Gelungene Premiere - Mieterberatung Prenzlauer Berg GmbH in ...
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Heimatgeschichte<br />
Der Preußenadler überlebte<br />
Aus der Geschichte des Hauptpostamts von Weißensee Von Albrecht Molle<br />
Bis 1872 sorgten auch im Dorf<br />
Weißensee vor allem Landbriefträger<br />
für die Kommunikation mit dem Rest<br />
der Welt. Doch als <strong>in</strong> den Gründerzeitjahren<br />
nach 1870/71 neben dem 400-<br />
Seelen-Weiler am Weißen See auf den<br />
zu Bauland parzellierten Ländereien<br />
des Weißenseer Ritterguts <strong>in</strong> Gestalt<br />
des Französischen Viertels und des<br />
Wohn- und Gewerbegebiets »Weißenseer<br />
Spitze« die Geme<strong>in</strong>de Neu-<br />
Weißensee entstand, musste auch die<br />
Post reagieren.<br />
Weißensees erstes reguläres<br />
Postamt öffnete am 15. Oktober 1872<br />
an der Chaussee nach Bernau, der<br />
heutigen Berl<strong>in</strong>er Allee. Fünf Jahre<br />
später wurde dort der Telegrafenbetrieb<br />
aufgenommen,1885 die Fernsprechvermittlung.<br />
Da sich die Räume<br />
aber schon bald als zu kle<strong>in</strong> erwiesen,<br />
erfolgte 1901 der Umzug <strong>in</strong> die<br />
Königschaussee 84 (diesen Namen<br />
hatte die Chaussee nach Bernau 1880<br />
erhalten). 1911 erzwang akuter Platzmangel<br />
e<strong>in</strong>e erneute Verlagerung,<br />
diesmal <strong>in</strong> die Berl<strong>in</strong>er Allee 54 nahe<br />
dem Antonplatz.<br />
Inzwischen hatten sich 1905 Altund<br />
Neu-Weißensee zu e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de<br />
vere<strong>in</strong>igt, die schon bald 30.000<br />
E<strong>in</strong>wohner zählte und unter Bürgermeister<br />
Dr. Carl Woelck das Stadtrecht<br />
anstrebte. Um dieses ehrgeizige,<br />
letztlich aber unerreichte Ziel baulich<br />
zu untermauern, entstand <strong>in</strong> den<br />
Jahren bis 1914 <strong>in</strong> Regie des<br />
Geme<strong>in</strong>debaurats Carl James Bühr<strong>in</strong>g<br />
das Munizipalviertel am Kreuzpfuhl<br />
mit Rathaus, Festhalle, Gymnasium,<br />
Feuerwache, Pumpstation und Amtsgericht.<br />
Was noch fehlte, war e<strong>in</strong><br />
architektonisch ebenso repräsentatives<br />
und zentral gelegenes Hauptpostamt,<br />
weswegen der Geme<strong>in</strong>devorstand<br />
der Direktion der Kaiserlichen<br />
Reichspost <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> so lange <strong>in</strong> den<br />
Ohren lag, bis sie nachgab. Das<br />
Postgebäude wurde <strong>in</strong> den Kriegsjahren<br />
1914/15, zu e<strong>in</strong>er Zeit also, da<br />
kaum noch öffentliche Neubauten für<br />
zivile Zwecke zulässig waren, auf dem<br />
2.000 m² großen Grundstück Charlot-<br />
tenburger Straße 140/Ecke Tassostraße<br />
<strong>in</strong> unmittelbarer Nähe des Munizipalviertels<br />
errichtet. Nach Entwürfen<br />
der Architekten Schrock und Buddenberg<br />
entstand im Stil des Neobarock<br />
e<strong>in</strong>e L-förmige Anlage mit e<strong>in</strong>em<br />
viergeschossigen Eckbau und zwei<br />
Seitenflügeln. Kriegsbed<strong>in</strong>gt fiel die<br />
E<strong>in</strong>weihungsfeier eher bescheiden<br />
aus.<br />
Bis auf e<strong>in</strong>en Gebäudeteil, der im<br />
2. Weltkrieg durch Bomben zerstört<br />
wurde, hat das denkmalgeschützte<br />
Ensemble die Zeitläufte unbeschadet<br />
überstanden. Dies gilt auch für das<br />
Das Weißenseer Hauptpostamt Anfang der zwanziger Jahre.<br />
1915 am Giebel zur Charlottenburger<br />
Straße h<strong>in</strong> angebrachte kaiserliche<br />
Wappen. Weder <strong>in</strong> den Wirren der<br />
Novemberrevolution von 1918, als<br />
monarchistische Insignien vielerorts<br />
beseitigt wurden, noch zu DDR-Zeiten<br />
sche<strong>in</strong>t jemand an dem ste<strong>in</strong>ernen<br />
Reichsadler im Siegerkranz Anstoß<br />
genommen zu haben. Seit der<br />
Sanierung des Gebäudes vor fünf<br />
Jahren erstrahlt deshalb auch das<br />
Wappen <strong>in</strong> neuem Glanz.<br />
Dabei hat das Weißenseer<br />
Hauptpostamt neben der Rout<strong>in</strong>e des<br />
Vor Ort 06. 2 0 0 7 13<br />
Postalltags durchaus auch dramatische<br />
Momente erlebt. So wurde es im<br />
März 1920 von e<strong>in</strong>er Weißenseer<br />
»E<strong>in</strong>wohnerwehr« besetzt. Sie stand<br />
auf Seiten der Kapp-Putschisten, die<br />
anstelle der gerade erst etablierten<br />
bürgerlich-parlamentarischen Ordnung<br />
e<strong>in</strong>e Militärdiktatur anstrebten.<br />
Dieser Zweckentfremdung des Postamts<br />
setzten Arbeitermilizen jedoch<br />
e<strong>in</strong> rasches Ende. Turbulent g<strong>in</strong>g es<br />
auch im April 1998 auf dem Posthof<br />
zu, als e<strong>in</strong>e couragierte Briefträger<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>en Raubüberfall verh<strong>in</strong>derte, <strong>in</strong>dem<br />
sie sich heftig gegen bewaffnete<br />
Maskierte zur Wehr setzte und sie <strong>in</strong><br />
die Flucht schlug.<br />
Aus e<strong>in</strong>em Artikel des Weißenseer<br />
Lokal-Anzeigers vom 8. Mai 1937<br />
geht unter anderem hervor, dass im<br />
Zustelldienst zu jener Zeit 57 Briefträger,<br />
sechs Geldbriefträger und sieben<br />
©Kommunaler Museumsverbund Pankow<br />
Paketzusteller tätig waren. In den<br />
Kriegsjahren 1939 bis 1945 nahm<br />
dann die Zahl der weiblichen Postangestellten<br />
enorm zu. Schon bald nach<br />
Kriegsende wurde der Postbetrieb <strong>in</strong><br />
der Charlottenburger Straße wieder<br />
aufgenommen. Der Umbau der veralteten<br />
Schalterhalle erfolgte jedoch<br />
erst 1960. 2002 wurde das Gebäude<br />
an e<strong>in</strong>en privaten Erwerber verkauft.<br />
Im Erdgeschoss s<strong>in</strong>d jetzt <strong>in</strong> angemieteten<br />
Räumen Filialen der Deutschen<br />
Post, der Postbank und des Paketservice<br />
DHL untergebracht.