shop floor“<br />
• Personalsteuerung/Personalentwicklung<br />
• Mitarbeiter mit Einsatzeinschränkungen<br />
• Personalanpassung<br />
• Personaleintritt/Nachwuchssicherung<br />
• Qualifizierung/Wissensmanagement<br />
• Personalführung/Personalpolitik<br />
• Betriebliches Gesundheitsmanagement<br />
• Eigenverantwortung der MitarbeiterInnen<br />
Bisher werden die einzelnen Handlungsfelder isoliert aus der jeweiligen Sicht<br />
bearbeitet. In einem nächsten Schritt soll die Verknüpfung von Maßnahmen<br />
mit den Fachfunktionen, der Produktion und dem Betriebsrat auf Werksebene<br />
erfolgen.<br />
Um aber schon auf kleiner überschaubarer Ebene weitergehende Maßnahmen<br />
umzusetzen und deren Verzahnung zu erproben, wurde auf der sogenannten<br />
Shop-Floor-Ebene ein Pilotprojekt gestartet. Dieses Pilotprojekt begleitet die<br />
Einführung einer neuen Arbeitsorganisation für die neue Baureihe der C-<br />
Klasse. Die neue Arbeitsorganisation hat <strong>zum</strong> Ziel, Montageprozesse zu vereinfachen<br />
und zu standardisieren, um weitere Qualitätssteigerungen zu ermöglichen,<br />
Anlernzeiten zu verkürzen und die MitarbeiterInnen flexibler einsetzen<br />
zu können.<br />
56
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Ziel des Projektes ist es, ein umfassendes und integriertes Maßnahmenkonzept<br />
(<strong>Toolbox</strong>) zu entwickeln, welches unter den besonderen Bedingungen der<br />
neuen Arbeitsorganisation die Werksziele kurz und mittelfristig erreichen hilft.<br />
Zudem sollen die vorhandenen Einzelmaßnahmen, die u.a. den Aspekt Alter<br />
berücksichtigen (siehe Darstellungen zu Maßnahmen im Bereich Gesundheit,<br />
Arbeitsorganisation und Wissenstransfer) zu einem Gesamtkonzept zusammengefasst<br />
und somit optimiert werden.<br />
Die Erfassung und Bewertung von vorhandenen Einzelmaßnahmen ist bereits<br />
abgeschlossen; gegenwärtig werden evtl. noch vorhandene Lücken bzw. Anregungen<br />
für noch fehlende Maßnahmen ermittelt. Der Abschluss des Projektes<br />
ist bis Ende 2005 vorgesehen.<br />
Stellungnahmen<br />
Konzernleitung:<br />
„DaimlerChrysler hat die Herausforderungen aus dem demografischen Wandel<br />
frühzeitig erkannt und das Thema unter dem Titel Aging Workforce in der<br />
Personalstrategie verankert. DaimlerChrysler setzt im Rahmen eines ganzheitlichen<br />
Ansatzes vom Personaleintritt bis <strong>zum</strong> Personalaustritt darauf, die Beschäftigungsfähigkeit<br />
und Arbeitskraft der Mitarbeiter zu fördern und zu erhalten.<br />
Die berufliche und persönliche Weiterentwicklung sowie insbesondere die<br />
Veränderungsbereitschaft der Mitarbeiter werden aktiv gefördert. Aging Workforce<br />
ist dabei ein Thema für die gesamte Belegschaft, d. h. für alle Altersgruppen.<br />
Mit der Initiative Aging Workforce zielt DaimlerChrysler auf die Stärkung<br />
der Eigenverantwortung und Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter, auf<br />
dauerhafte Produktivitätssteigerung und auf Ergebnisverbesserung im demografischen<br />
Wandel.“<br />
Gesamtbetriebsrat:<br />
„Unsere Gesellschaft wird immer älter. Dies wirkt sich auch auf die Belegschaften<br />
bei DaimlerChrysler aus, sei es in Europa, USA oder Japan. In den<br />
nächsten 10 Jahren wird das Durchschnittsalter der DC-Mitarbeiter in<br />
Deutschland um rund 5 Jahre steigen. Der Anteil der Mitarbeiter unter 30<br />
Jahre wird dann bei ca. 12 % liegen. Gleichzeitig wird künftig das Angebot an<br />
jüngeren und qualifizierten Mitarbeitern auf dem Arbeitsmarkt geringer werden.<br />
57
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Parallel hierzu fördert die neue Rentengesetzgebung längere Lebensarbeitszeiten.<br />
Dies wird und muss Auswirkungen haben auf viele Themenfelder der<br />
Personal- und Arbeitspolitik. Dabei ist „Aging Workforce“ kein isoliertes Thema<br />
für ältere Kolleginnen und Kollegen, sondern betrifft die gesamte Belegschaft.<br />
Der Gesamtbetriebsrat setzt sich dafür ein, dass ältere Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter in den Unternehmensleitlinien, in allen Arbeitsprozessen,<br />
Produktionssystemen und Produktionsabläufen berücksichtigt werden.“<br />
Weitere Informationen<br />
DaimlerChrysler AG<br />
Werk Bremen<br />
28190 Bremen<br />
Tel: 0421 – 419 - 0<br />
www.daimlerchrysler.de<br />
Betriebliche Bildung, Werk Bremen<br />
Key Account Aging Workforce<br />
Dr. Winfried Hilbig<br />
winfried.hilbig@daimlerchrysler.com<br />
Betriebsrat, Werk Bremen<br />
Uwe Werner<br />
uwe.werner@daimlerchrysler.com<br />
58
Flughafen Bremen GmbH<br />
Gesundheitsförderungsprojekt – alternde Belegschaft im Fokus<br />
Der Betrieb<br />
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Die Flughafen GmbH ist eine hundertprozentige Gesellschaft der Stadtgemeinde<br />
Bremen. Die Kernaufgabe des Unternehmens besteht im Betreiben des<br />
Flughafen Bremen. Das Unternehmen ist auch Eigentümer des Flughafenareals.<br />
Das Unternehmen beschäftigt derzeit 241 Personen (davon 40 weibliche<br />
Beschäftigte) als Stammpersonal und ca. 30 Aushilfskräfte, vornehmlich<br />
Studenten. Mehr als ein Drittel dieser Beschäftigten sind im Bodenverkehrsdienst<br />
tätig. Der Rest der Beschäftigten wirkt in den Bereichen Frachtumschlag,<br />
Sicherheitsdienst, Werkstatt und Verwaltung.<br />
Die Altersstruktur gestaltet sich wie folgt:<br />
• bis 25 Jahre 6,0%<br />
• 26 bis 30 Jahre 5,5%<br />
• 31 bis 35 Jahre 7,1%<br />
• 36 bis 40 Jahre 19,4%<br />
• 41 bis 45 Jahre 17,0%<br />
• 46 bis 50 Jahre 16,2%<br />
• 51 bis 55 Jahre 18,5%<br />
• 56 bis üb. 60 Jahre 10,0%<br />
Ausgangslage<br />
• Aufgrund der durchschnittlich langen Betriebszugehörigkeiten, bedingt<br />
durch eine geringe Fluktuation und hohe Einstellungsquoten in den achtziger<br />
Jahren und zu Beginn der neunziger Jahre, liegt der Anteil der<br />
Beschäftigten im Alter über 45 Jahre bei ca. 45%, bzw. im Alter über 50<br />
Jahre bei ca. 29%.<br />
• Durch eine im Jahre 2000/2001 vorgenommene Beurteilung der Arbeitsbedingungen<br />
wurde ermittelt, dass in den Bereichen, in denen körperliche<br />
59
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
60<br />
Handhabungen und Transport von Lasten (speziell im Fracht, Boden- und<br />
Verkehrsbereich) im Vordergrund stehen, schwere dynamische Arbeit sowie<br />
einseitige und statische Haltearbeit geleistet werden muss. Dadurch<br />
entstehen physische Belastungen, welche langfristig zu muskuloskelettalen<br />
Erkrankungen führen können.<br />
• Des Weiteren wurde bei der Untersuchung festgestellt, dass einseitige<br />
Körperhaltungen mit unphysiologischen statischen Muskelanspannungen<br />
bei sitzenden Tätigkeiten an administrativen Arbeitsplätzen auftreten.<br />
• Außerdem wurden die psychosozialen Belastungen, welche aus ungünstigen<br />
arbeitsorganisatorischen Gegebenheiten entstehen können, wie z. B.<br />
durch die Verdichtung von Arbeitsaufgaben und Arbeitszeit, ebenfalls als<br />
besonders relevant betrachtet.<br />
Maßnahmen im Bereich Gesundheit (Prävention und Förderung)<br />
Dem aktuellen Projekt zur Gesundheitsförderung am Flughafen Bremen mit<br />
dem Thema “Gesundheitsförderung mit spezieller Berücksichtigung muskuloskelettaler<br />
Erkrankungen bei alternder Belegschaft“, das von März/April 05<br />
bis Ende Juli 05 läuft, waren bereits andere Maßnahmen der Gesundheitsförderung<br />
vorausgegangen.<br />
So wurde im Jahre 1991 ein Rückenschulprogramm des Arbeitsschutzausschusses<br />
für MitarbeiterInnen des Bodenverkehrsdienstes, der Werkstatt sowie<br />
der Frachthalle angeboten. Des Weiteren wurde 1995 ein Gesundheitsförderungsprojekt<br />
in Zusammenarbeit mit der AOK Bremen/Bremerhaven mit den<br />
Schwerpunkten im Bereich der konkreten Prävention wie z. B. das Heben und<br />
Tragen von schweren Lasten, Bewältigung psychosozialer Anforderungen usw.<br />
durchgeführt. Zudem kam es im Bereich der Verhältnisprävention in mehreren<br />
Abteilungen <strong>zum</strong> Einsatz von Gesundheitszirkeln und speziellen Führungskräfteschulungen<br />
<strong>zum</strong> Thema effektives Leiten von Gruppen, Fehlzeitenreduktion<br />
und Gesundheitsförderung.<br />
Das aktuelle Projekt der Flughafen Bremen GmbH beschäftigt sich mit einer<br />
gesundheitsadäquaten und alternsgerechten Arbeitsgestaltung wie auch den<br />
individuellen und institutionellen Präventions- und Bewältigungsmöglichkeiten<br />
innerhalb und außerhalb der Erwerbssphäre. Zwei Fragen sind dabei von<br />
zentraler Bedeutung:
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
• Wie kann die Arbeit über ein gesamtes Arbeitsleben so gestaltet werden,<br />
dass Belastungen reduziert und persönliche Ressourcen zur Arbeitsfähigkeit<br />
erhalten und aufgebaut werden können?<br />
• Wie können Arbeitssysteme gesundheits- und alternsgerecht gestaltet<br />
werden, damit sie über das gesamte Arbeitsleben bis ins Rentenalter ausführbar<br />
sind und in ihrer Erlebnisqualität als sinnhaft erfahren werden?<br />
Das Projekt wird gemeinsam von der Flughafen Bremen GmbH, Unfallkasse<br />
Freie Hansestadt Bremen, AOK Bremen/Bremerhaven, Techniker Krankenkasse<br />
