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Italien-Reiseberichte zum Lesen und Herunterladen (pdf; 0,90 MB)

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Seele zu sein auf Gott hin. Zugleich entwickelte sich das Kloster zu<br />

einem wichtigen Zentrum im geistigen Leben Europas, wovon noch<br />

heute die berühmte, sehr umfangreiche Stiftsbibliothek <strong>und</strong> die<br />

weitläufige Bildungstätigkeit im Schülerheim <strong>und</strong> im Bildungshaus<br />

Zeugnis geben.<br />

Wirtschaftlich war <strong>und</strong> ist das Kloster dank seiner Güter weitgehend<br />

selbständig - Wälder, Felder <strong>und</strong> Weinberge ermöglichten diese<br />

Autonomie.Im nördlichsten Weinanbaugebiet südlich des<br />

Alpenhauptkamms, auf den Hängen östlich des Stiftes, gedeihen in geschützter Lage seit vielen<br />

Jahrh<strong>und</strong>erten vor allem weiße Trauben, die in der traditionsreichen Stiftskellerei zu sehr<br />

charaktervollen Weinen reifen. Davon könnte man sich in der Enecoteca des Stiftes überzeugen,<br />

wenn man nicht noch einen langen Romzug vor sich hätte. (Für die Rückreise merken!) Da das Stift<br />

direkt am reißenden Eisack-Fluß gelegen ist, befördert ein eigenes E-Werk die Selbständigkeit.<br />

Das älteste Gebäude des Komplexes ist die "Engelsburg", die dem flüchtigen Besucher Rätsel aufgibt.<br />

Sie ist r<strong>und</strong> <strong>und</strong> in mehreren Etagen mit Zinnen besetzt, eher wehrhafter Turm als gastliches Hospiz.<br />

Das Gebäude, in dem bei unserem Besuch gerade eine Ausstellung eingerichtet wurde, hat im<br />

Gr<strong>und</strong>e zwei kreisr<strong>und</strong>e Räume übereinander, die von einem geschlossenen Umlauf mit Treppe<br />

umgeben sind. Der obere der beiden ragt hoch in ein Gewölbe auf <strong>und</strong> sieht aus, als könnte König<br />

Artus hier seine Tafelr<strong>und</strong>e versammeln. Tatsächlich ist dies die St. Michaelskapelle, die dem<br />

Erzengel Michael geweiht wurde <strong>und</strong> wegen ihrer Ähnlichkeit mit der Engelsburg in Rom so genannt<br />

wird. Als Erlöser-Kapelle sollte sie auch eine Nachbildung der Heiliggrabkirche in Jerusalem sein.<br />

Denkt man sich die Zutaten der wehrhaften Befestigung vom Ende des 15.Jahrh<strong>und</strong>erts weg, um<br />

einen Eindruck davon zu gewinnen, was Otto sah, dann bleibt ein typisch byzantinischer Zentralbau<br />

als Sechzehneck mit 12 gekuppelten R<strong>und</strong>bogenfenstern mit romanischen Mittelsäulen. Im<br />

Erdgeschoss beherrscht ein wuchtiges Gratgewölbe die Szenerie, von wo aus man in vier Kammern<br />

gelangt, die wohl auch als Unterkunft gedient haben mögen. Sicherer kann man eigentlich nicht<br />

schlafen, <strong>und</strong> wir stellen uns vor, dass auch Otto dies tat. Wir indes bevorzugen ein Quartier vor den<br />

Toren des Klosters, das - wie es sich für Braunschweiger gehört - das Hotel "Zum Löwen" ist.<br />

Wenn nichts dazwischen kommt, melde ich mich von der Südtiroler Weinstraße wieder.<br />

Mit fre<strong>und</strong>lichen Grüßen<br />

Dr. phil. Lutz Tantow<br />

2. Reisebericht: Bozen <strong>und</strong> die Südtiroler Weinstraße<br />

Von Brixen bis Bozen das Eisack-Tal hinunter sind es gerade einmal r<strong>und</strong> 50 Kilometer, <strong>und</strong> selbst<br />

wenn das Heer von Neustift bis <strong>zum</strong> Ritten zog, wird es nicht länger gedauert haben. Beritten macht<br />

eine Station auf dieser Strecke - mit all dem Aufwand des Quartiermachens - kaum Sinn. Zumal der<br />

Abschnitt recht sicher gewesen sein dürfte. Also gehen wir davon aus, dass Ottos Heer erst wieder<br />

auf dem Ritten Rast machte.<br />

Die Gemeinde Ritten (ital. Renon) liegt im Norden von Bozen <strong>und</strong><br />

erstreckt sich über ein weiträumiges Hochplateau mit insgesamt 17<br />

Ortschaften. Der Ritten wird erstmals um <strong>90</strong>0 als Mons Ritanus<br />

erwähnt, <strong>und</strong> um 1200 (also kurz bevor Otto hier eintraf) wird - dank<br />

der Lage am alten Kaiserweg - in<br />

der Ortschaft Lengmoos ein Hospiz gegründet. Auch der Geheime<br />

Rat Goethe hat "diese herrlichen Gegenden" zwischen Brixen <strong>und</strong><br />

Bozen "wie im Fluge" durchreist. "Nun erblickte ich endlich bei hohem<br />

Sonnenschein, nachdem ich wieder eine Weile nordwärts gefahren<br />

war, das Tal, worin Bozen liegt", heißt es in der <strong>Italien</strong>ischen Reise.<br />

"Von steilen, bis auf eine ziemliche Höhe angebauten Bergen<br />

umgeben, ist es gegen Mittag offen, gegen Norden von den Tiroler<br />

Bergen gedeckt. Eine milde, sanfte Luft füllte die Gegend. Hier<br />

wendet sich die Etsch (vorsichtig: Goethe verwechselt - wie viele es<br />

tun - hier Eisack mit Etsch) wieder gegen Mittag. Die Hügel am Fuße<br />

der Berge sind mit Wein bebaut. Über lange, niedrige Lauben sind die<br />

Stöcke gezogen, die blauen Trauben hängen gar zierlich von der<br />

Decke herunter <strong>und</strong> reifen an der Wärme des nahen Bodens. Auch in<br />

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