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Lauter(n) Termine Insider - Magazin Insider

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Prinzen-Frontsänger Sebastian Krumbiegel<br />

„Wir alle können<br />

etwas bewegen!“<br />

Sebastian Krumbiegel ist bekannt als das Gesicht<br />

und die Stimme der Prinzen. Millionen verkaufter<br />

Platten und CDs, in den oberen Chart-Regionen<br />

vertreten und auf den größten Live-Bühnen zu<br />

hause. Doch der berühmte Musiker hat noch zwei<br />

andere Seiten: eine leise als Chansonier, Pianist<br />

und sensibler Solist – und eine laute, wenn es um<br />

soziales Engagement geht. Petra Rödler hat mit<br />

ihm über seine „beiden Seiten“ gesprochen.<br />

Wie ist es als „Prinz“ alleine<br />

unterwegs zu sein? Oder anders<br />

gefragt: Ist es schön, mal<br />

nicht „Prinz“ zu sein?<br />

Sebastian Krumbiegel: „Ich<br />

glaube, ich werde mein Leben<br />

lang ein „Prinz“ sein, und das<br />

ist auch gut so. Als wir vor über<br />

20 Jahren angefangen haben,<br />

hätten wir uns sicher nicht träumen<br />

lassen, dass wir im Jahre<br />

2012 immer noch zusammen<br />

durch die Gegend ziehen und<br />

dabei unseren Spaß haben. Das<br />

liegt sicherlich auch daran, dass<br />

wir uns nicht mehr permanent<br />

auf der Pelle hängen, dass wir<br />

uns gegenseitig eben genau diese<br />

Freiräume lassen, auch mal<br />

alleine oder mit anderen Musikern<br />

Experimente zu machen.<br />

Mir macht diese „Solo am Piano-<br />

Tour“ unglaublich viel Spaß<br />

- ich kann, sehr egozentrisch<br />

mein Ding machen, muss auf<br />

niemanden Rücksicht nehmen<br />

und habe alle Freiheiten, die<br />

ich mir vorstellen kann. Natürlich<br />

weiß ich auch, dass das ne<br />

Menge mit den Prinzen zu tun<br />

hat. Ohne meine Lieblingsband<br />

wäre ich nicht da, wo ich bin,<br />

ohne die Prinzen wäre ich auch<br />

nicht in der komfortablen Lage,<br />

solche Ausfl üge zu machen. Es<br />

ist mir durchaus bewusst, dass<br />

wir das Privileg haben, das zu<br />

machen, was uns Spaß macht,<br />

niemandem nach dem Munde<br />

reden müssen und damit ganz<br />

nebenbei noch unseren Lebensunterhalt<br />

verdienen. Das ist<br />

nicht normal - die Mehrzahl der<br />

Musiker, die ich kenne, können<br />

nicht ausschließlich von ihrer<br />

Musik leben.“<br />

Was ist der Unterschied zwischen<br />

einer, wie Sie selbst<br />

sagen, kleinen, verträumten<br />

Solotour und einem Konzert vor<br />

Tausenden Fans?<br />

„Als allererstes ist es die Intimität.<br />

Ich bin zurzeit in Clubs<br />

unterwegs, in kleinen Theatern<br />

- in Trier habe ich in einer alten<br />

Synagoge Musik gemacht. Mit<br />

150 oder 200 Leuten kannst du<br />

eine ganz andere Nähe aufbauen,<br />

da gibt es keine großen<br />

Gesten, da kannst du sehr spontan<br />

aufs Publikum eingehen. Ich<br />

rede regelrecht mit den Leuten<br />

und genieße es sehr, so nah<br />

dran zu sein. In den großen Hallen<br />

hast du immer einen Graben<br />

zwischen Bühne und Publikum,<br />

Security und Backstage-Bereich.<br />

Das alles gibt es auf meiner<br />

Tour nicht und ich vermisse es<br />

auch überhaupt nicht.“<br />

Sie sind ein sehr sozial<br />

engagierter Mensch.<br />

Für welche Dinge und<br />

Projekte setzen Sie sich ein?<br />

„Ich sehe das gar nicht so groß -<br />

es gibt Sachen, die mich neben<br />

meiner Musik interessieren und<br />

für die versuche ich mich stark<br />

zu machen. Spätestens seit dem<br />

Herbst ‚89 bin ich ein politisch<br />

interessierter Mensch - damals<br />

haben wir in Leipzig die wunderbare<br />

Erfahrung gemacht,<br />

dass wir wirklich Dinge bewegen<br />

können. Das treibt mich an,<br />

das gibt mir Kraft und es macht<br />

vor allem Spaß, zu merken, dass<br />

es wirklich funktioniert. Es gibt<br />

viele Projekte mit sehr engagierten<br />