und Handelskrankenkasse Bremen getragen. Konzipiert wurde das Projekt<br />
vom Betriebsarzt, einem Arbeitsmediziner und einen Sportmediziner, welche<br />
auch gleichzeitig die wissenschaftliche Expertise durchführen. Die Projektstruktur<br />
besteht dabei aus folgenden vier Teilen:<br />
1. Organisationsaufbau, Festlegung der Ziele, Sicherung der Nachhaltigkeit:<br />
Es wurde ein Steuerkreis, bestehend aus Repräsentanten der Geschäftsleitung,<br />
des Betriebsrates, der Arbeitssicherheit, der Unfallkasse, der<br />
Krankenkassen und der wissenschaftlichen Berater gebildet. Innerhalb des<br />
Betriebes wird das Vorhaben durch den Arbeitskreis Gesundheit, bestehend<br />
aus Abteilungsleiter Personal, zwei Mitgliedern des Betriebsrates und<br />
Betriebsarzt gesteuert.<br />
2. Ist-Analyse, Arbeitsbewältigungsfähigkeit:<br />
Es wurde eine Ist-Analyse zur Belastungs- und Beanspruchungssituation<br />
der Belegschaft auf der Basis bereits durchgeführter Erhebungen und der<br />
Unterlagen über den Krankenstand vorgenommen. Dabei wurde <strong>zum</strong> einen<br />
auf Erfahrungen der Mitglieder des Arbeitsschutzausschusses zurückgegriffen<br />
und <strong>zum</strong> anderen eine schriftliche Befragung durch einen standardisierten<br />
Fragebogen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durchgeführt.<br />
Von besonderer Bedeutung war die Ermittlung der Arbeitsbewältigungsfähigkeit<br />
in einem persönlichen Gespräch. Hierbei wurde auf ein<br />
Instrument zurückgegriffen, das der am Projekt beteiligte Arbeitsmediziner<br />
in Zusammenarbeit mit einem Kollegen erarbeitet hat und das mittlerweile<br />
in zahlreichen Betrieben erfolgreich eingesetzt wurde.<br />
3. MitarbeiterInnen-Coaching:<br />
Das Konzept des Coaching mit dem Schwerpunkt auf der Handhabung<br />
von Lasten und der Arbeit am PC ist ein kommunikativer, tätig-<br />
61
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
62<br />
keitsbegleitender Ansatz zur Verbesserung der individuellen Verhaltensmuster<br />
und Stärkung der Gesundheitspotenziale der Arbeit. Die<br />
Beschäftigten werden bei ihrer Arbeit vom Coach begleitet und sollen<br />
durch partnerschaftlich angelegte Gespräche <strong>zum</strong> gesundheitsgerechten<br />
Verhalten angeregt werden. Die Ziele dieser Maßnahme sind im einzelnen:<br />
• die Konkretion des Bewegungsverhaltens bei der Lastenhandhabung<br />
bzw. bei der Arbeit am PC;<br />
• die Entwicklung und Vermittlung eines achtsamen Umgangs mit dem<br />
eigenen Körper bei der Arbeitstätigkeit;<br />
• die Verminderung der Häufigkeit von Beschwerden des Stütz- und<br />
Bewegungsapparates, insbesondere des Rückens;<br />
• die Stärkung des Stellenwertes gesundheitsgerechter Arbeitsweisen im<br />
Sinne einer gesundheitsfördernden Betriebskultur;<br />
• die Förderung alters- und alternsgerechter Gestaltung von Arbeitsabläufen<br />
und frühzeitige Beratung und Förderung von MitarbeiterInnen,<br />
deren Arbeitsbewältigungsfähigkeit kurz- bis mittelfristig gefährdet<br />
ist.<br />
4. Sport- und Bewegungsangebot in einem Studio:<br />
In Zusammenarbeit mit einem Sportstudio-Anbieter und einem<br />
Sportmediziner wurde für alle Beschäftigten ein Kursprogramm angeboten.<br />
Es bestand aus zwei Teilen, der Teilnahme an einem Kurs mit den<br />
Themen: Bedeutung von Spaß und Bewegung für Gesundheit und<br />
Lebensqualität, Entspannungstechnik, Rücken- und Rumpfkräftigungsgymnastik,<br />
Ernährung, Kraft- und Ausdauertraining und einem Besuch<br />
eines Studios unter Anleitung von Trainingspersonal. Der Besuch der<br />
Kurse wurde als Arbeitszeit entgolten. Der Besuch des Trainingsstudios<br />
war für die Teilnehmer/innen kostenlos und wurde durch den Betrieb, die<br />
Unfallkasse und die Krankenkassen finanziert.<br />
Das Projekt befindet sich derzeit noch in der Durchführungsphase. Die<br />
Ergebnisse werden im Herbst vorliegen.<br />
Obwohl noch keine konkreten Resultate zur Bewertung des Projektes<br />
insgesamt vorliegen, hat sich bereits laut Personalleitung und Betriebsrat<br />
gezeigt, dass das Projekt von den Beschäftigten sehr positiv aufgenommen
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
wird. Ein Grund dafür wird darin gesehen, dass das Projekt im Betrieb gut<br />
kommuniziert wurde. Die relativ gute Resonanz auf Seiten der<br />
Beschäftigten zeigt sich darin, dass sich etwa die Hälfte von ihnen an der<br />
schriftlichen Befragung wie an dem persönlichen Gespräch zur Ermittlung<br />
der Arbeitsfähigkeit beteiligte. Auch die Coaching-Maßnahmen sind positiv<br />
aufgenommen worden.<br />
Obgleich die Teilnahme an dem Kursangebot wie auch der Besuch des Fitness-Studios<br />
zunächst nur von einer kleinen Gruppe in Anspruch genommen<br />
worden ist, hat sich die überaus positive Erfahrung seitens der Teilnehmer und<br />
Teilnehmerinnen im Betrieb rasch herumgesprochen und mittlerweile zu einer<br />
größeren Nachfrage geführt, so dass auch hier mit einem weiteren Erfolg gerechnet<br />
werden kann.<br />
Weitere Informationen<br />
Flughafen Bremen GmbH<br />
Flughafenallee 20<br />
28199 Bremen<br />
Tel: 0421 – 5595 – 0<br />
www.airport-bremen.de<br />
Leitung Abteilung Personal<br />
Manfred Zimmer<br />
Tel: 0421 – 5595 – 466<br />
Manfred.zimmer@airport-bremen.de<br />
Betriebsrat:<br />
Inge Briggs<br />
Tel: 0421 – 5595 – 227<br />
inge.briggs@airport-bremen.de<br />
63
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
64
Hellmann Worldwide Logistics GmbH & Co. KG<br />
Arbeitskreis Gesundheit leistet Pionierarbeit<br />
Der Betrieb<br />
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Hellmann Worldwide Logistics wurde 1871 von Carl Heinrich Hellman in<br />
Osnabrück gegründet und hat sich seitdem zu einem internationalen Logistik-<br />
Anbieter entwickelt. Die Dienstleistungspalette des Unternehmens umfasst<br />
dabei die klassischen Speditionsleistungen per LKW, Luft- und Seefracht<br />
genauso wie ein umfangreiches Kurierdienstangebot, Warehousing und zahlreiche<br />
Spezialserviceleistungen. Das Unternehmen hat 6.000 MitarbeiterInnen<br />
weltweit, 2.850 davon in Deutschland. Hellmann versteht sich nicht als reines<br />
Speditionsunternehmen, sondern als Logistik-Dienstleister, dessen wichtigste<br />
Ressource die Beschäftigten sind. Im Firmenleitbild heißt es dazu: “Die Mitarbeiter<br />
sind das wichtigste von Hellmann – ihnen fühlen wir uns als Unternehmen<br />
in besonderem Maße verpflichtet, denn nur engagierte Mitarbeiter, die als<br />
Unternehmer im Unternehmen handeln, sichern den Erfolg und dadurch die<br />
gemeinsame Zukunft des Unternehmens.“<br />
In Bremen beschäftigt Hellmann 351 ( davon 117 gewerbliche Beschäftigte)<br />
MitarbeiterInnen (MA) mit folgender Altersstruktur:<br />
• bis 20 Jahre = 3 MA<br />
• 20 bis 29 Jahre = 82 MA<br />
• 30 bis 39 Jahre = 115 MA<br />
• 40 bis 49 Jahre = 79 MA<br />
• 50 bis 59 Jahre = 65 MA<br />
• über 60 Jahre = 7 MA<br />
Ausgangslage<br />
• In 15 Jahren werden rund 33 % der Arbeitskräfte älter als 50 Jahre sein.<br />
Daraus ergibt sich die Frage, wie die MitarbeiterInnen dem Unternehmen<br />
Hellmann möglichst lange bei voller Arbeitsleistung erhalten bleiben können.<br />
65
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
• Der Mangel an jungen Nachwuchskräften im Speditionsbereich, speziell<br />
im Bereich Seefracht und Luftfracht, führt auf dem Arbeitsmarkt zu einem<br />
“War for Talents“. Dies führt zu der Problematik, dass Hellmann nur<br />
schwer junge Nachwuchskräfte auf dem Arbeitsmarkt erreichen kann.<br />
• Für das Unternehmen können sich durch das Ausscheiden wichtiger<br />
Wissensträger und durch den Mangel an Nachwuchskräften Risiken bzgl.<br />
des Wissenserhalts ergeben. Das Unternehmen steht deshalb vor der Aufgabe,<br />
geeignete Alternativen zu finden bzw. entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen<br />
zu initiieren, die zur Entwicklung des Unternehmens<br />
notwendig sind.<br />
Maßnahmen im Bereich Gesundheit (Prävention und Förderung)<br />
Mit der betrieblichen Gesundheitsförderung und -vorsorge verfolgt Hellmann<br />
das Ziel einer gesunden Organisation. Der Weg dorthin besteht für das Unternehmen<br />
im systematischen und nachhaltigen Bemühen um die gesundheitsfördernde<br />
Gestaltung von Strukturen und Prozessen im Unternehmen und in<br />
der gesundheitsrelevanten Befähigung der Beschäftigten. Um diesbezüglich<br />
mehr Bewusstsein bei den MitarbeiterInnen zu schaffen, wurde 2004 in der<br />
Niederlassung Bremen bei einem Treffen zwischen Personalabteilung,<br />
Betriebsrat und Betriebsarzt beschlossen, einen Arbeitskreis Gesundheit zu<br />
gründen. Hauptaufgabe des zukünftigen Arbeitskreises sollte es sein, sich der<br />
Frage im Sinne eines umfassenden Gesundheitsmanagements zu stellen. D.h.,<br />
was zur weiteren Mitarbeiterförderung getan werden kann bzw. wie die<br />
Arbeitskräfte dem Betrieb möglichst lange, auch im „höheren“ Alter, bei voller<br />
Gesundheit und bei gleichzeitigem Einsatz ihrer vollen Arbeitskraft, erhalten<br />
bleiben können. Einzelne Ziele sind dabei:<br />
• die Reduzierung von Fehlzeiten<br />
