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EU-Recht und nationales Verfassungsrecht - Europawissenschaften ...

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Prof. Dr. Martin Nettesheim – FIDE-Bericht 2002 – www.nettesheim.org<br />

die Zielsetzungen des Konvents besteht allerdings keine Einigkeit; überwiegend hält man es<br />

nicht für sinnvoll, dass der Konvent bereits einen Verfassungsvertrag vorlegt. Gering sind<br />

auch die Erwartungen, dass es kurzfristig zum Abschluß eines derartigen Vertrages kommt. 167<br />

Umstritten ist auch die Entwicklung in längerer Perspektive. Die Kernthemen der Diskussion<br />

sind insoweit die Kompetenzordnung, das institutionelle Gefüge <strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>rechte in<br />

der Union. Die bestehenden Positionen sollen im folgenden, gegliedert nach<br />

Parteizugehörigkeit, kurz vorgestellt werden, zunächst jene der gegenwärtigen<br />

Regierungsparteien, sodann jene der gegenwärtigen Oppositionsparteien:<br />

Die Regierungsparteien: Die SPD hat auf ihrem B<strong>und</strong>esparteitag in Nürnberg vom 19. bis<br />

23. November 2001 den europapolitischen Leitantrag (“Verantwortung für Europa”) des SPD-<br />

Vorsitzenden <strong>und</strong> B<strong>und</strong>eskanzlers Schröder mit großer Mehrheit angenommen 168 . Danach<br />

will die SPD in allgemeinen Worten “ein europäisches System der Gewaltenteilung zwischen<br />

EP, Rat <strong>und</strong> Kommission schaffen, welches den Gr<strong>und</strong>sätzen von demokratischer Legitimität,<br />

Effizienz <strong>und</strong> Transparenz entspricht” 169 . Diese Formulierung wurde vom europapolitischen<br />

Sprecher der SPD-Fraktion Gloser näher spezifiziert: Nach Gloser gehe es dabei vorrangig<br />

um den “Ausbau der Europäischen Kommission zu einer starken Exekutive”, die “Stärkung<br />

des Europäischen Parlaments durch die Ausweitung des Mitentscheidungsverfahrens <strong>und</strong> die<br />

Übertragung der vollen Budgethoheit” <strong>und</strong> den “Ausbau des Rates zu einer europäischen<br />

Staatenkammer” 170 . Rat <strong>und</strong> Europäisches Parlament sollten nach Gloser “zu einem<br />

Zweikammernsystem umgebaut werden” 171 . Um dem vor allem französischen Vorwurf eines<br />

europäischen Föderalismus nach deutschem Vorbild zu begegnen, kommt nach Gloser für<br />

eine Übergangszeit ein “öffentlich tagender Rat der Europaminister” in Betracht, “dem eine<br />

Koordinierungsfunktion zukäme” 172 .Bereits 2004 solle der Kommissionspräsident zudem<br />

direkt vom EP gewählt werden 173 .<br />

Auf im wesentlichen gleicher Linie liegt die Rede von B<strong>und</strong>espräsident Johannes Rau, die<br />

dieser am 4. April 2001 vor dem EP gehalten hat 174 : Er schlägt darin die Schaffung einer<br />

europäischen Verfassung vor, die sich in drei Abschnitten gliedert: Die Charta der<br />

Gr<strong>und</strong>rechte als ersten Abschnitt, kompetenzabgrenzende Regeln als zweiten Abschnitt <strong>und</strong><br />

Regeln über das institutionelle Gefüge als dritten Abschnitt. Ohne den deutschen<br />

167 So geht Aussenminister Joschka Fischer von einem “langfristige[n] Zeitraum, weit jenseits der laufenden<br />

Regierungskonferenz” aus. Der europapolitische Sprecher der SPD-B<strong>und</strong>estagsfraktion, Günter Gloser, hält in<br />

der FAZ vom 27.8.2001 eine “umfassende Parlamentarisierung des institutionellen Gefüges der <strong>EU</strong> im Rahmen<br />

der Regierungskonferenz 2004 [für] unwahrscheinlich”. Justizministerin Herta Däubler-Gmelin visiert in ihrer<br />

Rede vor der Humboldt-Universität vom 19. Okt. 2000 (Rd. 47) eine Regierungkonferenz 2004 oder sogar früher<br />

an, ohne aber konkret einen Verfassungsvertrag zu erwarten.<br />

168 Zu finden unter www.spd.de; dazu Kreile, Michael, Zur nationalen Geb<strong>und</strong>enheit europapolitischer Visionen:<br />

Das Schröder-Papier <strong>und</strong> die Jospin-Rede, 24 integration 2001, S. 250.<br />

169 Vgl. den Leitantrag S. 16, ähnlich: Regierungserklärung von B<strong>und</strong>eskanzler Schröder im Deutschen<br />

B<strong>und</strong>estag am 18 Oktober 2001 (14/195).<br />

170 In: Die europäische Integration voranbringen: Zum europapolitischen Leitantrag der SPD, in: 24 integration,<br />

2001, S. 303-307.<br />

171 Gloser, Günter <strong>und</strong> Roth, Michael, <strong>Verfassungsrecht</strong> ist Parlamentsrecht: Eine starke europäische<br />

Gemeinschaft braucht starke Volksvertretungen, in FAZ vom 27. August 2001, S. 8.<br />

172 Ibid.<br />

173 Ibid.<br />

174 Zu finden im Internet unter www.europarl.eu.int.

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