Touristische Geschichten
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1. E i n l e i t u n g<br />
„Eine Reise nach Griechenland gehört nicht mehr zu jenen außerordentlichen Glücksfällen des<br />
Lebens, welche nur einzelnen Begünstigten zu teil werden. Immer größer wird die Zahl derjenigen,<br />
welche nach der Bereisung Italiens und Siziliens sich der ältesten Heimat alles Schönen, dem<br />
klassischen Boden von Hellas, zuwenden. Ein noch so kurzer Aufenthalt daselbst wird durch reiche<br />
Belehrung belohnen und die Vorstellungen über eine Kulturentwicklung, von der wir noch fort-<br />
während lernen, mehr als langjähriges Studium beleben.“ (Baedeker, S. III)<br />
Und wenn einem dann noch der außerordentliche Glücksfall zuteil wird, nicht nur in der „Heimat<br />
alles Schönen“, sondern auch nahe des Zentrums Griechenlands, also nahe des eigentlichen<br />
Mittelpunktes der Welt, nämlich in Gialtra, leben zu dürfen, dann darf man sich wahrlich belohnt<br />
und belebt fühlen. Von diesem Zentrum der Welt, von Gialtra aus, kann sich der Neugierige in<br />
alle Himmelsrichtungen aufmachen, und wohin er sich auch wendet, sehr bald wird er in der<br />
Natur auf Schönes oder in den nahen Städten und Dörfern auf Geschichtsträchtiges stoßen, und<br />
obendrein kann er hier in Gialtra, genau wie es der alte Mythos vom Mittelpunkt der Welt<br />
erfordert, viel Heruntergekommenes entdecken, Steine und Trümmer, Schutt und Abraum<br />
zuhauf. Denn auf Heruntergekommenes kam es Göttervater Zeus ja wohl an, als er festlegte, wo<br />
sich die Mitte der Welt befinden sollte. Es wird nämlich erzählt, dass Zeus zur Bestimmung des<br />
Mittelpunktes der Welt zwei Adler in entgegengesetzte Richtungen losgeschickt habe, und dort,<br />
wo sich nach ihrer jeweils halben Umrundung der Erde träfen, sollten sie dann einen Stein fallen<br />
lassen, und wo der dann herunterfiele, da sollte dann der Mittelpunkt, der Nabel, der<br />
„Omphalos“ der Welt sein.<br />
(Der „Omphalos“, der Nabel der Welt, im Museum von Delphi)<br />
Legt man, was im Falle Gialtras, wie wir gesehen haben, durchaus angemessen ist, die Maßstäbe<br />
der großen Welt und der griechischen Mythologie zugrunde, dann trafen sich die Adler nach<br />
ihren halben Weltumrundungen unweit von Gialtra und ließen genau dort einen Stein fallen und<br />
wahrscheinlich noch viele, viele weitere Steine. Wegen seiner Masse und Trägheit schlug der<br />
größte dieser Steine nicht direkt in Gialtra auf, sondern ein wenig weiter westlich. Im seitdem<br />
etwas westlich von Gialtra gelegenen Museum von Delphi kann dieser herabgefallene Mittelpunkt<br />
der Welt heute noch bewundert werden. Unweit des modernen Ausstellungs-Tempels von Delphi<br />
hat man zudem in alter Zeit dem Gotte Apoll zu Ehren einen richtigen Tempel und ein häufig<br />
befragtes Orakel eingerichtet, aber seitdem der Tempel und das delphisches Orakel ausgedient<br />
haben und zu Ruinen geworden sind, scheint sich auch der Mittelpunkt der Welt noch weiter<br />
verschoben und zersplittert zu haben, denn heutzutage gibt es, je nach dem, wo man ein<br />
politisches Zentrum liegen oder seinen persönlichen Nabel sich drehen sieht, viele Mittelpunkte.<br />
Für einige aber ist das kleine Gialtra Mittelpunkt geblieben und zum Zentrum ihres Lebens<br />
geworden, und wenn auch die globale Richtigkeit dieser Ausführungen hier von manchem<br />
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