• die Reduzierung von verhaltensbedingten Arbeitsunfällen<br />
• die Verbesserung der Arbeitsqualität<br />
• die Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit / Motivation<br />
• Personalmarketing<br />
Es kristallisierte sich bei den Diskussionen im neuen Arbeitskreis schnell heraus,<br />
dass keine starren Konzepte umgesetzt werden sollten, sondern „lose<br />
66
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Treffen“ bevorzugt werden, durch die auch mit kleinen Mitteln bei Beschäftigten<br />
Verständnis für das Thema Gesundheit geweckt werden kann.<br />
Die verschiedenen Maßnahmen, initiiert durch den AK Gesundheit, welcher<br />
heute besteht aus Mitarbeitern der Personalabteilung, des Betriebsrates sowie<br />
dem Betriebarzt, der Fachkraft für Arbeitssicherheit und Mitarbeitern aus den<br />
kaufmännischen und gewerblichen Bereichen, haben dabei eine Art Pioniercharakter:<br />
Innerhalb von drei Jahren werden verschiedene Maßnahmen umgesetzt<br />
und nach Ablauf dieser Zeit wird überprüft, welche dieser Instrumente<br />
sich bewährt haben. Außerdem ist geplant die erfolgreichen Gesundheitsförderungsmaßnahmen<br />
auch an anderen Hellmann Standorten, an denen gleichartige<br />
Aktivitäten bereits laufen, im Sinne von best practice umzusetzen.<br />
Bevor die Maßnahmen eingeleitet wurden, wurden zunächst in Zusammenarbeit<br />
mit den Krankenkassen AOK und HKK Bremen die Gründe für krankheitsbedingte<br />
Fehlzeiten ermittelt. Diese sind in der Niederlassung Bremen <strong>zum</strong><br />
einen Erkältungsbeschwerden und <strong>zum</strong> anderen Rückenbeschwerden. Diese<br />
Gründe stehen somit im Fokus des Arbeitkreises und wurden und werden auch<br />
zukünftig einen Schwerpunkt in den einzelnen Maßnahmen bilden.<br />
Als erste Maßnahme nahm der Arbeitskreis Gesundheit die Bitten von einigen<br />
Beschäftigten auf, die sich Handauflagen für den PC wünschten, weil sie über<br />
Handgelenksschmerzen klagten. Nach einer entsprechenden Befragung in<br />
allen Abteilungen wurden die Handauflagen angeschafft. Dabei wurde aber<br />
erkannt, dass bei solchen Initiativen, wenn sie einen positiven Effekt bei einer<br />
Mehrzahl der Beschäftigten erreichen sollen, die Beweggründe für eine solche<br />
Aktion innerbetrieblich besser kommuniziert und vermarktet werden müssen.<br />
Dieses wurde bei der zweiten Aktion des AK Gesundheit wesentlich erfolgreicher<br />
umgesetzt.<br />
Mit der auf sieben Wochen ausgelegten Aktion “Fit durch den Winter“ sollte<br />
der Schwerpunkt Erkältungskrankheiten angegangen werden. Dabei bestand<br />
diese aus zwei Bausteinen:<br />
A. Angebot einer Grippeschutzimpfung für alle Beschäftigten<br />
B. Obst für alle MitarbeiterInnen<br />
Mit der „Aktion Obst“ sollte das Bewusstsein für eine gesunde Ernährung<br />
geweckt werden. Während die Grippeschutzimpfung nur mit einem Rundschreiben<br />
bekannt gegeben wurde, wurde die Aktion Obst vom AK Gesundheit<br />
intern vermarktet: Sowohl durch einen betrieblichen Aushang von Werbepla-<br />
67
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
katen mit Informationen zur vitaminreichen Ernährung mit der Überschrift:<br />
“Gesund Ernähren – Esst Obst“ als auch besonders durch das Verteilen von<br />
Obstkörben in allen Abteilungen – sechs Wochen lang täglich!<br />
Die Aktion Obst war aus Sicht der Personalleitung ein großer Erfolg und stieß<br />
bei allen MitarbeiterInnen, wie auch bei den Kunden, auf sehr positive Resonanz.<br />
Positiv war, dass die Beschäftigten <strong>zum</strong> einen für das Thema Gesundheitsförderung<br />
/ Prävention auch im Sinne der Eigenverantwortung sensibilisiert<br />
wurden. Zum anderen realisierten die Beschäftigten, dass dieses Thema<br />
dem Betrieb wirklich “am Herzen liegt“, was besonders durch das kostenlose<br />
Bereitstellen von Obst verdeutlicht wurde. Die Aktion wurde am 31.12.04<br />
abgeschlossen, soll aber in diesen Monaten bezüglich der Nachhaltigkeit<br />
überprüft werden, indem anhand von Mitarbeiterumfragen ermittelt wird, ob<br />
sich durch die Maßnahmen langfristig (manchmal negative) Ernährungsgewohnheiten<br />
verändert bzw. verbessert haben.<br />
Als dritte Aktion wurde vom Arbeitskreis Gesundheit das Thema Fitness und<br />
Rückenerkrankungen aufgenommen. Hierbei wurde schnell erkannt, dass mit<br />
der klassischen Rückenschule, über einen Zeitraum von zwei Monaten, die<br />
gesteckten Ziele nicht erreicht werden konnten. Deshalb entschied sich der AK<br />
Gesundheit für die Variante Firmenfitness. Dabei ist es gelungen mit einem<br />
großen Fitnessstudiobetreiber einen Firmenvertrag abzuschließen, der den<br />
Beschäftigten von Hellmann für ein Jahr den kostenlosen Besuch eines Sportstudios<br />
ermöglicht.<br />
Auch bei dieser Aktion zeigte sich auf Seiten der Beschäftigten eine positive<br />
Resonanz, was <strong>zum</strong> einen an der Gratis-Nutzung, <strong>zum</strong> anderen aber auch an<br />
dem vielfältigen Fitnessangebot lag, welches sich vom Yoga über Pilates bis<br />
<strong>zum</strong> Walking erstreckte. So hatten innerhalb von zwei Wochen 131 Beschäftigte<br />
das Angebot wahrgenommen, was bei einer Gesamtzahl von insgesamt<br />
351 MitarbeiterInnen eine beeindruckende Quote ist. Heute (Stand Juli 2005)<br />
nehmen über 25% der MitarbeiterInnen regelmäßig an den verschiedenen<br />
Kursen teil.<br />
Perspektiven im Bereich Gesundheit<br />
Für die nächsten Monate sind vom Arbeitskreis Gesundheit weitere Maßnahmen<br />
geplant wie z. B. Nichtraucherseminare “Hellmann rauchfrei“, “Richtig<br />
heben – tragen – sitzen“, Vorsorge für Augen und Rücken, Umgang mit Stress<br />
am Arbeitsplatz und richtige Ernährung. Die Aktion “Hellmann rauchfrei“ wird<br />
gerade durchgeführt. Sie wird in drei Phasen unterteilt.<br />
68
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
1. Bewusstseinsphase: durch gezielte Plakataktionen in allen Abteilungen<br />
der Bremer Niederlassung<br />
2. Angebotsphase: den Beschäftigten wird ein zehnwöchiger Besuch bei<br />
einem Nichtraucher-Seminar der AOK angeboten<br />
3. Kursphase: Besuch des Seminars<br />
Wenn nach dem zehnwöchigen Besuch des Nichtraucherseminars das Rauchen<br />
noch nicht eingestellt wurde, beteiligt sich Hellman darüber hinaus finanziell<br />
an alternativen Methoden zur Rauchentwöhnung (z. B. Akupunktur).<br />
Maßnahmen im Bereich Arbeitsorganisation<br />
In den letzten Jahren wurde bei Hellmann die Abteilung Arbeitsschutz/Arbeitssicherheit<br />
aufgebaut, die nicht nur allein die schnelle Beseitigung sicherheitstechnischer<br />
Defizite verantwortet, sondern verstärkt vorbeugende Konzepte<br />
zur Verbesserung der allgemeinen Arbeitssicherheit, z. B. durch regelmäßige<br />
Schulungen zur allgemeinen Sicherheit an den Arbeitsplätzen und<br />
Arbeitsabläufen, umsetzt oder zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen beiträgt.<br />
Für Regelungen bei leistungsgeminderten Beschäftigten, z. B. durch sogenannte<br />
Schonarbeitsplätze, gibt es bei Hellmann keine formellen Gesamtkonzepte,<br />
sondern es werden von Fall zu Fall Regelungen gefunden. So werden<br />
auch Einsatzmöglichkeiten und Potentiale für Beschäftigte, die durch gesundheitliche<br />
Einschränkungen ihre bisherigen Tätigkeiten nicht mehr voll ausführen<br />
können, individuell ermittelt.<br />
Eine ältere Lagerarbeiterin hatte z. B. über einen längeren Zeitraum eine überdurchschnittlich<br />
hohe Fehlquote. In einem Gespräch mit dem Betriebsrat und<br />
der Lagerleitung stellte sich heraus, dass die Arbeit für sie körperlich zu belastend<br />
war. Ihre Aufgabenbereiche wurden daraufhin neu konzipiert, die Fehlzeiten<br />
haben sich bei ihr seitdem drastisch reduziert.<br />
Weitere wichtige arbeitsorganisatorische Maßnahmen wie die Job Rotation,<br />
welche nachgewiesenermaßen auch positive gesundheitserhaltende Effekte<br />
bewirkt, werden seit vier Jahren im gewerblichen Bereich durchgeführt.<br />
69
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Maßnahmen im Bereich Weiterbildung<br />
Hellmann achtet darauf, dass auch ältere Beschäftigte, die nicht mehr weit<br />
vom altersbedingten Betriebsaustritt entfernt sind, bei betrieblichen Weiterbildungen<br />
berücksichtigt werden bzw. diese auch wahrnehmen. Dies zeigt folgendes<br />
Beispiel:<br />
Bei einer innerbetrieblichen Bedarfsanalyse bzgl. des zukünftigen Angebotes<br />
weiterbildender Maßnahmen waren die Rücklaufquoten in einer Abteilung<br />
außergewöhnlich gering. Daraufhin wurden die Beschäftigten der Abteilung,<br />
u.a. auch eine 59-jährige Mitarbeiterin befragt, um die Gründe für die geringe<br />
Resonanz zu ermitteln. Die Mitarbeiterin bestätigte ihr Interesse an Weiterbildung,<br />
gab aber ihr rentennahes Alter als Hinderungsgrund an. Ihrer Meinung<br />
nach würde es dem Betrieb doch keinen Nutzen mehr bringen sie weiterzubilden.<br />
Im Gespräch erklärte ihr die Personalleitung, dass Hellman dies anders<br />
sehe, da sie noch sechs Jahre im Betrieb sei und befragte sie nochmals nach<br />
ihren Wünschen bzgl. des Weiterbildungsangebots. Daraufhin belegte sie einen<br />
