34 ¬ <strong>wob</strong>mag themen Gesellschaft. <strong>Zug</strong>leich sind die Kontraste im mit 1,3 Milliarden Menschen bevölkerungsreichsten Staat der Erde nicht zu übersehen. Die Schere zwischen Wohlstand und Armut, zwischen urbaner Kraft und ländlicher Rückständigkeit, zwischen imposanter Architektur und notdürftigen Behausungen geht weit auseinander. „Bei allen sichtbaren Unterschieden in den Lebensverhältnissen und Lebensformen wird eines deutlich: In China entsteht eine neue Gesellschaft, geprägt vom Individualismus und bestimmt von marktwirtschaftlichem Denken“, so Merkel. Unternehmertum. Die Initiative von Organisationen wie der Deut- schen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GTZ und SEQUA, einer Serviceorganisation für weltweite Entwicklungsaktivitäten der deutschen Wirtschaft, beides Förderer des Symposiums im Kanton Anhui, ist gerade für klein- und mittelständische Unternehmen (KMU) in China von großer Bedeutung. <strong>Sie</strong> sind die Keimzelle der dortigen Wirtschaft. Die Hälfte des chinesischen Bruttosozialprodukts wird von diesen Betrieben erwirtschaftet. „Hier herrscht echte Gründerstimmung“, fasst Merkel seine <strong>Ein</strong>drücke zusammen. Erfolgsgeschichten. Mit etlichen Jungunternehmern hat er sich intensiv ausgetauscht und deren Firmen besichtigt. Zum Beispiel das mittelständische Pharma-Unternehmen, das vor zehn Jahren von einer Chinesin gegründet wurde und inzwischen 370 Mitarbeiter beschäftigt. Oder die private Hochschule, die vor fünf Jahren erst 230 Studenten zählte – heute sind es 5.000, bis 2012 sollen es doppelt so viele sein. Oder das <strong>Immobilien</strong>unternehmen, das komplette Wohnanlagen für urbanes Wohnen und Lifestyle konzipiert und vermarktet und damit ein in China völlig neues Marktsegment erobert. Bildung. <strong>Ein</strong> noch rascheres Wachstum des Landes verhindert derzeit der Engpass an qualifizierten Fach- und Führungskräften. Doch der Wissensdurst ist groß, ebenso die Bereitschaft zur Mobilität. China schickt seine Talente zum Studieren ins Ausland, wo die Unternehmer und Manager von morgen ihr Handwerkszeug lernen. „In Kultur und Denken sind die Chinesen extrem stark von Konfuzius geprägt. Das ist zum Beispiel an ihrer Lernfreude, aber auch an ihrem ganzheitlichen Denken festzumachen“, erläutert Merkel. Der nächste Schritt scheint klar: Mit konfuzianischer Gewissenhaftigkeit werden die Chinesen ihr erworbenes Wissen in Qualitätsprodukte verwandeln. „China steht in den Startlöchern“ <strong>wob</strong> Vorstand Frank Merkel über die wirtschaftliche Entwicklung von Marken und Marketing in China <strong>Sie</strong> haben vor chinesischen Unternehmern über Corporate Identity und Markenbildung referiert. Ist das dort überhaupt schon ein Thema? Frank Merkel: Ja, und wie. Meine Präsentation, die ich <strong>auf</strong> Deutsch gehalten habe und die direkt ins Chinesische übersetzt wurde, hat insgesamt drei Stunden gedauert. Ich habe selten ein so <strong>auf</strong>merksames, waches und interessiertes Publikum erlebt wie bei diesem Symposium. Chinesische Unternehmen gelten eher als Markenpiraten oder Markenkopierer – und nicht gerade als Markenentwickler. Frank Merkel: <strong>Ein</strong> Klischee, das den Blick für die Realität verstellt. Sicher liegt der Fokus derzeit noch <strong>auf</strong> dem Heimatmarkt. Doch die chinesischen Unternehmen arbeiten bereits am Aufbau eigener Marken, die in absehbarer Zeit weltweite Bedeutung erlangen können. Dem Beispiel der Computermarke Lenovo, die sich global positioniert, werden weitere folgen. China steht als Markenexporteur in den Startlöchern.
01 02 03 04 01 – 02 Konferenzpause im internationalen Kongresshotel Sanhe (Kanton Anhui) 03 Si Yingwu, Delegationsleiter der Handelskammer, Frank Merkel, Vorstand <strong>wob</strong> – Verstehen auch ohne große Worte 04 Erste staatlich anerkannte Privatuniversität in Hefei – ein Wachstumskonzept <strong>wob</strong>mag themen ¬ 35