Italien-Reiseberichte zum Lesen und Herunterladen (pdf; 0,90 MB)
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Reklame ganz gut. Aber was kann man hier tun? Wandern, die Natur <strong>und</strong> die Ruhe bew<strong>und</strong>ern,<br />
ausspannen <strong>und</strong> - zugegeben - exzellent essen. Das tun wir später!<br />
Im Moment genießen wir die Bewegung in w<strong>und</strong>erschöner Landschaft.<br />
Kastanienwälder sorgen für einen außerordentlichen Honig. Das<br />
Kaiserheer wird eher an die Strapazen zurückgedacht haben, als man<br />
endlich Pontremoli erreichte <strong>und</strong> das Schlimmste hinter sich hatte. Der<br />
Weg war nämlich auch beliebt bei Wegelagerern <strong>und</strong> Räubern, die Pilger<br />
regelmäßig überfielen. Es ist dokumentiert, dass man an diesem<br />
Streckenabschnitt links <strong>und</strong> rechts des Weges jeden Baum <strong>und</strong> jeden<br />
Strauch auf Armbrust-Schussweite abholzen ließ, um die Sicherheit der<br />
Passage zu erhöhen.<br />
An der Außenfassade der Kirche San Pietro hing früher ein Sandsteinrelief, das ein Labyrinth zeigte<br />
(im hässlichen Neubau, der den bei Bombenangriffen zerstörten alten Baukörper ersetzt, hängt es<br />
jetzt im Inneren hinter Glas). Es sollte die Pilger an die Irrwege des Lebens erinnern, die Suche nach<br />
Wahrheit <strong>und</strong> die Reise dahin. Sie konnten mit dem Finger die Rillen nachfahren <strong>und</strong> gelangten ins<br />
Zentrum, wo sie das Symbol Christi erwartete. Es ist eine Aufforderung <strong>zum</strong> Laufen <strong>und</strong> <strong>zum</strong><br />
Verstehen.<br />
In unserem 400 Jahre alten Quartier werden wir belohnt - die Gastfre<strong>und</strong>schaft im B&B Relais Caveau<br />
de Teatro ist sensationell. Zu Opernmusik wird uns ein einheimisches 4-Gang-Menü allererster Güte<br />
serviert. Torta herbe, mit Gemüse gefüllte Teigtaschen vorweg, testaroli (Lasagne mit Pesto) als<br />
primo, Ragout vom Lamm mit Polenta als secondo piatti. Dazu zuerst Vermentino Colle di Luni, später<br />
einen Merla von Ivan Granziani, einem Winzer ganz in der Nähe. Zum Dessert Früchte mit Creme,<br />
ach, soll ich das wirklich alles verraten?<br />
Unterschiedlicher als in dem Bauernhof gestern <strong>und</strong> dieser Oase heute kann man nicht bewirtet<br />
werden. Die Lunigiana ist eine Region, in der man nicht nur des Wanderns <strong>und</strong> des Essens wegen<br />
Station machen sollte. Morgen schauen wir uns die Sehenswürdigkeiten der Lunigiana an <strong>und</strong> ich<br />
melde mich, wenn nichts dazwischen kommt, aus Lucca wieder.<br />
Mit fre<strong>und</strong>lichen Grüßen<br />
Dr. phil. Lutz Tantow<br />
10. Reisebericht: Lunigiana, Pontremoli<br />
Pontremoli ist der Schlüssel zur Toskana. Haben wir gestern<br />
erfahren, wie die Pilger nach der mühevollen Überquerung des Monte<br />
Bardone hier ihre W<strong>und</strong>en lecken konnten <strong>und</strong> am Sinnbild des<br />
Labyrinths für das Leben geschult wurden, lernen wir heute, wie<br />
Städte sich entwickeln, nur weil ein Pilgerweg durch Sie<br />
hindurchführt. Richtig wäre zu sagen, Städte entstehen erst an dem<br />
Weg. Wir müssen uns vorstellen, dass Handwerker in diesem kleinen<br />
Gemeinwesen mit der ständigen Angst vor feindlichen Angriffen<br />
lebten. Plötzlich kommen Pilger in friedlicher Absicht, die<br />
Informationen mitbringen <strong>und</strong> etwas brauchen. Aus Handwerkern<br />
werden Händler, die Türen ihrer Häuser werden breiter. Sie<br />
erkennen: durch die Porte Parma kommen keine Feinde mehr,<br />
sondern K<strong>und</strong>en!<br />
Über die Ökonomie an der Via Francigena berichtet heute Gabriele<br />
mit einer sozialgeschichtlichen Führung. Wir sehen heute zwar<br />
sieben Kirchen an sieben verschiedenen Orten, aber jedesmal geht es<br />
um mehr als die religiöse Dimension. Gabriele ist in seiner Art wieder ein<br />
ganz anderer Guide <strong>und</strong> er bestärkt uns in dem Entschluss, nach der<br />
Reise eine Phänomenologie der Fremdenführung zu verfassen.<br />
Irgendwann, sagt Gabriele, kamen auch vermögende Händler mit<br />
Gefolge über den Pass, Kaufleute zu Pferde mit 20 beladenen Mulis. In<br />
Pontremoli gab es im Mittelalter sieben Karawansereien. Vom<br />
Wirtschafts-Tourismus habe die Stadt schon immer gelebt.<br />
Sieben Brücken geleiteten die Fremden ins Innere dieser kleinen Stadt,<br />
die ihren mittelalterlichen Charakter komplett erhalten hat. Ich kann mich<br />
nicht erinnern jemals durch ein Ensemble von 1200 Jahre alten Gassen<br />
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