Aufbaukurs in Englisch.<br />
Bei Hellmann wird sehr viel Wert auf eine praxisorientierte Weiterbildung<br />
gelegt. Diese wird in der unternehmenseigenen Hellmann Academy aber nicht<br />
ausschließlich durch Frontalunterricht gewährleistet, sondern vermehrt auch<br />
durch sogenannte „on the job trainings“. Der Nachteil von verschultem Unterricht<br />
ist, dass viele ältere ArbeitnehmerInnen sich daran nicht mehr aktiv<br />
beteiligen, weil sie Angst haben, nachzufragen, wenn sie irgendetwas nicht<br />
verstanden haben. Sie ziehen sich dann zurück und schalten ab. Die Erfahrung<br />
hat gezeigt, dass “on the job trainings“ den Vorteil haben, das individuelle<br />
Lerntempo besser zu berücksichtigen. Das ist gerade für viele ältere Beschäftigte<br />
sehr hilfreich: Dadurch steigt auch ihre Motivation, sich im höherem Alter<br />
noch weiterzubilden.<br />
Stellungnahmen<br />
Geschäftsführung<br />
„Die demografische Entwicklung – der wachsende Anteil Älterer auch in der<br />
Erwerbsbevölkerung und der abnehmende Anteil Jüngerer – hat auch in<br />
unserem Unternehmen eine große Bedeutung. In 15 Jahren werden rund 33%<br />
der Arbeitskräfte älter als 50 Jahre alt sein. Risiken für unser Unternehmen<br />
70
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
können sich durch das schlagartige Ausscheiden wichtiger Wissensträger und<br />
durch den Mangel an Nachwuchskräften ergeben. Daraus ergibt sich für uns<br />
die Aufgabe, nach geeigneten Alternativen zu suchen sowie entsprechende<br />
Weiterbildungsmaßnahmen zu initiieren, die zur Weiterentwicklung des Unternehmens<br />
notwendig sind. Ebenfalls wichtig sind Vorsorge- und Gesundheitsprogramme<br />
mit Blick auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance sowie die<br />
Integration und Mobilisierung des notwendigen Arbeitskräftepotentials. Lebenslanges<br />
Lernen wird zukünftig immer bedeutsamer für den beruflichen<br />
Erfolg werden.“<br />
Betriebsrat<br />
„Dass in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein Unternehmen in die Weiterbildung<br />
und insbesondere in die Gesundheit seiner Mitarbeiter investiert, ist selten<br />
geworden. Die Aktionen <strong>zum</strong> Thema Gesundheit werden von der Belegschaft<br />
sehr positiv angenommen und sprechen sich natürlich auch im Bekanntenkreis<br />
herum. Besonders stolz ist man hier in Bremen darauf, dass der<br />
AK Gesundheit als Bremer Pilotprojekt so erfolgreich umgesetzt wurde. Das<br />
zeigt uns, dass die Entscheidung in 2004 die richtige war und macht uns<br />
zudem zuversichtlich, dass das Unternehmen auch in Zukunft in sein wichtigstes<br />
Gut, die Mitarbeiter investieren wird. Weiterbildung und Gesundheitsmanagement<br />
sind langfristig angelegte Maßnahmen, die uns sicher am Standort<br />
auch in Zukunft helfen werden wettbewerbsfähig zu bleiben.“<br />
Weitere Informationen<br />
Hellmann Worldwide Logistics<br />
GmbH & Co. KG<br />
Ludwig-Erhard-Straße 7<br />
28197 Bremen<br />
Tel: 0421 – 522 - 00<br />
www.hellmann.net<br />
Personalleitung<br />
Rolf Glahn<br />
rglahn@de.hellmann.net<br />
Betriebsrat<br />
Klaus-Peter Thönen<br />
Tel: 0421 – 522 - 3273<br />
kthoenen@de.hellmann.net<br />
71
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
72
Kraft Foods Deutschland GmbH<br />
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Alter(n)sgerechte Erwerbsbiografien als eine betriebliche Herausforderung der<br />
Zukunft<br />
Der Betrieb<br />
Kraft Foods ist einer der weltweit führenden Lebensmittelhersteller. Das Unternehmen<br />
ist mit rund 98.000 Beschäftigten in mehr als 150 Ländern vertreten.<br />
Getränke, Süßwaren und Nahrungsmittel bilden die heutigen Unternehmenszweige<br />
von Kraft Foods – sich gründend auf den Unternehmungen<br />
von Johann Jacobs, Philippe Suchard und James Lewis Kraft. Seit Juni 2000<br />
firmiert Kraft Jacobs Suchard unter dem Namen Kraft Foods.<br />
In Deutschland arbeiten insgesamt ca. 3600 Beschäftigte an den Standorten<br />
Berlin, Bremen, Elmshorn, Fallingbostel, Lörrach und München. Die Kraft<br />
Foods Deutschland GmbH hat ihren Hauptsitz in Bremen.<br />
Im ehemaligen Kaffee-Röstturm in der Bremer Langemarckstraße und in den<br />
angeschlossenen Gebäuden sind u.a. die Bereiche Marketing, Vertrieb, Logistik,<br />
Finanzen und Human Resources angesiedelt. Zwei der Produktionsstandorte<br />
des Unternehmens befinden sich in Bremen Hemelingen bzw. im Bremer<br />
Holzhafen, wo auch die Zentrale des Außer Haus Service ihren Sitz hat. An<br />
den Bremer Standorten sind insgesamt über 1800 MitarbeiterInnen beschäftigt.<br />
Kraft Foods gehört zu den „besten Arbeitgebern in Europa 2004“. 1 Das Unternehmen<br />
versteht sich als eine Leistungs- und Sozialgemeinschaft, in der die<br />
betrieblichen Anforderungen die oberste Priorität haben, gleichwohl wird die<br />
Zufriedenheit der ArbeitnehmerInnen als eine Voraussetzung für das Erreichen<br />
von unternehmerischen Zielen gesehen. Eine nachhaltige Personalpolitik sowie<br />
die Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten werden als<br />
wichtige Faktoren angegeben, um die demografischen Herausforderungen<br />
erfolgreich zu bestehen. Dazu gehört auch, dass die Potenziale von älteren<br />
MitarbeiterInnen zukünftig stärker als bisher zu erkennen und zu fördern sind. 2<br />
1<br />
Das Wirtschaftsmagazin „Capital“ verleiht diese Auszeichnung auf der Grundlage von<br />
anonymen Mitarbeiterbefragungen.<br />
2<br />
Vgl. „Diversity – Mit Kraft Foods die Vielfalt entdecken.“ Kraft Foods, 2004, S. 4 und S. 13.<br />
73
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Ausgangslage<br />
• Bei der Kraft Foods Deutschland GmbH arbeiten MitarbeiterInnen aus<br />
verschiedenen Abteilungen seit sechs Jahren im Diversity Council. Diversity<br />
übersetzt aus dem Englischen bedeutet Vielfalt oder Verschiedenartigkeit.<br />
Im unternehmerischen Kontext bezieht sich Vielfalt auf die Heterogenität<br />
der Mitarbeiter, Kunden und Märkte eines Unternehmens. Diversity<br />
<strong>Management</strong> bei Kraft Foods Deutschland GmbH bedeutet, die Vielfalt der<br />
Bevölkerung in der eigenen Belegschaft zu entdecken, um das Potenzial<br />
der Marken auszuschöpfen und um Prozesse zu optimieren. Darüber<br />
hinaus unterstützt der Diversity Council MitarbeiterInnen bei der Verwirklichung<br />
individueller Vorstellungen und Lebensformen. Der Diversity Council<br />
gibt Impulse für eine Kultur der Vielfalt im Unternehmen und fördert Initiativen<br />
z. B. in den Bereichen Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben,<br />
Frauen im <strong>Management</strong>, interkulturelles Bewusstsein oder bei der Integration<br />
von Menschen mit Behinderung.<br />
• Das Thema alternder Belegschaften gewinnt auch bei Kraft Foods<br />
Deutschland GmbH zunehmend an Bedeutung. Eine erfolgreiche Bewältigung<br />
der demografischen Entwicklung setzt kurzfristig die Förderung von<br />
Beschäftigungsfähigkeit der älteren MitarbeiterInnen sowie langfristig<br />
alter(n)sgerechte Erwerbsbiografien voraus. Deshalb sind „ältere MitarbeiterInnen“<br />
seit dem letzten Jahr eines der Schwerpunktthemen im Rahmen<br />
von Diversity bei der Kraft Foods Deutschland GmbH. MitarbeiterInnen<br />
verschiedener Unternehmensbereiche und unterschiedlicher Generationen<br />
bilden eine Arbeitsgruppe, die die Zielsetzung verfolgt, das Unternehmen<br />
im Rahmen verschiedener Maßnahmen auf die demografische<br />
Entwicklung und die daraus resultierende Alterung der Belegschaft vorzubereiten<br />
– die individuellen Kompetenzen und Erfahrungen Älterer sollen<br />
in der Zukunft <strong>zum</strong> beiderseitigen Vorteil von Unternehmen und Beschäftigten<br />
genutzt werden.<br />
• Erste Ergebnisse <strong>zum</strong> Themenkreis „ältere MitarbeiterInnen“ gehen aus<br />
einer betriebsinternen Erhebung hervor. Danach fällt im Hinblick auf die<br />
Laufbahngestaltung bei der Kraft Foods Deutschland GmbH auf, dass sich<br />
die Entwicklung bzw. Karriereplanung bislang verstärkt auf die jüngeren<br />
Mitarbeiter konzentriert hat. Während die 30- bis 39-Jährigen relativ häufig<br />
befördert werden, findet Karriere in Form von Beförderungen bei den<br />
40- bis 49-Jährigen und den 50- bis 59-Jährigen deutlich seltener statt.<br />
Im Zuge der demografischen Entwicklung wird derzeit die Möglichkeit in<br />
74
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Betracht gezogen, auch in späteren Lebensphasen Karriere- und<br />
Entwicklungsmöglichkeiten zu fördern.<br />
• Infolge der demografischen Entwicklung und aufgrund von Einschränkungen<br />
durch den Gesetzgeber wird die Frühverrentung als Instrument von<br />
Restrukturierung und Rationalisierung zukünftig sehr viel weniger genutzt<br />
werden können. Deshalb stehen bei der Kraft Foods Deutschland GmbH<br />
neben der Arbeitsplatz- und Laufbahngestaltung weitere Themen zur<br />
Erhaltung und Förderung der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft<br />
von MitarbeiterInnen im Fokus der Diversity-Arbeit. Dazu gehören die<br />
betriebliche Gesundheitsförderung, Weiterbildung und Qualifizierung,<br />
