Jahresbericht des Bundeslandes Sachsen-Anhalt zur Häufigkeit von ...
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Fehlbildungsmonitoring <strong>Sachsen</strong>-<strong>Anhalt</strong> <strong>Jahresbericht</strong> 2003<br />
15 Angeborene Fehlbildungen <strong>des</strong> Herzens und der großen Gefäße<br />
15.1 Theoretische Betrachtungen<br />
Angeborene morphologische Entwicklungsstörungen<br />
<strong>des</strong> Herzens und der großen Gefäße stellen die<br />
häufigsten Fehlbildungen beim Menschen dar. Ihr<br />
breites Spektrum kann alle Teile <strong>des</strong> Herzens und alle<br />
Schichten der Herzwand und der vom Herzen abgehenden<br />
Gefäße betreffen.<br />
Die <strong>Häufigkeit</strong> dieser Fehlbildungen variiert in unterschiedlichen<br />
Untersuchungen, je nach den zum Einsatz<br />
gekommenen diagnostischen Techniken<br />
und/oder der angewendeten Klassifikationen.<br />
Während bei Totgeborenen mit einer <strong>Häufigkeit</strong> <strong>von</strong><br />
15 % und bei Spontanaborten <strong>von</strong> 3 bis 4 % gerechnet<br />
wird, liegt die Prävalenz bei lebendgeborenen<br />
Kindern mit etwa 1 % deutlich niedriger.<br />
Wenn unter dem Begriff "angeborene Fehlbildungen<br />
<strong>des</strong> Herzens und der großen Gefäße" verstanden<br />
wird, dass es sich "um angeborene, makroskopisch<br />
sichtbare Abweichungen <strong>von</strong> der normalen Struktur<br />
<strong>des</strong> Herzens und der großen Gefäße handelt, die<br />
aktuell oder potentiell klinisch relevant werden"<br />
(Theerbaum), ist da<strong>von</strong> auszugehen, dass 10 % monogen<br />
bedingt sind, in 10 % exogene Noxen als ursächlich<br />
angenommen werden, in 20 % Chromosomenaberrationen<br />
bei den betroffenen Kindern vorliegen<br />
und bei 60 % genetische und peristatische,<br />
d. h. polygen-multifaktorielle Faktoren, den Fehlbildungen<br />
zugrunde liegen. Von den Chromosomenkrankheiten<br />
sind in erster Linie die Trisomien, aber<br />
auch das Turner-Syndrom und das Di-George-<br />
Syndrom (22q-) für Herzfehler ursächlich. Bei den<br />
monogenen Erkrankungen sind beispielhaft das<br />
Holt-Oram-Syndrom, das Noonan-Syndrom, das velo-kardio-faciale<br />
Syndrom, das Ellis-van-Crefeld-<br />
Syndrom und das Marfan-Syndrom zu nennen. Als<br />
bekannteste umweltbedingte Ursache für angeborene<br />
Herzfehler sowie der großen Gefäße dürfte in<br />
unserer Region der Alkohol die bedeutendste Rolle<br />
spielen. Kardiale Defekte nach Röteln- oder Mumpsinkubation<br />
während der Schwangerschaft sind sehr<br />
seltene Ereignisse, während bei Hydantoin- und<br />
Valproateinnahme in der Schwangerschaft mit einer<br />
Wahrscheinlichkeit <strong>von</strong> 1:500 bzw. 1:1000 mit<br />
Herzfehlern zu rechnen ist. Stellvertretend für eine<br />
Vielzahl anderer Assoziationen oder Syndrome seien<br />
das Williams-Beuren-Syndrom, das Cornelia-de-<br />
Lange-Syndrom und die Charge-Assoziation genannt.<br />
Werden im Kin<strong>des</strong>alter klinisch nicht manifeste, aber<br />
durchaus oft auftretende Anomalien, wie die bicuspidale<br />
