EU-Recht und nationales Verfassungsrecht - Europawissenschaften ...
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50<br />
Prof. Dr. Martin Nettesheim – FIDE-Bericht 2002 – www.nettesheim.org<br />
Bocklet eingerichtet. Diese hat am 26. November 2001 in Berlin “Vorschläge von CDU <strong>und</strong><br />
CSU für einen Europäischen Verfassungsvertrag” vorgelegt 179 . Die Arbeitsgruppe beschäftigt<br />
sich darin vorwiegend mit Fragen der Kompetenzabgrenzung <strong>und</strong> hat zusammenfassend dazu<br />
unter anderem ausgeführt: “Die Europäische Union muß im wesentlichen Zuständigkeiten<br />
haben für die Außen-, Sicherheits- <strong>und</strong> Verteidigungspolitik, für einen einheitlichen<br />
Binnenmarkt mit funktionierendem wirtschaftlichem Wettbewerb, einheitlicher<br />
Außenvertretung <strong>und</strong> gemeinsamer Währung, eine reformierte Agrarpolitik <strong>und</strong> – soweit<br />
grenzüberschreitende Dimensionen gegeben sind – für <strong>Recht</strong>spolitik, innere Sicherheit,<br />
Verkehr, Infrastruktur, Umwelt- <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heitsschutz. Ferner sollte die Europäische Union<br />
eine Zuständigkeit für grenzüberschreitende Regelungen zur Wahrung der Gr<strong>und</strong>freiheiten der<br />
europäischen Verträge haben, ohne dass daraus eine Regelungskompetenz für die gesamten<br />
Sachbereiche hergeleitet werden kann. Demgegenüber sollte gr<strong>und</strong>sätzlich alles, was zu den<br />
gewachsenen Traditionen in Zivilisation <strong>und</strong> Kultur <strong>und</strong> der sogenannten Zivilgesellschaft<br />
gehört, der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten vorbehalten bleiben, also z.B. der innere<br />
Staatsaufbau der Mitgliedstaaten einschließlich der kommunalen Selbstverwaltung,<br />
Familienstrukturen <strong>und</strong> soziale Sicherheit, Arbeitsmarkt, Zuwanderung, ehrenamtliche <strong>und</strong><br />
gemeinnützige Organisationsformen <strong>und</strong> Tätigkeitsbereiche, Bildung, Kultur, Sport.” 180<br />
Aber auch in institutioneller Hinsicht haben sich CDU <strong>und</strong> CSU weitgehend positioniert: Der<br />
Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-B<strong>und</strong>estagsfraktion Friedrich Merz etwa hat im Vorfeld<br />
der B<strong>und</strong>estagsdebatte zur Ratifizierung des Vertrages von Nizza zusammenfassend<br />
folgendes für den Reformprozeß gefordert 181 : Die Gewährleistung der Erweiterungsfähigkeit<br />
der <strong>EU</strong> rechtzeitig vor der nächsten Wahl zum Europäischen Parlament (Juni 2004), eine<br />
Stärkung der Unionsinstitutionen mit einer klaren Gewaltenteilung, die rechtsverbindliche<br />
Verankerung der Gr<strong>und</strong>rechtscharta im <strong>EU</strong>-Vertrag <strong>und</strong> eine Präzisierung der<br />
Kompetenzabgrenzung zwischen der Europäischen Union <strong>und</strong> ihren Mitgliedstaaten in einem<br />
einfacher strukturierten <strong>EU</strong>-Vertragswerk. Der Auffassung Merzens zufolge sind dazu<br />
insbesondere erforderlich: eine parlamentarische Verantwortung der Europäischen<br />
Kommission gegenüber dem Europäischen Parlament; die gleichberechtigte Mitentscheidung<br />
des Europäischen Parlaments bei allen legislativen Vorhaben; die Wahl des Präsidenten der<br />
<strong>EU</strong>-Kommission durch das Europäische Parlament; eine Reform der Ratsarbeit mit dem Ziel<br />
einer höheren Transparenz der Ratsverhandlungen <strong>und</strong> der weiteren Ausweitung des Prinzips<br />
der Mehrheitsentscheidung im Ministerrat.<br />
Über diese Positionen hinaus haben sich einzelne CDU-Mitglieder substantiell zur<br />
Verfassungsdebatte geäußert: Im Hinblick auf die Organisation <strong>und</strong> Funktion des<br />
Europäischen Parlaments hat etwa Friedbert Pflüger, der Vorsitzende des<br />
B<strong>und</strong>estagsausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union, in einer Rede vom<br />
24 April 2001 in der Humboldt-Universität Berlin in bewußter Abgrenzung zu Joschka<br />
179<br />
Im Internet unter www.cdu.de (Politik A-Z, Europapolitik).<br />
180<br />
Unter 1 f), S. 3 f.<br />
181<br />
Im Internet unter www.cducsu.de/TextVersion/index.jsp: Jetzt Europa stärken <strong>und</strong> demokratischer gestalten,<br />
16. Oktober 2001. Vertiefend vergleiche den Beschluss des B<strong>und</strong>esfachausschusses Europapolitik (Vorsitz Elmar<br />
Brok, MdEP): Forderungen der CDU an den europäischen Verfassungsprozess bis 2004. In eine ähnliche<br />
Richtung geht auch Edm<strong>und</strong> Stoiber in seiner Rede “Eckpunkte des europäischen Reformprozesses vor der<br />
Humboldt-Universität am 8.11.2001; zu den institutionelle Reformen S. 16ff; i.ü.: Bauplan Europa statt Methode<br />
Monnet S. 8.