Wissenstransfer und flexible Arbeitszeitmodelle.<br />
Maßnahmen im Bereich Gesundheit (Prävention und Förderung)<br />
Der Bremer Standort in Hemelingen bietet Gelegenheit zu Sport und Entspannung.<br />
Hier wird den Beschäftigten im betriebseigenen Fitnessraum mit Fachpersonal<br />
die Möglichkeit gegeben, sich aktiv gesund zu halten. Auch wird eine<br />
Druckpunkt-Massage angeboten, um fit zu bleiben. Zu den Angeboten in der<br />
Bremer Zentrale gehören Gymnastikstunden und Rückenschulkurse. Die Möglichkeiten<br />
zu Sport und Entspannung werden je nach Standort unterschiedlich<br />
wahrgenommen. An allen Bremer Standorten sind Beschäftigte in verschiedenen<br />
Betriebssportarten aktiv.<br />
Gesundheitsförderung im ganzheitlichen Sinne wird bei der Kraft Foods<br />
Deutschland GmbH im „Health <strong>Management</strong> Training“ betrieben. Ein Ziel<br />
dieser Maßnahme ist es, Führungskräfte dahingehend zu schulen, dass gesundheitliche<br />
Aspekte in ihre Führungskompetenzen integriert werden. Aus<br />
diesem Grunde wurde das Programm top-down initiiert, was bedeutete, dass<br />
zuerst die Senior Manager das Training absolvierten. Des Weiteren soll das<br />
Programm die körperliche und mentale Selbstwahrnehmung der Vorgesetzten<br />
und Beschäftigten schärfen und präventive Maßnahmen zu Stressbewältigung<br />
anbieten. Hierdurch soll u.a. die gesundheitliche Eigenverantwortung der<br />
Beschäftigten gefördert werden. Durchgeführt und begleitet wird diese Maßnahme<br />
von dem Betriebsarzt, einem Psychologen und einem Coach.<br />
75
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Maßnahmen im Bereich Arbeitsorganisation<br />
Um die Motivation der Beschäftigten zu fördern bzw. um der Gefahr der<br />
Monotonie durch einseitige Tätigkeiten und daraus resultierenden negativen<br />
gesundheitlichen Begleiterscheinungen entgegenzuwirken, wird in Verwaltungsbereichen<br />
der Kraft Foods Deutschland GmbH, Job Rotation als<br />
Personalentwicklungsinstrument eingesetzt. In Fällen, in denen Rotationen<br />
sinnvoll sind, bieten Job Enrichment und Job Enlargement zusätzliche Anreize.<br />
Alle drei Elemente werden dabei miteinander verknüpft. Das Unternehmen<br />
versucht <strong>zum</strong> einen durch Job Enlargement die horizontale Arbeitsteilung zu<br />
verringern, und dadurch die Arbeitsspektren der Beschäftigten zu<br />
vervielfältigen. Zum anderen werden den MitarbeiterInnen durch Job<br />
Enrichment anhand einer qualitativen Ausweitung und mittels einer freieren<br />
Gestaltung der Arbeitsbereiche und Kontrollspielräume mehr Kompetenz und<br />
Verantwortung gegeben. Eine Flexibilisierung der Arbeitsaufgaben wird zusätzlich<br />
durch Job-Rotation gewährleistet. Mit dem systematischen Arbeitsplatzwechsel<br />
innerhalb wie auch über die Abteilungsgrenzen hinaus kann dem<br />
„engen Bereichsdenken“ entgegengewirkt werden. Das verbessert sowohl die<br />
Kommunikation als auch die allgemeine Arbeitsatmosphäre innerhalb der<br />
sowie zwischen den Abteilungen.<br />
Angebote flexibler Arbeitszeitmodelle<br />
Die Kraft Foods Deutschland GmbH bietet ihren Beschäftigten unterschiedliche<br />
Arbeitszeitmodelle an. Während an den Produktionsstandorten arbeitswissenschaftlich<br />
empfohlene Schichtmodelle auch in Teilzeit praktiziert werden,<br />
gibt es im Unternehmen andere Bereiche, die auf eine Kernarbeitszeit<br />
ganz verzichten können. Die Arbeitszeitmodelle werden im Einzelnen mit den<br />
Vorgesetzten und der Personalleitung abgesprochen. Wenngleich diese<br />
Modelle nicht vor dem Hintergrund alternder Belegschaften eingeführt wurden,<br />
sondern vom Diversity Schwerpunkt Vereinbarkeit von Beruf und Familie ausgehen,<br />
bieten sie gute Voraussetzungen für eine lebensphasen- bzw. anforderungsorientierte<br />
Arbeitszeitgestaltung. Neben der flexiblen Arbeitszeit gibt es<br />
bei der Kraft Foods Deutschland GmbH Teilzeitarbeit, Sabbaticals und Teleheimarbeit<br />
als Arbeitszeitmodelle. Auch bietet das Unternehmen die Möglichkeit<br />
des Job-Sharing an. Insgesamt können die Arbeitszeitmodelle zu einer<br />
Neuverteilung der Arbeitszeit innerhalb der Erwerbsbiografien von Beschäftigten<br />
beitragen.<br />
76
Perspektiven<br />
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Das Thema „ältere MitarbeiterInnen“ wird weiterhin im Fokus einer Arbeitsgruppe<br />
bei der Kraft Foods Deutschland GmbH stehen. Ergebnisse aus verschiedenen<br />
betriebsinternen Analysen liegen bereits vor. Darüber hinaus<br />
konnten MitarbeiterInnen, die 45 Jahre oder älter sind, im Rahmen einer<br />
Diplomarbeit zur Bedeutung und Aktualität des Themas „Ältere Mitarbeiter im<br />
Betrieb“, die alternsgerechte Personal- und Organisationsgestaltung bei der<br />
Kraft Foods Deutschland GmbH einschätzen und Vorschläge unterbreiten, wie<br />
das Potenzial bzw. die Stärken von älteren MitarbeiterInnen im Unternehmen<br />
zukünftig noch besser zu nutzen seien.<br />
Auf der Basis dieser Ergebnisse und daraus entwickelten Überlegungen unterstützt<br />
die Kraft Foods Deutschland GmbH ein Dissertationsprojekt, das sich<br />
mit den Problemen und Lösungsansätzen älterer ArbeitnehmerInnen im Unternehmen<br />
auseinandersetzt. Im Rahmen dieses Vorhabens wurde im Juli/August<br />
2005 an den Bremer Standorten und an den Standorten in Lörrach, Berlin<br />
und Elmshorn eine anonyme MitarbeiterInnenbefragung zur Beschäftigungssituation<br />
durchgeführt. Die Umfrage richtete sich an alle Altersgruppen, nach<br />
dem Motto: “Die Jungen von heute sind die Alten von morgen. Alter(n) geht<br />
uns alle an.“ Fokussiert werden dabei die Bereiche betriebliche Gesundheitsförderung,<br />
Weiterbildung und Zusammenarbeit zwischen den Generationen.<br />
Des weiteren werden die Laufbahngestaltung, die Arbeitszufriedenheit und die<br />
Sichtweise von und auf ältere(n) MitarbeiterInnen thematisiert.<br />
Ziel der Umfrage ist es <strong>zum</strong> einen, repräsentative Basisdaten für die zukünftige<br />
Förderung von Beschäftigungsfähigkeit und alter(n)sgerechten Erwerbsbiografien<br />
zu erhalten. Zum anderen soll die Umfrage auch die MitarbeiterInnen<br />
selbst für diese Thematik sensibilisieren. Um die Beschäftigten schon im Vorfeld<br />
über die Umfrage zu informieren, wurde in der Mitarbeiterzeitung “Panorama“<br />
explizit auf die Bedeutung und den Hintergrund der Erhebung hingewiesen.<br />
Unterstrichen wurde die Wichtigkeit der Umfrage auch dadurch, dass die<br />
Geschäftsführung und der Betriebsrat der Kraft Foods Deutschland GmbH die<br />
Umfrage unterstützen. Im Anschluss an die Auswertung der Umfrage (diese<br />
soll im Herbst 2005 erfolgen) werden die Ergebnisse den MitarbeiterInnen<br />
mitgeteilt und je nach Ergebnislage weitere Maßnahmen im Unternehmen<br />
diskutiert.<br />
77
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Stellungnahme<br />
Betriebsrat:<br />
„Der Gesamtbetriebsrat von Kraft Foods Deutschland hat die Voraussetzungen<br />
zu einem vielfältigen Unternehmen mit vielen Beispielen aus der Arbeitszeit,<br />
Ergonomie der Arbeitsplätze, Freizeitbeschäftigungen im Unternehmen und<br />
einer Reihe anderer Regelungen ermöglicht. Damit diese Voraussetzungen für<br />
alle MitarbeiterInnen zu einem besseren Gleichgewicht und Vereinbarkeit im<br />
Leben und Beruf führen, werden die Betriebsräte weiter an diesem Programm<br />
mitgestalten und bei der Umsetzung helfen.“<br />
Weitere Informationen<br />
Kraft Foods Deutschland GmbH<br />
Zentrale Bremen<br />
Langemarckstraße 4-20<br />
28199 Bremen<br />
Tel: 0421 – 599 - 01<br />
www.kraftfoods.de<br />
Abteilung Human Resources<br />
<strong>Management</strong> and Organizational<br />
Development<br />
Gabriele Rüter<br />
Gesamtbetriebsrat Deutschland<br />
Helmut Rehner<br />
Tel.: 0421 - 599 4410<br />
Sekretariat: 0421 – 599 - 4408<br />
Hrehner@krafteurope.com<br />
78
Lebenshilfe Bremen e. V.<br />
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Ältere und jüngere MitarbeiterInnen gestalten aktiv mit im Projekt <strong>zum</strong><br />
Wissenstransfer<br />
Der Betrieb<br />
Die Lebenshilfe Bremen ist eine Nicht-Profitorganisation und wurde 1960 von<br />
einer Elterninitiative gegründet, deren Kinder eine geistige Behinderung hatten.<br />
Gemeinsam setzen sich seitdem in der Lebenshilfe Eltern, Angehörige und<br />
Fachleute dafür ein, dass jeder Mensch mit geistiger Behinderung so selbständig<br />
wie möglich leben kann und so viel Schutz und Hilfe erhält, wie er<br />
braucht. Das Wohl von Menschen mit geistiger Behinderung und deren Familien<br />
wird von der Lebenshilfe durch die Vorhaltung folgender Angebote gewährleistet:<br />
• Beratung<br />
• Familienunterstützende Angebote<br />
• Ambulante pädagogische Hilfen<br />
• Ambulante Pflege<br />
• Wohnangebote<br />
• Freizeit- und Reiseangebote<br />
• Übersetzungsbüro für leichte Sprache<br />
• Frühförderung<br />
• Krankengymnastik<br />
Diese Angebote werden von ca. 450 MitarbeiterInnen mit unterschiedlichen<br />
beruflichen Qualifikationen wie z. B. BehindertenpädagogInnen, SozialpädagogInnen,<br />