Leuten, die ich unterstütze.<br />

Jeder kann das, egal ob er Sänger,<br />

Taxifahrer oder Lehrerin<br />

ist. Bei mir merken es nur mehr<br />

Leute, weil ich eben mehr in der<br />

Öffentlichkeit stehe. Ganz oben<br />

auf meiner Liste steht defi nitiv<br />

der Kampf gegen Nazis. Ich fi nde<br />

es unsäglich, dass heute wieder<br />

dieser nationale Gedanke<br />

mit all seinen rassistischen und<br />

antisemitischen Begleiterscheinungen<br />

salonfähig zu werden<br />

droht. Es sind ja nicht nur ein<br />

paar durchgeknallte Nazi-Skins,<br />

es sickert langsam immer mehr<br />

in die sprichwörtliche Mitte der<br />

Gesellschaft. Verantwortungslose<br />

Politiker benutzen diese<br />

Themen perfi de für populistische<br />

Wahlkämpfe und richten<br />

damit unglaublichen Schaden<br />

an. Wenn ein Mann wie Sarrazin<br />

Millionen Bücher verkauft und<br />

für seine rassistischen Thesen<br />

Applaus aus der bürgerlichen<br />

Mitte bekommt, ist das für mich<br />

ein Alarmzeichen - dagegen<br />

werde ich aufstehen solange ich<br />

kann.“<br />

Sie unterstützen das Projekt<br />

„Laut gegen Nazis“. Was ist das<br />

für ein Projekt?<br />

Stadtgespräch<br />

„Laut gegen Nazis“„ ist ein<br />

Hamburger Verein, ein bundesweit<br />

agierendes Netzwerk, das<br />

sich genau mit diesem Thema<br />

auseinander setzt. Ich habe mit<br />

denen schon verschiedene Aktionen<br />

gemacht, war in Dresden<br />

um Nazis zu blockieren oder<br />

habe am Erinnerungsgang Oldenburg<br />

teilgenommen, eine in<br />

Deutschland einzigartige Sache,<br />

bei der viele tausend Menschen<br />

an den Gang der jüdischen<br />

Stadtbevölkerung zur Polizeikaserne<br />

und zur anschließenden<br />

Deportation erinnern. Es gibt<br />

Dinge, bei denen sollte man<br />

nicht „neutral“ daneben stehen,<br />

da muss man sich entscheiden,<br />

auf welcher Seite man steht.<br />

„Laut gegen Nazis“ sind sehr<br />

klar in der Sache - natürlich<br />

gewaltfrei, das ist mir sehr<br />

wichtig!“<br />

Sie waren in Vietnam, um das<br />

Aktionsbündnis „Landmine.<br />

de“ zu unterstützen. Was liegt<br />

Ihnen bei diesem Projekt besonders<br />

am Herzen?<br />

„Auch dabei ging es mir um<br />

Verantwortung. Bis vor kurzem<br />

gab es deutsche Firmen, die<br />

Gesetzeslücken genutzt haben,<br />

um Landminen, Streubomben<br />

oder ähnliches Dreckszeug herzustellen.<br />

Deutschland ist zwar,<br />

worauf der eine oder andere<br />

Deutsche stolz ist, Exportweltmeister,<br />

aber eben auch ganz<br />

weit vorn, was Rüstungsexporte<br />

betrifft. Wir hören jeden Tag von<br />

irgendwelchen Kriegen in der<br />

Welt, sehen schreckliche Bilder<br />

von verstümmelten Menschen<br />

und wollen nicht wahr haben,<br />

dass das alles indirekt auch auf<br />

unserem Mist gewachsen ist.<br />

Unter anderem durch die Arbeit<br />

von Landmine.de wurden<br />

diese Firmen dazu gezwungen,<br />

die Produktion dieser weltweit<br />

geächteten Waffen einzustellen.<br />

Mir geht es darum, solche<br />

Themen in die Öffentlichkeit<br />

zu bringen, damit Druck auf<br />

die Politik auszuüben, die dann<br />

durch Gesetzesänderungen<br />

die Wirtschaft zum Umdenken<br />

zwingen. Das klingt vielleicht<br />

umständlich, ist aber eigentlich<br />

ganz logisch und einfach - so<br />

funktioniert unser demokratischer<br />

Rechtsstaat und das<br />

schöne ist: wir alle haben eine<br />

Stimme und können viel beeinfl<br />

ussen.“<br />

Am 12. April erhalten Sie in Erfurt<br />

den Humanismuspreis für<br />

Ihr Eintreten für Bürgerrechte<br />

und Zivilcourage und für Ihr<br />

soziales Engagement insbesondere<br />

im Umgang mit Jugendlichen.<br />

Vor Ihnen haben diesen<br />

Preis unter anderem Richard<br />

von Weizsäcker und Roman<br />

Herzog erhalten. Was ist es für<br />

ein Gefühl, mit einem solchen<br />

