2012/3 - Rudolf-Steiner-Schule Schwabing
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Puppenspiel – Spiel oder Spielerei?<br />
Die Anfänge des Puppenspiels an der <strong>Rudolf</strong>-<strong>Steiner</strong>-<strong>Schule</strong> in <strong>Schwabing</strong> liegen mehr als eine<br />
Generation zurück und waren geprägt von Gegebenheiten, die man sich heute gar nicht mehr<br />
vorstellen kann.<br />
Aus der Initiative der Werklehrerin Juliane Hauck entstand vor mehr als 35 Jahren die Puppenspielarbeit.<br />
Eine ferne Zeit ist das: Da führte Frau Hauck wöchentlich eine Gruppe von Schulmüttern<br />
einen Vormittag lang in die Geheimnisse des Märchens und des Puppenspiels ein und<br />
baute Figuren mit ihnen. Wenn die fertig waren, was schon mal bis zu drei Jahren dauern konnte,<br />
wurde inszeniert, geprobt und gespielt. Zu dieser Zeit entstand eine Reihe von Märchenspielen,<br />
die auf improvisierten Bühnen in Werkräumen gezeigt wurden: z. B. „Der Bärenhäuter“ und „Der<br />
Teufel mit den drei goldenen Haaren“.<br />
Immer erfahrener wurden die SpielerInnen, immer besser die Spiele, bis schließlich „Wassilissa“,<br />
ein russisches Märchen, mit hohem künstlerischen und musikalischen Anspruch zu sehen war,<br />
das auch bei der Aufführung im Goetheanum in Dornach großen Anklang fand. Damit war der<br />
Jeden Herbst wartet ein treues Stammpublikum auf den Beginn der Spielsaison. Es kommen<br />
längst nicht mehr nur die Kinder und Eltern unserer Waldorfschulen, sondern sehr viele externe<br />
Zuschauer, die sich so ein Bild vom Charakter und Leben unserer <strong>Schule</strong> machen können und ein<br />
eigenes Verständnis gewinnen dafür, was da geschieht. Das sehen wir als Beitrag zu einer positiven<br />
Außenwirkung der <strong>Schule</strong>. Manche Eltern / Kinder sind auf dem Weg über das Puppenspiel<br />
an die <strong>Schule</strong> gekommen. Ein bemerkenswertes Phänomen ist, dass sich inzwischen ebenso viel<br />
Erwachsene an den Spielen erfreuen wie Kinder, es gibt auch hier ein Bedürfnis nach den Wahr-<br />
Bildern der Märchen.<br />
Für Zuschauer und Spieler ist es ein besonderes Erlebnis, wenn die Spiele den Klassen der Unterstufe<br />
im Rahmen des Hauptunterrichts gezeigt werden können. Wenn dann die Bilder kommen,<br />
die die Kinder im Anschluss in den Klassen malen, wird deutlich, wie intensiv sie die Märchenbilder<br />
beeindruckt haben.<br />
An den Puppenspiel-Wochenenden, die seit 18 Jahren zum festen Monatsablauf der <strong>Schule</strong><br />
gehören, sind die Stücke der beiden Marionettenbühnen so auf einander abgestimmt, dass<br />
kleinere und größere Kinder „bedient“ werden, während das Tischpuppenspiel der Kindergärtne-<br />
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allgemeine Wunsch wach geworden, das Puppenspiel auf Dauer an der <strong>Schule</strong> zu etablieren und<br />
ihm einen festen Spielort zu geben. So entstand nach langer Planung die eingebaute „Große Marinnen<br />
für die ganz Kleinen gedacht ist.<br />
In der Spielsaison 2011/<strong>2012</strong> freuten sich 1150 Zuschauer an den Spielen, allein über 300 beim 39<br />
rionettenbühne“ im Raum 207. Zu deren Aufführungen kommen seit 14 Jahren die inzwischen<br />
Adventsfest, dazu kommen die 430, die an einem Wochenende im März die „Tokkel-Bühne“<br />
fünf Märchenspiele der „Blauen Marionettenbühne“, die im Raum 204 steht.<br />
gesehen haben.<br />
Seit den Anfängen des Puppenspiels an der <strong>Schule</strong> hat sich die Welt verändert; welche Mütter<br />
Die Puppenspieler arbeiten ehrenamtlich (für die Tokkel-Bühne müssen wir Gage zahlen). Aus<br />
können sich heute noch einen ganzen Vormittag lang in der <strong>Schule</strong> mit Puppenspiel beschäfti-<br />
den Kostenbeiträgen werden zunächst die jeweils neuen Inszenierungen finanziert, der weitaus<br />
gen oder welche Eltern viele Abende und Wochenenden für Proben drangeben? Das ist einer der<br />
größere Teil aber wird regelmäßig für das Rumänienprojekt der 11. Klasse, für die Partnerschule<br />
Gründe, weshalb junge Eltern nicht mehr einsteigen und die meisten Spieler ins Großelternalter<br />
in Rom und, je nach aktuellem Bedarf, für Puppenspiel-Projekte an Waldorfeinrichtungen in<br />
gekommen sind. Viele der Puppenspieler halten ihrer Aufgabe und der <strong>Schule</strong> schon über 20<br />
Georgien und Südafrika gespendet.<br />
Jahre die Treue. Sie bauen die Marionetten und schneidern die Kostüme, entwerfen und bauen<br />
So kommt es zu einer ganz besonderen Art des Geldumlaufs: die Eltern geben ihren Beitrag für<br />
das Bühnenbild, ein bis zwei Jahre dauert das, und dann beginnen die zeitaufwendigen Proben<br />
die Freude der Kinder, das Märchenspiel zu sehen, ein großer Teil der Einnahmen fließt dann in<br />
an den Abenden und Wochenenden.<br />
Warum machen sie es? Es geht nicht um „Basteln“, vielmehr ist es eine Berufung, ein Anliegen,<br />
soziale Projekte, die wiederum ihren Teilnehmern neue Chancen und Freude bringen.<br />
das mit dem der <strong>Schule</strong> konform geht. <strong>Rudolf</strong> <strong>Steiner</strong> nannte das Puppenspiel “ein Heilmittel<br />
gegen Zivilisationsschäden“, die wir heute mit aller Heftigkeit zu spüren bekommen. Besonders<br />
die Kinder, die ja Bilder aufnehmen, weil sie sich seelisch davon ernähren wollen, haben keine<br />
Möglichkeit, aus den sie überflutenden Bildern die ihrem Entwicklungsstand entsprechenden<br />
herauszufiltern. Diese Überforderung kann verhärtend und die Gefühle abtötend auf die<br />
bildsamen Seelen der Kinder wirken. Puppenspiele mit sinnerfüllten Bildern unterstützen eine<br />
positive Kindesentwicklung.<br />
An unserer <strong>Schule</strong> spielen wir hauptsächlich Märchen. Das sind keine erfundenen Geschichten,<br />
die Märchen kommen aus dem Mythenbereich und beschreiben tiefgründig urbildhaft mehr als<br />
nur menschliches Individualschicksal. Sie berichten von tiefer liegenden, den Menschen allgemein<br />
betreffenden seelischen und geistigen Zuständen. Das Kind versteht diese Bildersprache,<br />
es fühlt sich erinnert an die Welt, aus der es gekommen ist, und gewinnt daraus Sicherheit, Mut<br />
und Freude am Dasein.<br />
cIllI Und MathIaS UEblacKER