ErzieherInnen usw. erbracht. Die Belegschaft hat dabei folgende<br />
Altersstruktur:<br />
• ca. 130 MitarbeiterInnen bis 30 Jahre<br />
• ca. 260 MitarbeiterInnen zwischen 31 und 50 Jahren<br />
• ca. 60 MitarbeiterInnen über 50 Jahre<br />
79
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Ausgangslage<br />
• Durch lange Betriebszugehörigkeiten, bedingt durch eine geringe Personalfluktuation<br />
sowie durch die auslaufenden gesetzlichen Frühverrentungsmodelle<br />
wird sich die Altersstruktur der Belegschaft in Zukunft dahingehend<br />
verändern, dass sie zu einem größeren Anteil aus älteren MitarbeiterInnen<br />
bestehen wird.<br />
• Aufgrund des Kostendrucks werden jüngere MitarbeiterInnen seit den letzten<br />
Jahren nur noch befristet eingestellt. Ein guter Wissenstransfer ist deshalb<br />
notwendig.<br />
• Es wurde von der Lebenshilfe erkannt, dass das Wissensmanagement zwischen<br />
den Generationen, speziell zwischen dem ambulanten Pflegebereich<br />
(überwiegend besetzt mit jüngeren MitarbeiterInnen) und dem Bereich<br />
Wohneinrichtungen (überwiegend besetzt mit älteren MitarbeiterInnen)<br />
noch unzureichend ist.<br />
Maßnahmen im Bereich Wissenstransfer<br />
Vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass qualitativ hochwertige Arbeit auch<br />
in einem hohen Maße vom Wissenstransfer zwischen jüngeren und älteren<br />
Beschäftigten, die häufig unterschiedliche Erfahrungen und Kompetenzen<br />
besitzen, abhängt, hat sich die Bremer Lebenshilfe für ein bundesweit ausgeschriebenes<br />
Projekt der Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildungsforschung<br />
e.V. beworben. Die Bremer Lebenshilfe hat dabei neben drei Wirtschaftsunternehmen<br />
den Zuschlag für das Projekt „Gemeinsames Lernen von<br />
älteren und jüngeren MitarbeiterInnen“ erhalten.<br />
Das Projekt ist für einen Zeitraum von 22 Monaten angelegt und wird von der<br />
Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildungsforschung e.V. Berlin/Qualifikations-Entwicklungs-<strong>Management</strong><br />
(QUEM) finanziell gefördert. Dadurch wird<br />
auch die externe Beratung des Projektes bei der Lebenshilfe finanziert, die das<br />
AIB (Arbeitswissenschaftliches Institut Bremen) der Universität Bremen übernommen<br />
hat. Für die organisatorische Durchführung, Planung und Kontrolle<br />
sorgt zudem die Steuerungsgruppe bestehend aus Geschäftsführung, Betriebsrat,<br />
Bereichsleitung und AIB. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt<br />
von der RWTH Aachen (Rheinisch-Westfälisch Technische Hochschule<br />
Aachen).<br />
80
Die Bremer Lebenshilfe strebt mit dem Projekt folgende Ziele an:<br />
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
• Erfahrungen (von Jüngeren und Älteren) aufeinander beziehen und durch<br />
Erfahrungsaustausch voneinander profitieren<br />
• gemeinsames Lernen fördern<br />
• Potenzial aller Altersstufen nutzen<br />
• mögliche Ressentiments reduzieren<br />
• Blick auf die jeweils „Anderen“ stärken<br />
• geeignete Modelle <strong>zum</strong> gemeinsamen Lernen entwickeln und implementieren<br />
• verschiedene Arbeitsbereiche besser miteinander vernetzen, die entweder<br />
überwiegend von jüngeren (Beispiel ambulanter Pflegebereich) oder von<br />
älteren Beschäftigten (Beispiel Wohnbereich) besetzt werden<br />
Nach Ablauf der 22-monatigen Projektlaufzeit sollen dann diese Maßnahmen<br />
so weit in die Organisation der Lebenshilfe integriert sein, dass sie selbständig<br />
und kontinuierlich weitergeführt werden können. Seit Ende Mai 2005 ist die<br />
erste Phase des Projektes angelaufen. Erster Projektschritt dabei war herauszufinden,<br />
über welche konkreten Kompetenzen die unterschiedlich alten Beschäftigten<br />
der Bremer Lebenshilfe verfügen.<br />
Hierfür wurden zwei Projektgruppen gebildet, die jeweils aus jüngeren und<br />
älteren Beschäftigten zusammengesetzt wurden. Diese Projektgruppen wurden<br />
dabei aber nicht ausschließlich nach Anzahl der Lebensjahre in „alt“ (über 50<br />
Jahre) und „jung“ (20 – 30 Jahre) eingeteilt, sondern auch nach Jahren der<br />
Betriebszugehörigkeit. So wurden einerseits Personen mit einer Betriebszugehörigkeit<br />
von weniger als zwei Jahren der Gruppe der Jüngeren zugeteilt,<br />
während der Gruppe der Älteren Beschäftigte mit mehr als sieben Jahren<br />
Betriebszugehörigkeit zugeordnet wurden.<br />
Die erste Aufgabe für die Gruppen bestand darin, die Kompetenz der anderen<br />
Altersgruppe einzuschätzen. Daraus resultierende Ergebnisse liegen bereits<br />
vor. So schätzte die Arbeitsgruppe der Jüngeren die Kompetenzen der Älteren<br />
wie folgt ein:<br />
• Ältere MitarbeiterInnen haben ein gutes Biografiewissen sowohl bezüglich<br />
derer, die ambulante Pflegedienste in Anspruch nehmen als auch bezüglich<br />
der im Heim befindlichen BewohnerInnen,<br />
• kennen die Strukturen und Arbeitsabläufe der Lebenshilfe und die dazugehörigen<br />
AnsprechpartnerInnen,<br />
81
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
• haben Erfahrungen im Umgang mit KollegInnen, Vorgesetzten sowie<br />
externen KooperationspartnerInnen wie z. B. Behörden,<br />
• haben Erfahrungen im Umgang mit den KlientInnen – speziell in Notfallsituationen,<br />
• können durch ihre Berufserfahrung neue Ideen zur Gestaltung und zur<br />
Umsetzung in den Arbeitsbereichen beitragen.<br />
Die Projektgruppe der Älteren schätzt wiederum die Kompetenzen der<br />
Jüngeren folgendermaßen ein:<br />
• Jüngere MitarbeiterInnen besitzen kreative und unkonventionelle Ideen und<br />
haben eine hohe Innovationskraft,<br />
• besitzen einen unvoreingenommenen Blick für strukturelle Verbesserungsnotwendigkeiten<br />
in der Organisation,<br />
• besitzen ein gutes Einfühlungsvermögen für jüngere NutzerInnen,<br />
• haben einen Vorteil im Umgang mit neuen Technologien.<br />
Parallel zur Erhebung altersspezifischer Kompetenzen wurden schon – und<br />
werden auch zukünftig – in mehreren Pilotbereichen verschiedene Lernformen<br />
für jüngere und ältere MitarbeiterInnen erprobt. Dazu haben sich innerhalb der<br />
Belegschaft intergenerative Arbeitsgruppen zu folgenden Themenbereichen<br />
gebildet:<br />
• Einrichtung eines „Kreativcenters“:<br />
In diesem sollen ältere und jüngere MitarbeiterInnen gemeinsame Strategien<br />
für die betriebliche Zukunft der Lebenshilfe entwickeln<br />
• Entwicklung strukturierter Patenschaften / Mentoring:<br />
Jüngere MitarbeiterInnen, junge Aushilfskräfte und Personen, die ein<br />
freiwilliges soziales Jahr bei der Lebenshilfe leisten, sollen hierbei gezielt<br />
vom Fachwissen und den Berufserfahrungen der älteren MitarbeiterInnen<br />
profitieren. Hierzu werden sich zukünftig sogenannte Tandems zwischen<br />
jüngeren (Mentees) und älteren Arbeitskräften (Mentoren und Mentorinnen)<br />
bilden.<br />
82
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
• Entwicklung von Modellen der internen kollegialen Weiterbildung:<br />
Hier soll herausgefunden werden, wie jüngere und ältere Beschäftigte im<br />
Sinne der Wissensweitergabe voneinander profitieren können. Dazu<br />
werden Konzepte erarbeitet, anhand derer <strong>zum</strong> einen jüngere MitarbeiterInnen<br />
ihr Wissen bezüglich z. B. neuer, aktueller pädagogischer Konzepte<br />
oder neuer Technologien an ältere MitarbeiterInnen weitergeben<br />
können. Zum anderen soll dabei erfahren werden, wie das Praxiswissen<br />
älterer Beschäftigten (z. B. Infos über Bewohnerbiografien) in möglichst<br />
effektiver Weise den jüngeren MitarbeiterInnen (weiter)vermittelt werden<br />
kann.<br />
• Entwicklung eines Modells zur Kompetenzsicherung:<br />
Es werden von einer Arbeitsgruppe Lösungsvorschläge <strong>zum</strong> Thema Qualifikationserhalt<br />
und Wissenstransfer beim Ausscheiden von älteren<br />
Beschäftigten erarbeitet.<br />
• Einsatz von „Forscherteams“:<br />
Bestehend aus je einem/r älteren und einem/r jüngeren MitarbeiterIn sollen<br />
die Teams Probleme im eigenen Arbeitsbereich ermitteln und dann<br />
„erforschen“ wie in anderen Bereichen der Lebenshilfe mit ähnlichen<br />
Problemen umgegangen wird. Dabei soll auch ein positiver Nebeneffekt<br />
in Form einer besseren Vernetzung der bisher voneinander getrennt agierenden<br />
Wohn- und Ambulanten Bereiche erzielt werden. 1<br />
Anhand der dargestellten Maßnahmen wird erkennbar, dass die Bremer<br />
Lebenshilfe mit diesem Projekt einen äußerst partizipativen Ansatz verfolgt.<br />
Dabei werden die Lösungsvorschläge nicht nur eigenständig von den Beschäftigten<br />
erarbeitet, sondern darüber hinaus auch von ihnen Themenvorschläge<br />
eingereicht, zu denen sich zukünftig neue Arbeitsgruppen bilden können. Dass<br />
dieser Ansatz wie auch das Projekt im allgemeinen von den Beschäftigten sehr<br />
positiv angenommen wird, zeigt sich nach Meinung des Betriebsrates sowohl<br />
anhand der reichhaltigen und aktiven Teilnahme an den verschiedenen<br />
Arbeitsgruppen als auch an der Menge an Ideen hinsichtlich der bisher eingereichten<br />
Themenvorschläge.<br />
1 Die Ergebnisse der einzelnen Arbeitsgruppen zu den hier aufgezeigten Themen liegen noch<br />