Preis ausgezeichnet zu werden?<br />

„Ja - das ist schon großartig aber<br />

auch ein bisschen unwirklich.“<br />

Ihre Laudatio bei der Preisverleihung<br />

sollte Bundespräsident<br />

Dr. Joachim Gauck halten, der<br />

zum Zeitpunkt der Einladung<br />

noch nicht an sein neues Amt<br />

dachte. Sie kennen sich persönlich,<br />

weil sie bereits bei der<br />

letzten Bundespräsidentenwahl<br />

als Wahlmann Dr. Joachim<br />

Gauck gewählt haben. Was sagen<br />

Sie dazu, dass er nun doch<br />

Bundespräsident geworden ist?<br />

„Joachim Gauck war vom Altphilologenverband,<br />

den Verleihern<br />

des Preises, als Laudator<br />

geplant, wird es nun allerdings<br />

nicht schaffen, weil sein Terminkalender<br />

als Bundespräsident<br />

das nicht zulässt. Ich bin<br />

selbst gespannt, wer nun die<br />

Laudatio halten wird. Dass Joachim<br />

Gauck nun das höchste<br />

Amt im Staate antreten wird,<br />

fi nde ich - bei aller Kritik an zurückliegenden<br />

Äußerungen seinerseits<br />

- ein gutes Signal. Dass<br />

sein Vorgänger mit allem, was<br />

wir in den letzten Wochen über<br />

ihn lesen mussten die gesamte<br />

politische Kaste in diesem Land<br />

diskreditiert hat, ist traurig aber<br />

wahr. Viele Menschen fühlen<br />

sich dadurch in ihrer Meinung<br />

bestätigt, dass „die da oben sowieso<br />

alle Verbrecher sind“ und<br />

deshalb ist es meiner Meinung<br />

nach richtig, dass er zurückgetreten<br />

ist. Gauck hat nun die<br />

Chance, das wieder richtig zu<br />

stellen und diese Chance sollten<br />

wir ihm auch zugestehen. Ich<br />

weiß, dass er ein eher konserva-<br />

tiver Mensch ist und trotzdem<br />

denke ich, dass er der richtige<br />

für dieses Amt ist. Seine (teilweise<br />

aus dem Zusammenhang<br />

gerissenen) Äußerungen zu<br />

Hartz IV, der occupy-Bewegung,<br />

dem Irak- oder Afghanistankrieg<br />

oder auch Sarrazin waren sicher<br />

unglücklich, ich bin jedoch<br />

davon überzeugt, dass er sich<br />

als Bundespräsident in Zukunft<br />

präsidialer äußern wird und ich<br />

hoffe, dass er, mit den richtigen<br />

Beratern an seiner Seite, ein guter<br />

Bundespräsident sein wird.“<br />

Kommen wir zur Tour. „Ich<br />

brech´ die Herzen der stolzesten<br />

Frau´n…“ Ein Lied, das<br />

Sie auf Ihrer Solotour singen.<br />

Welche Songs wird das Publikum<br />

hören? Coversongs, neue<br />

Lieder?<br />

„Von jedem ein bisschen. Ich<br />

habe ein paar Helden, denen<br />

ich musikalisch huldigen will,<br />

allen voran Rio Reiser und Udo<br />

Lindenberg. Die Leipziger Band<br />

„Die Art“ hat es mir angetan<br />

und ich werde ein Lied von<br />

ihnen singen. Außerdem den<br />

einen oder anderen 20er-Jahre-<br />

Schlager. Ansonsten gibt es Lieder<br />

von mir, von meinen Soloplatten.<br />

Unterm Strich kann ich<br />

sagen, ich singe zwei Stunden<br />

lang meine Lieblingslieder, mache<br />

also nichts anderes als das,<br />

was ich auch Zuhause jeden Tag<br />

mache.“<br />

Gibt es die Lieder nur auf der<br />

Tour zu hören?<br />

„Anfang des Jahres habe ich<br />

eine CD aufgenommen, die es<br />

bis jetzt auch ausschließlich bei<br />

meinen Konzerten gibt. Sehr<br />

reduziert, ohne großen technischen<br />

Aufwand an meinem<br />

alten Flügel aufgenommen - ich<br />

bin sehr glücklich mit diesem<br />

Album, es ist im besten Sinne<br />

zeitlose Musik, die ohne Effekte<br />

auskommt und deshalb vielleicht<br />

auch in 20 Jahren noch<br />

ihre Daseinsberechtigung haben<br />

kann. Aber wir wissen ja, wie<br />

das ist: Jeder Künstler fi ndet<br />

sein aktuelles Werk immer am<br />

besten - eine objektive Antwort<br />

kann da nur die Zukunft geben.“<br />

Interview: Petra Rödler<br />

Foto: Markus Wustmann<br />

INSiDER termine & lifestyle<br />

Seite 4<br />

APRIL 12

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