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März 2010 (PDF) - an.schläge

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medien raum<br />

„Ein sehr, sehr seltsames Terrain“<br />

Die k<strong>an</strong>adische Medienkünstlerin Michelle Ter<strong>an</strong> sieht in den Bildern aus YouTube & Co. und der realen lokalen<br />

Nachbarschaft kein Entweder-Oder. Doch der Sprung von der digitalen Karte auf die Straße k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong>chmal auf den<br />

Magen schlagen. Ein Interview von Katharina Ludwig.<br />

Links zum Projekt „Busc<strong>an</strong>do al Sr.<br />

Goodbar“ von Michelle Ter<strong>an</strong>:<br />

http://techform<strong>an</strong>ce.blogspot.com<br />

www.ubermatic.lftk.org<br />

32 <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> märz <strong>2010</strong><br />

Der junge Billardspieler aus<br />

Murcia in Sp<strong>an</strong>ien hatte nicht<br />

mit Kameras gerechnet und<br />

auch nicht damit, dass auf ein<br />

YouTube-Video hin bald eine<br />

Gruppe Interessierter in seinem<br />

Schlafzimmer sitzen würde. Ver<strong>an</strong>twortlich<br />

für diese Verwirrung ist Michelle<br />

Ter<strong>an</strong>, diesjährige Preisträgerin<br />

des tr<strong>an</strong>smediale-Festivals für digitale<br />

Kunst. Mit ihrem Stadtprojekt „Busc<strong>an</strong>do<br />

al Sr. Goodbar“ hat die von Berlin<br />

aus tätige K<strong>an</strong>adierin ein Interface für<br />

hybrid menschlich-mediale Räume geschaffen:<br />

Dazu nutzte sie die Funktion<br />

„Geotagging“, mit der YouTube-Broadcaster<br />

seit 2007 ihre Videos geografisch<br />

lokalisieren und auf GoogleEarth<br />

verzeichnen lassen können. Sie kreierte<br />

damit eine Stadtwahrnehmungstour<br />

entl<strong>an</strong>g heimproduzierter Bilder:<br />

Während sich ein Bus durch die<br />

Straßen bewegt, sind auf Bildschirmen<br />

lokale YouTube-Clips von Klavierspielern,<br />

Betrunkenen, jungen Akrobaten<br />

im Park und der jeweils aktuelle St<strong>an</strong>dort<br />

auf Google Earth zu sehen.<br />

<strong>an</strong>.<strong>schläge</strong>: Hatten die Leute aus den<br />

YouTube-Videos, die ihr mit der Bustour<br />

in Murcia besucht habt, eigentlich<br />

Angst, ihre Anonymität zu verlieren?<br />

Michelle Ter<strong>an</strong>: Nein, überhaupt<br />

nicht. Der Filter hat ja schon vorher <strong>an</strong>gesetzt:<br />

Die, die Angst hatten, haben<br />

wahrscheinlich erst gar nicht auf meine<br />

YouTube-Nachricht reagiert. Das waren<br />

fünf von zehn. Die <strong>an</strong>dere Hälfte, die<br />

mir ge<strong>an</strong>twortet hat, hatte sich bereits<br />

auf das Abenteuer eingelassen. Ich habe<br />

die Leute bei diesem Projekt ja dezidiert<br />

um Erlaubnis gefragt und sie eingeladen,<br />

sich aktiv bei der Produktion<br />

eines Kunstwerkes zu beteiligen. Sie<br />

sind also Mitwirkende, die wissen, was<br />

sie tun.<br />

Du hast dich in den letzten Jahren<br />

viel mit Bildern von privaten Überwachungskameras<br />

beschäftigt und sie etwa<br />

in Oslo als interventionistisches Freiluftkino<br />

übertragen. Dabei ging es stark um<br />

Verfremdung. Zielst du jetzt mit „Busc<strong>an</strong>do<br />

al Sr. Goodbar“ eher darauf ab, die<br />

mediatisierte Umgebung wieder vertraut<br />

zu machen?<br />

Mir geht es um Dekontextualisierung<br />

und Entwöhnungsprozesse. Menschen<br />

entwickeln bestimmte Einstellungen<br />

und Beziehungen zu dem, was<br />

sie tun. M<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n diese aber ein wenig<br />

untergraben – gar nicht im Sinne von<br />

Attacke, sondern mehr als kleine Verschiebungen.<br />

Diese Destabilisierung erlaubt<br />

<strong>an</strong>dere Interpretationen und Gefühle<br />

in der Beziehung zwischen Medien<br />

und physischem Raum. Das ist ja ein<br />

sehr, sehr seltsames Terrain, so hybrid,<br />

fragmentiert und verflochten. Diese Erfahrung,<br />

simult<strong>an</strong> zwischen physischen<br />

und mediatisierten Situationen zu operieren,<br />

dieses Schw<strong>an</strong>ken möchte ich<br />

beleuchten.<br />

Wie gehst du dabei vor, etwa beim<br />

Projekt „Busc<strong>an</strong>do al Sr. Goodbar“?<br />

Zuerst habe ich zwei, drei Monate<br />

für mich alleine recherchiert. Habe auf<br />

Google Maps herumgesucht, YouTube-<br />

K<strong>an</strong>äle gesichtet und begonnen Playlisten<br />

zu erstellen. In Murcia habe ich<br />

d<strong>an</strong>n mit Irene Verdú, einer Schauspielerin<br />

aus der Stadt, zusammengearbeitet<br />

und mich mit ihr über die Videos

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