nicht vor.<br />
83
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Stellungnahmen<br />
Geschäftsführung:<br />
„Immer wieder ist der Presse zu entnehmen, dass sich Unternehmen zwecks<br />
Kosteneinsparungen von älteren MitarbeiterInnen trennen und diese sodann in<br />
die Langzeitarbeitslosigkeit oder Auffanggesellschaften überführen. Betroffen<br />
sind hiervon in der Regel Personen ab dem 50. Lebensjahr.<br />
Nach Auffassung der Lebenshilfe Bremen e.V. sind solche Maßnahmen nicht<br />
nur unsozial, sondern auch im Hinblick auf eine längerfristige Unternehmensentwicklung<br />
zu kurz gedacht. Ältere ebenso wie jüngere MitarbeiterInnen verfügen<br />
jeweils über ein hohes Maß unterschiedlicher Kompetenzen, Wissen und<br />
Erfahrungen, die sowohl für Non-Profit als auch für Profit-Unternehmen von<br />
großer Relevanz und Wichtigkeit sind. Entscheidend für eine qualitativ hochwertige<br />
Arbeit ist jedoch, dass keine Polarisierungen zwischen jungen und<br />
älteren MitarbeiterInnen stattfinden, sondern dass in einem Prozess gegenseitiger<br />
Anerkennung und Wertschätzung ein gegenseitiger Wissenstransfer stattfinden<br />
kann.“<br />
Betriebsrat:<br />
„Die derzeitige Altersstruktur der MitarbeiterInnen der Lebenshilfe Bremen<br />
macht eine Auseinandersetzung mit der Thematik des demografischen Wandels<br />
und dessen Folgen unausweichlich.<br />
Die Personalpolitik in unserem Betrieb sollte sich in Zukunft darauf konzentrieren,<br />
den Bedarf an hochqualifiziertem Personal durch Weiterentwicklung<br />
der qualifikatorischen Potentiale aller Altersgruppen zu erreichen.<br />
Aus diesem Grund steht der Betriebsrat der Lebenshilfe Bremen dem Projekt<br />
sehr positiv gegenüber und wird die Umsetzung in allen Schritten begleiten<br />
und unterstützen.<br />
Wir erhoffen uns von diesem Projekt für die Mitarbeiterschaft positive Effekte<br />
um innerbetrieblich gerüstet zu sein für die Auswirkungen des demografischen<br />
Wandels in der Arbeitswelt.“<br />
84
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Ein solches Projekt ist ohne externe Unterstützung kaum durchführbar. Deshalb<br />
ist die Unterstützung durch das AIB (Arbeitswissenschaftliches Institut<br />
Bremen) unter der Leitung von Herrn Prof. Heeg und Frau Dr. Sperga von<br />
großer Wichtigkeit.“<br />
Weitere Informationen<br />
Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung<br />
Bremen e.V.<br />
Waller Heerstraße 55<br />
28217 Bremen<br />
Tel: 0421 – 38777 - 0<br />
www.lebenshilfe-bremen.de<br />
Betriebsrat<br />
Lena Rolfes-Timmreck und Gerd Mensen<br />
Tel: 0421 - 38777 - 88<br />
betriebsrat@lebenshilfe-bremen.de<br />
85
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
86
Das Instrument Job Rotation<br />
Intelligente Lösungen für betrieblichen Qualifikationserhalt und<br />
Wissenstransfer<br />
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
„Das Umdenken hat eingesetzt“ sagt Dr. Hans-Peter Klös vom Institut der<br />
Deutschen Wirtschaft <strong>zum</strong> Thema ‚Ältere Arbeitnehmer’, Frühverrentung wird<br />
bereits allgemein als „wenig intelligente“ Lösung diskutiert, vom „Leitbildwechsel“<br />
ist in der Fachpresse die Rede. Die Notwendigkeit, ältere Arbeitnehmerinnen<br />
und Arbeitnehmer zu einer besonderen Zielgruppe der Personalentwicklung<br />
zu machen, wird inzwischen weithin anerkannt.<br />
Praktikable Umsetzungsstrategien einer solchen Personalentwicklung sind<br />
allerdings schon weit weniger bekannt. Häufig verlassen ältere Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter noch eher unfreiwillig den Betrieb. Sie wünschen sich<br />
flexible Übergangslösungen – nicht nur wegen der Auswirkungen auf die<br />
Rente.<br />
Das JobAQTIV-Gesetz hat seit 2002 bereits Instrumente für die individuelle<br />
Förderung von betrieblichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über 50 Jahren<br />
bereitgestellt, zentral ist dabei die Job Rotation.<br />
Das „Büro JobRotation“ des Arbeitsförderungs-Zentrums kann in Bremerhaven<br />
auf unterschiedliche Beispiele verweisen: Auf regionaler Ebene hat die „intelligente<br />
Lösung“ längst begonnen.<br />
Zwei Themen sind es, die im Zusammenhang mit älteren Arbeitnehmern<br />
immer wieder in den Vordergrund gestellt werden: der Qualifikationserhalt für<br />
den Betrieb und der Wissenstransfer auf die jüngeren Mitarbeiter. Hier besonders<br />
auch für kleine und mittlere Unternehmen praktikable Lösungen aufzuzeigen,<br />
ist das Gebot der Stunde.<br />
Qualifikationserhalt<br />
Ein typischer Fall: Nach dem Weggang des älteren Mitarbeiters fehlen plötzlich<br />
wesentliche Informationen und stehen dem Betrieb nicht mehr zur Verfü-<br />
87
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
gung. Und nicht selten werden sie von eben diesem Mitarbeiter dann wieder<br />
eingekauft – nicht gerade ein Fall effektiven Wissensmanagements.<br />
Das Beispiel einer 53-jährigen Stammkraft in der Baubetreuung, deren Weiterbeschäftigung<br />
wegen starker gesundheitlicher Beeinträchtigung gefährdet war,<br />
zeigt, dass es auch anders geht. Da der langjährige Beschäftigte eine wichtige<br />
Rolle für die Durchführung der Aufträge hatte, sollte er auf keinen Fall entlassen<br />
werden.<br />
Man konnte und wollte auf seine Kenntnisse und Erfahrungen nicht verzichten,<br />
das Unternehmen einigte sich daher mit ihm auf eine Versetzung in den<br />
Innendienst. Jahrelang mit der Bauaufsicht vor Ort beschäftigt, fehlten bei<br />
dem Mitarbeiter allerdings grundlegende Qualifikationen im Bereich EDV, die<br />
inzwischen für die Projektabwicklung elementar sind. Daher wurde für diese<br />
Umsetzung eine entsprechende Weiterbildung angesetzt, bei der ein Trainer<br />
den Mitarbeiter möglichst arbeitsplatznah für die neue Tätigkeit qualifizierte.<br />
Es waren also umfangreichere Fortbildungsanstrengungen notwendig, ohne die<br />
eine solche Versetzung kaum sinnvoll gewesen wäre. Mit der Unterstützung<br />
durch das Büro JobRotation in Bremerhaven wurde eine Stellvertretung organisiert,<br />
durch die der Ausfall während der Weiterbildung der älteren Stammkraft<br />
zu einem erheblichen Teil kompensiert werden konnte. Als Stellvertreter<br />
wurde ein junger Ingenieur eingestellt, der die Arbeit auf den Baustellen fortführte<br />
und der nach kurzer Zeit eingestellt werden konnte.<br />
Es handelt sich hier um eine geradezu klassische Variante der Unterstützung<br />
einer Weiterbeschäftigung älterer Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen: Job<br />
Rotation begleitet den Wechsel des Mitarbeiters, der nur noch eingeschränkt<br />
auf seinem bisherigen Arbeitsplatz einsetzbar ist, auf einen anderen Arbeitsplatz<br />
im Unternehmen. Dies ist nach dessen Kalkulationen oft zu aufwendig,<br />
nicht geplante Investitionen für den Übergang sind notwendig, Einzelqualifizierung<br />
ist kostenintensiv.<br />
Hier bietet Job Rotation eine ideale Lösung: Eine passende Nachwuchskraft<br />
wird als Stellvertreter eingestellt, der Aufwand und die Kosten für eine entsprechende<br />
Anpassungsfortbildung können so merklich minimiert werden. Und<br />
die Frage der Neueinstellung in dem bisherigen Arbeitsbereich des älteren<br />
Arbeitnehmers wird mit dieser Form der Personalentwicklung unmittelbar<br />
gelöst: Einstellung als neuer Mitarbeiter, wenn Stellvertreter und Unternehmen<br />
zueinander passen.<br />
88
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Das Büro JobRotation entlastet die Beteiligten so weit wie möglich: Es sucht<br />
die genau passende Stellvertreterin oder den Stellvertreter heraus, organisiert<br />
die Förderung von mindestens 50% der Lohnkosten und begleitet den Vertretungsprozess,<br />
um die Umsetzung reibungslos zu gestalten.<br />
Am Beispiel eines älteren Arbeitnehmers, der als Stellvertreter eingestellt<br />
wurde, wird eine weitere Möglichkeit des Qualifikationserhalts für den Betrieb<br />
deutlich:<br />
In der STA GmbH, Schiffstechnik und Anlagenbau in Bremerhaven, wurde ein<br />
ehemaliger Elektromaschinenbauer zur Lagerverwaltung als Stellvertreter eingestellt.<br />
Er hatte sich während seiner Arbeitslosigkeit <strong>zum</strong> Lagerfacharbeiter<br />
umschulen lassen. Da die Firma immer auch Elektromotoren zu reparieren<br />
hat, die aber die Einstellung eines eigenen Monteurs nicht rechtfertigen, fügt<br />
sich eine solche Qualifikation eines Stellvertreters genau in das Bedarfsspektrum<br />
des Betriebs ein. Wenn überhaupt, ist ein solches breiteres Qualifikationsspektrum<br />
aber bei älteren Arbeitnehmern vorhanden, ein junger Mitarbeiter<br />
kann eine solche Doppelqualifikation in der Regel noch nicht aufweisen.<br />
Eine anschließende Festeinstellung im Anschluss an die Stellvertretung<br />
sicherte dem Betrieb dann beides: die Qualifikation eines modernen Lagerfacharbeiters<br />
und die Qualifikationen eines Elektromonteurs.<br />
Hier hat sich als Glücksfall eine passgenaue Qualifikationserweiterung eingestellt,<br />
die mit Job Rotation in Zukunft systematischer entwickelt werden kann.<br />
