März 2010 (PDF) - an.schläge
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ild kunst<br />
Ausstellung<br />
BIRGIT JÜRGENSSEN. Pulsschlag einer<br />
Sinnlichkeit. Bis 10. <strong>März</strong> <strong>2010</strong><br />
Vertikale Galerie in der Verbund-<br />
Zentrale, Am Hof 6a, 1010 Wien,<br />
www.sammlung.verbund.at<br />
Öffentlich zugänglich nur im Rahmen<br />
der Kunstgespräche während der Laufzeit<br />
der Ausstellung jeden Mittwoch<br />
um 18 Uhr; Eintritt frei, Anmeldung<br />
erforderlich:<br />
sammlung.verbund@artphal<strong>an</strong>x.at<br />
oder Tel.: +43 1 5249803-11<br />
Buch<br />
Gabriele Schor, Abigail Solomon-<br />
Godeau (Hginnen): Birgit Jürgenssen<br />
Hatje C<strong>an</strong>tz Verlag 2009, 39,80 Euro<br />
38 <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> märz <strong>2010</strong><br />
Was k<strong>an</strong>n ich der so mächtig<br />
einsetzenden Rezeption des Gesamtwerks<br />
der 2003 verstorbenen<br />
heimischen Künstlerin Birgit<br />
Jürgenssen hinzufügen? Vielleicht<br />
das: Die Sammlung Verbund wurde<br />
2004 gegründet und „hat sich von<br />
Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong> zum Werk von Birgit Jürgenssen<br />
als eine der bedeutendsten Positionen<br />
österreichischer Kunst nach 1945<br />
bek<strong>an</strong>nt“. Das schreibt Gabriele Schor,<br />
die Sammlungsleiterin und eine der<br />
Herausgeberinnen der die Ausstellung<br />
begleitenden Publikation, in ihrer Vorbemerkung.<br />
Das verbindende Anliegen der<br />
Autorinnen des Katalogs (Gabriele Schor,<br />
Abigail Solomon-Godeau, Elisabeth<br />
Bronfen, Sigrid Schade, Geraldine Spiekerm<strong>an</strong>n)<br />
sei es,„die historischen Koordinaten<br />
der feministischen Kunst seit<br />
1968 dahingehend zu korrigieren, dass<br />
eine von Peter Weibel ausgesprochene<br />
Einschätzung möglichst erkennbar<br />
wird“: Birgit Jürgenssen sei das Missing<br />
Link, das endlich entdeckt werde.<br />
Haltung bewahren. Als eine ihrer ehemaligen<br />
Student_innen verbindet mich<br />
Birgit Jürgenssen, Ohne Titel (Frau), 1972, S/W-Fotografie, überzeichnet, 21 x 33,7 cm, Nachlass Birgit Jürgenssen, ph1037, VBK, Wien<br />
Mit Beerenzweigen peitschen<br />
Noch bis zum 10. <strong>März</strong> <strong>2010</strong> sind in der Vertikalen Galerie der Verbund-Zentrale im ersten Wiener Gemeindebezirk<br />
rund vierzig Werke der bildenden Künstlerin Birgit Jürgenssen zu sehen. Ein Ausstellungsrundg<strong>an</strong>g von Lise Steger.<br />
bzw. verbinde ich mit Birgit Jürgenssen<br />
nicht nur Kunst, diese epigenetische<br />
Aktivität, mit der die Menschen <strong>an</strong>f<strong>an</strong>gen,<br />
„eine neue, zweite Linie der Evolution,<br />
die der Revolution (Gegen-Windung),<br />
zu produzieren“, wie Elisabeth<br />
Samsonow 1998 zur Arbeit von Birgit<br />
Jürgenssen in ihrem Text „Maske extra“<br />
schrieb. Ich denke auch <strong>an</strong> persönliche<br />
Begegnungen. Jetzt, <strong>2010</strong>, k<strong>an</strong>n<br />
ich versuchen, einen veränderten Blick<br />
auf die Bilder von Birgit Jürgenssen zu<br />
werfen.<br />
„Jeder hat seine Ansicht“ ist der Titel<br />
eines Fotos von Birgit Jürgenssen,<br />
das in der Vertikalen Galerie vertreten<br />
ist. Birgit Jürgenssen kehrt im Jahr 1975<br />
singulär feministisch der politischen<br />
Welle ihren Rücken zu, sie wendet sich<br />
ab, zeigt mit ihrer Einstellung Rückgrat,<br />
bewahrt Haltung. Sie trägt den Titelsatz<br />
zudem auf einem lediglich mit<br />
sprachlichen Zeichen bedeckten Körperteil,<br />
der hochgradig erotisch besetzt<br />
ist. Sie wendet sich ab, dist<strong>an</strong>ziert sich<br />
von denen, die Ansichten mit-teilen<br />
wollen und übersetzt lieber Wortsprache<br />
in Bilder.<br />
Match mit sich selbst. Da Ausstellungsbesucher_innen<br />
sich ernsthaft darüber<br />
mokieren, wieso die Künstlerfrau sich<br />
eigentlich nicht Modell-mäßig von einem<br />
Kameram<strong>an</strong>n hat ablichten lassen,<br />
möchte m<strong>an</strong> sich doch schon fragen<br />
dürfen: Ja, haben Sie denn gar keinen<br />
blassen Dunst? Aber wir wollen uns<br />
nicht zu sehr über hierzul<strong>an</strong>de versäumte<br />
Erwachsenenbildung im Fach<br />
Sehen-Lernen aufregen, auch ewig gestrige<br />
Entdecker-Gelüste und schier endlose<br />
Orientierungslosigkeit von Kunstgeschichtler_innen<br />
im männlichen<br />
Mastermind-Denken sollen uns nicht<br />
weiter stören.<br />
Es ist natürlich gut, Birgit Jürgenssens<br />
Bilder sehen zu können. Ihren<br />
künstlerischen Weg nach g<strong>an</strong>z oben<br />
verfolgend, <strong>an</strong> der Grafik vorbei, die Jürgenssens<br />
Match zeigt, das sie mit sich<br />
selbst austrägt, gel<strong>an</strong>gt m<strong>an</strong> fast bis<br />
zum Schachspielraum im obersten<br />
Stockwerk der Verbundzentrale und resümiert<br />
vor der Glastür, dass das<br />
Schweigen Marcel Duchamps noch immer<br />
überbewertet wird. Während des<br />
Aufstiegs k<strong>an</strong>n m<strong>an</strong> sich <strong>an</strong> Zettel-