2012/3 - Rudolf-Steiner-Schule Schwabing
2012/3 - Rudolf-Steiner-Schule Schwabing
2012/3 - Rudolf-Steiner-Schule Schwabing
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Rückblick und Ausblick<br />
WIRtSchaFt andERS dEnKEn – bRüdERlIch WIRtSchaFtEn<br />
WERKStatttaGE vOM 3. bIS 6. OKtObER <strong>2012</strong> an dER<br />
RUdOlF-StEInER-SchUlE ISManInG<br />
Wie ein roter Faden zog sich die Erkenntnis durch die Werkstatttage, dass wir Menschen weiter<br />
sind, als die Verhältnisse. Jeder von uns arbeitet durch die Arbeitsteilung schon längst selbstlos<br />
ganz für die anderen Menschen und diese arbeiten für uns selber, aber das ist nicht in unserem<br />
Bewusstsein angekommen und schon gar nicht in der Gestaltung der wirtschaftlichen Einrichtungen.<br />
Dort wird immer noch der Egoismus als Triebfeder und Dreh- und Angelpunkt genährt.<br />
Wir Menschen sind also weiter, als die Verhältnisse, aber auf der anderen Seite gilt auch die Ergänzung<br />
dieser Wahrheit durch die Ermahnung von Boniface Mabanza aus der Demokratischen<br />
Republik Kongo, die Macht der Verhältnisse nicht zu unterschätzen. Denn wie ist es möglich,<br />
dass eines der fruchtbarsten und an Bodenschätzen reichsten Länder der Erde wie der Kongo<br />
40<br />
zu den ärmsten Ländern der Erde gehört? In einer zynischen Entstellung des heilsamen brüderlichen<br />
Wirtschaftens teilen sich reiche Industrieländer und kongolesische Herrschaftscliquen<br />
„brüderlich“ die Beute aus dem geplünderten und geschundenen Land.<br />
41<br />
Die meisten Teilnehmer an den Werkstatttagen, Oberstufenschüler wie Erwachsene, beschrieben<br />
unsere gängige Wirtschaft treffend und formulierten auch übereinstimmend, dass eine<br />
Wirtschaft, die sie haben wollen, gerecht und von allen bestimmt sein muss. Es gibt bei uns<br />
und weltweit inzwischen gut funktionierende alternative Wirtschaftsformen. Sie bestehen neben<br />
dem noch vorherrschenden alten Wirtschaften und brauchen unsere Unterstützung und<br />
die Zusammenarbeit untereinander. Auch die Unterstützung nimmt zu, muss aber noch weiter<br />
um sich greifen. So wie sich die bürgerliche Gesellschaft mit ihren Freiheitsimpulsen aus dem<br />
Schoße des Feudalismus herausentwickelt hat, kann sich eine brüderliche Wirtschaft aus dem<br />
Schoße des Kapitalismus herausentwickeln.<br />
Was jeder dazu beitragen kann, ist entscheidend. So führt schon allein der Wechsel zu einer<br />
Bank, die menschengerecht handelt, zu einer maßgeblichen Unterstützung des gesundenden<br />
Prozesses. Man entzieht dadurch ungerechtem Wirtschaften den Geldhahn, zum Beispiel dem<br />
Waffenhandel mit dem Kongo, und macht sozial sinnvolle Entwicklungen und Gründungen<br />
möglich. Damit ändert jeder von uns die Macht der Verhältnisse gleich doppelt und trägt dazu<br />
bei, dass sich diese Verhältnisse unserem tatsächlichen menschlichen Entwicklungsstand anpassen.<br />
Am Ende der zwei Tage für die Oberstufenschüler zeigten diese in einer lebendigen, überraschenden<br />
Präsentation schlaglichtartig, was sie aufgenommen hatten. Im Abschlusskreis<br />
des öffentlichen letzten Tages war die Aufbruchsstimmung der meisten Teilnehmer zu neuen<br />
wirtschaftlichen Taten gegenwärtig, in einem Raum voller Licht und Wärme, nicht nur im<br />
physischen Sinne. „Brüderlich wirtschaften“ klopfte an bei den Herzen der Teilnehmer und machte<br />
bewusst, was die Schriftstellerin Christa Wolf so ausdrückte: „Wer, wenn nicht wir? Wann, wenn nicht<br />
jetzt?“ So konnte ein Blick in die Runde des Abschlusskreises auch die freudige Gewissheit auslösen,<br />
dass wir diejenigen sind, auf die wir schon immer gewartet haben.<br />
Im Herbst 2014, dann zum dritten Mal, soll voraussichtlich wieder Wirtschaft anders gedacht werden,<br />
in der Michaelszeit und damit auch ein michaelisches Zeichen während des kollektiven Rausches beim<br />
Oktoberfest setzend, eines Rausches, der ja nicht nur dem Bierkonsum geschuldet ist.<br />
Vorher soll ein anderes großes Ereignis auf die Beine gestellt werden. An der Ismaninger <strong>Schule</strong> entstand<br />
die Idee, den gesamten „Faust“, also Teil eins und Teil zwei von den zwölften Klassen der Münchner<br />
und möglicherweise auch anderer Waldorfschulen zur Aufführung zu bringen und zwar vom 21.<br />
2. bis 28. 2. 2014. Interessanterweise hat „Faust“ auch viel über das Wirtschaftsleben zu sagen. Goethe<br />
stellt Faust im zweiten Teil seines Stückes auch als Unternehmer dar. Es ist verblüffend, wie treffend er<br />
dabei unsere heutige Wirtschaftsweise beschreibt und deren geistige Hintergründe aufleuchten lässt,<br />
die sich sonst nicht so deutlich erkennen lassen.<br />
Die Werkstatttage sind weiterhin im Internet anwesend unter www. wirtschaft-anders-denken.de<br />
hEInz UllMann<br />
RUdOlF-StEInER-SchUlE ISManInG