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Wir erleben noch einmal einen lauschigen Abend und essen Pasta drei Meter von der dahin plätschernden Brandung des Sees entfernt. Otto gemäß sind wir im Hotel Royal abgestiegen. So lässt es sich leben, doch bitte nicht neidisch werden, liebe Braunschweiger daheim im Regen: Denn nach einer achtstündigen Besichtigungsfahrt und zwei Stunden Schreiben haben wir uns das auch verdient. Und wenn nichts dazwischen kommt, melde ich mich morgen vom Monte Mario vor den Toren von Rom wieder. Mit freundlichen Grüßen Dr. Lutz Tantow 13. Reisebericht: Über Viterbo und Sutri zum Monte Mario Im Frühstücksraum treffen wir fünf Herren im fortgeschrittenen Alter. Und da sie Wanderschuhe tragen, spreche ich sie an. Sie kommen aus London und, ja, sie sind Pilger. Sie wohnen normalerweise in einfachen Unterkünften, bisweilen aber auch so wie hier. Sie gehen nur eine Woche. Letztes Jahr sind sie von San Gimignano hierher gegangen, jetzt laufen sie den Rest, 120 Kilometer. Es geht ihnen also nicht ums "Pilgerdiplom". Um in Besitz der Pilgerurkunde "Testimonium Peregrinationis Peractae Ad Limina Petri" zu gelangen, muss man über die Stempel in seinem Pilger-Pass nachweisen, mindestens die letzten 130 Kilometer gewandert zu sein (Acquapendente wäre somit für Minimalpilger auf der Francigena der geeignete Beginn). Uns erwartet in der Hotellobby Ingrid, die nur einen deutschen Namen hat, aber Italienerin aus Triest ist. Wir bekommen heute die Führung in der Version Geschichtenerzählen. 24
In Bolsena gibt es außer dem See, der im Grunde schon ausreicht, das Castello Monaldeschi, das im 12. und 13. Jahrhundert von Leuten aus dem benachbarten Orvieto erbaut wurde (dort wo der bekannte Weißwein herkommt). Und es gibt drei Kirchen, die sich wie an einer Perlenkette aufreihen. Sie stammen aus dem 11., dem 12.-13. und dem 18.-19. Jahrhundert und sind nichts Besonderes. Das Besondere befindet sich unter ihnen: die berühmten Katakomben von Bolsena, eine etruskische Nekropole, die auf die Zeit um 300 n.Chr. zurückkgeht. Angenehm kühl und auch ein wenig unheimlich ist es da unten, wo man ins Vulkangestein unzählige Gräber gemeißelt hat, die anschließend mit kunstvollen Grabplatten verschlossen wurden. Für ein paar Euro macht der Küster das Licht an und man kann auf eigene Faust durch das unterirdische Labyrinth streifen, die Beerdigungs-Architektur studieren, die Kunsttechnik bewundern oder sich nur ganz einfach gruseln. Oft trifft man auf ein Fischsymbol, mit dem zu Zeiten, als das Christsein noch gefährlich war, die Glaubenszugehörigkeit verschlüsselt wurde: IKTOS ist das griechische Wort für Fisch und zugleich ein Akrostrichon für Jesus Christus Retter der Menschen. Über Tage fängt Ingrid an zu erzählen: Der Legende nach hatte sich die schöne Römertochter Christina in einen Christen verliebt, und das ging damals gar nicht. Ihr Vater setzte sie daraufhin einem grausamen Martyrium aus, doch die Liebe und die Liebe zu Gott war nicht totzukriegen. Da fuhr er kurzerhand mit ihr auf den See hinaus, band ihr einen Stein um den Hals und warf sie über Bord. Seemannschaftlich war das nicht gerade und es half auch nicht - denn der Stein schwamm auf dem Wasser und rettete Christina - vorübergehend. Dieses Wunder bescherte Bolsena die heilige Christina, der eine Kirche geweiht ist. Das zweite Miracolo ereignete sich 1263, als während eines Abendmahls aus einer Hostie Blut auf den Marmorboden tropfte. Papst Urban IV. führte daraufhin das Fronleichnamfest ein, dessen Wiege also in Bolsena steht. Die nächste Geschichte ereignete sich im nächsten Ort, Montefiascone: Der deutsche Kardinal de Fuk (Giovanni Defugger) soll bekannt dafür gewesen sein, dass er gerne und viel Wein trank. Sein Diener Martin musste vorkosten und vergab Prädikate: "est" hieß es ist gut Herr, den könnt ihr trinken; "est est" hieß der ist besser. In Montefiascone vergab er dem Muscatel-Wein den Superlativ "est est est", der noch heute damit wirbt. Dummerweise hat sich der Kardinal hier in Montefiascone totgesoffen und liegt in der Kirche San Flavino von 1032 begraben. Otto, der dieses 25
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