Italien-Reiseberichte zum Lesen und Herunterladen (pdf; 0,90 MB)
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Wir indes eilen nach Lucca, wo uns Alexandra <strong>und</strong> Carlo erwarten <strong>und</strong> angekündigt haben, das wir<br />
uns noch auf ein romantisches Dinner im Herzen der Altstadt freuen dürfen.<br />
Wenn nichts dazwischenkommt, melde ich mich morgen aus Siena, der heimlichen Hauptstadt der<br />
Toskana, wieder.<br />
Mit fre<strong>und</strong>lichen Grüßen<br />
Dr. phil. Lutz Tantow<br />
11. Reisebericht: Lucca, Imervard-Kreuz <strong>und</strong> Volto Santo<br />
Was für ein Tag! Am Morgen ein Stadtspaziergang durch Lucca <strong>zum</strong> Volto Santo im Dom,<br />
anschließend nach Altopascio, das im Mittelalter für seine Pilgerhospitäler berühmt war, über San<br />
Miniato, Vinci, Certaldo durchs Elsa-Tal nach San Gimignano <strong>und</strong> weiter Richtung Monteriggioni nach<br />
Siena.<br />
Ein strammes Programm, <strong>zum</strong>al die Blicke nach links <strong>und</strong> rechts in die w<strong>und</strong>erschöne toskanische<br />
Landschaft immer wieder <strong>zum</strong> Innehalten animieren. Am Abend hatten wir im Buca di Sant Antonio,<br />
einem Traditionsrestaurant von 1782 königlich gespeist. Es gibt unzählige Osterias im alten Stadtkern<br />
von Lucca <strong>und</strong> darunter finden sich gewiss auch einige Gourmettempelchen - aber dies hier ist ein<br />
ganz besonderer, sowohl was Küche <strong>und</strong> Service anlangt, aber auch hinsichtlich des Ambientes, <strong>und</strong><br />
deshalb sei er allen künftigen Lucca-Reisenden wärmstens ans Herz gelegt.<br />
Gleiches gilt für unser Quartier, die Loccanda S.Agostino in einem Palazzo aus dem 14. Jahrh<strong>und</strong>ert.<br />
Wir wohnen in einem sechs Meter hohen, dreischiffigen Gewölbe, in das zur Hälfte eine Schlafebene<br />
eingezogen ist. Allmählich kommen wir beim Kaiser an. Die Gastfre<strong>und</strong>lichkeit kennt keine Grenzen,<br />
<strong>und</strong> wir fragen uns: Sind Steigerungen eigentlich noch möglich?<br />
Ich bin ganz früh auf den Beinen <strong>und</strong> auf der Piazza Anfiteatro ganz<br />
allein. Die vier- bis fünfgeschossigen Häuser sind in einem Kreis von<br />
vielleicht 100 Metern Durchmesser aneinander gebaut <strong>und</strong> bilden somit<br />
eine fantastische Schauspielarena. Das Stück, was jetzt gerade<br />
einstudiert wird, heißt Läden öffnen, Waren anliefern, Stühle vor die<br />
Cafés <strong>und</strong> Bars stellen <strong>und</strong> sich langsam aber sicher vor den Touristen<br />
verstecken, die die einheimischen Händler <strong>und</strong> Wirte erwarten. Sie<br />
kommen in Busgruppengröße <strong>und</strong> ziehen jetzt mit ihren Fremdenführern<br />
durch die ganze Stadt.<br />
Am Torre Guinigi vorbei, dem höchsten Turm der Stadt, aus dem<br />
sogar Bäume in den Himmel ragen, gelange ich <strong>zum</strong> Domplatz. Im<br />
Dom der wegen gegenwärtiger Restaurierung den Besuch eigentlich<br />
nicht lohnt, befindet sich das Volto Santo, das vielleicht berühmteste<br />
Kruzifix überhaupt. Es zeigt Jesus nicht schmerzverzerrt leidend<br />
sondern voller Zuversicht. Seine Füße stehen neben einander <strong>und</strong><br />
liegen nicht durchnagelt übereinander.<br />
Das Kreuz ist offenbar byzantinischen Ursprungs <strong>und</strong> man nimmt an,<br />
dass der heilige Nikodemus es geschnitzt hat. Es ist hier in einem<br />
Marmortempel eingesperrt <strong>und</strong> schwer zu sehen. Ein prominentes Pilgerziel auf der Frankenstraße ist<br />
es allemal. Sein Pendant, das jüngere Imervardkreuz von 1150, hängt im Braunschweiger Dom freier<br />
<strong>und</strong> gefällt mir besser. Indes ist auch zu Hause das Rätsel, wer dieser Meister Imervard eigentlich war<br />
<strong>und</strong> was er sonst so gemacht hat - Otto IV. hätte es uns sagen können.<br />
Die APT (Fremdenverkehrsbüro) in Lucca hat mir eine<br />
Sondergenehmigung <strong>zum</strong> Fotografieren besorgt, aber ich habe nichts<br />
Schriftliches in der Hand. Und das Verbot gilt uneingeschränkt, man<br />
bewacht das Volto Santo wie Fort Knox. Der alte Knabe am<br />
Devotionalienstand wird ungehalten, wo ich es doch im Gr<strong>und</strong>e sein<br />
sollte. Selbst ein Telefonat mit Carlo lässt sein Polizistenherz nicht<br />
erweichen. Ich ziehe von dannen, will keinen Ärger machen, als plötzlich<br />
ein Monsigniore hinter mir hergelaufen kommt <strong>und</strong> mehr entschuldigend<br />
mit dem Kopf nickt. Eine solche Situation kenne ich sonst nur vom Bazar<br />
beim Feilschen.<br />
Lucca Nr.1 ist ein römisches Castrum, 180 v. Chr. als Kolonie gegründet, die Via Francigena führt<br />
quer hindurch. So kannte es Otto. Das immense Bollwerk mit Wällen <strong>und</strong> Stadtmauern kam erst im<br />
14. <strong>und</strong> 15. Jahrh<strong>und</strong>ert drum herum.<br />
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