FBW Jubilumsausgabe - Verein für Sozialarbeit
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Reitfreizeit <strong>für</strong> junge Frauen<br />
„Das Wichtigste<br />
<strong>für</strong> mich in meiner<br />
Zeit als Betreu-<br />
ter war, dass ich<br />
eine Vertrau-<br />
ensperson hatte,<br />
die immer <strong>für</strong><br />
mich da war. Denn<br />
nur so konnte<br />
ich selbstbewusst<br />
mit meiner Ho-<br />
mosexualität um-<br />
gehen. Außer-<br />
dem hätte ich ohne<br />
die mentale Un-<br />
terstützung wohl<br />
mein Abitur<br />
nicht bekommen.<br />
Danke!“<br />
36<br />
nächsten Tag hieß es früh aufstehen. Um 10.00 Uhr gab es auf dem Reiter-<br />
hof eine Hofführung <strong>für</strong> uns. Die jungen Damen konnten es kaum er-<br />
warten ihre Pferde zu sehen. Wie mochte das Tier wohl sein, auf dessen<br />
Rücken es bald hieß sich zu schwingen? Freudige Erwartungen, aber auch<br />
Sorgen und Bedenken wurden laut oder auch nur leise gedacht. Dann ging<br />
alles plötzlich ganz schnell, eh sich alle versahen, stand jede neben einem<br />
Pferd. Es wurde gebürstet und gestriegelt, Sättel geschleppt und auf die<br />
Pferderücken gehievt um dann mühevoll festgezurrt zu werden, dann zö-<br />
gerlich und unsicher das Zaumzeug über den Kopf des Pferdes gestreift<br />
und festgeschnallt. Währenddessen steht jedes Pferd mit geradezu stoischer<br />
Ruhe neben seiner Reiterin, die begann mehr und mehr Zutrauen<br />
zu fassen. Die drei jungen Frauen im Alter von 18 und 19 Jahren wurden<br />
durch das Reiten und den Umgang mit dem Pferden jede auf ihre individuelle<br />
Weise angesprochen.<br />
Monika: Ist im Leben viel <strong>für</strong> Andere da. In diesen Tagen war sie plötzlich ganz<br />
auf sich zurück geworfen, was zunächst kaum aushaltbar <strong>für</strong> sie zu sein schien.<br />
Nahe daran vorzeitig die Heimreise anzutreten, ging sie jedoch an ihre Gren-<br />
zen und konnte schließlich feststellen, wie gut es tat einmal los zu lassen.<br />
Zu Beginn unsicher und ängstlich dem Pferd gegenüber, traute sie sich nach<br />
und nach sozusagen „die Zügel in die Hand zu nehmen“ und machte<br />
große Fortschritte. Am ersten Tag kostete sie es große Überwindung ihrem<br />
Pferd die Hufe hoch zu nehmen, um diese von Schmutz und evtl. spitzen<br />
Steinen zu befreien. Aber bereits nach zwei Tagen tat sie genau dies mit<br />
einer Selbstverständlichkeit als würde sie seit Jahren nichts anderes ma-<br />
chen. Schließlich war sie so begeistert von den Pferden, dem Reiten und der<br />
Ruhe in der Natur, dass sie gerne einige Tage länger geblieben wäre.<br />
Sabine: Ist sehr dünn geworden. Sie kämpft seit Jahren mit dem Essen.<br />
Alles unter Kontrolle zu haben, ist ihr sehr wichtig. Zu ihrem Körper hat<br />
sie wenig Bezug und wenn, dann empfindet sie diesen eher negativ. Da es<br />
ihr wichtig war die Kontrolle über das Pferd zu bekommen, gelang es ihr<br />
mehr und mehr ihren Körper bewusst wahrzunehmen und aktiv einzusetzen.<br />
Sie merkte sehr schnell, dass Reiten mit dem Kopf allein nicht funktioniert,<br />
vielmehr erfordert Reiten vollen Körpereinsatz. Über das Pferd konnte sie<br />
so ansatzweise einen neuen Zugang zu ihrem Körper bekommen.<br />
Christine: Fällt es schwer sich zu konzentrieren. So kommt sie gerne „vom<br />
Hundertsten ins Tausende“. Sie war schon turniererfahren und wollte<br />
schnell hoch hinaus, hatte jedoch Schwierigkeiten im Hier und Jetzt. So<br />
gelang es ihr nur schwer ihr Pferd im da<strong>für</strong> vorgesehenen zeitlichen<br />
Rahmen reitfertig zu machen. Dieser Umstand stand im Widerspruch zu<br />
ihrem Wunsch reiterlich schnell viel dazu zu lernen. Wollte sie ihrem<br />
Ziel näher kommen, war sie sozusagen „genötigt“ sich auf das Jetzt zu kon-<br />
zentrieren und einen Schritt nach dem anderen zu tun. Christine wurde<br />
sozusagen ganz nebenbei mit ihrem Thema: „Eigene Grenzen und Gren-<br />
zen Anderer wahrzunehmen, zu akzeptieren oder gegebenenfalls zu<br />
erweitern“ konfrontiert. Die Teilnehmerinnen waren allesamt auf ihre Weise<br />
sehr begeistert von dieser Freizeit. - Sonja Nitsch