Denn die Regiestelle für Job Rotation kann für einen solchen Fall ein Angebot<br />
unterbreiten und dem Betrieb gleich mehrere Aufgabenstellungen der Personalentwicklung<br />
abnehmen:<br />
• die betriebliche Qualifikationsbedarfsanalyse,<br />
• die Sichtung von Weiterbildungsangeboten für betriebliche MitarbeiterInnen,<br />
• die Erschließung von Fördermöglichkeiten bis <strong>zum</strong> unterschriftsreifen<br />
Antrag,<br />
• die Suche nach dem „idealen“ Stellvertreter,<br />
• die Organisation einer Stellvertretung und<br />
• die Abwicklung einer eventuellen Festeinstellung nach Ablauf der Vertretung.<br />
89
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Wissenstransfer<br />
Schon bei den bisherigen Beispielen handelt es sich um Formen von Job<br />
Rotation, bei denen die Qualifikationen der älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
gewürdigt und weiterhin betrieblich nutzbar gemacht werden. Mit dem<br />
Thema Wissenstransfer auf jüngere Mitarbeiter steht dieser Aspekt noch in<br />
einem weitaus höheren Maße im Vordergrund.<br />
Ein gutes Beispiel: Wissenstransfer beim Kundenservice im SHK-Handwerk<br />
(Sanitär, Heizung, Klima). Gute Kundenservice-Monteure sind rar, denn ihre<br />
Qualifikation besteht nicht nur in einem Gesellenbrief des SHK-Handwerks,<br />
auch nicht einfach in einer längeren Erfahrung im Umgang mit den<br />
gebräuchlichen Geräten. Servicemonteure müssen die Firma und die<br />
Firmenphilosophie gegenüber dem Kunden vertreten können, die konkreten<br />
Geräte vor Ort warten und reparieren und dabei die Firma für einen ganzen<br />
Einzugsraum ihrer Kunden repräsentieren können.<br />
Ihr Kompetenzerwerb spielt sich daher auf einer Ebene ab, die mit zertifizierten<br />
Kursen alleine nicht zu erfassen ist, sondern im Idealfall <strong>zum</strong> Beispiel eine<br />
mehrmonatige Begleitung eines Servicemonteurs umfasst.<br />
Mit dem Instrument Job Rotation war eine solche Art der innerbetrieblichen<br />
Qualifizierung bis zu 12 Monaten möglich: Der jüngere Mitarbeiter begleitete<br />
den erfahrenen Servicemonteur, lernte den Kundenstamm und die Geräte<br />
kennen und während der Zeit dieser speziellen Qualifizierung konnte der<br />
Betrieb eine Vertretungskraft für den jüngeren Mitarbeiter beantragen.<br />
Deutlich wird dabei, dass gerade kleine und mittlere Unternehmen auf sich<br />
gestellt eine praxisnahe Organisation von Wissenstransfer nur schwer leisten<br />
können. Denn ihre Kunden sind wohl kaum bereit, sich ab sofort zwei Arbeitskräfte<br />
für einen solchen Wissenstransfer in Rechnung stellen zu lassen, wo bis<br />
dato eine Arbeitskraft ausreichend war. Das heißt: Ohne den Einsatz eines<br />
geeigneten Instruments lässt sich diese für ein Unternehmen durchaus wichtige<br />
Funktion kaum betrieblich einrichten. Und auch hier ist Job Rotation das<br />
geeignete Instrument.<br />
Das Beispiel ist auch auf andere Branchen übertragbar: Betriebswissen an<br />
speziellen Arbeitsplätzen wie z. B. neu in Betrieb genommene oder reparierte<br />
Seeschiffe mit ihren ganz speziellen Schaltanlagen und Steuerständen darf<br />
nicht auf die bestehenden, häufig schon überalterten Mannschaften be-<br />
90
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
schränkt bleiben. Die Verjüngung ist also auch hier eine eigene Betriebsaufgabe,<br />
deren Kosten allerdings die Kostenstruktur der Unternehmen deutlich<br />
verschlechtern würde.<br />
Durch Job Rotation können – wie im Beispiel der Firma STA GmbH – jüngere<br />
Mitarbeiter von den erfahrenen älteren Kollegen eingewiesen werden und von<br />
deren Erfahrungswissen über mehrere Wochen profitieren. Wissenstransfer<br />
besteht hier in einer betriebsinternen Qualifizierung an dem neuen Arbeitsplatz,<br />
dafür können Vertretungsleistungen in Anspruch genommen werden. Die<br />
erhöhten Personalkosten werden durch den geförderten Stellvertretereinsatz<br />
kompensiert.<br />
Innerbetrieblicher Wissenstransfer ist gerade in der Anfangsphase mit seinen<br />
neuen Organisationsformen und -einrichtungen häufig zeit- und daher kostenintensiv.<br />
Daher kommt eine Firma auf sich gestellt erst einmal nicht unbedingt<br />
auf solche Beispiele von Personalentwicklungslösungen, weil sie zu hohe<br />
Kosten und Organisationsaufwand erforderlich machen.<br />
Dagegen wird das Personalentwicklungsinstrument Job Rotation von der<br />
öffentlichen Hand bereitgestellt und ist von vornherein mit einem viel geringeren<br />
Aufwand für den einzelnen Betrieb zu kalkulieren – <strong>zum</strong>al noch umfangreiche<br />
Beratungs- und Organisationsleistungen durch das Büro JobRotation hinzukommen.<br />
Hier liegt noch Potenzial brach, das die Firmen noch zu wenig zur<br />
Kenntnis genommen haben und breiter nutzen könnten.<br />
Die Flexibilität in den Förder- wie in den Einsatzbedingungen einer Stellvertretungslösung<br />
ist dabei der entscheidende Gesichtspunkt, der das Instrument<br />
gerade auch in Verbindung mit der Personalentwicklung durch Wissenstransfer<br />
von älteren Mitarbeitern so interessant macht. Wird Job Rotation erst einmal<br />
von einem Unternehmen als eine solche flexible Lösung in der Praxis eingesetzt,<br />
kann sich auch eine langfristige Kooperation entwickeln.<br />
Das Büro JobRotation in Bremerhaven hat seit 2001 etliche „Stammkunden“<br />
gewonnen, die das Instrument inzwischen <strong>zum</strong> zweiten oder dritten Mal für<br />
ihre Personalentwicklung nutzen. Für eine ganze Reihe von Bremerhavener<br />
Unternehmen ist das Büro JobRotation also schon ein eingespielter Partner für<br />
Fragen der Personalentwicklung.<br />
91
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Weitere Informationen<br />
AFZ Arbeitsförderungs-Zentrum im Lande<br />
Bremen GmbH<br />
Deichstraße 29<br />
27568 Bremerhaven<br />
Projektleitung Job Rotation<br />
Karl Wöstmann<br />
Tel: 0471 - 9 83 99 - 17<br />
karl.woestmann@afznet.de<br />
92
Anhang<br />
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
“Vorbildliche betriebliche Regelungen einer alter(n)sgerechten Personalpolitik<br />
– Beispiele guter Praxis in Bremer und Bremerhavener Betrieben“<br />
Ziel der Erhebung:<br />
• Die Beispiele guter Praxis werden in einer Broschüre der Arbeitnehmerkammer<br />
dargestellt.<br />
• Die Beispiele sollen andere Unternehmen und Organisationen dazu<br />
motivieren und inspirieren, ebenfalls eine demografiegerechte Personalpolitik<br />
umzusetzen bzw. ihre entsprechenden Aktivitäten zu veröffentlichen.<br />
• Die Veröffentlichung soll Bremer BürgerInnen über die Aktivitäten der<br />
Bremer Unternehmen und Organisationen in bezug auf die Demografiethematik<br />
informieren.<br />
• Die Beispiele sollen verschiedene Thematiken und Aspekte aufzeigen (siehe<br />
unten).<br />
• Der Hintergrund der Firma wird dabei immer kurz erklärt (z. B. Branche,<br />
Belegschaftsstruktur, Produkte etc.).<br />
• Die Betriebsbeispiele werden nur in Absprache und mit der Zustimmung<br />
des jeweiligen Unternehmens veröffentlicht.<br />
Mindestens einer der folgenden Themenschwerpunkte soll im jeweiligen<br />
Betriebsbeispiel enthalten sein:<br />
• Altersstrukturanalysen und Konsequenzen: Ist die Zusammensetzung der<br />
Altersgruppen bekannt – und fließen diese Erkenntnisse in die Personalpolitik<br />
ein?<br />
• Weiterbildung: Erhalten auch ältere MitarbeiterInnen die Chance, sich zu<br />
qualifizieren und ihre Kompetenz zu erweitern?<br />
• Gesundheit (Prävention und Förderung): Wird gesundheitliche Vorsorge<br />
bzw. Förderung in den Betrieben umgesetzt?<br />
• Arbeitsorganisation: Sind die Tätigkeitsbereiche so gestaltet, dass die<br />
Beschäftigten sie auch bis <strong>zum</strong> 65. Lebensjahr tatsächlich ausführen<br />
können?<br />
• Wissenstransfer: Gibt es eine gezielte Förderung des Wissenstransfers<br />
zwischen Älteren und Nachwuchskräften?
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
Quick Check für Interview:<br />
1) Ist die Zusammensetzung der Altersgruppen bekannt – und fließen diese<br />
Erkenntnisse in die Personalpolitik ein?<br />
2) Besteht die Belegschaft zu gleichen Teilen aus jungen, mittelalten und<br />
älteren ArbeitnehmerInnen?<br />
3) Ist die Unternehmenskultur an einem Miteinander der Generationen<br />
orientiert (Bsp.: soziale Geborgenheit)?<br />
4) Sind die Tätigkeitsbereiche so gestaltet, dass die Beschäftigten die<br />
Arbeit bis <strong>zum</strong> 65. Lebensjahr tatsächlich ausführen können?<br />
5) Werden die MitarbeiterInnen aktiv bei der Gestaltung ihrer Arbeitsbedingungen<br />
beteiligt?<br />
6) Gelingt es problemlos, bedarfsdeckend junge Fachkräfte auszubilden<br />
oder zu rekrutieren?<br />
7) Erhalten alle – auch ältere MitarbeiterInnen – die Chance, sich zu qualifizieren<br />
und ihre Kompetenz zu erweitern?<br />
8) Gibt es eine gezielte Förderung des Wissenstransfers zwischen Älteren<br />
und Nachwuchskräften?<br />
9) Wird allen MitarbeiterInnen im Unternehmen eine berufliche Entwicklungsperspektive<br />
geboten – oder gilt die Berufsplanung nur für die<br />
Jüngeren?<br />
94
Arbeitnehmerkammer Bremen
Arbeitnehmerkammer Bremen<br />
96