Aortenklappe, der Mitralklappenprolaps<br />
oder auch asymptomatische Aortenbogenanomalien<br />
nicht mitgerechnet, stehen in der Reihe der<br />
<strong>Häufigkeit</strong>en <strong>des</strong> Auftretens die septalen Defekte<br />
mit Abstand an erster Stelle, gefolgt <strong>von</strong> der Pulmonalstenose<br />
und dem persistierenden Ductus arteriosus<br />
Botalli. In 1 % bis 5 % sind es die schweren kombinierten<br />
Herzfehler, wie die komplette Transposition,<br />
die Fallot' Tetralogie und die hypoplastischen<br />
Rechts- bzw. Linksherzen. Die in der folgenden Ta-<br />
74<br />
belle aufgeführte <strong>Häufigkeit</strong>sabstufung basiert nicht<br />
auf einer Einteilung nach pathologisch-anatomischen<br />
sondern nach klinischen Merkmalen. Dies<br />
ist <strong>von</strong> Bedeutung, da die aufgeführten Herzfehler<br />
häufig kombiniert miteinander auftreten.<br />
Tabelle: Relative <strong>Häufigkeit</strong> angeborener Herz- und Gefäßanomalien<br />
(nach Bernuth et al.)<br />
Herz- und Gefäßanomalie Relative <strong>Häufigkeit</strong><br />
(in %)<br />
Ventrikelseptumdefekt 30 - 43<br />
Pulmonalstenose 5 - 13<br />
Vorhofseptumdefekt 5 - 11<br />
Offener Ductus arteriosus 5 - 10<br />
Aortenstenose 4 - 8<br />
Aortenisthmusstenose 4 - 7<br />
Atrioventrikülärer Septumdefekt 4 - 7<br />
Komplette Transposition 3 - 7<br />
Fallotsche Tetralogie 3 - 5<br />
Hypoplastisches Linksherz 1 - 4<br />
Hypoplastisches Rechtsherz 1 - 3<br />
Totale Lungenvenenfehleinmündung 1 - 3<br />
Univentrikuläres Herz 1 - 2<br />
Andere Herzfehler 5 - 10<br />
Werden Anomalien <strong>des</strong> Herzens und der großen Gefäße<br />
in ihrer Gesamtheit betrachtet, lässt sich keine<br />
Geschlechtsbevorzugung ableiten, bei den einzelnen<br />
Anomalien bestehen jedoch solche Unterschiede:<br />
Herzfehler aus dem Kreis der hypoplastischen<br />
Linksherzsyndrome und/oder komplette<br />
Transpositionen der großen Arterien sollen bei Knaben<br />
häufiger auftreten als bei Mädchen und umgekehrt<br />
besteht bei der Pulmonalstenose, den Vorhofseptumdefekten<br />
und dem offenen Ductus arteriosus<br />
eine Mädchenwendigkeit.<br />
In der Vergangenheit rechnete man damit, dass nur<br />
etwas über die Hälfte aller Geborenen mit einem<br />
angeborenen Herzfehler das Säuglingsalter überlebt<br />
und ein höheres Lebensalter erreicht. Mit dem Fortschritt<br />
der Kardiochirurgie, insbesondere der Operationsmöglichkeiten<br />
am offenen Herzen, hat sich diese<br />
Risikoeinschätzung insoweit verändert, dass heute<br />
etwa 90 % aller Kinder mit derartigen Defekten am<br />
Leben bleiben. Diese Tatsache und die hohe Prävalenz<br />
<strong>von</strong> Herzfehlern haben dazu geführt, dass die<br />
Gruppe der Betroffenen eine hohe gesundheitspolitische<br />
Bedeutung erlangt. In Deutschland gibt es<br />
aber keine zuverlässigen epidemiologischen Angaben,<br />
z. B. <strong>zur</strong> Anzahl der operierten Kinder, der Lebenserwartung<br />
dieser Patienten in Abhängigkeit<br />
<strong>von</strong> therapeutischen Maßnahmen, d. h. ob konser-