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8. <strong>März</strong>: Feier- oder Kampftag? Was in Vietnam und Kuba geht, muss auch in Europa her, meint Kersten Artus. Im Gegensatz zu den Autonomen Feministinnen, die auf staatliche Feierlichkeiten pfeifen. Mindestlöhne, Arbeitzeitverkürzung, Gleichstellung – es gibt viele Forderungen, die zur vollständigen Em<strong>an</strong>zipation gestellt werden, und die noch l<strong>an</strong>ge nicht durchgesetzt sind. Der Feiertag ist überfällig, weil Frauen vor allem seit Beginn der Industrialisierung schon viel erreicht haben. Unzählige Feministinnen, Gewerkschafterinnen, Antifaschistinnen, Politikerinnen haben für Frauenrechte gekämpft – m<strong>an</strong>che sind dafür sogar gestorben. Ihnen gilt unser Respekt. Im Mittelalter wurden Frauen verbr<strong>an</strong>nt, erschlagen, weil sie für Frauen Gutes get<strong>an</strong> haben, weil sie selbstbewusst waren, weil sie sich nicht unterdrücken ließen. Sie sollen durch den Feiertag gewürdigt werden. Frauen und Mädchen erfahren auch heute noch ständig Gewalt. Es gibt aber Helferinnen, die sich um diese Frauen kümmern: in Frauenhäusern, in Gewaltberatungsstellen, in Obdachlosentreffs. Sie verdienen es, gefeiert zu werden. Es gibt Betriebsrätinnen, die sich für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einsetzen. Sie begleiten Kolleginnen zum Arbeitsgericht, wenn diese nach der Elternzeit gekündigt werden. Ihnen gilt D<strong>an</strong>k für ihren Einsatz. Frauen, die aus ihrem Heimatl<strong>an</strong>d flüchten müssen, werden in Deutschl<strong>an</strong>dunfreundlich aufgenommen. Die Asylgesetze sind menschenfeindlich geändert worden. Viele Frauen haben Angst vor Abschiebung. Den Status der Duldung und nicht selten auch der Illegalität und Papierlosigkeit zu ertragen, erschüttert diese Frauen und traumatisiert sie. Sie erfahren dennoch Hilfe und Solidarität: Andere Frauen verbringen nach ihrer Erwerbsarbeit unzählige Stunden damit, sich um diese Frauen zu kümmern. Ärztinnen leisten kostenlose medizinische Hilfe. Sie verdienen einen Tag im Jahr, <strong>an</strong> dem m<strong>an</strong> ihnen d<strong>an</strong>kt. Viele Mädchen sind perspektivlos. Eine g<strong>an</strong>ze Generation wächst in Hartz IV-Haushalten auf. Für diese Mädchen stellt sich nicht die Frage, wie sie Karriere machen. Für sie stellt sich die Frage nach einem guten Schulabschluss, Schutz vor zu frühen Schw<strong>an</strong>gerschaften, Schutz vor Niedriglöhnen, Drogen, Prostitution. Wer sich um diese Mädchengeneration kümmert, ihr Orientierung gibt, verdient endlich Anerkennung. In vielen Ländern ist der 8. <strong>März</strong> ein gesetzlicher Feiertag, in Armenien, Aserbaidsch<strong>an</strong>, Bulgarien, Burkina Faso, Georgien, Kasachst<strong>an</strong>, Kirgisist<strong>an</strong>, Kuba, Mazedonien, Moldawien, in der Mongolei, in Russl<strong>an</strong>d, Serbien, Tadschikist<strong>an</strong>, in der Ukraine, in Usbekist<strong>an</strong>, Vietnam und Weißrussl<strong>an</strong>d. In China ist der Nachmittag für Frauen arbeitsfrei. Es wird also höchste Zeit, dass auch die „westlichen“ Länder ihre Frauen mit einem Feiertag würdigen. ❚ Kersten Artus („Die Linke“ Hamburg) treibt die Kampagne „Der Internationale Frauentag muss ein Feiertag werden“ seit 2009 vor<strong>an</strong>: http://8-maerz.de 1908 wurde in Deutschl<strong>an</strong>d das Verbot politischer Betätigung von Frauen aufgehoben. Viele Genossen der damaligen SPD meinten, dass nun mit der legalen Möglichkeit die wichtigste Forderung der Frauenbewegung erreicht und keine eigene Frauenarbeit mehr notwendig sei. Die Frauen kämpften jedoch weiterhin für Frauenrechte, 1910 brachte Clara Zetkin den Antrag für einen internationalen Frauentag auf der Amsterdamer Konferenz der Sozialistischen Internationale ein. In der Geschichte war der 8. <strong>März</strong> immer ein öffentliches Auftreten von Frauen gegen patriarchale Verhältnisse, für Frauenrechte, gegen Kapitalismus, für soziale Gerechtigkeit und gegen Krieg. In den 1970er Jahren entwickelte sich ein starkes, feministisches Bewusstsein, das sich in der eigenständigen Org<strong>an</strong>isierung als Frauen für die Entwicklung einer Subjektivität von Frauen, für ein solidarisches Verhältnis unter Frauen und in einem revolutionären Frauenbefreiungskampf ausdrückt. Wir müssen uns unabhängig von Männern, Staat und Kapital org<strong>an</strong>isieren, wir wollen nicht gleich-berechtigt ausbeuten und Kriege führen, sondern Sexismus beenden und das Patriarchat zerschlagen. Der bürgerliche Staat ist nicht unabhängig von der Gesellschaft. Er regelt und gar<strong>an</strong>tiert das Gelingen des Kapital-Patriarchats. Er schützt das Privateigentum und regelt die „Ware Arbeitskraft“, die geschlechtsspezifischen Lohnverhältnisse und Arbeitsteilungen, die unbezahlte Versorgungsarbeit. Er stützt die „Normalität“ des Sexismus durch geringere Bewertung von Gewalt <strong>an</strong> Frauen z.B. gegenüber Eigentumsdelikten und indem er die Ehe als „Grundwert“ des Staates verteidigt. Er erschafft mittels „Ausländergesetzen“ sogen<strong>an</strong>nnte „Fremde“, für die soziale und politische Rechte der Verfassung nicht gelten. Seine Funktion ist die Integration von Widerst<strong>an</strong>d oder die Niederschlagung von Aufständen. Doch wir lassen uns weder von „Feierlichkeiten“ vereinnahmen noch von einem §278 mundtot und h<strong>an</strong>dlungsunfähig machen. Für uns ist der 8. <strong>März</strong> ein FrauenKampfTag – gegen Sexismus und Patriarchat, gegen Rassismus, gegen Kapitalismus und imperialistische Kriege, für Frauenbefreiung international. Unsere Kämpfe finden alltäglich und org<strong>an</strong>isiert statt, im Alltag, in Beziehungen, bei der Arbeit, in der Ausbildung, in Institutionen, im Denken, beim Träumen, im Fühlen und Erkennen, beim Sich-Org<strong>an</strong>isieren, auf der Straße und gegen den Staat. Demonstrationen sind eine Form, unsere Kämpfe zu verbinden und öffentlich zu machen, unsere Stärke gemeinsam zu leben, in Verbundenheit mit den kämpfenden Frauen in der Welt. ❚ Autonome Feministinnen im Vorbereitungsplenum zum 8. <strong>März</strong> Frauendemo 8.3.10, Treffpunkt 17h Mariahilferstraße/Ecke Museumsplatz märz <strong>2010</strong> <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> 25